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Panaetius besonders dadurch geeignet, dass seine philosophischen Forschungen, soviel wir wenigstens aus den Nachrichten über seine Schriften schliessen können, fast lediglich auf Fragen von praktischem Interesse gingen, und dass er von einem gesunden Verstande geleitet die Härten des stoischen Systems und der stoischen Sprache milderte und selbst Manches aus andern Systemen in das seinige aufnahm. Ueber eine so rein theoretische Frage, wie die Weltverbrennung hielt er sein Urtheil zurück (de nat. deor. II, 46, 118). Er verwarf die Lust nicht gänzlich (Sext. adv. Mathem. XI, 73), verlangte nicht Gefühlslosigkeit gegen den Schmerz (Gell. n. A. XII, 5), ja er leugnete selbst, dass die Tugend allein zur Glückseligkeit genüge, wenn wir der Angabe des Diog. Laert. VII, 128 Glauben schenken dürfen. Auch darin, dass er die Weissagung wenigstens theilweise verwarf (de div. I, 3, 6), liess er sich von seinem gesunden Verstande leiten, wenn er gleich gegen das stoische System verstiess. Er schmückte seine Rede durch Stellen aus andern Philosophen, namentlich aus Plato, den er im hohen Grade bewunderte (de fin. IV, 28, 79. Tusc. I, 32, 79). Von seinem Buche de magistratibus sagt Cicero ausdrücklich, dass es nicht rein theoretisch, sondern mit Beziehung auf die bestehenden Verhältnisse abgefasst war (de. leg. I, 6, 14), auch die Schrift de officiis war in populärer Darstellung geschrieben und mit erläuternden Beispielen durchflochten (II, 10, 35), von andern, wie лεдì εvývμías, ist dies sehr wahrscheinlich. Die Pflichtenlehre war schon vor Panaetius von den Häuptern der Stoa, Zeno, Kleanth, Chrysippus und Anderen behandelt, die auch, wie man aus zerstreuten Notizen sieht, den speciellen Theil der Moral nicht unbeachtet gelassen hatten. Vielmehr liegt in dem Eingehen auf die einzelnen Pflichten des Individuums, wie in der Behandlung der Psychologie der Hauptverdienst der Stoiker. Nicht unwahrscheinlich ist es, dass auch die Früheren die von Panaetius befolgte Dreitheilung in Pflichten, welche die Tugend oder der Nutzen vorschreibt, und über die Collision beider Arten angenommen hatten. Als dem Panaetius eigenthümlich wird uns nur angeführt, dass er die Tugenden in theoretische und praktische eingetheilt habe (Diog. Laert. VII, 92), d. h. er verband mit der platonisch-stoischen Eintheilung in vier Tugenden die aristotelische Trennung von dianoetischen und praktischen Tugenden in der Weise, dass er die Klugheit für eine theoretische, die andern drei für praktische Tugenden erklärte (de off. I c. 5. vgl. I, 6, 18. de part. orat. 22, 76 ff.). - Der Vorwurf ferner, den ihm Cicero macht (I, 2, 7), dass er seiner Ab

handlung keine Definition des Begriffes,Pflicht' vorausgeschickt habe, findet wol in der populären Form, in der die Schrift abgefasst war, seine Erklärung, während in der stoischen Schule die Definition fest-formulirt war. Mehr zu rechtfertigen ist er gegen Ciceros andern Vorwurf (I, 3, 10), dass er nicht behandelt habe: duobus propositis honestis utrum honestius, duobus propositis utilibus utrum utilius. Denn ein Conflict zwischen den einzelnen Tugenden widerspricht dem Begriff der Tugend, und das um so mehr, da nach der Lehre der Stoiker alle Tugenden auf das Wissen als auf ihre Einheit zurückgehen. Die Fragen aber, ob es besser sei geehrt oder reich zu sein, Landbesitz oder Fabriken zu haben, wie sie Cicero aufwirft, wo er das über den Nutzen von Panaetius Ausgelassene ergänzt (II c. 25), haben doch wahrlich mit der Ethik keinen Zusammenhang. Das Werk des Panaetius bestand aus drei Büchern, war aber unvollendet, da der angekündigte dritte Abschnitt über den Conflict zwischen Tugend und Nutzen fehlte (III, 2, 7).

Den bei Panaetius fehlenden Theil behandelte Cicero selbständig, d. h. ohne ein Vorbild zu haben, dem er, wie in den ersten Büchern dem Panaetius, in der Eintheilung und dem Gange der Abhandlung folgte (III, 7, 34 explebimus nullis adminiculis, sed ut dicitur Marte nostro); dass er ein Werk des Posidonius, des Schülers des Panaetius, dabei benutzt habe, sagt er selbst (z. III, 2, 7. ad Attic. XII, 11), scheint indess nicht viel daraus entnommen zu haben, da es gerade den Theil der Pflichtenlehre nur kurz berührte (III, 2, 7), und überhaupt nichts, was seit Panaetius über Ethik geschrieben war, Ciceros Beifall fand (III, 7, 34). Benutzt hat er ferner eine Schrift des Hekaton von Rhodus, aus der er die sich widerstreitenden Ansichten des Diogenes und Antipater anführt (z. III, 23, 59), und wahrscheinlich ist aus ihr auch das III, 12, 91 Erwähnte entlehnt, wo diese beiden Philosophen dieselbe Differenz der Meinungen an den Tag legen.

