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germanischen Stämmen gewandert: so zu den Angelsachsen nach England (Beowulf), zu den Nordgermanen nach Norwegen und Island (Edda). Besonders in Island wurden die deutschen Heldensagen von hochbegabten, formgewandten Kunstdichtern mit willkürlich schaltender Freiheit zu höchst eigentümlichen Dichtungswerken umgearbeitet, die wir wegen der Macht ihrer Einbildung und ihres sprachlichen Ausdrucks bewundern, denen wir aber sehr wenig Zuverlässiges über den ältesten Zustand der deutschen Sagen entnehmen können. Wir wissen nicht, wann, wie und in welcher Fassung unsere Sagen nach Island gelangt find; wir wissen also auch nicht, was an ihren isländischen Umarbeitungen uraltdeutsches Besitztum, was künstlerische Umdichtung der Skalden ist. Es wird deshalb bei unserer Behandlung der deutschen Heldenlieder so gut wie gar nicht auf ihre isländischen Umarbeitungen Rücksicht genommen werden. Vielmehr muß Wilhelm Grimm zugestimmt werden: „Wenn Sigfrid zugleich Dietrich ist, als Baldur die nordische, als Sonnengott auch die griechische Mythologie in Anspruch nimmt, so schwankt überall der Boden, und der stolzen Aussicht von der Höhe bleibt zuletzt nichts mehr übrig als eine graue unübersehbare Ferne." Wir bedürfen weder zum Verständnis der deutschen Heldensage noch zum Genuß der deutschen Heldenlieder jener altnordischen Kunstdichtungen oder der Mythologie der Inder, Perser, Griechen und Römer, ja nicht einmal der künstlerischen Skalden-Mythologie von Altisland. Jene Art von Wissenschaft, die zur Erklärung der deutschen Heldensage und Heldendichtung durchaus einer indogermanischen Urheimat und ihrer Mythologie zu bedürfen glaubt, unterschätzt die schöpferische Kraft dichterischer Erfindung oder Umformung. In den geschichtlichen Überlieferungen feines Volkes fand der deutsche Heldendichter Stoffes genug; deffen Gestaltung und Ausschmückung waren sein eigenes Werk.

Wann zuerst in Deutschland die Heldensage dichterisch ausgebildet wurde, läßt sich nicht nachweisen. Ihr ältester Überrest, das immer wieder zu nennende Hildebrandlied, führt in der uns erhaltenen form wohl in das 7. Jahrhundert zurück. Um dieselbe Zeit mag auch das ursprünglich deutsche Gedicht von Walter und Hildegund zuerst gesungen worden sein, das im 10. Jahrhundert dem lateinischen Waltariliede als Unterlage gedient hat. Alle übrigen Heldenlieder sind uns nur in Dichtungen mittelhochdeutscher Mundart aus dem 12. und 13. Jahrhundert erhalten, sicherlich keines in der ursprünglichen Fassung. Daß es allgemein bekannte und beliebte Heldenlieder schon in viel früherer Zeit gegeben, und daß sie eine ähnliche Wirkung geübt haben, wie beliebte Dichtungen unserer Tage: 3. B. auf die Namengebung der Kinder, das beweist das Vorkommen von Personennamen wie Sigfrid und Niblung in fränkischen Privaturkunden aus dem Ende des 7. Jahrhunderts und dem Anfang des sten.

Ganz frei erfunden scheint kein einziges der Heldengedichte zu sein; irgend einen, wenn auch noch so winzigen geschichtlichen Kern enthalten sie alle. Zum mindesten knüpfen sie an wirkliche Örtlichkeiten an: einen Wülpensand (im Gudrun-Liede) hat es in der Tat einst an der westflandrischen Küste gegeben. Und der Dichter des Heldenliedes vom „Rosengarten“ hat ein bei Worms gelegenes, Rosengarten genanntes feld gekannt.

Drittes Kapitel.
Der Spielmann.

(numschränkter Herrscher über das Gebiet der deutschen Heldensage und Heldendichtung war der Spielmann. Die Welt des umfriedeten Besitzes war weggegeben an die seßhaften, die stillen Menschen. Der Spielmann hatte nicht Haus noch Hof, wenn ihm auch „zweiundsiebzig Lande kund waren", wie es in einem später anzuführenden Spielmannsliede heißt. Dafür aber gehörte ihm die deutsche Welt überall da, wo man seinen Gesängen gern lauschte, und das geschah, soweit die deutsche Zunge klang.

