- dank die schöne Braut heim, und die drei Unholde werden geköpft, gehängt und zu Tode gestürzt. Liest man das Werk, noch dazu in einem der wenigen erhaltenen ersten Drucke, so kann man sich des Gefühls tiefer Enttäuschung nicht erwehren, daß einer der besten deutschen Kaiser der Vorzeit in einer von ihm angeregten Dichtung nichts Tieferes zu sagen gewußt als die langweiligen Plattheiten des so überaus künstlerisch ausgestatteten Theuerdanks. Als Probe der Sprache und Darstellung diene ein Stückchen aus der Erzählung von Theuerdanks Abenteuer mit einem Löwen, in das ihn der böse fürwittig hineingelockt hatte. Die Probe diene zugleich als ein Beweis für die um jene Zeit schon arg verwilderte und verschnörkelte Rechtschreibung: Wie Tewrdannck durch fürwittig in ein geferlichait mit Eines tags da fürt fürwittig Her, in disem hülzem gemach hafft, Der demselben löben aus krafft Geleich einen freydigen man, schuld Gegeben, dardurch Ich Ewr huld Ewren namen wurdt Jr machen einem löwen gefürt ward. Der stundt vor Im als ein zam Dann Er des Helds mandlich Erkannt, darumb er mit nicht wüet darvon. Nicht wertvoller als der Versroman Theuerdank ist der Prosaroman Weißkunig, der erst 1775 nach der alten Handschrift zum Drucke gelangte. Auch dazu hatte der Kaiser Marimilian den Stoff und die ganze Anlage ersonnen: eine Darstellung der eigenen Jugend, namentlich der Erziehung, - und wiederum hat sein Geheimschreiber Treyksaurwein die kaiserlichen Gedanken in Erzählungsprosa überseßt. Im Weißkunig ist die allegorische Verhüllung noch dünner als im Theuerdank: der alte und der junge weiße König sind der alte und der junge deutsche Kaiser, der König von Frankreich ist der blaue König, der von Spanien der schwarze, und so durch die verschiedenen Farben und Fürstenhäuser. Der Roman wurde nicht vollendet: der Tod des Kaisers unterbrach seinen Geheimschreiber in der Arbeit und verhinderte auch die Drucklegung. Den eigentlichen Endzweck des Romans: die Verherrlichung der Bestrebungen Maximilians zur Abwendung der Türkengefahr, hat der Kaiser nicht mehr erlebt. Bleibend und wertvoll von Maximilians literarischer Tätigkeit ist nur geblieben die von ihm veranlaßte Umbraser Handschrift, durch die uns 23 alte Heldengedichte überliefert sind, darunter Gudrun, die uns sonst überhaupt verloren wäre (vgl. S. 67). Am ursprünglichsten und reichsten zeigte sich die erzählende Dichtung am Ausgang des Mittelalters im komischen Roman. Die ohnehin reiche Schwankdichtung jener Zeit, die sich über das ganze 16. Jahrhundert fortsetzte und später zu behandeln sein wird, verdichtete sich im 15. Jahrhundert zu ganzen Sammlungen und zu umfassenden, auf wirkliche oder erdichtete Personen zugespizten größeren Dichtungen. Das ist zunächst die Schwanksammlung Der Pfaff vom Kalenberg, vielleicht eine geschichtliche Person, vielleicht auch nur eine erfundene Gestalt, wie der Pfaff Amîs des Strickers (vgl. S. 86). Nennte sich am Schluß der Verfasser nicht selbst als einen „Villip franckfurter czu Wien in der loblichen stat, der das zu reim gemachet hat", so wären wir wieder einmal in völligem Dunkel über den Ursprung einer älteren deutschen Dichtung. Freilich wissen wir auch so nichts weiter von jenem Philipp Frankfurter, der auf einen muntern Priester am Kalenberg bei Wien alle möglichen schon längst bekannten und oft behandelten Pfaffenschwänke, dazu noch einige neue gemünzt hat. Der älteste Druck ohne Jahreszahl, aus der Wende des 15. zum 16. Jahrhundert, befindet sich in der Hamburger Stadtbibliothek; das lustige Büchlein ist dann später noch sehr oft neu aufgelegt worden. Die darin erzählten Schwänke sind zum großen Teil nicht sehr anständig, indessen auch nicht ärger als die