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monien, die den Empfänger nicht heiligen, nur beflecken könnten; auch die Eucharistie, von solchen Geistlichen geweiht, sei zu verachten.

Der Zustand der Gegenden am Niederrhein war seinem Unternehmen günstig; in den dortigen, übergrossen Diöcesen war für die religiösen Bedürfnisse des Volkes wenig gesorgt; in dem grossen, volkreichen Antwerpen befand sich ein einziger, noch dazu mit seiner Nichte in Ehe oder im Concubinat lebender Priester. Zudem war, seitdem der grosse Kampf gegen Simonie und Concubinat der Geistlichen begonnen hatte, das Volk häufig selbst im Namen und aus Auftrag der Päpste aufgefordert worden, dem Gottesdienste der von diesen Lastern angesteckten Priester nicht beizuwohnen und die Sacramente nicht von ihnen zu empfangen. Manche Prediger hatten sich dabei von ihrem Eifer bis zu Behauptungen fortreissen lassen, welche leicht bei dem Volke den Wahn erzeugen konnten, als ob wirklich die Sacramente durch die Sündhaftigkeit des weihenden oder austheilenden Priesters selbst entweiht und entkräftet würden. Um so leichteren Eingang fand nun Tanchelms Lehre; auch seine Nutzanwendung, dass das Volk den Geistlichen den Zehnten nicht mehr entrichten solle, klang vielen Ohren willkommen.

Sobald er einen starken Anhang um sich gesammelt hatte, begann er auch mit äusserem Glanze aufzutreten ; er schmückte seine Kleider mit Gold, seine Haare mit Juwelen, umgab sich mit einer Leibwache von dreitausend Bewaffneten, liess eine Fahne und ein blosses Schwert vor sich hertragen, predigte auf freiem Felde und machte sich so furchtbar, dass niemand vor ihm erscheinen durfte, der nicht sofort seine Lehre annahm, und selbst die dortigen Fürsten sich ihm nicht zu widersetzen wagten. Widerstrebende wurden auf sein Geheiss ohne weiteres niedergehauen. So verblendet, so ganz mit Leib und Seele ihm hingegeben waren seine zahlreichen Anhänger,

dass er sich die gröbsten Ausschweifungen erlauben durfte. Er soll Weiber in Gegenwart ihrer Männer, Töchter vor den Augen ihrer Mütter missbraucht haben. Es sei diess, sagte er, das Werk des Geistes, und beklagenswerth seien jene Frauen, die nicht durch die fleischliche Vermischung mit ihm des Geistes theilhaft würden. Berauscht von seinen Erfolgen, trug er kein Bedenken, selbst göttliche Ehre für sich in Anspruch zu nehmen. Christus, verkündete er dem Volke, sei insofern göttlicher Würde gewesen, als die Fülle des heiligen Geistes auf ihn herabgekommen sei; er, Tanchelm, habe denselben Geist empfangen und sei demnach nicht geringer als Christus. Man glaubte ihm; schon der Boden, den er betrat, wurde für heilig geachtet, das Wasser, in dem er sich gebadet hatte, als kostbare Reliquie aufbewahrt oder von Kranken als Heilmittel getrunken; selbst eine Kirche soll ihm zu Ehren errichtet worden sein. Da er seine Anhänger prächtig bewirthete und dadurch immer mehrere anlockte, bedurfte er reichlicher Zuflüsse; er verlobte sich daher öffentlich mit der Jungfrau Maria, deren Bild zu dem Ende in die Versammlung gebracht wurde, und liess sich darauf von Männern und Frauen, was sie Werthvolles besassen, als Hochzeitsgeschenk darbringen. Einer seiner Anhänger, der Schlosser Manasses, errichtete, dem Beispiele des Meisters folgend, eine Gilde oder Brüderschaft, in der zwölf Männer die Apostel vorstellten, ein Weib die heilige Jungfrau, und man erzählte, dass, um das Band der neuen Innung recht fest zu knüpfen, jeder der sogenannten Apostel nach der Reihenfolge mit diesem Weibe sich verbinde.1)

Tanchelm fiel endlich in die Gewalt des Erzbischofs von Köln, kam wieder los und wurde im J. 1115 von

1) Epistola Traject. eccl. ad Trid. Episc. bei Tengnagel, Vet. monum. p. 368. Vita S. Norberti in den Acta SS. Bolland. 6. Jun. p. 843. Roberti de Monte App. ad Sigeb. im Recueil des hist. de la Fr. XIII, 328.

