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mit der Lassalle in dieser Schrift gegen den Föderalismus zu Felde zieht, ist aus der Natur der Gestalt zu erklären, in der sich dieser zur Zeit ihrer Abfassung in Deutschland darbot, wo er die Vereinigung historischer Sonderrechte von Dynastien und Kleinstaaten bedeutet hätte. Auch stand Lassalle unter dem Einfluß der überlieferten Geschichtsschreibung der französischen Revolution, wonach diese auf ihrem Höhepunkt einen absoluten Zentralismus dargestellt hatte. Ein anderer, auf demokratischer Grundlage aufgebauter organischer Föderalismus kam für Deutschland noch nicht in Frage. Und daß der Föderalismus der noch sehr dünn bevölkerten Vereinigten Staaten um 1860 kein sicheres Beispiel für Europa abgeben konnte, wird man Lassalle um so mehr zugeben können, als jene damals noch vor dem Bürgerkrieg mit den Südstaaten standen, dessen Ausgang erst die staatliche Einheit der Union einigermaßen befestigt hat. Grundsätzlich jedoch schießt Lassalles apodiktische Ablehnung des Föderalismus viel zu weit über das Ziel hinaus.

Der Zeit seiner Entstehung nach ist der Aufsatz Lassalles,,Gotthold Ephraim Lessing" die älteste der in diesem Bande vereinigten Schriften. Er ist, wie aus der Vorbemerkung zu ihm ersichtlich, obwohl erst 1861 veröffentlicht, schon im November 1858 verfaßt, bald nach Erscheinen der Lessing-Biographie Adolph Stahrs, des Gatten der vorzugsweise als Verfasserin von Romanen bekannten Schriftstellerin Fanny Lewald. Lassalle war mit dem Ehepaar befreundet, wie er denn überhaupt zu jener Zeit mit der Elite des geistigen Berlin in guten Beziehungen stand. Der philosophisch und politisch stark radikale Geist, der das Stahrsche Buch durchzieht, hatte Lassalle entflammt, und so widmete er ihm einen Auf

seinen Gegenstand

satz, der einen begeisterten Hymnus auf das Werk und Lessing bildet. In seinem ersten Teil feiert er Lessing als den geistigen Revolutionär, der für Deutschland auf dem Gebiete der Dramatik, der Kunstkritik, der Geschichte, der Religion und der Ethik das gewesen sei, als was Friedrich II. von Preußen auf dem Gebiete der Staatspolitik erschien: der Zertrümmerer wurmstichig gewordener bisheriger Heiligtümer. Mit Heine verherrlicht Lassalle in Lessing den Luther seines Zeitalters, der über das Vorbild bahnbrechend weit hinausging und es geistig durchweg überragte: den „,durch keine religiöse Voraussetzungen mehr beschränkten Luther". Und Vorgänger Hegels ist ihm Lessing insofern, als ihm die Geschichte die Entwicklung des subjektiven Selbstbewußtseins ist, die Hegel dann als die Entwicklung des objektiven Geistes hinstellt. In Lessing rege sich ferner im Keim auch schon der politische Revolutionär, für den die Zeit aber noch nicht reif war. Und wenn Lassalle seinen Aufsatz in die Betrachtung ausmünden läßt:

,,Die Geschichte kann eine fortlaufende Reihe von Dramen genannt werden, und die dramatische Situationen von heut ist der von damals wieder äußerst ähnlich geworden. Lessings eigenes großes dramatisches Gesetz aber war: ähnliche Situationen erzeugen ähnliche Charaktere,"

so kann man sich des Eindrucks nicht entschlagen, daß er für die damalige Zeit sich selbst als den Fortsetzer Lessings empfand. In der Tat gäbe es eine zu recht fruchtbaren Betrachtungen anregende Abhandlung, wollte einer die drei Kämpfer Luther - Lessing Lassalle in Parallele stellen.

