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risch, stolz und abentheuerlich ist, daß er die moralische Heiligkeit hienieden für erreichbar erklärt, die Tugend mit der Glückseeligkeit identificirt und diese in die Gewalt des Menschen stellt, die Unsterblichkeitslehre ausser Verbindung mit der Tugend fekt und ableugnet, den Selbstmord erlaubt und die zeitlichen Güter verachten lehrt *). Kaum würde der irreligiöse und nur auf eine naturgemåße Befriedigung der natürlichen Triebe und Neigungen und auf eine gemächliche Ruhe ausgehende Epik ureismus hier eine Erwähnung verdienen, wenn man nicht die christliche Tugendlehre so oft für einen wohlverstandenen Epikureismus,für eine bloße Glückseeligkeitslehre ausgegeben håtte, da doch die Glückseeligkeit, von welcher Epikurus redet, eine ganz andere ist, als die, welche das Christenthum verheißt und dem Menschen schenken will, da das lehte nicht einmal aus der reineren und höheren Seeligkeit, der es allerdings einen hohen Werth beilegt, und welche es oft als Triebfeder gebraucht, die ganze Moral ableitet, und da es diese Seclig= keit selbst als ein freies, unsere Kraft und Würdigkeit weit übersteigendes Geschenk der göttlichen Gnade vorstellt.

*) J. C. F. MEYER Comment. in qua doctr. Stoicor. eth. cum christ. comparatur. Gott. 1823. Vergl. MAUPERTIUS Essai de phil. mor. ch. 5 7. BRUCKER Tempe Helvet. III, 260, und Hist. crit. phil. II, 530. S. 588,

3. Die unterscheidenden Charaktere der christlichen Moral liegen nicht gerade in einem Puncte, in einem Principe, in einem bestimmten Systeme, sondern theils in der Vereinigung gewiffer großer und wahrer Hauptidéen, theils in einer gewissen Form und Einkleidung und in der Vereinigung der selben mit der Person und Geschichte ihres Urbebers:

a. sie brachte nicht sowohl neue Ideen, Pflichten und Gesetze ans Licht, als sie gewisse große moralische Wahrheiten, welche vorher nur zerstreut in verschiedenen moralischen Lehrbegriffen und in Schriften aus verschiedenen Zeiten und Gegenden lagen, vereinigte und geltend machte.

b. Sie sorgte für die Bedürfnisse von Menschen auf allen Stuffen der Cultur, dadurch daß sie zugleich eine reine natürliche und geoffenbarte Moral war, durch ihre Popularitåt, durch ihre mannigfaltigen Beweggründe, durch ihre Verbindung mit der Geschichte.

c. Sie stand in Harmonie mit der Religion, war mit einer großen moralischen Anstalt verknüpft, welche sich auf die Menschheit bezog, und ent= hielt von Anfang an den Keim, sich in Verbindung mit der Religion zum öffentlichen Kirchenglauben zu erheben.

d. Sie stellte zugleich in ihrem Urheber das vollkommenste Beispiel ihrer Lehren dar, und wollte, daß dies Beispiel sammt ihren Lehren auf die Nachwelt fortgepflanzt werden sollte.

e. Eben so stellte sie in ihrem Urheber den Welt: lehrer, Welterlöser, Weltbeglücker, den Bruder der Menschen und zugleich das Oberhaupt eines großen Familienstaats, endlich ein Beispiel der triumphirenden, belohnten und verherrlichten Lugend dar *).

S. 25.

Von den Vorwürfen, welche man der christlichen Moral gemacht hat. Mystik derselben.

Diese Vorwürfe sind folgende: Die christliche Moral ist, wenn man sie nach ihrem ursprünglichen

535.

