ein Weib als ihr erstes Kind kürzlich geboren hatte, zu, und derjenige, in dessen Armen der Knabe den Geist aushauchte, wurde als das Oberhaupt aller verehrt. Bei ihm, den sie zweideutig den erstgebornen Sohn nannten, pflegten sie dann zu schwören, auch mit der Formel: „Zeuge sei dir die Herrlichkeit dessen, in dessen Hände der erstgeborene Sohn seinen Geist übergeben hat." Wahrscheinlich lag dabei die Vorstellung zu Grunde, dass die Seele dieses Kindes in den Körper desjenigen, in dessen Armen es gestorben, übergegangen und nun als höherer Geist mit seiner eigenen Seele zu einer Syzygie verbunden sei. Nach dem Berichte des Johannes pflegten sie auch den Leichnam eines bei ihren Mysterien getödteten Kindes unter dem Dachgiebel eines Gebäudes zu verbergen und sich dann mit Beziehung darauf der doppelsinnigen Betheuerungsformel zu bedienen: „Der Höchste weiss es!" " Ob die Sekte der Thondrakier, welche gegen die Mitte des neunten Jahrhunderts in Armenien sich ausbreitete, aus jenen Paulicianern hervorgegangen sei oder sich mit denselben verbunden habe, ist nicht ganz klar. Ihr Gründer, der Armenier Sembat, hatte sich mit den Lehren der verschiedenen manichäischen oder Paulicianischen Gemeinden vertraut gemacht und dann im Umgange mit einem persischen Arzte Medschusik, der sich zugleich mit Magie und Astrologie beschäftigte, noch andere Meinungen angenommen. Sembat liess sich in dem südöstlich vom Euphrat gelegenen Flecken Thondrak nieder, nahm äusserlich den Schein eines eifrigen Christen an, gab sich, ohne geweiht zu sein, für einen Priester aus und brachte es (zwischen den Jahren 833 und 854) dahin, dass alle Einwohner des Fleckens sich zu seiner Lehre bekannten. Es wurde nun eine geheime geschlossene Verbrüderung errichtet; man verpflichtete sich, die Geheimlehre des Bundes niemanden als nur den Eingeweihten zu eröffnen und durch ausgesandte Glaubens boten für vorsichtige Verbreitung der Sekte und Gewinnung zahlreicher Anhänger Sorge zu tragen. Diese Sendboten wurden angewiesen, jedesmal die Rolle zu spielen, welche der Gesinnung und Neigung desjenigen, den sie eben bearbeiteten, am besten zusagte; bei den Sinnlichen sollten sie die der Befriedigung der sinnlichen Gelüste günstige Seite ihres Systems hervorkehren, bei den Frommen und Strenggesinnten die Larve der Frömmigkeit und des sittlichen Ernstes vornehmen, bei den Manichäern oder Paulicianern auf die Lehre von den zwei ewigen Principien das grösste Gewicht legen. Diejenigen, welche, dadurch gewonnen, für weitere Mittheilungen reif schienen, machte man dann allmählich mit den eigentlichen Geheimlehren der Sekte bekannt. Diese waren: Verwerfung aller für geoffenbart sich ausgebenden Religionen, Leugnung der individuellen Fortdauer nach dem Tode und der Regierung der Welt durch die göttliche Vorsehung, sowie des Unterschiedes zwischen sittlich Gutem und Bösem. 1) Die Thondrakier versammelten sich zuweilen in abgesonderten Gebäuden zu angeblichem Gebete; die Katholischen aber glaubten, dass hier geheime Unzucht getrieben werde, wesshalb Aristakes der Lastiwerdier diese Gebäude Hurenhäuser nannte. Dem Stifter und ersten Oberhaupt der Sekte, Sembat, folgte eine Reihe von Vorstehern in ununterbrochener Folge: Thokros, Ananias, Ankai, Sergius, Cyrillus, Joseph, Jesu und endlich Lazarus. Ausser dem Flecken Thondrak wurden auch Thulail im Distrikte Mananachi von Hocharmenien und Chnun, wahrscheinlich die heutige Bergstadt Chnus im Paschalik Erzerum, Hauptsitze der Thondrakier. Sie selber nannten sich Gascheziks, von dem Volke aber wurden sie wegen des dualistischen Elements 1) Diese und die folgenden Nachrichten über die Thondrakier, die aus Tschamtscheans Geschichte Armeniens (Tom. II p. 884-895) geschöpft sind, verdanke ich der Mittheilung des Prof. K. Fr. Neumann. in ihrem Systeme Manichäer genannt. Doch herrschte auch unter ihnen nicht völlige Einheit des Lehrbegriffes; vielmehr bildeten sich innerhalb der einen Sekte wieder einzelne durch dogmatische Zwiste verursachte Parthei ungen. Was an allen vorzüglich auffiel und offen von ihnen bekannt wurde, war die Verachtung der Sacramente und aller kirchlichen Handlungen. Als das Oberhaupt der Thondrakier, Cyrillus, einst eine Gemeinde in der Kirche zum Empfange der Communion versammelt sah, rief er aus: „O thörichte, eitle Hoffnung der Christen! Meint ihr denn in der That, dass diese Ceremonie euch irgendwie nützen könne ?" Die kirchlichen Censuren, welche die armenischen Bischöfe gebrauchten, blieben bei den Thondrakiern, die des Bannes spotteten, wirkungslos; da begannen die weltlichen Behörden, durch die Bischöfe gemahnt, mit schärferen Mitteln einzugreifen. Mehrere Thondrakier wurden verbrannt, andere