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Erstes Kapitel.

Die Paulicianer. Äussere Geschichte

der Sekte.

Seit dem Ende des ersten und im Laufe des zweiten christlichen Jahrhunderts erzeugte die Verbindung griechischer Philosopheme und heidnisch-religiöser Vorstellungen, selbst mythologischer Bestandtheile mit christlichen Thatsachen und Ideen eine grosse Mannigfaltigkeit von Systemen, Schulen und Sekten, welche gewöhnlich als gnostische bezeichnet werden. Gemeinsam waren diesen, aus der Übergangsperiode der heidnischen in die christliche Welt stammenden religiösen Genossenschaften die Lehren von einem Entwicklungsprocesse der Gottheit, von dem Dualismus zwischen Gott und der ewig existirenden Hyle, von dem weltbildenden Demiurg, von der Materie als dem Grund und Sitz des Bösen, von einem Gegensatze der oberen, unsichtbaren Welt mit ihren göttlichen Kräften oder Aeonen und der niederen, sichtbaren. Auch darin stimmten diese Sekten und Schulen überein, dass sie die Erlösung als eine Befreiung des Geistes von den Fesseln der Materie und daher den Erlöser, Christus, als einen aus der höheren Welt herabgestiegenen Aeon fassten, der, um mit der Materie, der Quelle alles Bösen, in keine Berührung zu treten, sich entweder in einen aus ätherischem Stoffe gebildeten Leib oder in die Truggestalt eines Körpers hüllte, wesshalb er auch nicht durch seinen Tod, sondern durch Lehre (die Mittheilung der

Dollinger, Geschichte der Sekten.

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Gnosis) die Erlösung vollbracht, den Weg zur Seligkeit eröffnet haben sollte.

Diese Sekten hatten ihre stärkste Kraft bereits im zweiten Jahrhunderte n. Chr. entwickelt; viele derselben erhielten sich zwar noch geraume Zeit länger, aber das geistige Leben, die gewaltige Anziehungskraft, welche sie früher besassen, war grossentheils von ihnen gewichen oder hatte sich in dem letzten Erzeugnisse dieser Richtung, dem Manichäismus concentrirt. Erst gegen Ende des dritten Jahrhunderts war dieses phantasievolle System entstanden, welches den christlichen Lehrgehalt in eine dualistische Religionsphilosophie verwandelte, Christus zu einer kosmischen Kraft, die Erlösung zu einem Naturprocesse herabsetzte. Obwohl vielfach unterdrückt und verfolgt, verbreitete es sich im Osten wie im Westen, von Persien bis nach dem römischen Afrika, und behauptete sich Jahrhunderte lang mit zäher Dauerhaftigkeit.

Indessen gab es im Orient auch noch in späterer Zeit bedeutende Reste älterer gnostischer Sekten. fand in der Mitte des fünften Jahrhunderts Theodoret in seiner Diöcese Cyrus in Syrien viele Marcioniten, deren er über tausend bekehrte, und dieselbe Sekte war damals noch in anderen Theilen Syriens verbreitet. Eine andere gnostische Partei, die der Archontiker, gewann, nach dem Berichte des Epiphanius, vorzüglich in Grossund Klein-Armenien erst seit dem J. 361 Eingang, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass diese Sekte ein nicht unbedeutendes Glied in der gnostischen, aus den ersten Jahrhunderten nach Christus bis in's Mittelalter sich fortziehenden Kette bildete, da Armenien auch später ein Hauptsitz derartiger Sekten und Lehren war, und da die Archontiker in einigen Punkten eine dogmatische Verwandtschaft mit den Parteien des elften und zwölften Jahrhunderts nicht verkennen lassen.

Das eigentliche Mittelglied aber zwischen den Gnostikern des Alterthums und denen des Mittelalters, den

Übergang von jenen zu diesen bilden die Paulicianer. Die erste Entstehung dieser Sekte und ihres Namens wird bis in's vierte oder fünfte Jahrhundert, auf Paulus und Johannes, die Söhne der Kallinike, einer dem Manichäismus ergebenen Frau in der Gegend von Samosata, zurückgeführt. Der Name Paulicianer sollte nämlich aus ,,Paulojohanniten", wie man sie zuerst von jenen beiden Stiftern genannt habe, gebildet worden sein. Ob aber Kallinike und ihre Söhne wirklich Manichäer gewesen sind, oder ob sie einer in jenen Gegenden verbreiteten dualistisch-gnostischen Sekte, etwa der Marcionitischen angehörten und der Manichäismus ihnen nur beigelegt wurde, weil man später dualistische Lehren überhaupt als manichäische bezeichnete, diess lässt sich nicht bestimmen; das letztere ist indess wahrscheinlicher, da die auffallendsten Züge des Manichäismus und diejenigen, wodurch er sich von den gnostischen Systemen unterscheidet, in dem Paulicianischen Lehrbegriffe nicht zu finden sind.

