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Keuschewik, einen Herrn Reymund Discretin, „einen gereist- und belesenen Studenten“, eine Julia von Freudenstein, „eine kluge Matron“, den alten Hofmann Vespasian von Lustgau, eine junge Frau Kassandra Schönlebin, und den verständigen und gelehrten Soldaten Degenwert von Ruhmeck. Uus ihren Wechselgesprächen besteht zum größten Teil der höchst mannigfache Inhalt jener schöngeistigen Jahresschrift für frauen. Dem ersten Bändchen ist ein Kupferdruck vorangeheftet: die Hauptmitarbeiter im Halbkreise geordnet, in lebhaftem Gespräch mit einander. Es folgt ein „übereignungsgedicht“ an den Nährenden, „der hochlöblichen Fruchtbringenden Gesellschaft höchstansehnlichen und ruhmwürdigsten Stiffter und Urheber (den Fürsten Ludwig von Anhalt) durch den Spielenden“ (Harsdörffer); die Personen der Redaktion werden vorgestellt, und die Gesprächspiele heben an. Sie behandeln Gegenstände wie: die Gewohnheit, den Mißbrauch, die Gleichnisse, die Gedächtniskunst, die Sinnbilder, Farben, Turniere, Gemälde, die Kunst der Gesichts- und Händedeutung usw. usw. Allerlei verzwickte „Liebsfragen“ werden zur Erörterung gestellt, so z. B.: „Ob in der Lieb die natürliche Neigung mehr würke als andere zufällige Sachen, Kunst, Wissenschaft, Reichtum, Höflichkeit? - Ob in der Lieb von größern Krefften seye die Schönheit des Gemüts oder des Leibs? Ob mehr zu lieben eine Jungfer, die schön und unverständig, oder die häßlich und verständig ist?“ Gespräche werden geführt wie dieses:

Ich habe von einem aus Erfahrung verständigen fräulein gehöret, es solle keine Jungfraue sich in eheliche Verlöbnis einlassen, sie habe dann denselben, mit welchem sie ihr Leben zuzubringen pflichtig werden will, zuvor spielen, zornig und trunken gesehen. Wann er dann in diesen dreyen Stücken ihr nicht mißfalle, werde sie sonders Zweiffel eine gute Heirat treffen und spate Reue nicht zu befahren haben. —

Sogar Rebuschen werden gewagt, freilich so leichte wie: ein A und ein Mohr = Amor! Alles in allem: von den selbstverständlichen Verschiedenheiten der Ausdrucksweisen der Jahrhunderte abgesehen erinnern Harsdörffers Gesprächspiele überraschend an den Inhalt mancher ganz neuer Bilderzeitschriften für das Frauenzimmer“.

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In seinen eigenen Dichtungen sucht Harsdörffer vornehmlich musikalische Wirkungen: er ist der Kling-Klang-Gloribusch-Dichter des 17. Jahrhunderts. Um der Klingelei willen sett er sich in Widerspruch mit der Opitischen Dichterei und bevorzugt die hüpfenden Versmaße, wie z. B. in einem Liedlein aus den Gesprächspielen:

frage die Bäumen, befrage die Wälder,

frage die blumichten Auen und Felder,

Ob du nicht schöner seist, wenn du viel lachst,

Oder mit Weinen nur seufftzest und achst.