erdrosselt oder ans Kreuz geschlagen; wieder andere wurden mit Schlägen gezüchtigt oder gebrandmarkt. Aber die Sekte erhielt sich dennoch in ungeschwächter Kraft, weshalb der Katholikus Ananias um das Jahr 945 einen gleichnamigen Vartaped beauftragte, ihre Lehren in einem eigenen Buche zu widerlegen. Schon in den nächsten Jahrzehnten überzogen indess die Thondrakier ganz Armenien und knüpften auch in Mesopotamien Verbindungen an. Selbst ein armenischer Bischof Jakobus trat um das Jahr 1002 zu ihnen über und gewann durch die Autorität seines Namens und durch den Schein eines strengen und enthaltsamen Lebens viele andere, auch mehrere Priester. Auch er und seine Anhänger richteten ihre Angriffe vorzüglich gegen die Sacramente und den Gottesdienst der Kirche; die Communion, lehrten sie, Andacht und Gebete nützten nichts zur Vergebung der Sünden; alles komme auf die eigenen Werke an. Bei den Armeniern herrschte die Sitte, als Oblation bei den Exequien für Verstorbene auch Thiere darzubringen, die dann geschlachtet und zu einem Liebesmahle, an welchem man auch Arme theilnehmen liess, zugerichtet wurden. Jakobs Anhänger nahmen einst ein solches Thier weg und riefen: Du armes Thier! mag der Verstorbene zu seiner Zeit gesündigt haben, aber was hast denn du gethan, dass du mit ihm sterben sollst?" Einer der von Jakob verführten Priester, Isaias, fiel von ihm ab und offenbarte dem Katholikus Sergius alles, was er von den Ansichten, Lehren und Thaten seines Meisters wusste. Sergius bemächtigte sich hierauf Jakobs durch List, degradirte ihn von seiner bischöflichen Würde, liess ihn dann in den Strassen umherführen und durch einen Herold, der ihn begleitete, ausrufen: „Wer immer von dem Glauben der Kirche Christi zu den gottlosen Thondrakiern sich schleichen, wer aus der menschlichen Gesellschaft in einen Viehstall sich begeben wird, dem soll solche Vergeltung widerfahren." Jakob entwich indess aus seinem Gefängnisse und klagte in Constantinopel, ging dann nach Armenien zurück, sammelte wieder Gleichgesinnte um sich, vereinigte sich endlich in Muwark, dem alten Martyropolis (seit Justinian Justinianopolis genannt), mit anderen Manichäern und starb um das Jahr 1003. Kurz nachher erhoben sich die Thondrakier von neuem; der Mönch Gudsig aus dem Gebiete von Mananali in Hocharmenien schloss sich ihnen nebst einigen reichen und angesehenen Frauen an. Die Bewohner von zwei im Gebiete von Mananali gelegenen Ortschaften, Gascheh und Achüsoi, nahmen, dem Beispiele ihrer Herrschaft folgend, die Lehre der Thondrakier an, worauf die Kirchen geschlossen und alle Kreuze zerschlagen wurden. In einem andern Orte desselben Distriktes, in Bassmachbür befand sich ein von der ganzen Umgegend hochverehrtes Kreuz, von welchem der Ort den Namen Kreuzes stadt (Chatschewan) erhalten hatte; in einer Nacht wurde es von den Thondrakiern zertrümmert. Da stellte sich der Bischof der Diöcese, Samuel, an die Spitze einer Schaar von Gläubigen, verbrannte die Wohnungen der Sektirer und nahm sechs ihrer Lehrer oder Vorsteher gefangen, die dann der Katholikus Sergius mit dem Bilde eines Fuchses auf der Stirne brandmarken liess. Einer der an ihrem Eigenthume Beschädigten, Verwech, dessen Bruder am kaiserlichen Hofe in Ansehen stand, beschwerte sich; es erschien ein kaiserlicher Richter Elias, der den Bischof Samuel gefangen setzen liess, aber doch, durch die Aufregung der Katholischen bewogen, Massregeln zur Unterdrückung der Thondrakier anordnete. Zu dem kaiserlichen Statthalter in dem Byzantinischen Antheil von Mesopotamien, Gregorios Magistros, kamen im Jahre 1050 zwei Priester oder Vorsteher der Thondrakier, welche ihre Irrlehren bekannten und sich taufen liessen. Zugleich nannten sie ihm alle in seiner Statthalterschaft befindlichen Anhänger der Sekte. Diese und alle derselben Gesinnung Verdächtigen vertrieb Gregorios alsbald, zog dann mit Truppen nach Thondraki, liess den Versammlung sort der Sekte niederreissen und eine dem h. Georg geweihte Kirche auf dessen Stätte erbauen. Der Vorsteher der Thondrakier, Lazarus, musste mit vielen anderen entweichen. Die Folge war, dass gegen tausend Thondrakier sich im J. 1051 taufen liessen; andere wandten sich nach Syrien an den dortigen Katholikus mit der Bitte, sie gegen die Verfolgungen des eifrigen armenischen Fürsten zu schützen. Wir sind Armenier, sagten sie, aus demselben Stamme Arams, wie die übrigen Söhne Haiks, wir haben dieselben Gesetze und denselben Glauben, und werden jetzt bloss aus Neid verfolgt. Auf die schriftliche Verwendung des Katholikus erwiderte Magistros unter anderem: „Unsere Geistlichen wollten in keiner Weise mit diesen Ketzern zu schaffen haben; sie wollten ihnen nicht nahe kommen, |