Die Paulicianer selbst wollten aber mit den Söhnen der Kallinike, welche ihre Lehren in Phanaröa, namentlich in dem Flecken Episparis ausgebreitet hatten, in keiner Verbindung stehen; wenn man später von ihnen begehrte, dass sie den Paulus und Johannes, so wie den Mani und einige Andere verdammten, so thaten sie es unbedenklich; und ihren Namen leiteten sie theils von einem ihrer Lehrer, dem Armenier Paulus, theils von dem Apostel Paulus her. Der eigentliche Stifter oder wenigstens Reformator der neuen Sekte war gegen Ende des siebenten Jahrhunderts Constantin, der in dem Armenischen Flecken Mananalis lebte und zu der durch die Söhne der Kallinike dort gepflanzten Manichäischen oder gnostischen (Marcionitischen) Sekte gehörte. Damals und schon seit längerer Zeit wurden auf Befehl der griechischen Kaiser die Anhänger dieser Sekte, wenn man sie als solche erkannte, mit dem Tode bestraft. Constantin,

der von einem Diakonus, welchen er bei sich beherbergt, die Evangelien und die Briefe Pauli erhalten hatte, wähnte wahrzunehmen, dass die Grundlehren seiner Sekte, mittels einer von ihm ersonnenen oder von älteren Gnostikern überkommenen Auslegung, mit dem Neuen Testamente sich in Einklang bringen liessen, ohne dass man gleich den älteren Gnostikern zu willkürlichen Verstümmlungen oder Interpolationen seine Zuflucht zu nehmen brauche, wenn man nur einiges allzu Anstössige und in zu grellem Widerspruche mit den Evangelien und den Paulinischen Briefen Stehende beseitige. Indem er also alle gnostischen und Manichäischen Schriften, deren seine Partei sich bisher als Quellen der Lehre bedient hatte, verwarf, und die Evangelien und Briefe Pauli für die einzige Quelle und Unterlage seines Glaubens erklärte, hoffte er durch diesen biblischen Anstrich den Lehren der Sekte eine empfehlendere, zu grösserer Ausbreitung geeignete Gestalt zu geben, und zugleich von den Kaisern und kaiserlichen Befehlshabern grössere Schonung und Duldung für die reformirte und biblisch gewordene Partei zu erlangen.

Constantin legte sich den Namen des Silvanus, jenes von Paulus nach Macedonien gesandten Jüngers, bei, womit er wohl nicht sagen wollte, dass, kraft der Seelenwanderung, die Seele des Silvanus in seinem Körper wohne, sondern nur, dass er, vom Geiste Pauli angeweht und erfüllt, ein ebenso treuer und glaubwürdiger Schüler des Apostels sei, eben so seine Sendung von Paulus empfangen habe, wie ehemals Silvanus. Seinem Beispiel folgten nachher die Häupter und Lehrer der Sekte, indem sie gleichfalls ihre Namen gegen die Namen Paulinischer Jünger vertauschten.

Sieben und zwanzig Jahre lang (zwischen 653 und 684) hatte Constantin seine Lehre zu Cibossa, in der Nähe von Colonea, einer befestigten Stadt des römischen Armeniens, mit bedeutendem Erfolge ausgebreitet, als der

Kaiser Constantin Pogonatus einen Staatsbeamten Symeon, mit dem Auftrage, die neu aufstrebende Sekte zu unterdrücken, dahin sandte. Dieser liess alle Paulicianer von Cibossa nach Colonea bringen, wo er ihnen befahl, ihren Meister Silvanus zu steinigen; sie aber warfen die Steine hinter sich, nur Einer, und zwar gerade sein Adoptivsohn Justus., schleuderte einen schweren Stein nach ihm. der ihn tödtete. Constantins Anhänger wurden dem Befehle des Kaisers gemäss in verschiedene Kirchen vertheilt, wo man, jedoch vergeblich, an ihrer Bekehrung arbeitete. Dabei geschah es, dass Symeon selbst im Verkehre mit den Paulicianern, durch ihre Gründe und ihre Fertigkeit Bibelstellen zu citiren bestochen, Neigung für diese Lehre fasste, und mit solcher Neigung im Herzen nach Constantinopel zurückkehrte. Nach drei Jahren verliess er heimlich die Hauptstadt, sammelte in Cibossa die zerstreuten Glieder der Sekte, stellte sich an ihre Spitze und nannte sich Titus. Sie blieben nicht lange ungestört, doch waren sie es diessmal selbst, welche den neuen Versuch, sie auszurotten, veranlassten. Es erhob sich nämlich zwischen Symeon und jenem Justus, dem Pflegesohn Constantins, ein Zwist über die Stelle im Briefe Pauli an die Colosser (1, 16), wo es heisst, dass durch den Sohn Alles im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare erschaffen sei. Justus behauptete, dass in diesen Worten offenbar das Gegentheil von dem enthalten sei, was der dualistisch gesinnte Symeon von der Weltschöpfung als dem Werke des bösen Gottes lehrte; und da der Streit immer hitziger wurde, so wandte sich Justus an den Bischof von Colonea, unter dem Vorgeben, sich den Sinn des Apostels von ihm erklären zu lassen, wahrscheinlich aber in der feindseligen Absicht, an seinem Gegner Symeon dadurch Rache zu nehmen, dass er den Bischof und durch diesen die kaiserlichen Behörden auf das Wiederaufleben der bisher für zerstreut und unterdrückt gehaltenen Sekte aufmerk

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