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Die christliche Weltanschauung und die wissenschaftlichen Gegenströmungen.

Von

Prof. Lic. E. Troeltsch.

IV.

Die meisten idealistischen Denker der bisher geschilderten Richtungen glauben ihre Säße über Geist und Natur in der Linie eines panpsychistischen Monismus fortführen zu müssen und den religiösen Glauben an Gott in diesem Sinne verstehen oder mit ihrem metaphysischen System verschmelzen zu dürfen. Es ist die allgemeine moderne Tendenz zum „Monismus“, die hierin zum Ausdruck kommt, und die auch auf dem Boden idealistischer Anschauung bei aller Anerkennung der idealen Lebensmächte der Eigentümlichkeit christlichen Glaubens doch scharf und empfindlich entgegensteht. Die Frage ist hierbei, was denn eigentlich das zum Monismus treibende Motiv sei, und ob dieses Motiv ein unüberwindliches Hindernis für die christliche Weltanschauung, eine ihr schlechthin gegenüberstehende Tatsache sei.

Seine allgemeinste Wurzel ist die Wendung des modernen Lebens und Denkens zur Breite der Wirklichkeit und die Verlegung der Kräfte in das Innere der Dinge und Menschen. Aber hiermit ist nur eine allgemeine Stimmung bezeichnet, die sehr verschiedener Deutung fähig ist. Aus dieser Wendung würde wohl eine Korrektur des überlieferten Supranaturalismus hervorgegangen sein, aber der absolute Monismus mit seiner Einheit von Geist und Natur, Gott und Welt, seiner Vereinerleiung von Ideal und Wirklichkeit, Per

Zeitschrift für Theologie und Kirche, 4. Jahrg., 3. Heft.

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sönlichem und Unpersönlichem würde nicht die notwendige Folge gewesen sein. Ist jene neueröffnete Tatsachen- und Anschauungswelt doch auch von hervorragenden Philosophen in pluralistische Systeme verarbeitet worden. Es sind vielmehr andere Motive, die zu der bloßen veränderten und erweiterten Auffassung des Tatbestandes hinzugetreten sind und diese Tendenz erzeugt haben. Hier treffen wir einmal auf den neuen Naturbegriff und sodann auf die Erneuerung des ästhetischen Geistes der Antike. In dem einen oder dem andern liegen die wirklichen Motive des Monismus, und zwar schließen sich für jeden schärfer Zusehenden die beiden gegenseitig aus.

Das erstere Motiv führt uns wieder in die Nähe des Materialismus zurück, der ebenfalls die monistische Tendenz der Zeitstimmung für sich in Anspruch nimmt. Hier erwächst die spezifisch naturalistische Gestalt des Monismus, deren Eigentümlichkeit darin besteht, daß von der Einheit und geseßlichen Geschlossenheit der Natur ausgegangen wird und in diese alle übrigen Erscheinungen wohl oder übel eingearbeitet werden. Hier ist der Geist nichts anderes als das Bewußtsein der Naturelemente um ihre naturgesetzliche Bewegung und Bestimmtheit; die Natur ist das Primäre und der Geist nur Begleiterscheinung. Die hier zu Grunde gelegte Naturauffassung löste sich zwar seinerzeit erst von den pantheistischen Systemen der Renaissance ab, hat aber ihre eigentümlichen Wurzeln doch wesentlich in den neuen naturwissenschaftlichen Entdeckungen und hat dann erst in der von hier aus gewonnenen mechanisch-materialistischen Gestalt auf die philosophischen Systeme zurückgewirkt und zur Umbildung des phantastischen, neuplatonisch gefärbten Monismus in einen modern naturalistischen angeleitet. Hier beruht denn nun der Monismus auf der Einarbeitung des Geistes in das Gefüge der Naturanschauung, wobei der erstere zum Anhang des letteren werden muß, und die Gesammtgestaltung des Systems auf der einheitlichen Substanz und Geseßmäßigkeit der Natur. Das ist der Fall in dem merkwürdigen, mathematisch-geometrisch orientirten System des Spinoza, dessen eigentümliche Mystik daher auch in scharfem Widerspruch zu den Grundlagen des Systems steht. Das ist ferner der Fall in der

