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mittheilen, gestatten nur einige Hauptpunkte derselben mit Sicherheit aufzufassen; mehrere Mittelglieder fehlen, welche durch Vermuthungen oder von anderen ähnlichen Sekten hergenommene Analogien ausfüllen zu wollen allzu gewagt sein würde.

Die Grundlehre des Paulicianischen Systems war ein schroffer und absoluter Dualismus. Der gute Gott, der himmlische Vater ist nur Schöpfer und Herr einer höhern Welt, des obern Jerusalem (nach Gal. 4, 26) oder des künftigen Reiches, und hat daher in dieser niedern Welt keine Gewalt. Diese hat der böse Gott hervorgebracht, der Gott dieser Welt", wie ihn Paulus (2. Kor. 4, 4) nennt, welcher als ihr Schöpfer sie auch beherrscht. Wenn sie sagten, dieser böse Demiurg sei aus der Finsterniss und dem Feuer geworden, so nahmen sie wohl, gleich ältern Gnostikern, eine von Ewigkeit existirende, das Böse als Keim in sich beschliessende Hyle an, aus der sich dann dieses Böse als selbstbewusste Persönlichkeit entwickelte. Wenn ferner, nach der Angabe des Photius, ein Theil der Paulicianer auch den Himmel und was darin ist für ein Erzeugniss des Bösen erklärte, so war damit der niedere, zur sichtbaren Welt gehörige Himmel gemeint, der allerdings als Theil der satanischen Schöpfung nur das böse Princip zum Urheber haben konnte. Die Paulicianer erkannten übrigens wohl, dass dieser Dualismus die grosse Kluft sei, die sie von den Katholiken scheide. Was ist es denn, sagten sie, was uns von den Römern trennt? diess, dass wir in dem Weltschöpfer einen andern, von dem Herrn des Himmels verschiedenen Gott erkennen; dass, während ihr an diesen Weltschöpfer glaubt, wir dagegen an den glauben, von welchem der Herr (Joh. 5, 37) sagt: „Ihr habt weder seine Stimme gehört noch sein Antlitz geschaut." 1)

Wie die ganze sinnliche Welt, so ist auch der

1) Petrus Siculus p. 16.

menschliche Leib ein Erzeugniss des bösen Gottes, mit welchem die von dem guten geschaffene Seele unter dessen Zulassung verbunden worden ist. So ist die Seele in dem Kerker des ihr ganz fremdartigen, feindlichen und einer andern Schöpfung angehörigen Leibes eingeschlossen, und das Günstigste, was ihr widerfahren könnte, wäre, recht bald aus demselben entlassen zu werden, das Schlimmste aber, wenn sie nach der Befreiung wieder an diesen ihren Feind gefesselt würde.1) Denn der Leib ist für den Menschen Sitz und Quelle des Bösen, und was ihm, wie die Speise, Kraft und Nahrung gewährt, das ist Aussaat der Sünde.2)

In einem Sendschreiben des Sergius fand sich die von Petrus und von Photius aufbewahrte Äusserung: „Die erste Hurerei, welche uns von Adam anklebt, ist eine Wohlthat; die zweite aber ist eine grössere Hurerei, von welcher auch der Apostel (1. Kor. 6, 18) sagt: Wer hurt, sündigt gegen seinen eignen Leib.' Wir sind der Leib Christi, und wenn jemand abfällt von der Überlieferung des Leibes Christi, d. h. von der meinigen, so sündigt er, indem er zu falschen Lehrern übergeht und der gesunden Lehre widerstrebt.“ Hienach scheinen die

Paulicianer, gleich den Manichäern, den Bogomilen und den abendländischen Katharern, unter der verbotenen Frucht, von der die Menschen genossen, die geschlechtliche Verbindung verstanden zu haben, und da sie jenes Verbot nur dem Demiurgos zuschreiben konnten, so mochte ihnen die Übertretung desselben als ein Act der Emancipation von der tyrannischen Herrschaft des Satan, folglich als eine Wohlthat gelten. Aber in den Worten des Sergius scheint noch der Gedanke zu liegen, dass auch die fortgesetzte Ausübung jener durch Adam zuerst eingeführten Unzucht etwas Gutes und Wohlthätiges sei,

1) Photius adv. Man. II, 270-271.

*) πονηρίας γεώργιον. Photius II, 160. Dollinger, Geschichte der Sekten.

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und so hat es auch Petrus von Sicilien verstanden. Indess liesse sich mit einer solchen antinomistischen Lehre nicht wohl die Thatsache vereinigen, dass Sergius als Reformator gegen Baanes und die durch diesen begünstigte Sittenlosigkeit auftrat und eben dadurch eine Spaltung bewirkte. Jedenfalls ist klar, dass er die Worte Pauli von der Sünde gegen den eigenen Leib von der Versündigung gegen den kirchlichen Leib, welche ein Glied desselben durch Losreissung und Verfälschung der Lehre begehe, verstanden wissen wollte.')

