menschlichen Geschlechte lastete das tyrannische Joch Satanaëls; jenem Vertrage zuwider, wusste er die Menschen dem guten Gott völlig zu entfremden, so dass nur sehr wenige, nämlich die in den Geschlechtsregistern bei Matthäus und Lukas Genannten und sechzehn Propheten, auf den Antheil des Vaters und in den Rang der Engel kamen. Spät endlich entdeckte der himmlische Vater, dass er hintergangen und verkürzt werde; zugleich fühlte er Erbarmen mit der schmählich misshandelten und in Knechtschaft gehaltenen menschlichen Seele, seinem eigenen Hauche. Er liess daher im J. 5500 den göttlichen Logos als seinen Sohn aus sich hervorgehen, der auch der Erzengel Michael oder der Engel des grossen Rathes genannt wird. Erzengel heisst er, weil er göttlicher ist als alle Engel, Jesus, weil er alle Schwäche und Krankheit heilt, und Christus, weil er dem Fleische nach gesalbt worden. Dieser Logos stieg vom obern Himmel herab, ging durch das rechte Ohr in die Jungfrau ein und nahm einen scheinbar irdischen, dem menschlichen. gleichen Körper an; in Wahrheit aber brachte er einen feineren, geistigen Leib, wie er der Gottheit würdig ist, mit herab. In derselben Weise ging er auch wieder von der Jungfrau aus; diese aber bemerkte weder seinen Eingang noch seinen Ausgang, sondern fand ihn plötzlich in Windeln gehüllt in der Krippe liegen. Er vollbrachte nun die ihm gegebene Sendung, that und lehrte das in den Evangelien Verzeichnete, nur dass er allen menschlichen Leiden und Affekten bloss scheinbar unterworfen war, nur dem Scheine nach starb und auferstand. Den Satanaël überwand er, machte den Abtrünnigen zu Schanden und schloss ihn gefesselt in den Tartarus ein; seinen Namen aber veränderte er, mit Wegnahme der die höhere Natur bezeichnenden Sylbe El, in Satan. Zum Vater heimgekehrt, nahm er zu dessen Rechten die Stelle ein, welche Satanaël ehemals besessen; dann aber ging er zurück in das Wesen des Vaters, in welchem er von Anfang an beschlossen und von dem er emanirt war. Christus wollte die Herrschaft, welche die gefallenen Geister über die ganze niedere Welt besitzen, umstürzen; aber der Vater gestattete ihm das nicht, denn es liegt in seiner Ökonomie, ihrer noch zu schonen und sie bis zum Ende des Zeitenlaufes walten zu lassen. Daher ist es auch gut und rathsam, diese gebietenden Dämonen, welche vorzugsweise in den von Menschenhänden gemachten Tempeln (den christlichen Kirchen) wohnen, zu verehren und anzubeten; denn sie haben eine gewaltige und unüberwindliche Macht zu schaden, welcher auch selbst Christus und der heilige Geist nicht zu widerstehen vermögen. Nach der Angabe des Basilius stand daher in dem Evangelium der Bogomilen das Wort des Herrn: „Ehret die Dämonen, nicht damit sie euch nützen, sondern damit sie euch nicht schaden." Solche Dämonen wohnen aber allen Menschen inne, und sie sind eigentlich die Urheber aller von diesen begangenen Verbrechen und Frevel; selbst nach dem Tode bleiben sie im Leichnam oder bei dem Grabe und erwarten die Auferstehung, um auch in der Strafe mit dem, welchem sie im Leben innegewohnt, verbunden zu bleiben. Nur vor den Bogomilen fliehen diese Dämonen und halten sich von ihnen auf Bogenschussweite entfernt; denn sie nur sind die wahren Gläubigen, welchen nicht ein Dämon, sondern der vom Sohne gezeugte heilige Geist innewohnt, und darum ist und heisst jeder Bogomile mit Recht Gottesgebärer (9ɛotóxos), denn er trägt den göttlichen Logos in sich und gebiert ihn, indem er andere lehrt. Darin liegt auch der Grund, warum die Bogomilen nicht, gleich den übrigen Menschen, eigentlich sterben, sondern nur wie im Schlummer umgewandelt werden, indem sie ohne Schmerz und ohne Mühe das schmutzige Gewand des hinfälligen Fleisches abwerfen und das göttliche Gewand Christi, d. h. einen solchen ätherischen Leib, wie Christus ihn auf Erden getragen, anlegen. Während also die Gläubigen mit Christus Eines Leibes und Einer Gestalt (ovooμm xaì ovμμoogo) werden und durch die Engel, die Apostel, geleitet, sogleich in das Reich des Vaters eingehen, fällt der abgelegte Körper, diese unreine Umhüllung, dieses Gefängniss der Seele, sofort der Verwesung anheim und wird nie wieder hergestellt. Da die Bogomilen die Taufe der Katholiken als die blosse Wassertaufe des Johannes verwarfen und dagegen ihren Aufnahmeritus für die wahre Taufe Christi, die durch den heiligen Geist geschehe, erklärten, so wurde jeder, der zu ihnen übertrat, nochmals getauft. Dieser sogenannten Taufe, die aber ohne Anwendung von Wasser vollzogen wurde, musste ein Sündenbekenntniss zur Reinigung und anhaltendes, sieben Tage und sieben Nächte fortzusetzendes Gebet vorangehen. Der Aufzunehmende durfte in dieser Zeit sein Gewand nicht wechseln und sein Weib nicht