hylozoistischen Gelegenheitsmetaphysik moderner Naturforscher, denen alles nur auf einen geschlossenen Naturzusammenhang ankommt und ihm gegenüber die Selbständigkeit des Geistes nur geringe Schwierigkeiten macht. Die Gegensätze gegen diese dem Materialismus sich annähernde Form des Monismus sind bereits mit dem bisher Entwickelten gegeben. Jede ernstliche und eindringende Erwägung des Verhältnisses von Geist und Natur, die bei der Anerkennung des Geistes überhaupt dann auch unausbleiblich von der Sache gefordert wird, jede Anerkennung von naturüberlegenen, in sich selbst wertvollen Gütern des Geistes und der Persönlichkeit, jede Erfassung der Einheit des Seins in etwas anderem als der bloßen Einheit des mechanischen Gesetzes zersprengt diese Auffassung des Monismus, die nur bei einer bloß scheinbaren Würdigung des Geistes möglich ist. Wo er dem höheren Sinne des Daseins gerecht werden will, macht er daher auch mit plumper Inkonsequenz Anleihen bei anderen Lebensanschauungen, die nur unter ganz anderen Voraussetzungen möglich sind; insbesondere schiebt sich seiner mechanischen Einheitsanschauung meistens die sogleich zu besprechende ästhetische unter. Das ist ganz deutlich bei D. F. Strauß und bei dem schon erwähnten Vortrage Häckels der Fall, der seinen Hylozoismus mit den berühmten Versen Goethes ästhetisch drapirt. Diese naturalistische Gestalt des Monismus darf also durch das bisherige für erledigt gelten. Es sei nur noch darauf hingewiesen, wie gerade die modernste Gestalt der Philosophie und der prinzipielle Anschluß an die Tatsachen im Positivismus zu einem runden Verzicht auf jede Geschlossenheit und Einheitlichfeit einer Gesammtanschauung geführt hat und bei aller weltlich immanenten Grundstimmung doch nur einzelne, an sich nicht auf einander zurückzuführende Wirklichkeitsgruppen anerkennt. Es ist das nur ein weiterer Beweis dafür, daß der Monismus nicht mit den Tatsachen selbst, sondern erst mit einem bei deren Deutung hinzutretenden Motiv gegeben ist.

Wir haben es hier mit der anderen, viel wichtigeren Erscheinung des idealistischen Monismus zu tun, der in der Natur nur die Verkörperung des Geistes erkennt und seine Grundlage in einer bestimmten Anschauung von der das Ganze dieser Geist-Natur

innerlich belebenden und gestaltenden Einheit besitzt. Das hierbei leitende Motiv kann daher nur auf dem Gebiete der Erfahrungen des Geisteslebens liegen. Der Konsequenz des Denkens entspricht nur der ganz allgemeine Trieb nach Einheit, die Einheitsformel selbst stammt aus einem selbständigen Erfahrungsgebiet, dem des Schönen und der Kunst. Das war in der antiken Philosophie der Fall, ebenso verhielt es sich mit dem eigentümlichen Platonismus der Renaissance. Mit vollem Bewußtsein ist aber dieses Motiv erst anerkannt und ausgestaltet worden von der großen Bewegung unserer klassischen Litteratur, die ebendeshalb nach Diltheys Ausdruck ein neues Lebensideal schuf und wirkte wie eine neue Philosophie. Wenn sie sich dabei besonders an Spinoza anlehnte, so hat sie ihn nachweislich aus ihrem Eigenen umgedeutet und nur einen philosophischen Halt für die in ihr gährenden Gedanken gesucht. In Wahrheit liegen vielmehr leibnizische Gedanken zu Grunde, deren schulmäßiger und trockener Theismus nur durch die ästhetische Einheitsidee poetisirt und deren spröder monadologischer Individualismus durch den viel reicheren und lebendigeren künstlerischen ersetzt wurde. Lessing, der es als ein Geheimnis mit ins Grab nahm, Herder und Goethe sind die Väter dieses ästhetischen Monismus, dessen Grundgedanken bereits in dem einleitenden Aufsage dargestellt sind. Hier kommt es nur darauf an, die Eigenart des leitenden Motives klar zu machen, welche bei der allgemeinen Anpreisung des Monismus nur allzu oft übersehen wird.