Der Spielmann ist älter als alle geschriebene deutsche Literatur. Des Spielmannes Dasein als Ausübers eines Gewerbes, wenn auch nicht als Mitgliedes eines geschlossenen

Standes, ist uns seit dem Beginn deutscher Staatengeschichte beglaubigt, leider meist durch seine Verfolgung. Verordnungen gegen die Spielmänner finden sich schon unter Theoderich und Karl, den beiden Großen altdeutscher Geschichte. Man hai aus den lateinischen Bezeichnungen joculatores, scurrae, mimi in deutschen Urkunden schließen wollen, daß die deutschen Spielmänner gewissermaßen persönlich oder durch Überlieferung von den entsprechenden römischen Berufen ihren Ursprung genommen. Es bedarf aber wohl keiner lateinischen Erklärung, um das Aufkommen des Spielmanns in Deutschland zu begreifen. Sänger kommen bei den deutschen Volkstämmen in den ältesten geschichtlichen Zeiten vor, ohne römischen Einfluß. Die deutschen Gelehrten, die, wie z. B. Notker, das lateinische Wort scurra durch spiliman wiedergaben, übersetzten eben nur ein lateinisches Wort in das passendste deutsche, ohne daß daraus eine unmittelbare Abstammung des Berufes von Rom her folgt. Übrigens hießen die Spielmänner auch geradezu Fersmachari und Sceph, was wahrscheinlich „Schöpfer“ bedeutet, gewiß die schönste Benennung des Dichters. In der Tat waren die Spielmänner ebensowohl die Dichter wie die Sänger ihrer Lieder. So nannten auch die Franzosen im 11. und 12. Jahrhundert ihre wandernden Sänger Jougleors (von Joculatores), doch machten sie einen Unterschied zwischen den Schöpfern der Dichtungen, den „Findern“ (Trouvères, in Südfrankreich Trobadors) und den. Vortragenden (Jougleors). Außer dieser Bezeichnung kommt in frankreich noch das Wort Menestrels für Spielmänner vor, woher sich das englische Minstrels schreibt.

Die Spielmänner bildeten keinen geschlossenen Stand, doch schuf der Volksmund einen für sie durch den Gesamtnamen die varnde diet: Das fahrende Volk, warf sie unterschiedlos zusammen mit den Seiltänzern, Feuerfressern oder Bärenführern und verfehmte sie als „unehrliche Leute“. Seltsame Gegensätze in jenen Zeiten: die Spielmänner waren vom Abendmahl ausgeschlossen, und das deutsche Gesetzbuch der „Sachsenspiegel" (I, 38), erklärte sie für rechtlos: „Kemphen (gewerbsmäßige Zweikämpfer) und ire kindere und alle die unêliche geborn sin, und spillûte und die dube (Diebsware) oder roub sûnen (hehlen)." Ihr Leben galt als vogelfrei; Rudolf von Habsburg verwehrte ihnen sogar den Schutz seines Landfriedens von 1287. Und doch hatten sie ihren Zutritt an allen Höfen, zu allen Burgen, und nicht Kaiser noch fürsten, Ritter oder Bauern konnten sich ihr Leben, zumal an festtagen, ohne den Spielmann denken. Sogar der fittenstrenge Kaiser Ludwig der Fromme mußte seiner Gäste wegen Spielleute zu den Hoffesten einladen, verzog aber, wie berichtet wird, selbst keine Miene zum Lächeln über ihre Künste. Der Spielmann war verachtet und doch begehrt, schutzlos aber unentbehrlich. Er hatte nichts als ein ungewisses Obdach und Brot, und wofür er sich hielt in seinem Herzen. Seine Stellung glich der des fahrenden Schauspielers, ja vielfach des Schauspielers überhaupt bis in das 19. Jahrhundert hinein. Was den Spielmann so verächtlich machte, war wohl, außer der Überhebung des seßhaften Philisters gegenüber dem unsteten Fahrenden, die Gewerbsmäßigkeit seiner Kunst, von der allein er ja lebte.

Bei dieser verachteten Stellung nimmt es nicht wunder, daß der Spielmann auf das Bekanntwerden oder gar die fortdauer seines Namens keinen Wert legte. Er lebte vom Tage und für den Tag und war sicher, daß die Nachwelt ihm keine Kränze flechten würde: so blieb er mit seiner Persönlichkeit im Dunkeln, und nur seinem Liede galt der Ehrgeiz seines Berufs. Mit Vorliebe legte er sich Scherznamen bei wie Suchenwirt, Spervogel, Waller, ganz wie die Jougleurs in Frankreich: man denke nur an den literarisch berühmtesten, Taillefer, der dem Normannenheere mit dem Schwert an der Seite, das Rolandslied singend zur Schlacht bei Hastings voranritt und gewiß auch nur einen „Kriegsnamen" führte. Nur zwei deutsche Spielmänner haben sich als Verfasser ihrer Heldendichtungen genannt: ein Heinrich der Vogler als Dichter von „Dietrichs flucht“, ein Albrecht von Kemenaten als Dichter des „Goldemar".