Von Interesse ist die Frage, wieviel Cicero aus diesen seinen Quellen geschöpft hat, und was sein geistiges Eigenthum ist; ob er, wie sich dies bei Theilen der Bücher de nat. deor. durch das Fragment des Epikureers Phaedrus gezeigt hat, fast nichts als eine freie Uebersetzung des griechischen Originals geliefert hat, oder ob er ausser dem römischen Gewande und den Beispielen aus der römischen Geschichte auch eigne Gedanken gab. Auf das Letztere führt theils Ciceros eigner Ausspruch I, 2, 7 sequimur potissimum Stoicos, non ut interpretes, sede fontibus

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Cic. de offic.

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eorum iudicio arbitrioque nostro quantum quoque modo videbitur, hauriemus (vgl. III, 2, 7), theils die Urtheile der Alten, die von dem Buche mit der höchsten Anerkennung sprechen. Gell. XIII, 27 quos (Panaetii libros) M. Tullius magno cum studio maximoque opere aemulatus est. Plin. nat. hist. praef. §. 22 quae volumina ediscenda non modo in manibus cotidie habenda nosti. Freilich gerade die Partien, von denen Cicero selbst mehrfach sagt, dass er sie neu hinzugefügt habe (I, 3, 10. 43, 152. II, 25, 85), über den Vorzug der einzelnen Tugenden und einzelnen Arten des Nutzens, sind theils nur angedeutet, nicht ausgeführt, wie II c. 25, theils beruhen auch sie auf stoischen Argumenten, wie denn die I c. 43 behandelte Frage über den Vorrang der praktischen oder theoretischen Thätigkeit einen Hauptpunkt des Streites zwischen Stoikern und Peripatikern bildete. Auch alle das wissenschaftliche System berührenden Aenderungen sind gering, abgesehen von der überall sichtbaren Milderung der stoischen Strenge und der für Cicero charakteristischen Scheidung zwischen Theorie und Praxis (vgl. II, 10, 35. 14, 51. III, 3, 13). Denn ohne Bedeutung ist es, dass er an Stelle der avdoɛía der Stoiker die magnitudo animi treten lässt und ihr die fortitudo unterordnet, während bei den Stoikern meist das umgekehrte Verhältniss statt findet. Wenn er ferner das moralisch Gute stets durch honestum bezeichnet, während die Griechen xaλóv sagen, so ist das zwar charakteristisch für den Unterschied der römischen und griechischen Anschauungsweise, aber einen andern Begriff will er nicht damit verbinden. Zu übersehen ist indessen nicht, dass, während die Griechen den Begriff xaλóv objectiv bestimmen, Cicero mehr darauf Rücksicht nimmt, dass das honestum den Beifall gutgesinnter Männer findet oder verdient, weshalb er auch anderwärts dem Ruhm einen höheren Werth beilegt, als die Stoiker pflegen (Tusc. III, 2, 3). Dem entspricht es, dass er dem Wohlanständigen (decorum) eine Bedeutung giebt, die es bei den Stoikern nicht hat. Denn diese vernachlässigen über die tugendhafte Gesinnung die Form und Rücksicht auf die Umgebung, Cicero will, dass die Tugend auch ein gefälliges Aeussere habe und nach dem Urtheile der Welt frage: daher die ausführliche Besprechung des decorum I §. 94-100. Auch der Verschiedenheit der menschlichen Individualitäten gesteht er grössere Rechte zu, als dies nach stoischen Principien angeht (I, 30, 107 ff.); erklärt er es doch sogar für möglich und statthaft, dass der Eine es vorzieht sich in dieser, der Andre sich in jener Tugend auszuzeichnen (I, 32, 116). Sehen wir nun auf die Behandlung

der einzelnen Theile, so sind alle mit Beispielen aus der römischen Geschichte und Beziehungen auf die damalige politische Lage Roms ganz durchwebt; häufig sogar nicht zu ihrem Vortheil, denn die Bitterkeit, mit der Cicero sich beklagt, und die Verblendung, mit der er über seine Gegner urtheilt, hat für den Leser nichts Angenehmes (s. z. II, 24, 84. III, 6, 32. 22, 82. 84). Alles ist in römischem Geist und Gesinnung und namentlich mit Rücksicht auf den vornehmen Römer, der sich dem Staatsdienste widmet, behandelt. Das er diesen besonders im Auge hat, spricht Cicero selbst II, 9, 30 aus: sed attingamus, quando quidem ea in rebus maioribus gerendis adiuvat plurimum.