frage nur, frage die Tochter der Lufte, Dröhnend und tönend in nähester Kluffte. Harsdörffers Trichter heißt mit seinem vollen Titel: „Poetischer Trichter, Die Teutsche Dicht- und Reimkunst, ohne Behuf der lateinischen Sprache in VI Stunden einzugießen“ und ist in Nürnberg 1647 zum ersten Mal erschienen. Für wie nützlich man seinen Trichter befunden hat, das beweist die schon drei Jahre nachher erschienene zweite Auflage. Dieser Trichter zum Eintrichtern der Dichtkunst war von dem Verfasser ernst gemeint und wurde von den Lesern ebenso ernst genommen. Titel und Inhalt sind der entsprechendste Ausdruck der Auffassung des Jahrhunderts vom Wesen der Dichtkunst. Für Harsdörffer und seine Leser stand es außer allem Zweifel, daß die Dichtkunst jedem leidlich gebildeten Menschen in verhältnismäßig kurzer Zeit beizubringen sei. Im Vorwort bemerkt der Verfertiger des Trichters allerdings: „Schlüßlich müssen die VI Stunden nicht eben auf einen Tag nach einander genommen und das Gedächtnis überhäufet werden, sondern etwan in drei oder vier Tagen mit reiffem Nachsinnen der unbekannten Kunstwörter." In der dritten Stunde 3. B. wird gehandelt: von dem Reimschluß und der reinen Reimung, von unreiner, doch zulässiger Reimung, - von den falschen Reimen usw. In der sechsten und letzten Stunde lernt der Dichtkunstschüler „die Zierlichkeit der Erfindung in den Gedichten und die Zierlichkeit der Wörter“. Dort findet sich der wundervolle Sah: „Insgemein aber sind gar zu hohe Gedanken nicht schicklich zu den Gedichten, weil sie alle Lieblichkeit verhindern und ohne fernere Erklärung in ungebundener Rede nicht vernehmlich sind."

Im Jahre drauf veröffentlichte Harsdörffer einen zweiten Teil des Trichters, abermals für sechs Stunden bestimmt, und entschuldigt diesen Entschluß: „Welcher ihr (der Poeterei) etwan VI Stunden Gesellschaft geleistet, hat vielleicht einen Zutritt erlangt, aber ihre Tugend noch lange nicht erkennen lernen." Hierzu seien noch sechs Stunden nötig, dann aber sei es des Trichterns genug. Um meisten Anklang fand sein Wörterbuch poetischer Umschreibungen der allzu einfachen Ausdrücke; darin finden sich u. a. folgende Anweisungen: für Brust solle man sagen „des Herzens starker Schild" oder auch „der Säuglinge Kellerquelle"; für Kuß gibt er, zum Aussuchen, Umschreibungen wie: „der Liebe Schwefelholz, Hand-, Mund- und Herzensschluß, - vereinter Lippenhauch, der Lippen Freundschaftsbande“, und noch eine hübsche Reihe anderer von gleichem Wert. In diesen Dingen ähnelt Harsdörffer und seine Nürnberger Schäfergemeinde auffallend den Preziösen in den vornehmen Pariser Literaturherbergen Rambouillet, Montpensier und Scudéry.

Neben Harsdörffer sind als Vers- und Wortklingler allenfalls noch zu erwähnen der Nürnberger Johann Klaj (1616—1656), ein geborner Meißener, aber früh nach Nürnberg übergesiedelt, wo er mit Harsdörffer den Pegnißorden gründete, - und der Deutschböhme Sigmund von Birken (1626—1681), der längere Zeit in Nürnberg als eifriges Mitglied des Pegnitzordens gewirkt hat. Klaj überbietet noch den Meister der Klingelei Harsdörffer im gereimten Klingklang:

Im Lenzen da glänzen die blümigen Auen,
Die Auen, die Bauen, die perlenen Thauen,
Die Nympfen in Sümpfen ihr Antlitz beschauen.
Es schmilzet der Schnee,

Genau in dem gleichen Klingelton singt
Jhr Matten voll Schatten, begrafete Wasen,
Jhr närbicht und färbicht geblümete Rasen,
Jhr buntlichen Sternen,

Man segelt zur See,

Bricht güldenen Klee.

Die Erlen den Schmerlen den Schatten versüßen,
Sie streichen, sie leichen in blaulichten Flüssen.
Sigmund von Birken:

Jhr Felderlaternen,

Hört wieder die Lieder von Schäferschalmeyen,
Wir bringen das Springen zu freudigen Reyen.

