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Gattung des Gnosticismus gehörten jene Sektirer, welche bald darauf in Belgien in den Diöcesen Lüttich und Arras entdeckt wurden. Der Bischof Reginald von Lüttich,1) von dem Bischof Gerard von Cambrai und Arras aufmerksam gemacht, dass sich Irrgläubige in seiner Diöcese fänden, hatte sie verhört, und da sie aus Furcht katholische Gesinnung heuchelten, sie entlassen. Darauf hatten sie durch Sendboten ihre Lehre auch in dem Sprengel von Arras verbreitet. Der Bischof Gerard liess nun diese Sendboten ergreifen, konnte sie aber anfänglich durchaus nicht zu einem Bekenntnisse ihrer Lehren bringen. Besser gelang ihm diess bei den von ihnen Verführten. Diese nannten einen Italiener Gundulf als ihren Meister, wahrscheinlich aber nur diesen allein, weil er bereits entfernt und vor Verfolgungen sicher war. Was sie von dem ihnen beigebrachten Lehrbegriffe angaben, hatte den gnostisch-manichäischen Charakter. Sie nahmen nur das Neue Testament an und verwarfen die Sacramente der Kirche; gegen die der Taufe zugeschriebene Wirksamkeit machten sie insbesondere das gottlose Leben vieler taufenden Priester, den Rückfall der Getauften in die abgeschworenen Sünden und die Glaubensunfähigkeit der kleinen Kinder geltend. Alle in der Ehe Lebenden, sagten sie, seien vom Reiche Gottes ausgeschlossen; der Mensch sollte durchaus keiner fremden Mittel zum Heile, sondern nur der eigenen Gerechtigkeit bedürfen, und für den nach seiner Einweihung Gefallenen sollte es keine Busse geben.2) Dabei verwarfen sie den

1) An diesen ist das Schreiben des Bischofs Gerard mit dem Berichte der von ihm gehaltenen Synode gerichtet. S. Recueil X, 540, Note.

2) Negare lapsis poenitentiam post professionem proficere. Diese Professio kann nur die Aufnahme in die Sekte, die gnostisch-manichäische Einweihung sein. Auch nach der Lehre der älteren Manichäer und Priscillianisten und der späteren Katharer gab es für einen Eingeweihten keine eigentliche Busse, denn er war unsündlich ge

Gebrauch des Kreuzeszeichens, der religiösen Bilder und der Kirchen, die nichts als Haufen zusammengetragener Steine seien, und den Kirchengesang. Dem Bischofe war auch hinterbracht worden, dass sie nur eine Verehrung der Apostel und Märtyrer, nicht aber der Confessoren für statthaft hielten, was wohl den Sinn hatte, dass ihnen nur die Apostel und die ersten Zeugen als Gründer und Glieder der wahren Kirche galten, die Confessoren aber, d. h. die späteren Kirchenlehrer, Bischöfe, Aebte u. s. w., von ihnen als Betrüger oder Betrogene, als die Zeugen und Anhänger der falschen Lehre verworfen wurden.

Mit leichter Mühe gelang es dem Bischofe, diese unwissenden Leute - man musste ihnen die lateinischen Formeln in die Volkssprache übersetzen zu einem scheinbaren Widerruf und zu starken, wohl nur durch die Furcht abgepressten Versicherungen einer aufrichtigen Rückkehr zur Kirche zu bewegen. Die eigentlichen Leiter und Lehrer derselben scheinen aber während dieser Verhandlung im Hintergrunde geblieben zu sein.

Grössere Festigkeit und Hartnäckigkeit zeigten dagegen die verwandten Irrgläubigen, welche im J. 1028 (oder 1030) auf dem Schlosse Monteforte in der Nähe von Turin sich zu einer Gemeinde vereinigt hatten. Was der Geschichtschreiber Landulf nach den Aussagen des Vorstehers Gerard von den Lehren dieser Gesellschaft berichtet, verräth zum Theil den gemeinsamen gnostischmanichäischen Charakter, zum Theil aber ist es, vielleicht durch Gerard's Absicht, dunkel, oder von Landulf missverstanden. Die Häretiker selber behaupteten, nicht zu zu wissen, aus welchen Gegenden ihre Lehre nach Italien gekommen sei, entweder weil sie dieselbe von einer anderen in Italien schon bestehenden Gemeinde empfangen und nur im Allgemeinen gehört hatten, dass sie aus

worden, und wenn er dennoch in eine Sünde fiel, so war diess eben ein Beweis, dass seine Einweihung nichtig und ungültig gewesen.

dem Orient herübergebracht worden sei, oder weil sie, um weitere Nachforschungen zu verhüten, sich unwissend stellten.1)

Die geschlechtliche Enthaltung hielten sie für so nothwendig zum Heil, dass auch die Verheiratheten unter ihnen mit ihren Frauen nur wie mit ihren Müttern oder Schwestern lebten oder sich von dem Vorsteher die Erlaubniss ertheilen liessen, zur grösseren Sicherheit sich von ihren Gattinnen zu trennen. Die Vermischung der beiden Geschlechter und den dazu reizenden Trieb betrachteten sie vorzugsweise als das Verderben, die Corruption. Wenn alle Menschen, sagte Gerard, ohne jene böse Begierde zu empfinden oder sich derselben vollständig erwehrend, sich verbänden, dann würde das menschliche Geschlecht, wie die Bienen, 2) ohne Beischlaf sich fortpflanzen. Gleich den übrigen Gnostikern verwarfen sie alle Sacramente, verschmähten jeglichen Fleischgenuss und rühmten sich, strenge Fasten und ein Tag und Nacht fortdauerndes Gebet zu beobachten, welches abwechselnd, wahrscheinlich bloss von den Vollkommenen in der Sekte, verrichtet wurde. Diese waren es auch wohl nur, welche, wie Gerard angab, allem eigenen Besitz entsagt hatten. Ein gewaltsamer Tod galt ihnen als der sicherste, ja, wie es scheint, als der einzige Weg zur Seligkeit; desshalb hegten sie nicht nur die heftigste Begierde, für ihren Wahn das Märtyrerthum zu erleiden, sondern sie liessen sich auch, wenn sie krank wurden, um nur nicht eines natürlichen Todes zu sterben, von ihren Freunden oder Verwandten umbringen. Wahrscheinlich hielten sie eine gewaltsame Zerstörung

1) Landulfus Sen. Hist. Mediolan. bei Muratori, Scr. Ital., IV, 88 ff.