Ist die Schrift,,Gotthold Ephraim Lessing" Erzeugnis der Zeit, wo sich Lassalle im literarischen Berlin einzuleben begonnen hatte, so bezeichnet die Streitschrift,,Herr Julian Schmidt, der Literarhistoriker" die Tage des bevorstehenden Bruchs mit dessen größtem Teil. Sie richtet sich zwar in Schmidt gegen den literarischen Fahnenträger der altliberalen Partei, die in Berlin nur mäßigen Anhang hatte, während im breiten Bürgertum und in der Schriftstellerwelt die Anhänger des demokratisch gerichteten Liberalismus überwogen. Aber als sie entstand März 1862 hatte Lassalle doch auch schon mit sehr einflußreichen Vertretern der letzteren Richtung gebrochen, und das Vorwort zu ihr richtet sich gegen die liberale Presse im allgemeinen. Man kann sie als einen Vorboten des Sturms ansehen, der bald zwischen Lassalle und der bürgerlichen Demokratie ausbrechen sollte. Aber zum Unterschied von dem nur wenige Wochen später gehaltenen Vortrag,,Das Arbeiterprogramm", der, so unpolemisch er im Ton gehalten ist, doch sachlich diesen Kampf einleitet, bewegt sie sich noch vollständig auf dem Boden des rein Literarischen. Über ihre Vorzüge und Mängel als literarische Streitschrift äußert sich die ihr beigegebene Vorbemerkung. Hier sei nur noch ausdrücklich festgestellt, daß auch sie Zeugnis ablegt von dem reichen positiven Wissen Lassalles auf dem Gebiete der Philosophie.

Im ganzen kann man die fünf in diesem Band vereinten Abhandlungen als Nebenarbeiten und Nachträge bezeichnen zu den beiden großen Werken, die Lassalle seit seiner Rückkehr nach Berlin der Öffentlichkeit übergeben hatte, und von denen das eine der Heraklit direkt in das Gebiet der Philosophie hineingehört, das

andere das System der erworbenen Rechte auf dem

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Grenzgebiet der Rechtswissenschaft und der Rechtsphilosophie spielt. Zum Arbeitsplan Lassalles gehörte aber, wie wir aus seinen Briefen wissen, auch ein Werk über die Philosophie selbst. Daraus dürfen wir folgern, daß er Selbständiges über diese Wissenschaft sagen zu können glaubte, also in irgendeiner Weise über seine großen Lehrer Fichte und Hegel hinauszugehen gedachte und den Plan dazu schon im Kopf hatte. Zur Abfassung dieser Arbeit ist er nicht gekommen. Wenn sich nicht Vorarbeiten zu ihr in seinen nachgelassenen Manuskripten vorfinden, wird man daher nach Fingerzeigen, in welcher Richtung Lassalles Weiterführung der Philosophie sich bewegt hätte, in den vorliegenden Abhandlungen zu suchen haben. Wohl sind sie in bezug auf die beiden genannten Denker nicht kritisch, sondern rein darstellend gehalten, sie lassen sie als Zeugen auftreten und verteidigen sie gegen falsche Interpretation. Aber auch aus der Art, wie er seine Vorgänger versteht und darstellt, mag der geschulte Philosoph den Geist von Lassalles eigener Theorie herauserkennen.

Ed. Bernstein.

DIE HEGELSCHE UND DIE ROSENKRANZISCHE LOGIK UND DIE GRUNDLAGE DER HEGELSCHEN GESCHICHTSPHILOSOPHIE IM HEGELSCHEN SYSTEM

VORTRAG

GEHALTEN VON LASSALLE

IN DER SITZUNG DER PHILOSOPHISCHEN GESELLSCHAFT VOM 29. JANUAR 1859

ZUERST GEDRUCKT IN DER
ZEITSCHRIFT DER GEDANKE", ORGAN DER
PHILOSOPHISCHEN GESELLSCHAFT ZU BERLIN,
HERAUSGEGEBEN VON MICHELET, BERLIN 1861

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