altdeutsche Schwankdichtung überhaupt. Troß der kurzen paarweis gereimten Verse lesen sich die Geschichtchen sehr fließend; die Reime klappern nicht, sondern werden wie von selbst durch den Stoff erzeugt, und im ganzen gewinnt man den Eindruck einer urwüchsigen derben Lebenslust. Eine Nachahmung des Pfaffen vom Kalenberg haben wir in der „Histori Peter Leuen, des andern Kalenbergers" durch einen Versemacher namens Achilles Jason Widmann von Hall. Es ist eine Sammlung ähnlicher Schnurren wie im echten Kalenberger und gleich diesem ein Beweis für die ausbündige Fröhlichkeit, die selbst im Jahrhundert des schwarzen Codes in deutschen Landen immer wieder durchbrach. Ein uralter Stoff, der schon in einem der Heldengedichte behandelt worden war, fand um diese Zeit eine Umbildung in die tollste Komik: in den Schwankroman Salomon und Morolf, eine Zusammenhäufung ausgelassener Spruchwitze, geistreicher und weniger geistreicher Zoten, und eine Art Verherrlichung des gesunden Menschenverstandes in den niederen Schichten gegenüber der geschwollenen Weisheit der höheren. Morolf der Schalk spielt gegenüber dem weisen König Salomon ungefähr dieselbe Rolle wie Sancho Pansa gegenüber dem ihn hänselnden Herzog. Von dem Ton in diesem Zwiegesprächs-Roman nur eine kurze saftige Probe: Salomon: Eyn gut wypp sanffte gemut; Die ist gut uber alles gut. Morolff: Begynnet sie dich schelden, Du salt si loben selden. Salomon: Eyme bosen wibe mag nit glichen Mit boßheit in allen richen. Morolff: Stirbet sie, so briche ir die bein, Derselbe Geist tollster Ausgelassenheit und übersprudelnden Wißes durchdringt ein seltsames, unter dem Titel Neithart Fuchs bekanntes Erzählungswerk in Versen aus dem 15. Jahrhundert. Der darin fortwährend genannte Neithart ist kein anderer als jener merkwürdige Minnesänger und Bauernfreund Neithart von Reuental, von dem diese komische Erzählung denn auch eine ganze Reihe von anderweit aufbewahrten Gedichten wiederholt, zum Teil allerdings in absichtlich komischen Verzerrungen. Das Werk ist ein Beweis für die große Beliebtheit des Reuentalers, dessen Andenken noch zwei Jahrhunderte später lebendig genug geblieben war. Eine solche Mischung von höchstem dichterischen Übermut und meisterhafter Reimgewandtheit hat uns die ältere deutsche Dichtung nicht zum zweiten Male beschert. Das Werk ist allerdings aus derselben den Bauernstand verachtenden Gesinnung ge= flossen wie das dem Umfange nach bedeutendste komische Heldengedicht des 15. Jahrhunderts: Der Ring von Heinrich Wittenweiler. Der Verfasser war allem Anschein nach ein Bayer von ziemlicher Bildung, jedenfalls von großer Belesenheit in der voraufgehenden deutschen Dichtung; denn er gefällt sich darin, eine ganze Reihe alter Helden für seine komischen Zwecke zu beschwören, so den Meister Hildebrand, Dietrich von Bern, Sigenot, Ecke und Roland. Den Titel „Der Ring" hat er aus sehr äußerlichen Gründen gewählt: weil der Weltenlauf einen in sich geschlossenen Ring darstelle. Sein komischer Roman ist ein wißiges Gegenstück zu der deutschen Bauernnovelle vom Meier Helmbrecht: die Engel, Deutsche Literaturgeschichte. I. 11 Verhöhnung des Bauernstandes durch einen gebildeten Städter. Mit wahrhaft überwältigendem Humor werden in dem „Ringe“ die Liebesabenteuer und die Hochzeit eines drolligen Bauernpärchens geschildert, dazu ein tolles Bauernturnier in den nachgeäfften formen ritterlicher Zweikämpfe; zuweilen mischt sich auch allerlei Spruchweisheit mit scheinbarem Ernst in die ausgelassene Posse. Das Ganze aber wirkt so merkwürdig neuzeitlich, ist so erfüllt von sicherster Beherrschung eines Stoffes aus dem wirklichen Leben, daß man gern mehr von jenem Wittenweiler erführe, der uns das erste größere Dichtungswerk der höheren Komik hinterlassen hat. Die folgende Probe ist entnommen der Unterhaltung des Helden Bertschi Triefnas mit seinen Freunden über die heikle Frage, ob er seine vielgeliebte Mätze Rurenzumpf freien solle: Sein parlament so huob er an: Daz ist ein dink, daz ich euch bitt, D An rat und auch an hilf dar zuo.