berühren. Dann musste er sich feierlich verpflichten, das zu Offenbarende niemandem mitzutheilen: meist musste er auch eine Handschrift -ausstellen, dass er nie mehr zur katholischen Kirche zu rückkehren wolle. Sofort legten sie ihm das Evangelium Johannis auf das Haupt, riefen ihren heiligen Geist an und beteten das Vaterunser. Nun folgte eine zweite Prüfungs- und Vorbereitungszeit zu besserer Reinigung und sorgfältigerer Gebetübung; nach Verlauf derselben und auf die Versicherung anderer, dass er alles beobachtet und fleissig gerungen habe, wurde der Proselyt zur vollständigen Einweihung (teλetwσts) geführt: man wendete ihn gegen Osten, legte ihm wieder das Johannes-Evangelium auf das Haupt, die anwesenden Männer und Weiber legten ihm die Hände auf und sangen einen Dankhymnus. Die Eucharistie verwarfen sie; sie sei, sagten sie mit Berufung auf Jesaja 65, 11, ein Opfer, welches den in den Kirchen wohnenden Dämonen dargebracht werde; das Brod der Gemeinschaft sei das Gebet des Herrn und insbesondere die Bitte um das Brod, und die letzten Reden Christi im Evangelium, welche er seinen Jüngern als Testament hinterlassen, seien der Kelch der Communion : die Theilnahme an beiden sei das einzige von Christo verordnete Abendmahl. Auch die Ehe wurde als ein unreines Verhältniss verworfen; die Worte Christi, dass die Auferstandenen weder freien noch sich freien lassen würden, sollten dafür zeugen; denn unter der Auferstehung sei die Sinnesänderung und das Reich des Evangeliums gemeint. Hielt man ihnen den Ausspruch des Herrn, dass der Mann sich nicht von seinem Weibe trennen solle, entgegen, so antworteten sie, diess sei ein Geheimniss, welches nur der verstehe, der sich des Fleisches und des fleischlichen Sinnes zu entschlagen wisse. Die Kirchen der Katholischen galten ihnen als Wohnstätten der bösen Geister, die sich nach ihrer Rangordnung dieselben erkoren hätten; Satanaël selbst habe ehemals den Tempel zu Jerusalem und später die Sophienkirche zu Constantinopel zu seiner Wohnung genommen; Gott aber wohne im Himmel und nicht in den von Menschenhänden erbauten Tempeln. Das Kreuz und dessen Zeichen verabscheuten sie als das Todeswerkzeug des Erlösers. Dass die Energumenen einen solchen Abscheu vor dem Kreuze zu bezeigen pflegten, erklärten sie als eine List der Dämonen, die dadurch bewirken wollten, dass die Menschen das Kreuz als ein vermeintliches Schutzmittel gegen die bösen Geister desto mehr ehrten. Wie sie die Bilderverehrung für baaren Götzendienst erklärten, so priesen sie dagegen die Ikonoklasten, besonders den Kaiser Constantin Kopronymus, als Rechtgläubige. Die in der Kirche als Heilige verehrten Väter und Bischöfe waren ihrer Versicherung nach unter der Leitung und Belehrung der Dämonen gestanden, die noch immer an den Gräbern derselben weilten und dort durch die Wunder, die sie wirkten, die Unwissenden täuschten und zur Anbetung dieser unreinen Menschen anlockten. Insbesondere wurden Gregorius der Theologe, Basilius und Chrysostomus als die falschen Propheten genannt, vor welchen Christus gewarnt habe. Dem letzteren, den sie durch den Namen qvooóorouos schmähten, gaben sie Schuld, er habe die Exemplare des Neuen Testaments gefälscht und mehrere von den Bogomilen als Äusserungen Christi angeführte Sprüche ausgetilgt. Kein anderes Gebet hatten sie, als das, mit einer gewissen Anzahl von Kniebeugungen, siebenmal des Tages und fünfmal in der Nacht wiederholte Vaterunser; dieses Gebet sei der feste Grund, von dem die Schrift rede, und sie seien der kluge Mann, der auf diesen festen Grund sein Haus baue; jede sonstige Gebetsübung sei leeres, nach Christi Ausspruch nur den Heiden ziemendes Geschwätz. Nebst dem Verbote des Fleischgenusses wurde noch ein dreimaliges Fasten wöchentlich, bis Nachmittags 3 Uhr, beobachtet. Übrigens hielten sie es für erlaubt, sich etwaigen Verfolgungen durch Trug und Verstellung zu entziehen: habe doch auch der Herr selbst mit den Ungläubigen in Parabeln, d. h. in List und Verstellung geredet, um sie die Gedanken seines Herzens nicht erkennen zu lassen. Dabei beriefen sie sich auf den Ausspruch Christi hinsichtlich des Verhaltens gegen die Pharisäer und Schriftgelehrten, die auf dem Stuhle Mosis sässen; in ihrem Evangelium lautete aber dieser Ausspruch so: „Alles, was sie euch zu thun gebieten, das thut in Verstellung: nach ihren Werken aber thut nicht in Wahrheit. Sie nahmen daher unbedenklich Theil am katholischen Gottesdienst, selbst an den Sacramenten, traten aber dann die öffentlich empfangene Communion im Geheimen mit Füssen und wuschen die Taufe, die ihren Kindern in Kirchen ertheilt worden, mit unreinem Wasser unter besonderen Gebräuchen ab. Die Gemeinde der Bogomilen sollte die reine und |