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12.

UNLUST DER ZEIT.

Klage über die allgemeine Trübseligkeit und daß es ohne Spott nicht mehr gestattet sei, sich dem Frohsinn hinzugeben, wie ehedem, wo der Glückliche seine Fröhlichkeit zeigen durfte und sein Herz dem Frühling entgegenjubelte.

Ich wære dicke gerne frô, wan daz ich niht gesellen hân. nû sie alle trûrent sô,

wie möhte ich'z eine denne lân?

ich müese ir vingerzeigen lîden,

i'n wolte freude durch sie mîden.

sus behalte ich wol ir hulde, daz sie'z lâzen âne nît: ich gelache niemer niht,

wan da ez ir dekeiner siht.

Ez tuot mir inneclîchen wê,

als ich gedenke wes man pflac in der werlte wîlent ê.

owê deich niht vergezzen mac,

wie rehte frô die liute wâren!

frô kunde ein sælic man gebâren

unde spilte im ie sîn herze gein der wünneclichen zît. sol daz niemer mêr geschehen,

sô müet mich daz ich'z hân gesehen.

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2 außer daß ich keine Gefährten habe: aber es will mir niemand in der Fröhlichkeit Gesellschaft leisten. - 3 nû, da, weil nun. 3. 4 wie könnte ich bei der allgemeinen Traurigkeit allein sie aufgeben, allein fröhlich sein. 5 daz vingerzeigen, das Deuten mit dem Finger, öffentlicher Tadel. Ich müsste es dulden, daß sie mit Fingern auf mich zeigten, wenn ich nicht um ihretwillen der Freude entsagen wollte. 7 auf diese Weise, so aber erhalte ich mir ihre Gunst, ohne mich ihrem Hasse auszusetzen. 8 niemer niht, doppelte verstärkte Negation. 9 wan da, außer wo. dekein, keiner.

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10 inneclichen adv., tief innerlich, von Herzen. 11 als, wenn. 12 wilent adv., häufig mit ê verbunden: einst, vordem, vor alten Zeiten. 15 fro] do die Hss., vgl. Nr. 96, 12. salic, beglückt, glücklich. — 16 spiln, hüpfen; entgegenschlagen.

13. GEGENSEITIGE LIEBE.

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13.

GEGENSEITIGE LIEBE.

Bitte an die Geliebte, ihn nicht wie bisher gleichgültig zu übersehen, sondern ihn, falls sie sich vor den Spähern scheue, ihm offen ins Gesicht zu schauen, doch durch einen Blick auf die Füße zu grüßen. Sie, die er um ihrer Trefflichkeit willen vor allen Frauen liebe, möge sich besinnen, ob er ihr etwas gelte: zur Liebe gehören zwei.

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1 unmære, unwerth, gleichgültig, zuwider. Ob du mich liebst, weiß ich nicht, ich aber liebe dich. 3 aber eines fällt mir schwer, drückt mich. 4 neben mir vorbei und über mich hinaus. 5 vermîden, unterlassen. -6 erliden, ertragen: ohne großen Nachtheil (Schmerz) kann ich eine solche Liebe nicht ertragen. 8 ich bin zu schwer belastet, nimm einen Theil der Bürde auf dich.

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9 huote, Vorsicht: thust du das etwa aus Vorsicht (vor den Spähern), daß du mich so selten anblickst? 11 ze guote, zum Nutzen, zum Vortheil: wenn es in meinem Interesse geschieht. 12 wizen c. dat., tadeln: so tadle ich dich deswegen nicht. 13 sô, in diesem Falle; meide mein Haupt, d. h. meide es, mir ins Gesicht zu schauen, und sieh mir bloß auf die Füße. 16 sô dû baz enmügest, wenn du nicht weiter (zu gehen, mehr zu thun) dich getraust.

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betrachte.

behagen, gefallen. 19 du'z = dû ez;

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17 swanne, wann immer. ich s ich sie, die: ich alle diejenigen 18 von schulden, aus zureichendem Grunde, mit Recht. wie hier wird häufig das Neutralpronomen als Vorläufer gleichsam des Prädicats oder Subjects vorangestellt (vgl. Gramm. 4, 222); so auch Nr. 147, 8: ich bin'z der sun, 147, 10: sit ir'z der beste. frouwe, Herrin, Gebieterin: du stehst hoch über allen, die ich sah und die mir gefielen. - 20 ane rüemen, ohne Prahlerei. — 21 edel, von edler Geburt. 22 sumelich, mancher. 23 hôher muot, stolzer Sinn, gehobene Stimmung. 24 vielleicht sind sie besser (als du), möglich, daß sie besser sind, von dir weiß ich es bestimmt, daß du gut bist.