Den Spielmann haben wir anzusehen als den Ersatz für die dem Mittelalter fehlende

Buchdruckerkunst: er war das lebendige, das vorgelesene oder gesungene Buch. Die Zahl der Lesenskundigen in Deutschland war zur Zeit der Blüte der Spielmannsdichtung, von der Mitte des 11. bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts, sehr klein. Wer lesen konnte, hieß ein Clericus, was nicht bloß einen Geistlichen bezeichnete. So mußte denn zur Befriedigung des unwiderstehlichen literarischen Bedürfnisses bei Hoch und Nieder auf andere Weise gesorgt werden, und in diese Lücke sprang der Spielmann ein. Er hat sie meisterlich ausgefüllt, denn aus seinen Reihen ist Deutschlands größter Dichter vor Goethe hervorgegangen: jener große unbekannte Spielmann, dem wir das Nibelungenlied in seiner jetzigen Gestalt verdanken und der nach Spielmannsart seinen Namen nicht genannt hat.

Daß im übrigen der Spielmann seinen Dichterstolz hatte, verrät so mancher Zug in dessen Werken. In dem Heldengedicht vom König Rother wird dieser im Notfall selbst zum Spielmann. Mit sichtlicher Liebe schildert der Dichter der Gudrun den Spielmann Horand, und der Sänger des Nibelungenliedes hat in dem Spielmann Volker, dem schrecklichen Videlaere, eine der schönsten Gestalten deutscher Heldendichtung geschaffen. In einer Spielmannsdichtung aus dem 12. Jahrhundert, die uns nur in einer Fassung des 14. Jahrhunderts vorliegt, dem hübschen Rätselliede vom „Spielmann Traugemund", wird uns die Wanderpoesie des fahrenden Mannes aufs liebenswürdigste geschildert:

Willekomme, varender man!

Wa (wo) laege du hinacht (heut Nacht)?
Od wamite waere du bedaht (bedeckt)?
Oder in welre hande wise

Bejageste kleider oder spise?
,,Daz haste gefraget einen man,
Der dir ez wol gesagen kan.

Mit dem himel was ih bedaht,
Mit rosen was ich umbestaht,
In eines stolzen knappen wise
Bejage ich kleider unde spise."

Nu sage mir, meister Trougemunt,
Zwei und sibenzec lant diu sint dir kunt

und nun folgen allerlei Rätselfragen, die Traugemund der Spielmann schlagend beantwortet. Erweisen wir wenigstens dem deutschen Meister Spielmann des Mittelalters alle ihm gebührende Ehre und hüten wir uns vor verächtlicher Nachrede. Denn einzig ihm, nicht den gelehrten Geistlichen oder den adligen, höfischen Dichtern verdanken wir es, daß unsere große nationale Heldensage nicht ohne dichterischen Liederschlag geblieben ist. Nicht der höfische Ritter, nein, der Spielmann war der Träger echtdeutscher Dichtung im Gegenfak zu der dem Auslande nachgeahmten. Ja sogar wenn wir einem Sänger wie Walter von der Vogelweide auf seinen Lebensspuren nachgehen, so finden wir, daß er im Grunde nichts andres war als ein Spielmann, ein ritterbürtiger, also ein vornehmerer als die meisten, aber doch ein Spielmann. Und gerade seine Spielmannslieder sind wahrlich nicht seine schlechtesten gewesen. Aber auch junge Geistliche, angehende oder schon geweihte, die dem Kloster oder der Priesterschule entlaufen waren, haben sich in großer Zahl den Spielmännern zugesellt. Sie haben allerlei höhere Bildung in diesem Stande verbreiten helfen, fogar die Kenntnis des Lateinischen; sie vornehmlich haben sich durch die Pflege der unscheinbaren Anfänge des mittelalterlichen deutschen Dramas ein nicht geringes Verdienst erworben. Daß man es aber selbst mit dem damaligen Küchenlatein zu einem Dichter großen Zuges bringen konnte, hat einer jener fahrenden Scholaren, der unter dem Namen des Erzpoeten bekannte Dichter eines noch heut in der Studentenwelt zumteil wohlbekannten lateinischen Spielmannsliedes: „Estuans interius" bewiesen (vgl. S. 144).

