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IX.

Allgemeine Lehre von den Mitteln zur Tugend und Besserung, oder Ascetik.

S. 65.

Von der Ascetik überhaupt.

Es giebt manche Moralsysteme, in welchen man gar keine Tugendmittellehre findet, es giebt andere, in welchen zwar so etwas vorkommt, aber nicht besonders gestellt, sondern beiläufig beigebracht und vermischt mit dem Uebrigen; es giebt aber auch solche, besonders theologische, in welchen diese Lehre nicht nur sehr ausführlich vorkommt, sondern oft auch die Hauptsache ausmacht und fast die ganze Moral verschlingt, so daß diese beinahe nur in Lehre von den Uebungen zur Tugend verwandelt wird. Aus den Systemen der rein - philosophischen Moral wurde sie übrigens immer mehr verbannt. Man bat wider die Ascetik eingewandt, daß sie durchaus keinen besonderen Theil der Moral ausmachen könne,

4 Th. Hamb. und Kiel,-1783. Kant Relig. 281. ff. Tugendl. 37. Fichte Sittenl. 311. ff. Eine Geschichte der Lehre von dem Gewissen habe ich Halle, 1824, herausgegeben.~

indem in dieser Wissenschaft nichts als bloßes Mittel gesezt werden dürfe, und die sogenannte Ascetik entweder in der Moral überhaupt ihren Plaz einnehmen müsse, (wo sie alsdann nur darin beste= hen könne, daß man die Uebung im moralischen Denken und Handeln als Stärkung der Tugend überhaupt darstelle) oder nur eine besondere Behandlung der Moral anzeige, nåmlich diejez nige, welche die Alten die parånetische nannten und wir Volksmoral nennen, wo man vom Einzelnen ausgeht, die Uebereinstimmung alles Einzelnen darstellt und so das Ganze bewährt ).. Nichtsde: floweniger widmen wir hier der Ascetik einen beson deren Abschnitt. Allerdings sind viele Tugendmita tel selbst Tugenden und insofern zugleich Zwecke, ja es kann jede Tugend in ihrer Verbindung und Uebereinstimmung mit andern wieder als Mittel ans derer Tugenden betrachtet werden und insofern ist die Ascetik in die Moral selbst eingewurzelt, allein es ist doch zugleich eine besondere Theorie von den Tugendmitteln nicht nur zulässig, sondern auch erforderlich: denn 1. es giebt viele Tugendmittel, welche nicht selbst im Gebiete der Moral liegen, sondern aus einem andern hergenommen werden; auch was an sich nicht moralisch ist, kann doch als Mittel zur Moralität gebraucht werden, es kann Einfluß auf unsere Gesinnungen und Entschließungen haben; 2. gewisse Zugendmittel find freilich schon

*) Schleiermacher 424. ff.

en sich moralisch, sie sehen Tugend voraus oder sie sind selbst schon Tugenden, aber sie dienen mehr als andere zum Fortschreiten in der Tugend, zum Hervorbringen anderer Tugenden, oder werden auch von uns ausdrücklich in der Absicht geübt, um uns zur Tugend zu stärken. In einer Moral für Theologen und Kirchenlehrer aber ist es vorzüglich wichtig, daß die Ascetik ihren besondern Platz und Rang behaupte. Der Name der Afcetik ist schon von den Griechen häufig von allen Mitteln und Uebungen zur Tugend gebraucht worden *), auch die Kirchenvåter sind diesem Sprachgebrauche gefolgt **), wiewohl es bald gewöhnlich wurde, die mönchische Lebensart mit diesem und den verwandten Wörtern zu bezeichnen, und späterhin auch den populären, rührenden, auf Besserung berechneten Vortrag der Moral und Religion ***).

*) ARRIAN. Dissert. 3, 12. neqi ɑoxnoews 24. 4, 1. G. M. P. 180. f. 334. ff.

**) SUICER. thesaur. eccles. I, 547. s.

***) Reinhard, in dessen System überhaupt der Plan ganz verfehlt ist, begriff unter den Mitteln der Tugend die Verbesserlichkeit der menschlichen Natur, die Gnadenwirkungen, die Beweggründe zum Guten, die Mittel u. Anfalten, die Ausübung des Guten zu erleichtern und zu befördern, und rechnet zu der lehten so vie!, daß man mit demselben Rechte noch weit mehr, ja wohl Alles dahin rechnen könnte. Uebrigens hat er sich ein Verdienst dadurch erworben, daß er die Ascetik wieder mehr in ihre Würde einfegte und sie wissenschaftlicher vortrug. f. 4. Bd.

S. 66.

Allgemeine Theorie der Tugendmittel.

1. Tugendmittel muß man wohl von moralis schen Beweggründen und Triebfedern unterscheiden, wiewohl der Mensch allerdings die einen in die ans dern verwandeln kann.

2. Der Mensch und die Welt sind so einge: richtet, daß jener durchaus Alles, alle Dinge und Begebenheiten als Mittel zur Besserung und zur Uebung gewisser Tugenden gebrauchen kann. Es ist sehr nüglich, Alles von dieser Seite zu betrachten und auch in der speciellen Moral bei einzelnen Tus genden die einzelnen Mittel zur Erwerbung und Uebung derselben anzugeben, und insofern die Asces tik in dieselbe zu verpflanzen, aber in der allges meinen Ascetik ist nur von solchen Lugendmitteln die Rede, welche zur Tugend überhaupt oder zu mehreren Lugenden zugleich dienen, Principien für ihren Werth und ihre Beurtheilung anzugeben und die Tugendmittel überhaupt unter gewisse Classen zu bringen.

3. Die Tugendmittel müssen überhaupt den Gesetzen der menschlichen Natur gemäß seyn, und, wo sie nicht selbst schon moralischer Art sind, aus der Psychologie und Anthropologie hergenommen

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des Syst. d. christl. Mor. Ueber die Lehre des Pythagoras, Plato und Aristoteles von den Tugendmit: teln G. M. P. 58. f. 167-169. 213. f.

werden.

Durch richtige und vielseitige Kenntniß des Menschen muß man erfahren, was am meisten dazu dient, den moralischen Erkenntnissen Einfluß auf seine Gesinnungen, Entschlüsse und Handlungen zu verschaffen, die moralischen Kräfte in ihm zu entwickeln, zu stärken, zu erhöhen, die åchte tugendhafte Gemüthsstimmung in ihm hervorzubrin= gen, die allgemeinen moralischen Grundsäße bei ihm geltend und herrschend zu machen.

4. Einige Tugendmittel sind ganz allgemein für alle Tugenden und Menschen, andere gelten nur für gewiffe einzelne Tugenden oder passen nur für gewisse Classen von Menschen und richten sich nach ihren Fähigkeiten, ihrem Grade von Cultur u. s. w. 5. Die Tugendmittel dienen entweder mehr zur ersten Erwerbung der Lugend oder zum Forts schreiten in derselben.

6. Sie hången entweder ganz von uns selbst oder von Menschen und Umständen auffer uns ab.

7. Einige sind nåhere, andere entferntere Mittel zur Lugend; einige befördern vorzüglich die moralische Erkenntniß und Weisheit, andere stärken die moralischen Gesinnungen und Gefühle, andere dienen zur Erhöhung der Fertigkeit im Guten und zur Bekämpfung und Besiegung der Hindernisse der. Zugend..

8. Einige sind innere geistige Thätigkeiten, andere sind sinnlicher Art.

9. Einige sind gegeben, andere gemacht und veranstaltet.

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