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Erwähnt sei noch, daß die von Goethe angegriffenen, irrtümlich oft als Goethische angeführten Verse:

Ins Innre der Natur dringt kein erschaffner Geist; Zu glücklich, wenn sie noch die äußre Schale weist von Haller herrühren.

Den äußersten sachlichen wie räumlichen Gegenpol deutscher Dichtung in dieser Vor: bereitungzeit bezeichnet ein bis auf unsere Tage noch nicht ganz erstorbener Dichter: Friedrich von Hagedorn. Um 23. April 1708 in Hamburg geboren, hat er nach dem Studium der Rechte in Jena eine Stellung bei der dänischen Gesandtschaft in London bekleidet, viele Jahre im Dienst einer englischen Handelsgesellschaft in Hamburg gewirkt und ist hier am 28. Oktober 1754 gestorben. Gleich Brockes und Haller hat er sich an englischen Mustern gebildet, freilich an andern, als jene beiden Naturschilderer. Seine dichterischen Vorbilder waren außer den französischen Besingern des behaglichen Lebensgenuffes sowie den Liedern, die man dem Griechen Unakreon zuschrieb, einige Engländer, die sich selbst an den Franzosen gebildet hatten, besonders Prior und Gay. Auch hat er sein Lebenlang in Horaz den höchsten Dichter seiner Gattung verehrt und nach bestem Können nachgeahmt. In dem Vorbericht zur Gesamtausgabe seiner Oden und Lieder von 1747 beweist er eine für die damalige Zeit umfassende Kenntnis der lyrischen Dichtung der Völker, auch der entlegneren, und schreibt 18 Jahre vor der Veröffentlichung der Sammlung alter englischer und schottischer Lieder durch den Bischof Percy: „Einige alte Ballads der Engelländer sind unvergleichlich."

Begonnen hat Hagedorn mit sehr jungen Jahren als Mitarbeiter des Hamburgischen "Patrioten" (vgl. S. 331). Damals hat er sich in der „Moral“ geübt, hat aber daneben allerhand lose Geschichtchen in der Art Lafontaines und anderer Franzosen des 17. und 18. Jahrhunderts geschrieben, wie sich denn Moral und Schlüpfrigkeit bei gar vielen Dichtern, auch deutschen, des 18. Jahrhunderts gegenseitig vertragen mußten. Hagedorn ist der Sänger der Lebensfreude; nicht bloß des oberflächlichen Sinnengenusses, sondern auch des edleren, hochgestimmten Seelenaufschwungs. Sein „Lied an die Freude":

Freude, Göttin edler Herzen,

Höre mich!

Dich vergrößern, dir gefallen,
Was hier tönet, tönt durch dich

Laß die Lieder, die hier schallen,

hat den Zeitgenossen als ein großartiger Hymnus gegolten, bis Schiller aus den Eingangsversen die Anregung entnahm zu seinem aus erhabnerem Ton gehenden:

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Durch die Aufnahme in Kinderlesebücher hat sich von allen Hagedornschen Gedichten am sichersten erhalten seine Verserzählung: Johann, der muntre Seifensieder. Er hat jedoch bei weitem Besseres hinterlassen, so z. B. das hübsche Mailied:

Der Nachtigall reizende Lieder

Ertönen und locken schon wieder
Die fröhlichsten Stunden ins Jahr.

Nun singet die steigende Lerche,
Nun klappern die reisenden Störche,
Nun schwatzet der gaukelnde Star.

Hagedorn kannte die Grenzen seiner Begabung; ihm war die Poesie nicht die hohe, die himmlische Göttin, sondern nur die „Gespielin meiner Lebenstunden", und in seinem Liede an die Dichtkunst empfiehlt er seine „Kleinigkeiten“ mit dem Zusah: „Sie wollen nicht unsterblich sein.“ Als den ersten ganz dem 18. Jahrhundert angehörenden deutschen Dichter, der kein Philister war, haben wir Hagedorn anzusehen. Auch in der form hebt er sich von dem schwerflüssigen Haller und dem salbungsvollen Brockes durch seine munter beflügelten Liedstrophen ab. Hagedorn ist sangbar, und viele seiner Gedichte sind von unsern Urgroßmüttern mit Vergnügen gesungen worden. In der gewandten Versbehandlung ist er ein fast ebenbürtiger Vorläufer Wielands.

