Einiges Urwort, von diesem auf den von Ewigkeit zu Ewigkeit sich aussprechenden, sich selbsts offenbarenden Schöpfer, von Beiden auf die Nothwendigkeit des Wiedereinspruchs und des All- einigenden Geistes geschlossen wird, wem verdanken wir diese Einsicht, welche selbst schon ein solches Wiedereinsprechen ist, - als der Vernunft, auf deren Engels - Schwingen die liebende Seele zur Einigung mit dem Alleinigenden anstrebt? 1) Ja selbst, wenn gegen die, angeblich menschliche, Vernunft gestritten wird, weil man irrigers weise den ungebildeten oder verbildeten Verstand darunter versteht, welcher sich der Idealisirung. des Reellen, der Vereinigung des, zur Einigkeit bestimmten, Unterschiedenen, oder ebensowohl der Einigung durch Unter- und Ueber-ordnung, der Anerkennung und Geltenlassung des Geordneten Besonderen widersett, so ist es eben die, ihrer selbst noch nicht bewußtgewordene, Vernunft, welche ihr Daseyn auf unmittelbare Weise beurkundet. Denn ihr widert eben so sehr die starre Einheit des Todes, wenn diese ausserhalb des mathematischen Gebietes, in welchem allein sie herrschen muß, geltend gemacht werden soll, da sie mit den Unterschieden auch die Einigung ausschließt, als ihr die absolute Partikularifirung oder Ato 1) Tertullian, de poenit. in princ.: Quippe res dei ratio. Quia deus omnium conditor, nihil non ratione pro, vidit, disposuit, ordinavit: nihil non ratione tractari intelligique voluit. Igitur ignorantes quique deum, rem quoque ejus ignorent, necesse est: quia nullus omnino thesaurus extraneis patet." mistrung zuwider ist, welche jeglichen wahrhäften Zu sammenhang unmöglich machen würde, da das schlechts hin Partikularisirte in keiner Beziehung, also auch nicht in einer Entgegenseßung, oder gar in Widerspruch, mit irgend Anderem stehen könnte. Zulegt endlich fragen wir noch, ob denn irgend eine Autoritåt, welche Alles, und die Ver nunft Nichts gelten soll ), nicht durch die Vers 1) Eine solche Vernunftverläugnung findet sich z. B. bei Tabaraud (de la Réunion etc. Paris 1808. p. 83): „Dès lors qu'on a abandonné l'autorité, seul principe qui puisse servir de garant à la vérité en matière de doctrine, on est sans titre pour condamner les autres opinions." Wenn aber der Bischof von Hermopolis an einigen Stellen, z. B. Déf. du Christ. T. I. p. 152. 153, zugesteht:,,qu'il y a des notions d'ordre et de bcanté répandues dans tous les esprits, même les plus vulgaires; oui, l'homme porte au fond de son coeur un sentiment profond de l'ordre et du beau, comme de l'honnête et du vrai," so annullirt er dieses gewichtige Zugeständniß doch wiederholt im weiteren Verlauf seines Werkes, wie z. B. T. IV. p. 16: „L'autorité (de l'Eglise), voilà la règle (du fidèle). Si les esprits viennent à franchir cette barrière sacrée, attendez-vous à les voir goûter de toutes les erreurs sans être satisfaits par aucune, et poussés par une injuste curiosité, tomber enfin dans les plus prodigieux égaremens, Ainsi du moment glise prononce, soyons dociles etc." Während er im 1sten Theil (um 1803) p. 18 die raison le beau privilège de notre nature nannte, und p. 25 behauptete: la religion invite à l'examen, elle le commande même; ja fogar: il s'agit de vous attacher à la religion par les liens de la conviction la plus réfléchie et la plus profonde; heißt es im 4ten Theile (etwa 20 Jahre später), p. 452:,,Ainsi tous les jugemens de l'Eglise demandent une égale soumission; si elle a pu errer dans un seul, pourquoi pas dans les autres, L'Eglise a-t-elle décidé? voilà le seul fait qui m'in que 1'E nunft selbst vorübergehend zur Autoritåt erhoben worden sey? Und so sollte man nach allem diesem wohl meis nen, daß die wirkliche Vernunft nur von der Uns vernunft geschmäht werden könnte! Aber, leider! hört man auch Låsterungen gegen sie von Solchen ausstoßen, bei welchen man, ihrer übrigen Bildung nach zu urtheilen, Entwicklung und Reife derselben voraus, sezen dürfte. Bei diesen scheint daher ein, dem übers zeitlichen Streben der Vernunft entgegengeseztes, zeit, liches Interesse obzuwalten, welches nach der vors