Wollte man auch annehmen, dass der Umgang mit Scipio und andern römischen Grossen einen bedeutenden Einfluss auf Panaetius ausgeübt habe, so konnte doch ein griechischer Philosoph ein Werk über die Pflichten nimmer in dieser Weise abfassen. In dem ersten Abschnitte über die Weisheit I c. 6, der überhaupt unverhältnissmässig kurz ist, wird nicht gesprochen über die εὐβουλία, νουνέχεια, εὐλογιστία und was sonst für Tugenden die Stoiker der goórnois unterordneten (Stob. p. 106), sondern von dem falschen d. h. auf praktisch interesselose Dinge gerichteten Wissenstriebe und über den richtigen Wissenstrieb, der uns indessen nicht von der öffentlichen Thätigkeit abziehen darf. Den Abschnitt über die Gerechtigkeit füllt zum Theil die Frage, welches die gerechten Gründe für den Beginn eines Krieges, und wie die besiegte Feinde zu behandeln seien, und auch hierüber wird nicht vom Standpunkte des Philosophen, sondern von dem des römischen Staatsmannes gesprochen. Der folgende Theil über den Hochsinn magnitudo animi ist lediglich in Beziehung auf Römer behandelt, welche im Staate eine hohe Stellung einnehmen. Wiederholt wird dabei geklagt, dass Leute, welche nach hervorragender Macht und Ansehen streben, so leicht dem Gemeinwesen gefährlich werden (I, 19, 63. 22, 74. 8, 26), die, welche aus Furcht vor den Mühen und der Unsicherheit des Erfolgs sich nicht um Staatsämter bewerben, werden getadelt (I, 21, 71), und ausser mancherlei Vorschriften für solche, welche dem Staate vorstehen, wird mit besondrer Ausführlichkeit die Frage besprochen, ob der Beruf des Feldherrn oder des Staatsmannes ehrenvoller und nützlicher sei. Was I c. 37f. (vgl. II c. 14) über die verschiedenen Gattungen der Rede gesagt wird, sind dieselben Gedanken, die Cicero in seinen rednerischen Schriften ausgesprochen hat. Ueber die Berechtigung der einzelnen Berufsarten kann so, wie c. 42 geschieht, nur ein Römer sprechen.

Fast noch mehr tritt dieses im zweiten Buche hervor. Man beachte nur solche Partien wie c. 13 und 14, die Vorschriften für einen jungen Römer, der sich Ruhm und Ansehen beim Volke erwerben will, c. 15-24 über die Erwerbung der Volksgunst durch Spenden, Verwaltung von Aemtern, populäre Gesetze und Einrichtungen, und man kann nicht länger zweifeln, dass das keine Übersetzung aus einem griechischen Philosophen ist. Der wissenschaftliche Theil der Schrift ist dagegen gering und leidet öfter an Verworrenheit (s. z. I c. 3. 27, 94. c. 40. c. 43 und das unten über das dritte Buch Gesagte). Diesen Theil und den ganzen Schematismus der Eintheilung hat Cicero von Panaetius entlehnt, — dem indess die Unklarheiten Ciceros darum noch nicht zur Last gelegt werden dürfen in den übrigen, zwar wahren und treffenden, aber lose zusammenhängenden und willkürlich unter die einzelnen Kategorien vertheilten Bemerkungen und Vorschriften, die minder durch allgemeine Gedanken als durch Beispiele bewiesen werden, haben wir vornehmlich Ciceros eigne Lebenserfahrungen zu sehen, und darin liegt eben das Interessante und der Vorzug dieser Schrift yor andern ciceronischen. Dagegen sind die Argumente, mit denen Cicero seine Sätze beweist, stets nur von der Oberfläche geschöpft, ein tieferes Eingehen auf philosophische Principien und die Psychologie des Menschen vermisst man ganz.

Ueberhaupt aber beruht die Stärke von Ciceros Philosophie nicht in den systematischen Beweisen. Die abstracten, rein speculativen Fragen liegen ihm fern, es fehlt ihm dazu die Tiefe der philosophischen Bildung, aber er lässt sich auch nicht auf die scholastischen für Philosophie und Praxis gleich fruchtlosen Distinctionen und Definitionen der Stoiker ein. Ueberall zeigt er einen gesunden Sinn und Reichthum der Erfahrung, wie sie nur ein Mann erwirbt, der sich von Jugend auf in dem politischen Leben und in juristischer Thätigkeit bewegt, der einst selbst an der Spitze des Staates gestanden und eine grosse politische Partei geleitet hat. Dabei hält sich seine wahrhaft moralische Gesinnung ebenso fern von den Zweideutigkeiten der Moral eines Diogenes, wie von den Rohheiten, die selbst Chrysipp aus dem Cynismus mit herübergenommen hatte. Mit Recht wird dagegen der Schrift de officis der Vorwurf häufiger Wiederholungen in dem Einzelnen gemacht, denn auf gewisse ihm sehr geläufige Fragen kommt Cicero öfter zurück als nöthig ist. So wird über die Macht der Beredsamkeit I c. 37 und II c. 14 wesentlich dasselbe gesagt, über die zur Verschwendung ausartende Freigebig

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