Obrazy na stronie
PDF
ePub

selbst Gebrauch machten, und die Philosophie, sofern sie Vernunfterkenntniß ist, muß als Quelle der Erkenntniß und als Mittel der weiteren Ausführung der chriftlichen Moral anerkannt und ge= braucht werden *).

5. Auch die übereinstimmende Tradis tion der Lehrer und Kirchen in den ersten Jahrhunderten muß zu Hülfe genommen werden, da es sehr wahrscheinlich ist, daß sich Bestimmungen Jesu und der Apostel, welche im N. L, nicht aufgezeich= net sind, darin finden, und da die Moral des N. L. in so manchen Stücken unvollständig und unbestimmt ist. Und warum sollten nicht auch sonst die Entscheidungen der weisen und einsichtsvollen Månner, welche oft auf den Synoden versammelt waren, die Beachtung und Billigung des christlichen Moralisten verdienen **) ?

*) Auch die Kirchenväter haben bei ihrer tiefen und oft abergläubischen Verehrung der Bibel doch der Vernunft und Philosophie hohes Ansehen in der Moral anerkannt, insbesondere Justin, Irenäus, Clemens, Basilius f. a. D. II, 98. f. 160. 175 177. III, 212. Anders denkt Lactanz a. D. III, 9. 12.

**) Es versteht sich von selbst, daß wir deswegen der Tradition nicht in dem Sinne und Grade Ansehen zuschreiben, in welchem es die katholische Kirche thut, wohl aber in demjenigen, worin es schon mehrere alte Kirchenväter gethan haben. Unter den Protestanten hat auch G. T. Meier zu Helmstedt der Tradition ein gewisses Ansehen zugeschrieben, Introd. in theol. mor. stud. c. 4. §. 3. 7.

6. Selbst in ihren Wirkungen auf die Menschheit wird die christliche Moral deutlicher erkannt.

Man sieht nun von selbst ein, daß die christ= liche Moral, so weit sie im N. L. enthalten ist, allerdings einer weiteren Vervollkommnung, Entwickelung, Ausführung und Bestimmung fåhig sen, und daß man dies sagen könne, ohne ihr zu nahe zu treten *).

S. 24.

Von den unterscheidenden Charakteren der christlichen

Moral.

Diese Moral zeichnet sich von andern Sittenlehren aus, und hat ihren eigenthümlichen Geist und Charakter. Sie unterscheidet sich

1. von der jüdischen Moral, wie sie im A. L. enthalten ist und von. der Moral der Jüdischen Secten im Zeitalter Jesu. Das Mosai= sche Gesetz, die Basis jener Moral, umfaßte zus gleich Politik, Moral, Religion und Cårimonien= dienst, jeder dieser Theile sollte dem andern helfen, die moralischreligiöse Bildung des Volks machte jedoch den höchsten Zweck des Gesetzes aus.

Die

*) Biel weiter gingen Origenes u. Tertullian, doch jeder auf seine besondere Weise, in der Behauptung der Perfectibilität der neutestamentlichen u. selbst chriftlichen Moral, s. a. O. II, 238 - 240, 306

[ocr errors]

311.

f

Zwecke des Gesetzes waren nur sehr unvollkommen erreicht worden, und eine zugleich sclavische, mecha nische, heuchlerische, übermüthige und intolerante Denkart hatte sich zur Zeit Jesu der Nation be= mächtiget, auch waren viele falsche Deutungen des Gesetzes und Zufäße aus der Tradition hinzugekom

men.

Was that nun Jesus? 1. er schied Moral von Politik und Cårimoniendienst, 2. er lehrte die Religion des Geistes, Herzens und guten Lebenswandels, 3. er stellte Gott als den Vater aller Menschen vor, und drang auf allgemeine Menschenliebe, Duldung und Demuth, 4. er ließ das Ansehen des Mosaischen Gesetzes stehen, uud gebrauchte es selbst, um dadurch seiner Sitteniehre desto mehr Ansehen bei den Juden zu verschaffen. Er hielt dies Gesetz selbst, und wollte, daß seine Jünger es auch halten sollten. Nur wider die pharisäischen Traditionen und sophistischen Erklärungen desselben erklärte er sich bestimmt.. Er hob das Moralische aus dem Gesetze hervor, und gab zuweilen zu vers stehen, daß es vornehmlich für rohe und sinnliche Menschen bestimmt gewesen sey, 5. er wollte wirklich etwas Besseres an die Stelle feßen, aber nicht durch eine gewaltsame Revolution, nicht durch Bes streitung und Herabsehung desselben, sondern er ers wartete Alles theils von der inneren, stillen Kraft seiner besseren Lehre und Anstalt, theils von dem Laufe der Zeiten und Schicksale der Juden. Er sah voraus, daß es vei dem Loose, welches der Stadt, dem Tempel, der Nation bevorstand, nicht mehr