Wahrlich, es wird Zeit, daß wir aus dieser wahnwißigen Spielerei uns dahin wenden, wo wir sicher sind, männlichem Ernst und echter Empfindung zu begegnen: zum geistlichen Liede.

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ürdig und voll innerer Vornehmheit, ohne Formenspielerei und eitles Klanggepränge hat sich im 17. Jahrhundert das geistliche Lied als ebenbürtiger Nachfolger des Kirchenliedes der Reformation zu einer dichterischen Höhe empor entwickelt, wohin die geistliche Dichtung keines andern Volkes gedrungen ist. Während man an den Höfen und in der besten Gesellschaft, soweit sie sich überhaupt mit deutscher Dichtung abgaben, sein Vergnügen fand an einer inhaltlosen, oft unsagbar läppischen und leider nicht selten lüsternen Unpoesie, sangen die wahren Dichter ihre geistlichen Lieder, durch die sie die Ehre deutscher Dichtung, ja deutscher Gesittung vor der Nachwelt bewahrt haben. Es ist merkwürdig zu beobachten, wie selbst die leichtfertigsten Reimer, die Canik und Besser, oder die schamlosesten Sinnekizler in Versen, die Hofmanswaldau und Cohenstein, als ernste und würdige Menschen erscheinen, ja nahezu als Dichter, sobald sie sich mit ihren Liedern über den armseligen Tand ihres Lebens zur Gottheit erheben.

Das geistliche Lied des 17. Jahrhunderts unterscheidet sich vom Kirchenliede des 16. wesentlich dadurch: jenes ist nicht mehr das trogige Lied der kämpfenden protestantischen

Kirche, es greift nicht mehr an, es triumphiert nicht über einen Kirchensieg, sondern es wendet sich an das Gemüt des stillen Beters, der nicht nur in der Kirche, sondern ebensowohl im einsamen Kämmerlein seine Erbauung sucht und findet. Aus dem Kampfliede des 16. Jahrhunderts ist das Trostlied des 17. geworden, und so hoch man von den Reformationsliedern Luthers und seiner Nachfolger denken muß, der rein dichterische Gehalt des geistlichen Liedes während des dreißigjährigen Krieges und nachher ist reicher, die Sprache künstlerisch vollendeter und ergreifender geworden. Erst durch die geistliche Lyrik des 17. Jahrhunderts, vornehmlich durch Flemming und Gerhardt, hat auch die deutsche Musik einen gewaltigen Aufschwung erfahren. Händel und Bach, beide ja noch im 17. Jahrhundert geboren, wurzeln im deutschen geistlichen Liede.

Von den geistlichen Dichtern außer den fünf größten: Dach, Flemming, Gerhardt, Spee und Scheffler werden hier nur solche Erwähnung finden, deren Lieder bis heut ihre Lebenskraft für kirchliche wie außerkirchliche Feierlichkeiten bewiesen haben. Meist haben wir es mit Dichtern zu tun, von denen nur ein einziges Lied lebendig geblieben ist, gewissermaßen die höchstgespannte Zusammenfassung mittlerer Kräfte auf einen Punkt in einer weihevollen glücklichen Stunde. Obenan steht unter diesen Dichtern Joachim Neander (1650 bis 1680), ein Bremischer Geistlicher, der Dichter des 103. Psalms:

Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren,
Meine geliebete Seele, das ist mein Begehren,
Kommet zu Hauf,

Psalter und Harfe, wacht auf,
Lasset die Musikam hören.

Auch ohne die herrliche Vertonung klingt, schon beim Lesen, dieser Psalm wie brausender Orgelchor.

Von Martin Rinkart (1586—1649), einem Sachsen, rührt das ein Jahr vor seinem Tode gedichtete Lied her: „Nun danket alle Gott — Mit Herzen, Mund und Händen.“ Auf manchem ruhmvollen Schlachtfelde preußischer und deutscher Krieger ist dieses wundervolle Danklied mehr als einmal am Abend blutiger Tage erklungen, so nach der Schlacht bei Leuthen und nach dem Ringen bei Sedan.