Dieweil der Mönch in seiner Zelle saß und lateinisch dichtete, aus dem Eigenen oder nach deutschen und fremden Vorlagen, durchstreifte der Spielmann als freier Wandervogel die deutschen Lande und sang selbstgeschaffene oder fremde Dichtungen. Einer der geistlichen Fahrenden, der Verfasser des Anno-Liedes (S. 54), kann uns sagen, wovon die Spielmänner gesungen haben: wi sich lieben winiscefte (Freundschaften) schieden,

Wir hörten ie dicke singen

von alten dingen,

wi snelle helide vuhten,

wi sie veste burge brechen,

wi riche künige al zegiengen.

Da haben wir in der Tat im wesentlichen die Stoffe der Spielmannsdichtung.

Es gab viel echtes Dichterblut unter dem Völkchen der fahrenden Leute, und gewiß hat mancher von ihnen unter der auf dem Beruf lastenden Verachtung schwer gelitten. Aus der immer wachsenden Meisterschaft der Versbehandlung sehen wir, wie die wahren Dichter unter den Spielmännern unablässig an der Ausbildung ihrer Form gearbeitet haben. Bis zur Beherrschung eines wahrlich nicht leichten Versmaßes, wie der Nibelungen- oder der Gudrun-Strophe, oder gar des noch viel schwereren Strophenbaus des sogenannten Berner Tons (S. 63), gelangte man nicht ohne ernste Kunstarbeit. Die Versformen der Spielmannsdichtung sind oft ebenso schwierig, ja noch schwieriger als die der höfischen Dichter. Ein Eigentum am Stoff und an der Bearbeitung gab es zu jener Zeit nicht. Von dem einzigen literarischen Eigentum: dem an der Versform, wird später zu reden sein (S. 137). Jeder Stoff und seine Gestaltung gehörten jedem zu beliebiger Umbildung. Hieraus erklärt sich die beträchtliche Abweichung der meisten Handschriften der Spielmannsdichtungen, nicht zum wenigsten des Nibelungenliedes.

Zwar pflegten die Spielmänner, gemäß der ihnen entgegenkommenden Neigung ihrer Hörerkreise, vorzugsweise die Stoffe aus der deutschen Heldensage; doch verschmähten sie es auch nicht, die Dichtungen der höfischen Sänger durch Vorlesen im Lande zu verbreiten. Einige unter den Spielmännern des 12. Jahrhunderts haben sogar französisch gelernt, gleich den ritterlichen Dichtern und haben sich Handschriften französischer Dichtungen zu eigener Umarbeitung verschafft. Wahrscheinlich sind es auch die Spielmänner gewesen, die von einzelnen Liedern der Minnedichter Abschriften anfertigten und verbreiteten; diese haben den späteren Sammlungen des Minnegesangs als Vorlage gedient.

Dem Spielmanne gehörte der ganze ungeheure Literaturschaß des Mittelalters zum freien Eigentum. Ein schwäbischer, unter dem Namen Der Marner bekannter Sänger um die Mitte des 13. Jahrhunderts klagt über die Ansprüche seiner Zuhörer:

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Rechnet man hierzu die dramatische Dichtung des Spielmanns; bedenkt man, daß auch das Tierepos Spielmannsdichtung ist - von ihr wird später im Zusammenhang gehandelt werden, so bekommt man einen hohen Begriff von ihrer schier unbegrenzten Vielseitigkeit.

Bestimmend für den Spielmann war der Geschmack seiner Hörer. Gar so niedrig kann dieser nicht gewesen sein, denn wir sehen, daß man damals keineswegs bloß belustigt sein wollte, sondern auch Gefallen fand an einer so erschütternden Dichtung wie dem Nibelungenliede, an der vielfach doch so ernsten Gudrun, an dem durchaus tragischen Heldengedicht von Alpharts Tod. Sehr ungleich den Romanen einer viel späteren Zeit, schließen die mittelhochdeutschen Heldengedichte nur in seltenen Fällen mit einer vergnüglichen Hochzeit.

Haupterfordernis für die Spielmannsdichtung war, daß sie spannend wirkte: daher ihr unerschöpflicher Reichtum an den überraschendsten Abenteuern. Es konnte des Wunderbaren gar nicht zu viel werden: die Hörer hatten ihre Freude an Begebenheiten, die sich in ihrer unerhörten Seltsamkeit, in ihrem bunten Wechsel mit den Märchen in Tausendundeiner Nacht wohl vergleichen lassen. Niemals aber durfte die Dichtung als freie Erfindung des Sängers gelten. Stets betonte er die geschichtliche Wahrheit seiner Lieder, auch wo sie offenbar nur seiner wildgewordenen Phantasie entflossen waren. Immer wieder beruft er sich auf Quellen, nämlich auf alte Bücher, und bei der Ehrfurcht der Nichtlesenskundigen vor dem Buch war diese Berufung ihrer Wirkung sicher.