[ocr errors]
[ocr errors]

lange mit dem Ansehen des Gesetzes dauern, daß alsdann eine Religion, welche keiner heiligen Stadt, keines Tempels und besondern Lieblingsvolks Gottes bedürfe, desto eher Platz greifen könne, daß alsdann das Judenthum dem Christenthum von selbst weichen und das Gesetz, so weit es nicht moraliz fches Gesetz war, aufgehoben werden würde, Matth. 5, 17. ff. Luc. 10, 25 37. 11, 37. ff. Matth. 23, 25. ff. 10, 17 - 22. 12, 28-34. Luc. 16, 29. 30. Matth. 12, 11. 12. Marc. 3, 1. ff. Luc. 6, 6. ff. 13, 10- 17. 14, 1-5. Die Apostel reden aus sehr natürlichen Gründen noch freier und offener. Sie legen zwar dem Mosaischen Geseze einen großen Werth und Nußen bei, und ge= brauchen es selbst, um ihrer Moral Eingang bei den Juden zu verschaffen, Röm. 7, 12. f. 2, 28. f. Jak. 2, 8-11. Gal. 5, 13 - 15. 6, 2. 3, 19. 24. 1. Tim. 1, 8-10. Rom. 3, 2., decken aber die Unvollkommenheiten und Schwächen desselben freimüthig auf und stellen zugleich die erhabenen Vorzüge des Christenthums vor demselben in das schönste Licht, 2. Kor. 2, 2- 11. 3, 11. Gal. K. 3-5. 1. Kor. 5, 6-8. 1. Zim. 1, 7-11. Ebr. 8, 77 18. 9, 14. 24. Rom. 7, 7. ff.

10,

1

[ocr errors]

4. 1925. 12, 18 Wenn man die Moral der

übrigen Bücher des A. T. vergleicht, so wird man freilich wenig Neues in der Moral Jesu, man wird. aber auch bei keinem einzigen Sittenlehrer des A. T. so viel Reines und Vortreffliches vereinigt finden. Seine Moral übertraf die Sadducäische

durch Religiosität, die Pharisäische durch eigent= liche Moralität und Vernunftmåßigkeit, die Esse= nische durch Universalität, Publicitåt und Menschlichkeit *).

2. In Vergleichung mit den Moralphilosophen des Alterthums überhaupt, kommt Jesu der erhabene Vorzug zu, daß er nicht nur der Urheber einer Moral für eine Schule, Secte oder Nation, sondern für die Welt und Menschheit wurde, und durch sie zugleich eine große moralische Anstalt für Menschen von allen Stånden, Lebensaltern und Geschlechtern begründete. Verglichen verdient sie zuerst mit der Platonischen zu werden, sofern diese religiös ist, das Streben nach Aehnlichkeit mit Gott zu einer der obersten moralischen Regeln erhebt, und Losreißung des Geistes vom Sinnlichen und Vergänglichen verlangt, doch legt das Christenthum der Speculation nicht den praktischen Werth bei, welchen ihr Plato beilegt **). Der Stoicismus entfernt sich dadurch von der christlichen Sittenlehre, daß sein Geist schwärmez

*) Ueber die Vorstellungen des Justinus, Irenäus, Clemens, Origenes, Tertullian und der Gnostiker vom Verhältniß der jüdischen Moral zur christlichen s. a. D. II, 104. f. 152 154. 178 181. 267. f. 311. 459. ff.

**) Mein Progr. de phil. Plat. c. doctr. relig, jud. et christ. cognat. 1819. GROTEFEND doctr. Plat, eth. cum christ. comparat. Gott. 1820. M. G. d. M. P. 427. f.

« PoprzedniaDalej »