Georg Neumark (geb. 1621 zu Langensalza, gest. 1681 zu Weimar) war viele Jahre der Erzschreinhalter und Geheimschreiber der Fruchtbringenden Gesellschaft und ein eifriger Gelegenheitsdichter wie viele andere. Sein Name wäre längst vergessen ohne das eine seiner Lieder: „Wer nur den lieben Gott läßt walten - Und hoffet auf ihn allezeit —“. Michael Schirmer (1606—1673), Rektor des Grauen Klosters zu Berlin, ist der Dichter des Pfingstliedes: „O heiliger Geist, kehr bei uns ein", des einzigen von seinen zahlreichen Liedern, das sich lebendig erhalten hat.

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Der Holsteiner Johann Rist (1607—1667) war der Begründer des Elbschwanenordens (1660), hat sich auf den verschiedensten Gebieten der Dichtkunst versucht und sich einen Ehrenplatz durch sein niederdeutsches Drama Irenaromachia (in Hamburgischer Mundart) erworben; lebendig ist aber von ihm nichts weiter geblieben als das geistliche Lied: „O Ewigkeit, du Donnerwort!" und allenfalls noch das: „Ermuntre dich, mein schwacher Geist.“

Die Verfasserschaft eines der noch heute meistgesungenen Grablieder: „Jesus, meine Zuversicht," steht nicht unzweifelhaft fest. Es wird der Gemahlin des Großen Kurfürsten Luise Henriette (1627—1667) zugeschrieben, ist aber vielleicht nur eines ihrer Lieblingslieder gewesen, von einem Unbekannten gedichtet.

Schon an dieser Stelle sei endlich erwähnt der tiefsinnige Glaubensliederdichter Gottfried Arnold, der später zu betrachtende Verfasser der ersten wertvollen Kirchengeschichte (vgl. S. 310). Arnold hat seine geistlichen Lieder nicht für einen gemeinsamen Kirchengesang, sondern für die einsame Erbauung gedichtet und dabei oft echtdichterische Töne getroffen, so z. B. in diesem Liede:

Das ist des Glaubens Kunst
Bei tausend Widersprüchen:

In aller Nebel Dunst

Dem Feind nicht sein gewichen.

Laß diese Region

Und brich durch alle Türen,
So wird der Geist zum Thron
Der Gottheit dich hinführen!
Denn über Luft und Stern

Ist erst die heitre Stille,
Wenn alles von sich fern
Verstößt der lautre Wille.

Dann liegt der Anker ewig fest

Am Schiff, das Gott nicht sinken läßt.

Wer jedes Zusammenwirken einiger Schriftsteller an einem Ort oder in einer Provinz gleich als Schule bezeichnet, der mag auch von einer Königsberger Dichterschule sprechen, zu der die liebenswürdigen, durch Freundschaft daselbst verbundenen frommen Dichter und Musiker Simon Dach, Roberthin und Albert gehört haben. Von Roberthin ist nicht viel anderes zu melden, als daß er mit wahrer Freundschaft und dichterischem Verständnis dem bedeutendsten unter den Königsberger Sängern, Dach, bis an den eigenen Tod zur Seite gestanden hat.

Simon Dach (1605-1659), ein geborener Memeler, seit 1639 auf Befehl des Brandenburgischen Kurfürsten zum Professor der Poesie an der Königsberger Universität ernannt, ist uns heute vornehmlich, ja fast allein durch ein einziges anmutiges Gedicht bekannt, dessen Ruhm durch Herder aller Welt verkündet wurde: durch das Lied auf Ännchen von Tharau. Seinen Zeitgenossen war er bei weitem bekannter durch einige geistliche Lieder, besonders aber durch seine wunderbare fingerfertigkeit in Gelegenheitsgedichten. Unter den 413 Liedern der gar zu vollständigen Sammlung des Stuttgarter Literarischen Vereins befinden sich Hunderte von Hochzeitgedichten und ähnlichen Reimereien, die für uns keinerlei Bedeutung mehr haben. Es steht aber auch darin das fromme Lied „O wie selig seid ihr doch, ihr frommen, - Die ihr durch den Tod zu Gott gekommen"; das innige Lied auf das Glück der Ehe, mit der schönen Strophe:

In seiner Liebsten Armen
Entschlafen und erwarmen,

Ist, was in dieser Zeit

Uns einzig noch erfreut,

Wann Gnüge, Scherz und Lachen
Um unser Bett her wachen,

Und man kein Licht erkennt,

Als was im Herzen brennt.

Noch heute gesungen wird im deutschen Volke Simon Dachs Loblied der Freundschaft:

Der Mensch hat nichts so eigen,

So wohl steht ihm nichts an,

Als daß er Treu erzeigen

Und Freundschaft halten kann.

Rührend ist auch das Bittgedicht an seinen Gönner, den Großen Kurfürften, um ein

eignes Gütlein, mit den letzten Strophen:

Tu, o Kurfürst, nach Belieben.

Such ich Huben (Hufen) zehnmal sieben?
Nein, auch zwanzig nicht einmal;

Andre mögen nach Begnügen

Auch mit tausend Ochsen pflügen,

Mir ist gnug ein grünes Chal,

Da ich Gott und dich kann geigen
Und von fern sehn aufwärts steigen
Meines armen Daches Rauch,
Wenn der Abend kommt gegangen.
Sollt' ich aber nichts empfangen,
Wohl, Herr, dieses gnügt mir auch.

Der Kurfürst schenkte dem bescheidenen Dichter ein Gütlein von zehn Hufen (1658). Simon Dach hat die Erfüllung seines Wunsches nicht lange genossen: er starb nach einem leidenvollen Leben im Jahre drauf an der Schwindsucht.

Sein berühmtestes Lied ist das noch heut oft gesungene „Ännchen von Tharau“. Die Deutung des Liedes auf eine unglückliche Liebe des Dichters trifft nicht zu; es war eines der zahllosen Hochzeitgedichte Dachs: auf die Vermählung einer Tochter Anna des Pfarrers Neander zu Tharau mit einem Johannes Portatius. Das Lied war ursprünglich im ostpreußischen Platt geschrieben und begann:

Anke van Tharau öff, de my geföllt,

Se öff mihn Lewen, mihn Göt on mihn Gölt.
Anke van Tharan heft wedder eer Haart
Op my geröchtet ön Löw' on ön Schmart.
Anke van Tharaw mihn Rihkdom, min Göt,

Du mihne Seele, mihn fleesch on mihn Blöt.
Köm' allet Wedder glihk ön ons tho schlahn,
Wy syn gesönnt by eenanger tho stahn.
Krankheit, Verfälgung, Bedröfnös on Pihn,
Sal unsrer Löwe Vernöttinge (Verknotung) syn.

Herder hat das Lied zur Hälfte ins Hochdeutsche übersetzt und als ein Volkslied in seinen „Stimmen der Völker" veröffentlicht.

Neben Dach und Roberthin stand der im sächsischen Voigtlande geborene, in Königsberg als Organist wirkende Dichter und Tonkünstler Heinrich Albert (1604—1688), von dem die meisten Vertonungen Dachischer Lieder herrühren. Zuweilen ist ihm selbst aber ein schönes geistliches Lied gelungen, so das allbekannte:

Gott des Himmels und der Erden,

Vater, Sohn und heil'ger Geist,

Der es Tag und Nacht läßt werden, usw.