Wie die Paulicianer sich den Ursprung der menschlichen Seelen dachten, ob durch Schöpfung des guten Gottes oder durch Emanation aus ihm und Abfall von ihm, ist nicht klar; doch lehrten sie nicht, gleich andern, eine gänzliche Verfinsterung alles Gottesbewusstseins vor Christus; sie sagten mit Beziehung auf Joh. 1, 9, der Gott der Geisterwesen erleuchte jeden Menschen, der in die Welt komme, und auch diejenigen, welche sich freiwillig dem bösen Gotte hingegeben hätten, könnten in ihrer Verfinsterung sich noch einem Strahle der Wahrheit zuwenden, da der gute Gott immer gewesen, immer sei und immer sein werde.2)

Aber eine eigentliche Offenbarung an die Menschen fand vor der Erscheinung Christi nicht statt. Die Paulicianer verwarfen das ganze Alte Testament, das Gesetz und die Propheten als die Offenbarung des Demiurgos;

1) Neander (K.-G. III, 525) meint: es lasse sich von Sergius nicht erwarten, dass er die Worte des Paulus an und für sich von der geistigen Hurerei, dem Abfall von der reinen Lehre, verstanden haben sollte, was gar zu widersinnig wäre." Mir scheint, dass eine solche Deutung ganz dem exegetischen Geiste dieser Parteien angemessen sei und dass ein dualistisches System, welches seine Begründung im Neuen Testamente nachweisen will, zu noch widersinnigeren Deutungen greifen müsse, wie denn auch in der Darstellung des Systems der Katharer viele noch gewaltsamere Auslegungen von neutestamentlichen Stellen sich finden.

2) Photius I, 147.

die Propheten nannten sie Betrüger und Diebe (nach Joh. 10, 8). Doch verstanden sie nach der Angabe des Photius in der Stelle Joh. 1, 11 unter dem Eigenthum, in welches Christus gekommen sei, die „prophetischen Reden": sie nahmen also, gleich den dualistischen Katharern des Occidents, an, dass die Propheten unbewusst durch Eingebung des guten Gottes auch Wahres und auf die künftige Erscheinung des Erlösers Bezügliches verkündet hätten.

Aus der Welt des guten Gottes kam Christus herab, die Menschen aus der Knechtschaft des Demiurgos zu befreien; seine Mutter war nicht das Weib Maria, durch welche er mit seinem von oben herabgebrachten ätherischen Leib nur wie durch einen Kanal hindurchging, sondern das obere Jerusalem, das Reich des guten Gottes; dieses nannten die Paulicianer den Katholischen gegenüber, zur Verhüllung ihrer wahren Lehre, die heiligste Gottesgebärerin, in welche der Herr ein- und von der er ausgegangen sei; von Maria aber behaupteten sie, sie dürfe nicht einmal unter die guten Menschen gerechnet werden und habe mit Joseph nach der scheinbaren Geburt Jesu noch jene im Evangelium erwähnten Brüder Jesu erzeugt.1)

Ein wirkliches Leiden Christi wurde natürlich nicht angenommen, theils wegen des Doketismus, theils auch weil eine erlösende Genugthuung in dem Lehrbegriffe der Paulicianer, wie in dem aller derartigen Sekten, keine Stelle fand und demnach die Erlösung wahrscheinlich auch bei ihnen als eine blosse Belehrung und Erweckung des Bewusstseins höherer Abkunft gedacht wurde. Die Verehrung des Kreuzes verabscheuten sie: es sei nur ein Strafwerkzeug der Übelthäter und ein Zeichen des Fluches; doch verstanden sie sich im Nothfalle dazu, ihm als einem Symbole Christi, welcher seine Hände in Kreuzes

1) Petrus Sic. p. 18. Photius I, 22.

form ausgebreitet habe, Ehre zu erweisen. Wahrscheinlich dachten sie bei dieser Ausbreitung der Hände nicht an sein Leiden am Kreuze, welches jedenfalls nur als ein scheinbares gelten konnte, sondern an ein für die Auserwählten verrichtetes Gebet Christi. Wenn sie, nach der Angabe des Photius, in Krankheiten ein hölzernes Kreuz sich auflegten und nach erfolgter Genesung dasselbe zerbrachen, mit Füssen traten oder wegwarfen, 1) so geschah diess, weil sie, gleich den Katharern, das Kreuz als ein Zeichen und Werkzeug des Demiurgos, dessen sich dieser gegen den ihm verhassten Christus bedient habe, betrachteten; und da körperliche Leiden nur von dem, in dessen Reich und Gewalt die Leiber sich befanden, nicht von dem guten Gotte herrühren konnten, so mochte ihnen zulässig scheinen, Gift mit Gegengift zu vertreiben und einem vom Satan verhängten Leiden die magische Kraft seines eigenen Zeichens entgegenzusetzen. Aus demselben Grunde liessen sie auch zuweilen ihre Kinder von einem katholischen Priester taufen; die Taufe galt ihnen nämlich als eine vom Demiurgos eingesetzte Handlung, die zwar für die Seele völlig wirkungslos, dem Leibe aber zuträglich sei.

Die Paulicianer bekannten den Worten nach eine Trinität von Vater, Sohn und heiligem Geiste; es ist aber nicht klar, wie sie sich das Verhältniss dieser Personen zu einander dachten; jedenfalls auf eine von der katholischen Lehre weit abweichende Weise. Wahrscheinlich wurden der Sohn (Christus) und der heilige Geist für zwei Engel der höheren Welt gehalten, denen die Erlösung und fortwährende Erleuchtung der Menschenseelen aufgetragen war; die angesehensten Lehrer der Sekte galten daher für Organe des heiligen Geistes, und, wie bei den Katharern, scheint derselbe auch hier um seine Fürbitte angerufen worden zu sein.

Die Paulicianer verachteten und schmähten den

1) Photius I, 29.

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