Jene Litteratur läßt gar keinen Zweifel darüber, daß ihr überwältigender Grundgedanke die Anschauung einer inneren einheitlichen Lebendigkeit des Geistes ist, der sich in der sinnlichen Welt harmonisch entfaltet. Auf ihrer Höhe haben ihre größten Dichter und Denker, Goethe, Schiller und Humboldt, als den innersten Kern dieser Anschauung das hellenische Schönheitsideal erkannt, wie es nicht bloß aus den Schöpfungen der Kunst, sondern auch aus dem Denken und der Lebensführung jenes Volkes einer enthusiastischen Verehrung entgegen zu strahlen und mit dem ursprünglichen Wollen der Natur identisch zu sein schien. Schelling hat in seiner „intellektualen Anschauung“ diesen Schön

heitsgedanken unter dem direkten Einflusse Goethes und der Romantik geradezu zur prinzipiellen Grundlage aller Philosophie gemacht, Hegel hat ihn nur rationalisirt, aber nicht innerlich verändert. Diese Verehrung des klassischen Schönheitsideals als des Schlüssels zu aller Weltanschauung und Lebensansicht hat sich dann verdichtet zur Verehrung Goethes, dessen Erscheinung nach Grimms Meinung auf unser geistiges Leben gewirkt hat wie eine kosmische Veränderung auf die Temperatur des Erdballs. Wenn heute die „Goetheforschung“ in ihm nicht bloß den Dichter, sondern vor allem den Denker und das normale Lebensvorbild, den Weisen, verehrt, so giebt sich in alledem immer nur die Macht jenes Einheitsgedankens kund. Die Einheit der Welt und des Lebens ist darnach kurz und bündig unter die Formel zu bringen, daß sich alles Einzelne zum Ganzen verhält wie der Stoff zu der ihn gestaltenden schönen Form. Das Kunstwerk ist nur die konzentrirte und nachgeschaffene Erscheinung der das All gestaltenden Einheit des Sinnlichen und Geistigen. Das Ganze im Einzelnen und das Einzelne im Ganzen; der Zweck nicht außerhalb, sondern in der Schönheit des Ganzen selbst gegeben; ein beständiges Wirken und Schaffen, aber nicht in der Richtung auf ein erst zu Erreichendes, sondern frei aus dem Innern quellende Harmonie der Bewegung: diese im Schönen gegebene Einheit von Ganzem und Teilen, von Zweck und Tätigkeit empfahl sich dem nach Einheit suchenden Denkbedürfnis. Sie schien dann auch den Rhythmus der naturgesetzlichen Regelmäßigkeit ohne besondere Schwierigkeit in ihren Zusammenhang aufzunehmen und zu erläutern. Zudem und vor allem ergab sich hieraus eine bestimmte, bereits im vorigen Aufsage gestreifte Auffassung vom Sittlichen, das zur Auswirkung der Individualität unter dem Gesichtspunkt des harmonischen Lebenskunstwerkes wurde und die Formel der Einheit des Alls in dem Ideal des von der schönen Form einheitlich gestalteten sinnlichgeistigen Lebens des Individuums wiederholte. Darin fand die moderne Wendung zur Diesseitigkeit und innerweltlichen Betätigung ihre ästhetische Verklärung und idealistisch-metaphysische Begründung. Die unbefangene Natürlichkeit und skrupellose Heiterkeit der Antike schien hier mit modernem Individualitätsbewußtsein

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