Gegenüber den zu seinen Lebzeiten tobenden Kämpfen zwischen den Leipzigern unter Gottscheds- und den Schweizern unter Bodmers und Breitingers Fahnen hat der behagliche

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Hamburgische Sänger sich unparteilich oder gleichgiltig gezeigt; denn wie er selbst an Bodmer schrieb, „haben mich verschiedene Ursachen abgehalten, an den kritischen Händeln der Zeit teilzunehmen: eine gewisse Abneigung, meinen Namen in den meisten periodischen Schriften zu erblicken; eine gewisse Friedfertigkeit und insonderheit ein billiges Mißtrauen in meine Kräfte". Literarisch friedfertig ist Hagedorn allerdings stets gewesen; über seine Persönlichkeit aber lesen wir in Lessings Nachlaß: „Er war in seinem mündlichen Umgange äußerst beißend und beleidigend.“

Noch zweier, wenig bekannter Dichter aus jener Zeit der Vorbereitung geschehe hier wenigstens Erwähnung: des Alemannen Friedrich Drollinger (1688-1742) und des Hessen Friedrich Kasimir Freiherrn von Creuz (1724—1770). Drollinger hat seinen Zeitgenossen als ein großer Dichter gegolten; für einen nicht unebnen müssen wir ihn nach manchem gedankenreichen und formensichern Liede auch heute noch halten. Wir werden ihm als einem erbitterten Gegner des Alexandriners bei der Betrachtung der Verskunst des 18. Jahrhunderts noch begegnen (vgl. S. 351). Auch Drollinger ist einer der vielen Schriftsteller schon aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die sich an englischen Mustern, namentlich an Pope gebildet haben.

In Creuz sehen wir einen geschmackvollen, auch empfindungsreichen Dichter, der bei einem großen Gegenstande, so in seinen geistlichen Gedichten, eine gewisse Größe erreicht. In seinen „Neujahrsgedanken“ finden sich Strophen, in denen so etwas wie Schillerscher Gedankenflug lebt. Hervorhebung verdient noch, daß Creuz, gleich seinen Standesgenossen halb französisch erzogen, sich von dem fremden Einfluß völlig frei gemacht und mit den schärfsten Waffen sogar gegen die französische Sprache geeifert hat. Auch er gehört zu den Kämpfern um die Freiheit der deutschen Dichtung von fremdsprachiger Bevormundung, wenn er schreibt (in einem Briefe von 1768): „Die französische Sprache ist desto stärker, sich in ganzen Bogen über ein bloßes Nichts auszudehnen. Zur Dichtkunst hat sie ihre eigene abgemessene Wendungen, wo keine Variation fast mehr möglich ist und aus welchen man leicht ein Würfelspiel machen und die schönsten Tiraden zusammenwürfeln könnte."

fünftes Kapitel.

Die Bremer Beiträger und verwandte Dichter.

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Gellert. Lichtwer.

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Pfeffel.

Gärtner.

-

Schmid.

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Cramer. Ebert.
Zachariä. Kästner. Elias Schlegel. Zinzendorf und Hiller.

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nter der Gesamtbezeichnung der Bremer Beiträger pflegt man eine Reihe nicht gleichartiger Dichter aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zusammenzufassen, deren Gemeinsamkeit ursprünglich in ihrer Mitarbeit an den von dem Leipziger Professor Schwabe begründeten „Neuen Beiträgen zum Vergnügen des Verstandes und Wihes“ (vgl. S. 333) lag. Ein großer Dichter war nicht unter ihnen, wohl aber der Träger eines der zu seiner Zeit berühmtesten Namen, der auch heute noch einen Klang hat: Christian fürchtegott Gellert. Deutschlands berühmtester Fabeldichter wurde am 4. Juli 1715 in dem sächsischen Städtchen Hainichen geboren, ein Pastorsohn wie so viele andere deutsche Schriftsteller seiner Zeit. Er hat neben Gottsched als „Professor der Poesie und der Moral" an der Leipziger Universität gewirkt, sich aber früh von dem deutschen Literaturpapst losgesagt und seinen eigenen Weg verfolgt. Der Student Goethe hat bei ihm Vorlesungen gehört und war freundlich von ihm aufgenommen worden". Über seine Unabhängigkeit von Gottsched hat sich Gellert geäußert: „Es gab eine Zeit, wo ich alles darum gegeben hätte, von Gottsched gelobt zu werden, und nach einem halben Jahr hätte ich alles darum gegeben, seines Lobes überhoben zu sein." Eine merkwürdige Mischung von ängstlicher Kleinlichkeit der Gesinnung und doch wieder in den Notfällen des Lebens

