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in der Anordnung der Schriften durchaus nicht gewürdigt. Höchstens hat man bei der Aufstellung eines Princips die Manier, ob sokratisch oder dialektisch oder eigentlich platonisch, in Bezug auf den philosophischen Inhalt, nicht aber die künstlerische Tendenz in Bezug auf den historischen Inhalt im Auge gehabt. Dass der philosophischen Handlung auch eine historische zur Seite geht, die beide ihre dramatische Verwicklung und Entwicklung haben, das hat man bisher nicht beachtet. Bei dieser einseitigen Auffassung der platonischen Schriften entweder als Glieder eines Systems oder als einzelner Documente der Entwicklungsgeschichte des Verfassers war man genöthigt, jedes Werk einzeln auf die Wage der philosophischen oder historischen Kritik zu legen, um sie dann in solche zu scheiden, die ihrem philosophischen Gehalte nach vollwichtig sind oder nicht, oder in solche, die ihrem schriftstellerischen Werthe nach einer unvollkommnern oder vollkommnern Entwicklungsstufe des Verfassers angehören. Und so war Schleiermacher genöthigt, einen Theil der Schriften in Anhänge zu verweisen, Ast die Hälfte derselben Platon ganz abzusprechen, Hermann und seine Nachfolger sie in Jugendwerke, Uebergangswerke und Meister-. werke zu scheiden. Ist es schon bei andern Klassikern mifslich, die Rolle des Recensenten zu spielen, der über den gröfsern oder geringern Werth der Schriften aburtheilt, so ist es bei Platon ganz besonders der Fall, yon dem wir, wie von keinem andern Schriftsteller des Alterthums, die bestimmteste Nachricht haben, dafs er bis zu seinem Tode seinen frühern Schriften eine unausgesetzte Sorgfalt geschenkt hat (ὁ Πλάτων τοὺς ἑαυτοῦ διαλόγους κτενίζων καὶ βοστρυχίζων καὶ πάντα τρόπον ἀναπλέκων οὐ διέλιπεν ὀγδοήκοντα ἔτη γεyovos, Dion. Hal. de comp. 406. Schaef.). Wir müssen daher von der Annahme ausgehen, dafs wir seine Schriften, wenigstens der bei weitem grössern Zahl nach, in der Vollkommenheit besitzen, wie sie nur immer vom Autor haben ausgehen können, und wenn ein oder das andere Werk

in dieser oder jener Hinsicht als ein unvollkommeneres erscheint, so müssen wir diese Unvollkommenheit als eine relative fassen, deren Grund nicht in der Befähigung des Verfassers, sondern in der Bedeutung und Stellung des Gespräches unter den übrigen zu suchen ist, die also verschwindet, wenn wir es in seinen gehörigen Platz einreihen. Hiermit soll nicht behauptet werden, dafs sich nicht theils auch wirkliche Jugendschriften und unvollkommene Versuche haben erhalten können, wie wir denn als solche den Alkibiades I, den Lysis, den selbst eine historische Ueberliefe rung als Jugendwerk bezeichnet, und Hippias II erkannt haben; theils auch solche, denen der Verfasser die letzte Feile nicht hat geben können oder wollen, wie die Bücher von den Gesetzen; aber gerade aus der Vergleichung mit diesen lässt sich erkennen, wie die angebliche Unvollkommenheit anderer, die man mit ihnen zusammengeworfen hat, eine nur scheinbare ist. Wir thun daher Platon nur das ihm gebührende Recht an, wenn wir ein solches Princip der Eintheilung voraussetzen, durch das es möglich wird, seine Schriften in ihrer Mehrzahl als Meisterwerke in formeller wie in materieller Hinsicht zu betrachten. Die unausgesetzte Sorgfalt, die Platon seinen Schriften schenkte, läfst eine chronologische Ordnung als unwesentlich erscheinen, da ja vorausgesetzt werden muss, dass der Meister bei der spätern Durchsicht und Durcharbeitung seiner Schriften die frühern Mängel, die ihnen etwa durch die Jugend und Unerfahrenheit des Verfassers noch anhafteten, entfernt haben wird. Betrafen aber seine Verbesserungen, wie man aus der Nachricht des Dionysios von Halikarnals wohl zu schliefsen berechtigt ist, mehr nur die Form als den Inhalt, so folgt eben daraus, wenn er an dem Inhalte der Schriften nichts zu ändern fand, dafs unmöglich die unreifen Producte des Anfängers und Schülers die Gegenstände seiner nachbessernden Thätigkeit gewesen sein können. Wenn nun mehrere Schriften bei der vollkommensten Meisterschaft in der äussern Form den phi