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*) Bas Justin, Athenagoras, Lactanz, Augusti nus, Gregor von Nazianz von den Vorzügen der christlichen Sittenlehre vor dem Heidenthum und den philosophischen Moralsystemen gedacht haben, ist a. D. II, 101. 129. f. III, 13 19. 33. f. 285. 532 gezeigt. Sonst handeln vom Unterscheidenden' der chriftlic chen Moral nach verschiedenen Ansichten und Bestimmungen: B. PERRENOT Diss. Belgica, qua demonstratur quantum divina revelatio ethices doctrinam perfecerit, cum aliis ejusd. argum. Lugd. Bat. 1762. OSTEN DE BRUYN Tr. de philosophor. gentil. doctrina morali ejusdemque cum christ. ethica comparatione. Lugd. Bat. 1758. Nösselt über d. Werth. d. Moral. Halle, 1783. Tittmann christl. Mor. 2. A. Einl. §. 7. Reinhold Briefe über die Kantische Philos. I, 145. ff. Reinhard's Syft. I, 28 - 34. Lieftrunk einzig möglicher Zweck Jesu, 2. A. Berl. 1793. I. W. Schmid christl. Moral, wissenschaftl. bearbeitet, I, 154. Vogel Lehrbuch d. christl. Moral. 14. ff.

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Sinne nimmt und nicht verschönert, eine mystische und mönchische Moral, sie ist überflüssig, da die philosophische schon alles enthält und ausrichtet, was zur Besserung und Beglückung der Menschen erforderlich ist, sie unterdrückt den Patriotismus, die Industrie, die Aufrechthaltung unserer Menschenrechte und ein Staat von Menschen, welche sie vollkommen beobachten wollten, würde gar nicht bestehen können. Sie enthält nichts von den Pflichs ten der Freundschaft, und ist überhaupt sehr unvollständig, sie macht dagegen Selbstverleugnung und Demuth zur Pflicht, welches doch Untugenden sind, sie ist durch das Verbot der Ehescheidung und Pos lygamie dem Wohle der menschlichen Gesellschaft sehr nachtheilig. Sie bedient sich unreiner und eigennütziger Triebfedern zum Guten, vermischt posi= tive Vorschriften mit den reinen, allgemeinen Moralgesetzen und giebt jenen selbst den Vorzug *). Diese Vorwürfe beruhen zum Theil auf Unkunde

*) Diese Vorwürfe sind ihr von Celsus, Julianus, Bayle, Collins, Chubb, Bolingbroke, Mandeville, Shaftesbury, Helvetius, Voltaire u. a. gemacht worden. S. Geschichte der Sittenl. Jesu II, 230. ff. III, 299301. Gesch. d. christl. Moral seit dem Wiederaufleben der Wissensch. Gött. 1808. S. 709

732. The grounds of christianity examined by comparing the N. T. with the old by G. B. EngLISH Boston, 1813. Vergl. Gött. Gel. Anzg. 200. St. J. 1815. Cannabich Kritik der prakt. chriftl. "Rel. Lehre. Leipzig, 1810,

und falscher Exegese, theils sind sie wahre Lob sprüche. Wenn überhaupt von der Vollkommenheit und Ladellosigkeit der christlichen Moral die Rede ist, muß man bemerken, daß Jesus zwar gewiffe moralische Grundsäße aufstellte, welchen eine vollendete Vollkommenheit und ewige unwandelbare Gültigkeit zukommt, daß er übrigens kein vollendetes System der Moral aufstellen wollte, daß er die vollkommenste angewandte und populåre Moral für sein Zeitalter gelehrt hat, daß er kein geschlossenes Ganzes lieferte, sondern Keime zur mannichfaltigs ften Ausbildung und Entwickelung ausstreute, und daß nicht einmal das Ganze seiner moralischen Einficht aufgezeichnet, oder auch nur von ihm gelehrt worden ist. Was aber davon geschrieben steht, läßt schließen, aus welchem hohen und umfassenden mo ralischen Geiste es kam und was daraus werden konnte und sollte. Nur eine Darstellung und Ausführung der christlichen Moral selbst kann übrigens jene Einwürfe hinreichend prüfen und wiederlegen *). Wir bemerken hier nur, weil es das Allgemeine betrifft,

*) Was Justin, Origenes, Gregor von Nazianz, Cyrill von Alexandrien wider die älteren gesagt haben, s. in der Gesch. d. Sittent. J. II, 107. f. 230 237. III, 283. ff. 301 366. Was aber neuere ApoLogeten für sie geschrieben und gesagt haben, s. in der Gesch. der christl. Moral seit dem Wiederaufl. 2c. 725 732. und Gesch. d. theologisch, Wissensch. II, 602 Franke Apol, der christl. Relig. S. 119 181.

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