einem Geistlichen erschlagen. Der h. Norbert bemühte sich, in Antwerpen die Verführten wieder mit der Kirche zu versöhnen, aber die Sekte der Tanchelmiten erhielt sich noch länger, und wenn auch der Wahn, dass Tanchelm ein Träger des heiligen Geistes gewesen, mit seinem Tode zerfloss, so pflanzte sich doch die Lehre von der Unwürdigkeit und Unfähigkeit des Priesterthums der Kirche zur Verwaltung der Sacramente in jener Sekte fort. Es zeigt sich diess deutlich an jenen Häretikern, welche dreissig Jahre nach Tanchelms Tode neben den Manichäern und von diesen völlig getrennt in der Kölner Diöcese, die damals einen grossen Theil der niederrheinischen Länder und zum Theil auch den Schauplatz von Tanchelms Wirksamkeit begriff, entdeckt wurden und deren Grundsätze Everwin in seinem Briefe an den h. Bernhard beschreibt. Sie gingen von der Behauptung aus, dass die Geistlichen der Kirche, da der ganze Stand von der zum Priesterthume wesentlich nothwendigen Heiligkeit abgefallen sei und in weltliche Angelegenheiten sich verwickelt habe, auch jeder priesterlichen Gewalt verlustig geworden seien und nunmehr weder consecriren noch irgend ein Sacrament verwalten könnten. Der Papst, sagten sie, diene nicht Gott, wie Petrus, und darum sei die dem Petrus gegebene Gewalt der Weihe ihm wieder entzogen worden; eben so stehe es mit den Bischöfen, die ein weltliches Leben führten und desshalb keine Macht, Priester zu weihen, besässen. Dabei beriefen sie sich seltsamer Weise auf die Worte Christi von den Schriftgelehrten und Pharisäern, die auf Moses' Stuhle sitzen; die Ermahnung des Herrn: „Was sie euch sagen, das thut," deuteten sie nämlich, mit Anwendung auf die Hierarchie und das Priesterthum der Kirche, so, als ob die Gewalt zu lehren und zu ermahnen die einzige demselben gebliebene, aber die Vollmacht zu consecriren und die Sacramente zu spenden von ihm gewichen sei. Sie selber indess scheinen sich diese Vollmacht nicht bei

gelegt, vielmehr auf die Sacramente überhaupt völlig verzichtet zu haben; denn nach Everwins Angabe liessen sie nur die Taufe gelten, weil bei dieser die Person des Ausspenders gleichgiltig sei und jeder eben durch Christus selbst getauft werde. Zugleich verwarfen sie aber, gleich allen Zweigen der manichäischen Sekte und wohl unter dem Einflusse derselben, die Kindertaufe. Der ganze Kreis kirchlicher Symbole und gottesdienstlicher Feier war in ihren Augen leere Superstition. Fasten und andere Werke der Busse erklärten sie für überflüssig, nicht nur für den Gerechten, sondern auch für den Sünder. Sie leugneten den Reinigungszustand nach dem Tode, verwarfen die Anrufung der Heiligen und hielten jede Ehe für Unzucht, die nicht zwischen jungfräulichen Personen geschlossen werde; denn nur eine solche Ehe gleiche der des ersten Menschenpaars und werde wie diese von Gott selbst geknüpft. Höchst wahrscheinlich war diess dieselbe Sekte, welche Ekbert, zwanzig Jahre später als Everwin, gleichfalls am Niederrhein vorfand und als die Anhänger eines gewissen Hartwin bezeichnet1); denn auch diese lehrten, dass die Ehe nur erlaubt sei, wenn sie von einem jungfräulichen Manne und einer Jungfrau eingegangen werde, fügten aber bei, dass die Beiwohnung nur zum Zwecke der Kinderzeugung geschehen, und sobald dieser Zweck erreicht sei, beide Gatten einander ferner nicht berühren dürften.

Wahrscheinlich kamen die Tanchelmiten erst durch ihren Verkehr mit den Katharern auf mehrere der erwähnten Ansichten und Lehren; denn dass ein solcher Verkehr eingetreten, dass zwischen beiden Sekten Reibungen und Streitigkeiten stattgefunden, bezeugt Everwin mit der Bemerkung, dass eben durch diese Streitigkeiten die Katholischen erst auf sie aufmerksam geworden seien.

1) Ecberti Sermo adv. Catharos in der Biblioth. max. PP. XXIII, 608.

Die ursprüngliche Unterscheidungslehre der Tanchelmiten war, dass die Kraft der Sacramente bedingt sei durch den moralischen Zustand des Priesters, und wie verführerisch damals dieser Wahn gewesen sei, dazu liefert unter anderen auch um dieselbe Zeit der Pfarrer Albero in Merken bei Düren ein Beispiel. Dieser Mann, der wegen seines fleckenlosen Wandels und seines Eifers für Frömmigkeit beim Volke hoch angesehen und verehrt war, lehrte, dass ein sündhafter Priester den Leib des Herrn nicht consecriren könne, behauptete, dass bei dem Messopfer stets Dämonen, nur selten aber heilige Engel zugegen seien, berief sich auf Visionen, in denen ihm diess geoffenbart worden, und versicherte, für seine Lehre die Feuerprobe bestehen zu wollen.1)

Neuntes Kapitel.

Die Katharer.

Die Tanchelmiten am Niederrhein standen als Sekte vereinzelt; überall sonst waren die häretischen Gemeinden, die sich bildeten oder nach längerer Verborgenheit zum Vorschein kamen, Zweige des manichäischen Stammes. Auch erkannte man immer deutlicher die grosse Gefahr, mit welcher die furchtbar sich mehrende und mit den wirksamsten Mitteln der Verführung reichlich ausgerüstete Partei die ganze Kirche bedrohte. Nach dem Ausdruck des Wilhelm von Newbridge waren sie bereits in Frankreich, Spanien, Italien, Deutschland zahlreich wie der Sand am Meere. 2) Die heilige Hildegard rief um das

1) Anonymi libellus adv. errores Alberonis bei Martene, Ampliss. Coll. IX, 1252.

2) Quippe in latissimis Galliae, Hispaniae, Italiae Germaniaeque provinciis tam multi hac peste infecti esse dicuntur, ut secundum

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