Zwischen dem Spielmann und seinen Hörern herrschten die gemütlichsten Umgangsformen; jener erlaubte sich zwischendurch einen Spaß, und diese verstanden ihn. So unterbricht z. B. der Spielmann an einer besonders spannenden Stelle seine Vorlesung durch die

Bitte: den Vorleser durch einen Trunk zu erquicken und so den in irgendeiner argen Not befindlichen Helden zu erretten: „Nun muß er (der Held) verlieren sein wertes Leben. Man wolle denn dem Leser zu trinken geben." Oder er erzählt (im „Orendel“):

Nu ist frou Bride mit im gefangen,
Unde mugent nicht kumen von dannen.

Nu ratent, vor allen dingen,
Wie wir siu von dannen bringen.

Bei kürzeren Gedichten begleitete der Spielmann seinen Vortrag in den ältesten Zeiten mit der Zither und der Harfe; später kam die wohl aus Frankreich eingeführte fidel (vielle) hinzu.

Die Versformen der Spielmannslieder sind aus denen der ältesten deutschen Dichtung hervorgegangen, haben aber nachmals vieles von der höfischen Kunst aufgenommen. Einzelne formen waren fast übermäßig kunstvoll, so der schon erwähnte Berner Ton: eine dreizehnzeilige Strophe mit der schwierigen Reimordnung aab ccb ded eff g, und eine Art der Nibelungenstrophe mit verkürzter dritter Verszeile, eine andere Abart mit verkürzter letter Halbzeile, endlich eine mit fünfmal gehobenem lekten Halbvers.

Und nun zu den Dichtungen des Spielmanns, deren uns eine stattliche Zahl erhalten ist, gewiß nicht annähernd vollständig, vielleicht auch nicht die schönsten, wahrscheinlich aber die vom Volk am liebsten gehörten und deshalb in vielen Handschriften aufbewahrten.

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lgemein ist von den in diesem Abschnitt zu behandelnden erzählenden Dichtungen aus der deutschen Heldensage, mit einziger Ausnahme der Gudrun, zu sagen: ihr dichterischer Wert ist gering. Man muß fie eben als die Vorläufer des Abenteuerromans betrachten, zumteil als die Robinsonaden des Mittelalters, und darf keine höheren Anforderungen an sie stellen als die des fesselnden Vortrags. Sie sind nicht ganz leicht von einander zu scheiden bei ihrer fülle ähnlicher Menschen und Begebenheiten, und nur einige Gestalten heben sich heraus, so daß man sie im Gedächtnis behält: so z. B. der Riese Usprian im „König Rother“, der ungeschlachte mönchische Recke Jlsan im „Rosengarten“, oder der Zwerg Laurin in der nach ihm benannten Dichtung. Die Spielmänner, die diese · Versromane anfertigten, wollten keine Meisterwerke der Dichtkunst vollbringen, sondern nach „alten Mären“ Unterhaltungsbücher schaffen, und das ist ihnen zweifellos wohl gelungen. Reichlich ein Jahrhundert hindurch hat das deutsche Volk in allen seinen Ständen jene Heldengedichte aufmerksam angehört oder gelesen. In den Volksbüchern, die im 15. und 16. Jahr hundert im Buchdruck erschienen, haben sich jene alten deutschen Heldenromane, zu Prosaerzählungen umgearbeitet, bis in das 17., ja einige bis in das 18. Jahrhundert fortgepflanzt.

Mit wenigen Ausnahmen sind die deutschen Heldengedichte weitaus sittsamer als die ihnen im Inhalt und in der form recht ähnlichen französischen Ritterromane: die Chansons de geste. Im Gegensaß zu diesen, aber auch zu den deutschen höfischen Erzählungsgedichten, machen die Heldenlieder der Spielmänner von der das ganze Jahrhundert beherrschenden „Minne“ einen viel bescheidneren Gebrauch. Wohl wird auch in den deutschen Heldengedichten geliebt, ja vielfach dreht sich das Gedicht ausschließlich um die Erringung irgend einer fernen geliebten Königstochter; das geschieht aber nicht auf die höfisch girrende Art der deutschen und französischen Meister des Versromans und des Minneliedes.

Die eingehende Betrachtung, oder gar eine ausführliche Inhaltsangabe jedes einzelnen dieser Heldengedichte ist überflüssig, weil der Raum außer allem Verhältnis stehen würde

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