“ Drittes Kapitel. Lied und Meistersang. Zie echte Lyrik dieses Zeitraums wird ausschließlich durch das Volkslied vertreten; die Kunstdichtung, gleichviel ob ritterlich oder bürgerlich, hat kaum ein einziges wahrhaft dichterisches Lied hervorgebracht, das aus andern als literaturgeschichtlichen Gründen die Aufbewahrung verdient. Zunächst sind noch zwei Nachzügler des höfischen Minnesanges zu verzeichnen, die in den alten formen die alten Stoffe behandelten, ohne etwas wesentlich Eigenes und Neues hinzuzufügen. Ein Graf Hugo von Montfort, aus einem alten Hochadelshause bei Bregenz (1357-1423), singt zwar in ähnlichen Tönen wie seine ritterlichen Vorgänger im Minnesang, unterscheidet sich aber vorteilhaft durch einen Zug seiner Minnedichtung: er besingt, unerhörter Weise, seine eigene Frau, nicht die Frauen der Undern. Es finden sich bei ihm, neben wertlosen Nachahmungen des alten Minnesangs, merkwürdig echt und volkstümlich klingende Lieder, denen man ihren Ursprung: eine wahre Herzensempfindung, anhört. Unter den Kunstdichtern dieser Zeit muß er als der hervorragendste gelten. Bei der Dürre der lyrischen Dichtung, soweit sie nicht Volkslied ist, verdient er die Anführung einiger Strophen: Ich schrib dir gerne cluoge wort, Gott gruezz din lieben ôgen, Ein glöggli man erklenket sus, Von gold ein ketten die ist vin, Ich stân sîn âne logen, Du bist in minem herzen ein senlich liebi dirn. Wan schaiden das tuot also we; Und gedecht ich nit hinwider ze koment, Oswald von Wolkenstein (1367—1445), den man den lehten Minnesänger zu nennen pflegt, steht an Wärme lyrischer Empfindung bei weitem hinter dem Grafen Montfort zurück. Der Tiroler Ritter aus dem Grödener Tal fesselt mehr durch sein abenteuerreiches Leben als durch seine literarische Habe. Mit jungen Jahren durch einen Pfeilschuß auf einem Auge erblindet, kämpfte er dennoch in mancher Herren Kriegen und kam weit in der Welt herum, was er selbst in den Versen berichtet: Gen Preußen, Littaun, Tartarei, Türkei, über mer, Gen Frankreich, Lampart (Lombardei), Jspanien, Trib mich die minn, auf meines aigen geldes wer, Franzosisch, morisch, katalonisch und kastilian, Teutsch, latein, windisch, lampertisch, reuschisch und roman, Die zehen sprach hab ich gebraucht, wenn mir zerran Das geld. Auch kund ich fidlen, trumen, pauken, pfeifen. Seine Minnedichtung ist ein Mittelding zwischen Bänkelsängerei und undichterischem Meistergesang, wie man aus einer Probe, noch einem seiner sangbarsten Lieder, sehen kann: Wuninklicher wol gezierter may, Dein sueß geschray Pringt freuden mangerlay, Besunderlich wo zway An ainem schoenen ray Sich muetiklich verhendelt han. Gruen ist der perg, ow, gevild und tal; Und aller voglin schal Man hoeret ane zal Erklingen über al. Die Minnelehren von Oswald von Wolkenstein, enthalten in einer der bekanntesten Liedersammlungen der Zeit: dem Liederbuch der Nonne Klara Haehlerin, sind auch nichts anderes als Nachahmung ähnlicher Lehrbetrachtungen über die Minne, wie wir sie in den Sammlungen der Minnesänger bis zum Überdruß finden. Aus einem ganz andern Ton geht die deutsche Trinkliederdichtung des 14. Jahr hunderts, die Fortsetzung der deutschen Trinkseligkeit, der wir schon in den Carmina Burana begegnet sind. Es wäre ja auch wunderbar, wenn eine der unverwüstlichsten Neigungen deutscher Menschheit, die zu einem guten und möglichst tiefen