Paul Flemming (eigentlich: Fleming) war der größte Lyriker des 17. Jahrhunderts, nicht bloß der hervorragende Dichter geistlicher Lieder. Als der Sohn eines protestantischen Predigers in dem voigtländischen Städtchen Hartenstein am 5. Oktober 1609 geboren, hat er seine Bildung an der Leipziger Universität empfangen, wo er zuerst Philosophie und Beredsamkeit, ja auch Poesie studierte. Später wandte er sich der Arzneikunde zu. Die entscheidende Wendung seines Lebens widerfuhr ihm durch seine Aufnahme in eine Gesandtschaft, die Herzog Friedrich von Holstein zur Anknüpfung von Handelsbeziehungen nach Rußland und Persien ausrüstete. Von Hamburg schiffte sich die Gesandtschaft im November 1633 ein und kehrte erst 1639 nach wechselvollen Geschicken zurück. In Reval hatte er sein Herz an die Tochter eines Kaufmanns, Elsabe Niehusen, verloren, doch brach die Verlobte ihm die Treue, indem sie sich während seiner Ubwesenheit in fernen Landen mit einem Andern verheiratete. Nach der Rückkehr verlobte sich Flemming mit der jüngeren Schwester seiner früheren Braut; doch eh er sie heimführen konnte, starb er nach kurzem Krankenlager nur dreißigjährig am 2. April 1640 in Hamburg. Dort wurde er in der Katharinenkirche begraben. Seine Vaterstadt Hartenstein hat ihrem berühmten Sohne vor einigen Jahren ein schönes Denkmal errichtet.

Flemming ist gleich Opik aus der lateinischen Dichterei hervorgegangen und erst durch Opitzens Buch Von der Deutschen Poeterey zur deutschen Dichtung angeregt worden. Er hat Öpik persönlich gekannt und ihn überschwänglich gepriesen. Unter den Dichtern des 17. Jahrhunderts ist er der einzige, der aufwühlende Lebenschicksale äußerlich wie innerlich erfahren hat, tiefes persönliches Leid, Gefahren zu Wasser und zu Lande, und von all dem hören wir den Wiederhall in seinen größtenteils ganz persönlichen Liedern. Bedenkt man, daß seine Jugendbildung überwiegend auf lateinischem Grunde ruhte, so staunt man über den herrlichen Fluß, über die Kraft wie Zartheit seiner deutschen Dichtersprache. Bei Lebzeiten hat er geringen Ruhm durch seine Lieder geerntet; neben Opitz und dessen sklavischen Nachahmern galt der bescheidene Sänger der Liebe und des frommen Liedes nicht viel. Er selbst hatte wohl in die Verhimmelung Opitzens begeistert und sicher aus voller Überzeugung eingestimmt; daß er aber von seiner eigenen Bedeutung als Dichter durchdrungen gewesen sein muß, das beweist sein stolzes lehtes Gedicht, das er, wie der Herausgeber hinzugefügt, am „30. Tag des Mertens 1640 auf seinem Todbette drei Tage vor seinem seligen Absterben" gedichtet und zu seiner Grabschrift bestimmt hatte:

Ich war an Kunst und Gut und Stande groß und Mein Schall floh überweit. Kein Landsmann jang reich, mir gleich.

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Man wird mich nennen hören,
Bis daß die letzte Glut dies alles wird verstören.

Des Glückes lieber Sohn. Von Eltern guter Ehren. frei. Meine. Kunte mich aus meinen Mitteln nehren. Die erste Ausgabe seiner Werke wurde durch den Vater seiner Braut 1642 in Lübeck besorgt unter dem Titel „Teutsche Poemata“.

Paul Flemming gilt, nicht ganz mit Unrecht, vornehmlich als Dichter geistlicher Lieder. Der Zahl nach aber treten seine frommen Gedichte weit zurück hinter seine weltlichen: Liebeslieder und Gelegenheitsgedichte aller Art. Seine bleibende dichterische Größe ruht trotzdem in den geistlichen Liedern, wie nunmehr zweieinhalb Jahrhunderte bewiesen haben. Von allen deutschen Lyrikern des 17. Jahrhunderts ist er der mit der stärksten persönlichen Empfindung und zugleich mit dem unterscheidbarsten Ausdruck. Man braucht nur

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