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zu machen. Denn diese Misere wird noch weit überboten durch den stets sich gleichbleibenden Stolz und die Tapferkeit Lessings. In dieser langen Verwicklung von Elend nicht ein Atemzug, nicht ein Gedanke, nicht eine Regung, deren er sich zu schämen gehabt hätte! Dieser Triumph sittlicher Kraft ist es, den Stahr auf die erschütterndste Weise zur Darstellung zu bringen gewußt hat, und der seinem Buche die erhebende Wirkung gibt. Ja, es ist ein Heldenleben, wie nur irgend eines jener Helden des Plutarch, aber um so unendlich ergreifender, als dies Heldentum ausgeübt wird in Umständen und Konflikten, welche den heutigen Verhältnissen um so viel näher und analoger sind. Darum wird dieses Buch zündend wirken auf die deutsche Jugend, kein ernster Leser wird es aus den Händen legen, ohne durch dasselbe besser und sittlicher geworden zu sein. Die Katharsis, welche dies Werk in jedem eines geistigen Eindrucks nur einigermaßen fähigen Gemüt hinterlassen wird, ist die, es zu erheben über die Qualen und Konflikte, die ihm selber zustoßen können. Eines edeln, eines nur irgend wahrhaft bescheidenen Gemüts, wird sich eine edle Gleichgültigkeit bemächtigen gegen alles, was uns selbst widerfahren kann in einem Kulturkampf, in welchem die Größten und Besten langsam und qualvoll verblutet sind.

Und so kommt denn dieses so treffliche und bedeutende Werk dreimal zur Zeit! Die Geschichte kann eine fortlaufende Reihe von Dramen genannt werden, und die dramatische Situation von heut ist der von damals wieder äußerst ähnlich geworden.

Lessings eigenes großes dramatisches Gesetz aber war: „ähnliche Situationen erzeugen ähnliche Charaktere!"

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DER ERSTE ABDRUCK ERSCHIEN
IM VERLAG VON G. JANSEN, BERLIN 1862

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VORBEMERKUNG.

Obwohl dem äußeren Gewand nach vorwiegend eine literarische Abhandlung, ist der ..Julian Schmidt" doch gleichzeitig in nicht geringem Grade eine politische Streitschrift. Schon im ,,Vorbericht des Setzers" wird dies angedeutet, wenn Lassalle dort auf die politische Partei verweist, deren Programm Herr Julian Schmidt unterschrieben habe, und damit zugleich den geistigen Höhepunkt dieser Partei der preußischen Altliberalen, zu deren Führern u. a. der wiederholt zum Präsidenten des Abgeordnetenhauses gewählte damalige Oberbürgermeister von Prenzlau, W. Grabow, gehörte 1) gekennzeichnet zu haben erklärt. In den die Schrift selbst bildenden Scholien" d. h. Randbemerkungen - zu den Auszügen aus Schmidts ,,Geschichte der deutschen Literatur seit Lessings Tode" tritt es dagegen wiederholt ganz offen zutage, daß die politische und die, im weiteren Sinne des Wortes, soziale Tendenz des Schmidtschen Werkes es ist, gegen die Lassalles Pfeile sich richten, und an vielen anderen Stellen blickt es für den aufmerksamen Leser durch die Hülle scheinbar abstrakter Auseinandersetzungen deutlich hindurch. Die Nachweise, daß Schmidt ein Ignorant, bzw. ein ganz gewöhnlicher Literat sei, der seine Urteile meist aus zweiter und dritter Hand und aus bloßem Durchblättern der zu beurteilenden Schriftsteller schöpfe, sind

1) Daher die Bezeichnung,,Grabowite".

im Grunde nur Beiwerk, die Nachweise der tendenziösen Behandlung seines Gegenstandes durch Schmidt und die Kritik dieser Tendenz der wirkliche Zweck des ,,Herr Julian Schmidt, der Literarhistoriker". Und nicht nur sind die als,,Beiwerk" zu bezeichnenden die weniger wichtigen Stellen des Pamphlets, sie sind auch unbestritten die schwächsten, ihm am wenigsten zur Ehre gereichenden. Um so bedauerlicher, daß sie auf Kosten des sehr verdienstvollen sonstigen Inhaltes unverhältnismäßig in den Vordergrund treten.

Ein Ignorant war Herr Julian Schmidt sicherlich nicht. Er hatte studiert und mehrere Jahre als Gymnasiallehrer fungiert, bevor er Redakteur einer literarischen Zeitschrift wurde, und auch als solcher hatte er meist das zurückgezogene Leben eines Stubengelehrten geführt. Was man ihm auch sonst vorwerfen kann, als Literat gehörte er unzweifelhaft noch zu den Besseren seines Berufes. Er vertrat eine Idee, und was er literarhistorisch gesündigt hat, das hat er zum großen Teil in der Leidenschaft der Überzeugung verbrochen. Einer seiner Biographen, Herr Konstantin Rößler, schreibt von ihm, daß sich seine Charakteristik durch ein dreifaches P ausdrücken lasse: Preuße, Protestant, Parteimann. Sein lebelang hat er in Preußen, dem Staate des Protestantismus, zugleich den Staat des deutschen Berufes und der Verwirklichung der bürgerlichen Freiheit erblickt, ist er mit Leib und Seele Kleindeutscher Gothaer" gewesen. Literarisch übersetzte sich das in eine erbitterte Gegnerschaft gegen die mit dem Katholizismus liebäugelnde Romantik auf der einen und gegen den philosophischen und politischen Radikalismus auf der anderen Seite. Auch dieser war ihm Romantik, ein Abwenden von der Realität, das nur zu Üblem führen konnte. Er war der Hohepriester eines

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