angehenden Charakteristik jenes Vernunft. Strebens im Grunde kein anderes seyn kann, als das eines absoluten Partikularismus, oder einer gleich rohen Nivellirung, welche beide jedoch in Wesen und Wirkung 1) ineinander übergehen und sich identifizis ren. Wie man das (partikularisirende) Nivelliren bei téresse. P. 453: C'est donc par l'autorité et non par l'examen particulier que doit se régler la croyance. P. 454: Donc, pour être conséquent, tout chrétien doit être catholique! " Freilich, als er das Erste schrieb, war er nur ein geringer alleinstehender Prediger; das Lettere hingegen schrieb der bischöfliche, fast souveraine, Minister der geistlichen Angelegenheiten, gestüßt auf eine gewaltige Armee von Fanatikern. 1) Die Päbste predigten Septembrisirungen gegen Albigenser und Waldenser, und die Inquisition ist ein Tribunal révolutionaire gegen die heilige Gewissensfreiheit; Philipp II. in den Niederlanden, Carl IX. und Ludwig XIV. in Frankreich wütheten gegen die Privilegien der Menschheit, wie die Schreckensmänner gegen die des Throns und des Adels; Calvin nivellirt die Erwählten und partikularisirt sie gegen die Verworfenen, wie der Ulkoran und die Orthodoxie die Gläubigen gegen die Ungläubigen; jener opfert den Servetus, die Katholiken die Mahomedaner, diese Jene, u. s. w. u. s. w. den sogenannten Radikalen, bei den egoïstischen Aufs klårern, wie bei den strengen Hernhutern, bei abstraks ten Republikanern und habsüchtigen Wohlfahrtsmån nern herrschend findet, so ist das (nivellirende) Pars tikularisiren bei allen denjenigen unverkennbar, welche an absoluten Mysterien, an unbegreiflicher Auserwäh lung, an ungerechtfertigten Privilegien haften, welche ihren besonderen Vortheil und Vorrang nur dadurch behaupten können, daß der Ungrund oder auch das Unrecht ihrer Ansprüche nicht erkannt und nicht bes sprochen werden. Da aber überhaupt diese Interessen mit den Individuen, welche von ihnen behaftet sind, dahinsterben, dagegen das reine Interesse der Vernunft sich mit jeder Generation regenerirt und stårkt, und durch jenen Gegensag nur noch tiefer angeregt wird, — fo kann die Vernunft mit jenen Individuen nur Mitleiden hegen, während diese, indem sie die Uebers macht der Vernunft dennoch nicht verkennen, in eine Art von Haß gegen diejenigen verfallen können, welche das Interesse der Vernunft verfechten und verbreiten. Bald aus diesem Hasse, bald aus jener Vers wechslung von Vernunft mit unvernünftigem Verstande entspringen dann jene Bedenklichkeiten, des ren wir im Vorhergehenden gedacht haben und welche wir nur noch ferner an uns vorübergehen lassen wollen. Sechstes Capitel. Vielspältigkeit der Glaubensmeinungen. Mais heureusement l'auteur de la nature a mis en nous un je ne sais quoi de plus fort que tous les sophismes, qui tient le genre humain inviolablement attaché à certaines vérités nécessaires à son bonheur." Frayssinous. *) (Déf. du Chr. T. II. p. 31.) So heißt es also zuerst, daß wenn einmal die geistliche Vormundschaft aufgekündigt worden, welche das religiöse Weihthum unvermehrt und unvermindert. und ungetrübt bewahrt und überliefert und nach Bedarf an die Laien ausgespendet habe, wenn einmal das Individuum sich nicht mehr der allgemeinen Autoritåt unterwerfen müsse, -die Einzelnen in ein maasloses Klügeln verfallen 1) und von je *) Freilich sagt ebenderselbe an demselben Orte! p. 32 et 33: „La raison s'est corrompue, toute vérité s'est altérée." Da wir aber die Wahl hatten, so wählten wir, was Gott am mehrsten Ehre macht, und nahmen das Leßtere für eine rednerische Figur gegen die französischen Materialisten. 1) Als ein nothwendiges stufenweises Herabfallen bis zum nihilistischen Unglauben beschreibt es u. a. Bergier im Traité de la Religion, T. I. p. 46. 50, auf folgende Art: „L'axiome sacré des protestans, des Sociniens, des déïstes, des athées, est que l'homme ne doit écouter que sa raison, ne se rendre qu'à l'évidence, rejeter tout ce qui lui paraît faux et absurde. En conséquence, les protestaus ont dit: Nous ne devons croire, que ce qui est expressément révélé dans l'Ecriture, |