losophischen Stoff mehr oder minder unentwickelt oder mangelhaft zu geben scheinen, so ist das ein Beweis, dafs diese Unvollkommenheit in materieller Hinsicht keine unwillkürliche, sondern eine vom Verfasser beabsichtigte ist, und dies setzt einen bestimmten Plan voraus, der es eben nöthig machte, dafs seine Lehre in verschiedenen Gesprächen in verschiedenen Stadien ihrer Entwicklung vorgeführt werde. Eine solche planmässige Behandlung des Stoffes setzt dann wieder voraus, dafs der Verfasser selbst schon in der Entwicklung seiner Lehre zum Abschlufs gekommen sein müsse, und das kann zu keiner frühern Zeit gewesen sein, als nachdem er sich selbst für befähigt gehalten, als Lehrer aufzutreten. So müssen wir denn in Uebereinstimmung mit der Andeutung, die uns Platon selbst in seinem Phädros giebt, annehmen, dafs seine eigentliche literarische Thätigkeit mit seiner didaktischen parallel gegangen sei, wobei die Möglichkeit nicht geleugnet werden soll, dass er frühere Entwürfe und Ausarbeitungen, wenn er sie geeignet fand, später noch benutzt habe. Sind demnach die Schriften Platons, mit wenigen Ausnahmen, nicht Producte seiner Lehrjahre, sondern seiner Meisterjahre, so sind sie auch nicht die unwillkürlichen Zeugen seiner eigenen Entwicklung, sondern sie offenbaren die bestimmte Absicht des Verfassers, seine Philosophie dem Leser nicht als fertiges System, sondern in ihrer innern Entwicklung vorzuführen. Die eigenthümliche Beschaffenheit der Schriften weist aber darauf hin, dass diese Entwicklung nicht sowohl an der Sache, der Philosophie, als an der Person, dem Philosophen, aufgezeigt werden sollte, und da jede innere Geistesentwicklung zunächst von der äufsern Lebensentwicklung bedingt und bestimmt wird und Platon den Sokrates als idealen Weisen zum Träger seiner idealen Philosophie gemacht hat, so ergiebt sich, dafs der leitende Faden seiner Schriften ein historischer oder, wenn man will, poetischer sein müsse, der an dem äussern Leben des Weisen die innere Entwicklung seiner Weisheit, ihr Verhält

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nifs zu den andern herrschenden philosophischen Systemen und zu den Anschauungen der Zeit und endlich ihren praktischen Einfluss auf die Lebensrichtung und Handlungsweise des Weisen selbst zeigen soll. Die Gesammtheit der platonischen Schriften bildet also ein poetisch-philosophisches Ganze, worin in dem idealen Leben des wahren Philosophen die ideale Entwicklungsgeschichte der wahren Philosophie dargestellt werden soll.

Unsere Voraussetzung macht es freilich zur Bedingung, dafs man gewissen, zum Theil schon aus dem Alterthume herstammenden Vorurtheilen in Betreff der Entstehungszeit und Tendenz mancher Schriften entsage, so dem, dass die sogenannten apologetischen Schriften, wie Euthyphron, Apologie, Kriton, Phädon zur Vertheidigung des wirklichen Sokrates kurz vor und nach dem Tode des Sokrates geschrieben seien; dafs die eigenthümliche Manier der einzelnen Schriften aus der jedesmaligen Bildungsstufe des Verfassers herzuleiten sei, dafs er also die sogenannten sokratischen Gespräche in der sokratischen, die dialektischen in der megarischen Periode u. s. w. geschrieben habe; dafs der Staat und seine Begleiter als die vollkommensten auch die letzten Werke gewesen sein müssen. Wir können leicht vermuthen, wohl wissend, wie schwer es ist, Meinungen, die einmal in uns festgewurzelt sind, zu ändern, dass unsere Anordnung gerade von solchen Kennern Platons, die sich der gewohnten Vorstellungen nicht entäussern können, Widerspruch finden wird; wir dürfen jedoch um so mehr auf die Billigung solcher, die unbefangen an die Prüfung derselben sich begeben, rechnen, als wir uns bewusst sind, unsere Ansicht auf die einfachsten und natürlichsten Erklärungen theils der Andeutungen in den Schriften Platons selbst, theils der Notizen Späterer begründet zu haben. Wir haben es uns zur besondern Pflicht gemacht, alle gewaltsame Deutungen und unerwiesene Voraussetzungen fern zu halten und wo wir sie bei frühern Kritikern fanden, ihnen, wie scharfsinnig sie auch sein mochten,

entgegenzutreten. Wo es nur irgend sich thun liefs, sind wir von der Tradition des Alterthums ausgegangen. Das Princip unserer Eintheilung ist ein so einfaches und leicht fafsliches, dafs es dem Leser blos zumuthet, die Gespräche gleichsam nach der Nummer, die Platon selbst jedem einzelnen angeheftet hat, an einander zu reihen, woraus sich dann der äussere historische Zusammenhang von selbst ergiebt. Schwieriger freilich ist der Nachweis des innern philosophischen Zusammenhanges neben dem äussern historischen, und wir fühlen recht wohl, dafs in dieser Hinsicht unsere Schrift noch Vieles wird vermissen lassen. Die Reichhaltigkeit des Stoffes erlaubte nur ein Eingehen auf den Inhalt der Gespräche im Ganzen und Grofsen; Vieles konnte nur kurz angedeutet, Vieles mufste ganz übergangen werden. Es kam uns aber auch gar nicht darauf an, Alles in dieser Beziehung zu erschöpfen, als vielmehr den Weg zu zeigen, wie nach unserer Anordnung der philosophische Zusammenhang mit dem histoin eine ungezwungene Uebereinstimmung gebracht werden könne. Die Schrift wird ihren Zweck vollkommen erfüllen, wenn sie auf die Mängel und die Vergeblichkeit der bisherigen Eintheilungsversuche aufmerksam macht und die Forscher anregt, die Schriften Platons einmal von dem hier gegebenen Gesichtspunkte aus zu betrachten.

Aus unserer Anordnung erwächst für die Auffassung Platons erstens der Vortheil, dass man ihm auch als Dichter gerecht wird, was bisher gar nicht oder nur unvollkommen geschehen ist, und dafs zweitens der leicht falsbare Faden, der durch das Ganze geht, dem Leser das Studium und Verständnis der platonischen Schriften erleichtert. Durch unsere Eintheilung wird allem Schwanken in der Bestimmung der Reihenfolge der Schriften für immer ein Ende gemacht, und der Streit, ob uns Platons Lehre in seinen Schriften systematisch, historisch oder genetisch gegeben werde, hört auf; denn die natürliche Ordnung lässt sie in einem gewissen Sinne als eine systematische, historische und genetische zugleich er

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