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Vorwort.

Dass es ein Wagniss sei, wenige Jahre nach dem 1883 erschienenen tief durchdachten Völuspacommentar Müllenhoffs einen neuen zu veröffentlichen, ist mir wolbewusst, zumal da der meinige zu völlig entgegengesetzten Ergebnissen führt. Trotzdem hätte ich, wie meine Achilleis, auch diese Arbeit dem Andenken meines verstorbenen Lehrers widmen können, da ich glaube, einem seiner philologischen Hauptgrundsätze nicht untreu geworden zu sein, dem Streben nämlich, eine literarische Erscheinung möglichst in ihrer Totalität zu erfassen. Unser Gegensatz, der mich wenigstens mit ihm nicht entzweit, scheint mir durch das gesetzmässige Fortschreiten der Wissenschaft bedingt zu sein, und deshalb hoffe ich, dass der völlig unpolemische Ton meiner neuen Auffassung, auf wie harten Widerstand sie auch namentlich unter meinen Mitschülern stossen möge, einen Widerhall in der Kritik finden werde.

Die schwankende Schreibung des Altnordischen mögen die gestrengen Sprachforscher einem Mythologen um so bereitwilliger verzeihen, als sie selber noch nicht zu einer Einigung über das richtige Schreibverfahren gelangt sind. Es genüge ihnen der Vermerk, dass der eddische Liedertext nach der neuen Ausgabe von Sijmons, die andern nordischen Texte durchweg nach den bekannten Ausgaben wiedergegeben sind.

Bugge's drittes Studienheft lernte ich erst nach Abschluss meiner Arbeit kennen und konnte es deshalb nur noch für einige Anmerkungen verwerten. Beide Arbeiten aber mögen im Verein mit denen Hoffory's, Sijmons', Mogk's, Gerings und so vieler nordischer Gelehrten für die wiedererwachte allseitige Erforschung der beiden Edden nicht ohne Nutzen sein!

Freiburg i/B. 24. Aug. 1889.

Elard Hugo Meyer.

I. Kapitel.

Stand der Untersuchung.

In demselben Jahre 1773, in derselben Stadt Göttingen, wo die Brüder des Haines den Geburtstag Klopstocks voll Bardenlust feierten, veröffentlichten von Schlözer und Ihre einen ersten Band über die Isländische Literatur und Geschichte. Freilich hatte schon Keysler Antiquitates selectae septentrionales et celticae Hannover 1728 christliche Einflüsse namentlich in der Völuspa zu verspüren geglaubt, sowie auch mehrere nordische Gelehrte vgl. die Kopenhagener Eddaausgabe 1787 1, XXVIf. Aber von Schlözer war doch der erste bedeutende Forscher, der die Edda, namentlich allerdings die Prosaedda, von den echten Quellen altnordischen Volksglaubens ausschloss. Ihm aber stand Herder gegenüber, der schon 1772 die Hoffnung auf eine alte schwäbische, sächsische, holsteinische Mythologie ausgesprochen hatte, die vom Geist der Edda voll sei und noch in den Volkssagen und Volksliedern lebe. So nahm er denn auch 1778-79 als Zeugnisse nordischen Volksgeistes die Völuspa, die Vegtamskviða und ein Stück der Havamal in seine Volksliedersammlung, die später sogenannten Stimmen der Völker, auf.

Ein zweiter Zusammenstoss der kritischen und der gläubigen Richtung erfolgte, als Adelung in Beckers Erholungen 1797 I-III, 1803 III die Edda für eine blosse Nachbildung christlicher Ideen erklärte, die frühstens ins vierzehnte Jahrhundert zu setzen sei, und als sich Rühs in seiner Geschichte der Religion, Staatsverfassung und

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