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25 nû, nun, nachdem du weist, was du mir bist, wie hoch ich dich stelle, besinne, bedenke dich. - 26 z'ihte, zu irgend etwas, einigermaßen; mare, lieb, werth, angenehm: ob ich dir etwas gelte, dir lieb sei. 27. 28 eines Geliebten (Liebhabers) Liebe gilt nichts, wenn der andere, entgegengesetzte Theil fehlt. - 29. 30 einseitige Liebe führt zu nichts, sie muß gemeinsam, gegenseitig sein. - 31. 32 und zwar so gemeinsam, daß sie dringe durch zwei Herzen und durch keines weiter, d. h. sich auf zwei Herzen beschränke.

14. SCHENHEIT UND ANMUTH.

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14.

SCHOENHEIT UND ANMUTH.

Dem Vorwurf, daß er seinen Sang (und seine Liebe) keiner vornehmen Frau widme, antwortet der Dichter, daß Schönheit und Reichthum wenig Werth für ihn haben. Er zieht die Anmuth der Schönheit vor, verlangt dazu Treue und Beständigkeit, ohne welche auch jene ihm werthlos sei.

Hérzeliebez frouwelin,

got gébe dir hiute und iemer guot! kúnde ich baz gedenken dîn,

des hæte ich willeclîchen muot.

wáz mac ich nû sagen mê

wan dáz dir nieman holder ist? owê dâ von ist mir vil wê.

Sie verwîzent mir daz ich

sô nider wende mînen sanc.

daz sie niht versinnent sich

waz liebe sî, des haben undanc!

sie getraf diu liebe nie,

die nach dem guote und nâch der schone minnent: wê,

wie minnent die!

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Bî der schone ist dicke haz: zer schoene niemen sî ze gâch.

liebe tuot dem herzen baz:

der liebe gêt diu schoene nâch.

liebe machet schoene wîp:

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des mac diu schoene niht getuon, sie machet niemer lieben lîp.

1 Geliebtes Mädchen. 2 jetzt und immerdar Glück, Heil. 3 könnte ich dir in Gedanken Besseres wünschen. - 4 willeclichen adv., willig, bereitwillig. muot haben eines dinges, Verlangen, Lust, Absicht haben, etwas zu thun: dazu wäre ich gerne bereit. 5 me, weiter.

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6 wan daz, außer, als daß. Das bereitet mir Schmerz, Leid. 7 verwizen c. dat., einem vorwerfen, tadeln; verweisen. 8 so Niedrigem meinen Gesang weihe, widme. - 10 liebe, Anmuth, Liebreiz. Dafür empfangen sie keinen Dank; eine Verwünschung. 11 getraf, bewegte, ergriff.

12 guot, Geld, Vermögen, Reichthum.

13 wohnt oft Neid, Missgunst. 14 gach, jäh, schnell: lasse sich keiner von der Schönheit zu rasch fesseln, dahinreißen. - 16 get nach steht nach: die Anmuth geht der Schönheit vor. 17 schoene, schwache Formschoenez: verschönt die Frau. - 18 macht niemals anmuthig.

Ich vertrage als ich vertruoc und als ich iemer wil vertragen: dû bist schone und hâst genuoc.

waz mugen sie mir dâ von gesagen? swaz sie sagen, ich bin dir holt

und nim dîn glesîn vingerlîn für einer küniginne golt.

Hâst dû triuwe und stætekeit,

sô bin ich des ân' angest gar,

daz mir iemer herzeleit

mit dînem willen widervar.

hâst ab dû der zweier niht,

sô müezest dû mir niemer werden: owê danne, ob daz

geschiht!

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19 vertragen, ertragen, hingehen, sich gefallen lassen; nämlich den gegen meine niedere Minne ausgesprochenen Tadel. 21 du bist schön und reich genug. 22 was wissen síe davon. 23 mögen sie sagen was sie wollen. 24 glesin vingerlin, Fingerring von Glas, im Mittelalter häufig getragen. Durch den Glasring, den der Dichter dem Goldreif einer Fürstin vorzieht, ist die Armuth und niedrige Herkunft der Geliebten angedeutet.

25 Bist du treu und beständig.

gänzlich unbesorgt.

27 iemer, jemals.

26 des ân' angest gar, darüber 28 mit willen, mit Vorsatz, absichtlich. 29 nichts von den beiden: hast du aber weder Treue noch Beständigkeit. 30 so wünsche ich dich niemals zu besitzen, so will ich nichts von dir. Weh der Stunde, der Zeit, wenn das geschähe.

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