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von einer gewissen Größe, so in der Opferwilligkeit für sein Vaterland Sachsen während des Elends des Siebenjährigen Krieges, läßt Gellerts Charakterbild in der Literaturgeschichte schwanken. Nur nicht anstoßen, besonders kein frommes oder fromm tuendes Gemüt verlehen, das war die Richtschnur seines dichterischen Schaffens. Zaghaft merzte er in einem seiner besseren Charakterlustspiele, der „Betschwester“, in späteren Auflagen alles aus, was ganz von weitem mißbehagen konnte, selbst so harmlose Worte wie „Himmel, selig" usw. In seinen Vorlesungen schwieg er alle zeitgenössischen berühmten Namen: Klopstock, Lessing, Ewald von Kleist, Wieland usw. tot, oder er griff sie, wenn er keine Verteidigung zu fürchten hatte, mit einer bei ihm unerhörten Heftigkeit an: so Rousseau, dessen „Freigeisterei“ er verabscheute. Mit Geschenken und Ehren wurde Gellert, der Liebling des geistigen Mittelstandes, überhäuft: preußische Prinzen bemühten sich liebevoll um ihn während des Krieges; ja Preußens großer Friedrich lud ihn ohne sein Gesuch zu einer langen Unterredung (am 18. Dezember 1760) und tauschte mit ihm Meinungen über Fragen der Dichtkunst, ließ sich von dem selbst ihm nicht unbekannt gebliebenen deutschen Dichter eine Fabel: „Der Maler“ hersagen und lobte ihn nachher, natürlich auf Französisch, lebhaft zu seiner Umgebung. Auf Gellerts Tod hat selbst Goethe ein freundliches Gedicht geschrieben: „Gellerts Monument von Öser“:

Als Gellert, der geliebte, schied,

Manch gutes Herz im Stillen weinte.

Gellerts noch heute zu einem großen Teil lebendig gebliebenes Hauptwerk sind seine zuerst 1746 gesammelt erschienenen Fabeln und Erzählungen. Er gehört zu den wenigen deutschen Dichtern älterer Zeit, von denen keine längeren Proben gegeben zu werden brauchen, weil jeder Deutsche ein gutes Duhend Gellertscher Fabeln und Erzählungen aus der Schulzeit im treuen Gedächtnis bewahrt hat. Die Geschichte von dem Hut:

Der erste, der mit kluger Hand

Der Männer Schmuck, den Hut, erfand —,

Der Greis, mit dem Schlußvers: „Er lebte, nahm ein Weib und starb“, Der Blinde und der Lahme, Der Selbstmord, mit dem launigen Schluß:

Und steckt ihn langsam wieder ein,

Kurz, er besieht die Spitz und Schneide oder Anfänge wie: „Ja, ja, Prozesse müssen sein“, und so viele, viele allbekannte liebenswürdige und belehrsame Geschichtchen sind jetzt hundertsechzig Jahre alt und noch nicht vergessen, haben also die Feuerprobe aller literarischen Bedeutung, die zeitliche Dauer, siegreich bestanden.

Der größte Teil der Gellertschen Fabeln und Erzählungen beruht auf eigener Erfindung, und wo er sich an ältere Stoffe oder fertige fremde Kunstwerke anlehnt, gibt er seinen Bearbeitungen doch das eigentümliche Gellertsche Gepräge. Schalkhaftigkeit, die auch nicht allzu zimperlich vor gewissen Gewagtheiten zurückscheut, gute Laune, überwiegend gesunde Moral, wenn auch eine nicht sehr hohe, oft sogar eine recht enge, das alles gepaart mit gewandtem Ausdruck und sicherer Beherrschung einer abwechselungsreichen Strophenform, kurz, man begreift noch heute, wie die Leser des 18. Jahrhunderts von Gellert entzückt sein konnten. Das Geheimnis der Wirkung liegt in der Befolgung des Rates, den Gellerts berühmter Vorgänger Lafontaine erteilt hatte: „Erzählet, nur erzählet gut!" Gellert erzählt in der Tat sehr gut, und wenn er auch hinter seinem französischen Vorbilde an sprachlicher Vollendung zurücksteht, - in der Kunst anmutiger, oft fein zugespitzter Erzählung ist er gar nicht so weit von Lafontaine verschieden. Besser, wenigstens nach unserm Geschmack, wäre es gewesen, Gellert hätte seine Fabeln und Erzählungen ohne die nachschleppende Moral hinausgehen lassen; seine Zeitgenossen fanden aber auch den moralischen Schweif nicht überflüssig. Am liebenswürdigsten ist Gellert da, wo er die Moral in Erzählung verwandelt, und z. B. der Schluß der Geschichte vom sterbenden Vater: Der kommt gewiß durch seine Dummheit fort,

für Görgen ist mir gar nicht bange,

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