Trunk, nicht von frühester Zeit an ihren dichterischen Ausdruck gefunden hätte. Aus dem Anfang des 14., ja wohl gar schon aus dem Ende des 13. Jahrhunderts, stammt ein längeres, sehr munteres Gedicht, das man Den Weinschwelg benannt hat. Darin wird von einem Meistertrinker erzählt, der von Näpfen oder Schalen oder gar von Bechern nichts wissen wollte, sondern „er tranc uz grozen kannen", und jeder Gedichtabsah beginnt mit dem Kehrvers: „Do huob er uf unde tranc." Die Trinkdichtung ist seitdem in der deutschen Literatur nie wieder verstummt. Im 15. Jahrhundert finden wir eine besondere Gattung der Weingrüße, worin ein Nürnberger Dichter Hans Rosenblüt, auch „Der Schnepperer" genannt um 1440 · - eine besondere Meisterschaft erlangte. Seine Schwänke und Fastnachtspiele zeichnen sich vor Hunderten ihresgleichen kaum aus; seine Weingrüße dagegen sind in einem schwungvollen und wirklich trinkfröhlichen Ton gehalten, so z. B. dieser: Nu gruffe dich Got, du edels getrank! selig sei der, der dich in die kaltern tregt; selig sei der pot, der dich hergebracht; Den muß Got allzeit wein bescheren Don einem andern Lyriker mit ähnlich wohlduftendem Namen oder Beinamen: Muscatblüt, der um 1437 noch als lebend genannt wird, sind uns eine Reihe von Liedern erhalten, die durch ihre Freude an der Natur inmitten der formelhaft gewordenen Meistersingerei Aufmerksamkeit verdienen. Aus einem seiner Frühlingslieder stehe hier ein Abschnitt, der ihn immerhin als einen wirklichen Sänger zeigt: Schaut, wie der walt gar manigfalt in grüne stat, ein yglich blat nach finer art gezinnet. Seht, wie das ryß treit hohen briß ins meyen crafft: sin linder safft durch hertes holtz uß rynnet. Schaut an, wie wunneclichen stat die nur der mey kan bryngen, giebt liechten schin; die vögelin schoen in dem walde singen. Das Wertvollste aber von der ganzen Kunstlyrik jener Zeit ist das geschichtliche Lied: zur Erinnerung an die Kämpfe der in ihrer Freiheit durch fremde Unterdrücker bedrohten kleineren Volksstämme, so der Ditmarsen und der Schweizer. Diese Dichtungen gehören eigentlich schon zu den Volksliedern, denn man kennt meist nicht ihre Verfasser, oder über der Beliebtheit der Lieder selbst hat man die Namen der Dichter vergessen. Eines der Lieder der Ditmarsen aus dem Jahre 1404 gehört zu den schönsten Stücken volkstümlicher Kriegspoesie und verdient in seinen tapfersten Strophen die Wiedergabe: He (Claus von Alefelde) let wol buwen ein gut Unsem erlichen lande to gramme, schlot, „Tredet herto, gi stolten Ditmarschen! Unsen Kummer wille wi wreken, Wat hendeken gebuwet haen, Dat können wol hendken tobreken!" De Ditmarschen repen averlut: „Dat lide wi nu und nummermere! Und willen dat gar ummekeren! Wi willen darumme wagen goet und bloet, Er dat der Holsten er avermoet So scholde unse schone lant vorderwen!" Ein fahrender Sänger, der sich den sprechenden Namen Suchenwirt beigelegt, hat in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts ein großes geschichtliches Gedicht Von Herzog Albrecht von Österreich verfaßt, dessen lyrische Teile sich über den Durchschnitt damaliger Kunstdichterei erheben. Von demselben Suchenwirt rührt ein Gedicht Von fünf Fürsten her, worin sich eine Beschreibung der Schlacht bei Sempach, aber vom österreichischen Standpunkte, findet. Dieselbe Schlacht bei Sempach (1386) hat ein Schweizer Dichter, der selbst in ihr mitgekämpft, Halb Suter, in ganz anderm Ton besungen. Darin kommt auch die berühmte Heldentat Winkelrieds vor, die Halb Suter „gedichtet hat, als er ab der schlacht ist kan“: Des adels hör was veste, in ordnung dick und breit: Trüwen lieben Eidtgenossen, des wellend ir min geschlechte Hiemit do tett er fassen Also begundents brechen |