2) Nach der alten, schon bei Aristoteles, Virgilius und Plinius erwähnten Vorstellung, dass die Bienen ohne Geschlechtsverbindung, bloss durch den eingesogenen Saft der Blätter und Blumen imprägnirt würden.

des Lebens, eine Unterbrechung des Naturlaufes zur Befreiung des Geistes aus dem Kerker des zum Gebiete des Satans gehörigen Leibes, für nothwendig, und meinten, dass der Geist, der nur nach den vom Satan in seine Schöpfung gelegten natürlichen Gesetzen durch Krankheit oder Altersschwäche aus dem Körper entweiche, doch unter der Herrschaft des Satans bleibe und von diesem zur Einkehr in einen anderen Körper genöthigt werde. Wir erkennen aber hier die erste rohere Form der nachmals bei den Katharern ausgebildeten Endura.

Wenn in dem Berichte Landulfs nicht Missverständnisse liegen, so hat die häretische Genossenschaft zu Monteforte die Grundlehren des Christenthums zu Allegorien und Mythen verflüchtigt. Gerard versicherte zwar, dass sie den Vater, den Sohn und den heiligen Geist bekännten, erläuterte diess aber sofort dahin, dass der Sohn der von Gott geliebte Menschengeist, der heilige Geist aber das alles leitende und beherrschende Verständniss der göttlichen Lehren sei; Christus sei durch Empfängniss vom heiligen Geiste geboren aus der Jungfrau, heisse nichts anderes, als: das höhere Leben des Geistes werde aus der heiligen Schrift mittels der erleuchteten Einsicht in ihren Inhalt geboren. Wenn diess auch an die bogomilische Lehre erinnert, dass jeder Gläubige, in dem der heilige Geist wohne, ein Gottesgebärer sei, so ist es doch auffallend, dass diese Häretiker so weit gegangen sein sollten, die ganze Persönlichkeit und Geschichte Christi zu einer blossen Allegorie der menschlichen Seele und ihrer religiösen Entwicklung zu machen 1); darin müssten

1) Als erläuternde Parallele könnte die Lehre des Daniel Müller und der von ihm gestifteten. Sekte (im Nassauischen) dienen, dass der Menschengeist, der mit Gott völlig eins sei, Christus genannt werde, sofern er in menschlicher Erniedrigung vieles dulden und leiden müsse; dass das Geborenwerden von einer Jungfrau nur die Entwicklung der bisher umhüllten reinen Lehre anzeige, und dass das Leiden Christi eben nur die Verfolgungen und Verunstaltungen be

wir dann eine bedeutende Abweichung von den gnostischen Hauptparteien jener und der folgenden Zeit erkennen. Nun standen sie aber doch in einem auch äusseren Zusammenhange und in gesellschaftlicher Verbindung mit anderen Gemeinden, denn sie hatten ein Oberhaupt, einen Papst, der, sagten sie, nicht der römische sei, sondern stets herumwandernd ihre zerstreuten Brüder besuche und (durch das Consolamentum) ihnen die Sündenvergebung ertheile. Man hat diess von dem heiligen Geiste verstehen wollen, der das unsichtbare Band ihrer Gemeinschaft gebildet 1); es ist aber offenbar ein wirklicher menschlicher Papst gemeint, wie schon die Entgegensetzung gegen den römischen Papst und der Zusatz, dass jener keine Tonsur trage, zeigt. Auch wollten die Häretiker sicher nicht sagen, dass der heilige Geist, d. h. das richtige Verständniss der heiligen Schrift, die zerstreuten Brüder besuche und ihnen die Sünden nachlasse, sondern sie schrieben die Sündenvergebung ohne Zweifel, gleich den übrigen Sektirern, der Händeauflegung ihres herumreisenden Oberhauptes zu. Standen nun aber diese Gnostiker zu Monteforte in einer solchen Verbindung mit anderen gleichartigen Genossenschaften, so können sie auch in einer Lebensfrage, wie die von der Existenz und Persönlichkeit Christi ist, von den übrigen nicht so völlig abgewichen sein; und es ist daher immerhin sehr wahrscheinlich, dass sie Christum für ein den menschlichen Seelen verwandtes, aus Gott, gleich diesen, emanirtes Wesen hielten und in diesem Sinne sagten, Christus sei der vorzugsweise von Gott geliebte Menschengeist, d. h. der dem menschlichen wesensgleiche Geist.

Der Erzbischof Heribert, der durch abgesandte Bewaffnete die Häretiker und unter ihnen auch die Gräfin

deute, denen die reine göttliche Lehre häufig ausgesetzt gewesen. S. E. F. Keller, Daniel Müller, ein merkwürdiger religiöser Schwärmer des 18. Jahrh., in Illgens Zeitschr. f. hist. Theol. IV, 2, 254.

1) Neander, Kirchengesch. IV, 679.

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