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unserer neuen Gesetzbücher; sie ist eine von warmem Gefühl durchglühte Prosa, die aus der Sammlung von „Büchern“ und „Artikeln“ ein prächtiges Lesebuch macht. Un der Reinheit und dem Adel der Sprache könnte sich mancher deutsche Gesetzgeber ein Muster nehmen.

Als Probe stehe hier zunächst die herrliche Stelle (Buch III, Art. 42) über, das heißt gegen die Leibeigenschaft:

Got hat den man nâh ime selben gebildet und hat in mit siner marter gelediget (erlöst), den einen als den anderen. Ime ist der arme als nâ als der riche. Do man recht erst (zuerst) sazte, do en was niechein dinstman und waren alle lûte vrîe, do unse vorderen her zu lande qâmen. An mînen sinnen en kan ich es nicht uf genemen nâh der warheit —, daz ieman des anderen sulle sîn. Ouch en habe wirs nichein urkunde. (Auch haben wir dessen keine Urkunde.)

Sodann die andere über die form des Gottesgerichtes als eidlichen Zeugnisses (Buch I, Art. 39):

Wer das gluende îsen tragen sal. Di ir recht mit roube oder mit dube (Diebstahl) vorlorn habn, ab (ob) man sie roubes oder dube anderweide schuldiget, si en (nicht) mügen mit irme eide nicht unschuldig werden; si habn drîer kore (Wahl): daz îsen zu tragene, oder in einen wallenden kezzel zu grifen biz an den elnebogen, oder deme kemphen sich zu werende.

Nach dem Vorbilde des Sachsenspiegels und durch sein hohes Ansehen hervorgerufen, entstand durch einen unbekannt gebliebenen Verfasser das Gegenstück für Süddeutschland, also für Schwaben, Franken, Bayern und Österreich, das Gesetzbuch Der Schwabenspiegel. Es wird auf die Anregung, ja auf die Verfasserschaft des gewaltigen Predigers David von Augsburg (vgl. S. 103) zurückgeführt. Allgemeine Geltung für Deutschland hat weder der Sachsenspiegel noch der Schwabenspiegel erlangt, was ja bei der Zersplitterung alles öffentlichen deutschen Lebens im Mittelalter nicht wunder nimmt. — Als Probe diene der Art. 103, der davon handelt, Wer mit Rechten König werden mag:

Die fürsten sollen kiesen einen künic, der ein vrier herre sî, also vri, daz sin vater unt sin muoter vri gewesen sint, unde sullen niht mitter vrien sein, unde sullen niemans man sin, wan der phafen fürsten man. Unde hânt si wip genomen, so man si kiuset, unde

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ist diu niht also vri, so sol man sin niht kiesen ze künige, wan daz waere wider reht. In beiden Rechtspiegeln findet sich eine Auseinanderseßung über die Verteilung der Gewalten zwischen Kaiser und Papst. Die Stelle im Sachsenspiegel von den „zwei Schwertern auf Erden", die der Schwabenspiegel fast wörtlich übernommen hat, lautet in der niederdeutschen Fassung:

De twe swert.

Twe swert leit got op ertrike to beschermen de cristenheit: deme pawese dat gestlike, und dem keiser dat wertlike. Deme pawese is ok ghesat to riden to beschedener tiid op enem blanken perde. De keiser sal eme den stegherep holden dor dat de sadel nicht en wynde. Dit is de bekantnisse, wat de pawes und gestlike rechte nicht bedwyngen moyge, dat sal de keiser mit wertliken rechte bedwyngen dem pawese horsam to wesene. Sus sal de gestlike walt ok helpen deme wertliken rechte offt es id bedarf.

Der einzige bemerkenswerte Versuch der Geschichtschreibung in Prosa geht gleichfalls unter dem Namen eines Herrn von Repgow, doch ist der Verfasser wohl nicht der des Sachsenspiegels gewesen. Es ist die Sachsenchronik, auch die Repgowische genannt. In schmuckloser, aber nicht ungefälliger Darstellung enthält sie eine Schilderung der Zeit✦ ereignisse, die von ebenso großem literarischen wie geschichtlichen Wert ist. Eine Stelle daraus über Vrederic den anderen, lautet:

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In deme anderen jar wart der paves (Papst) unde de keiser forevenet (versöhnt) unde lêt ene de paves uteme banne. Do hadde de keiser Vrederic enen hof to Ravene (Ravenna) to aller hilegene missen. Dar lach he lange unde wachtide (wartete) sines sones, des koninges. Danen vor he to Venidie. Dar wart he untvangen mit groten eren, unde vôr vort to Agleie (Aquileja). Dar quam sin sone, de koning, to ême. De keiser vôr weder to Pulle (Apulien), unde de koning to dudischeme (deutschem) lande.

Unter diesem Friedrich dem Undern war man doch schon soweit gekommen, daß

wichtige politische Urkunden, wie z. B. der Landfrieden Friedrichs II., auch in deutscher Sprache kundgetan wurden.

Bis zu künstlerischer Ausbildung brachte es aber die mittelhochdeutsche Prosa erst durch die Predigt und die Religionsphilosophie. Die Zeit war der Geltung der möglichst öffentlichen Predigt besonders günstig. Zwischen 1208 und 1215 waren die beiden streitbaren Orden der Dominikaner und der Franziskaner gegründet worden mit der Aufgabe, die Kirche gegen die sich mächtig regende Keßerei nicht bloß durch den Scheiterhaufen, sondern auch durch das eindringliche Wort zu schützen. Die Dominikaner und die Franziskaner beschränkten sich in ihrer Predigertätigkeit nicht auf die Räume der Kirche, sondern mit päpstlicher Erlaubnis zogen sie von Stadt zu Stadt und predigten wann und wo sie wollten, selbst auf offnem Markt oder vor den Toren der Städte. Der älteste dieser Wanderprediger, oder wie fie auch hießen: Candprediger, war Bruder David von Augsburg. Um 1215 in Regensburg geboren, 1271 in Augsburg gestorben, scheint er eine nicht bloß auf geistliche Dinge gerichtete Tätigkeit geübt zu haben, wie die ihm zugeschriebene Anregung des Schwabenspiegels beweist. Don seinen Predigten hat sich nichts erhalten; wohl aber besißen wir Gebete und religiöse Betrachtungen von ihm, meist in lateinischer Sprache, aber auch zwei deutsche Abhandlungen: Die sieben Regeln der Tugend und Den Spiegel der Tugend. Er erscheint uns in diesen Schriften zwar als ein Mönch voll glühender Begeisterung für seinen Glauben, aber doch nicht als ein so strenger Eiferer wie nachmals sein größerer Schüler Bertold. Von der Geschmeidigkeit und zugleich dem Nachdruck seiner Prosa stehe hier eine Stelle aus den Sieben Regeln der Tugend:

Zu dem andern male sol der guote Mensch vor betrahten, wie kleine im daz widermuete künne geschaden, allermeist von worten. Wort sint ein schal in dem lufte, den der wint hin vüeret (bei Shakespeare ebenso: bewegte Luft), unt mugen von ir nature niht geschaden, als wenic als ein ander schal. Da von lazen wir gense und aglistern gen uns schrîen unt hunde bellen, und ahten des niht, wan ez uns anders niht geschaden mac. Got ist mir ouch deste ungenaediger niht, ob mir ein mensch ein scharpfez wort hat gesprochen; er ist mir deste gnaediger, ob (wenn) ich diemüetichlichen lide.

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Sein Schüler Bertold von Regensburg, der eigentliche Landprediger des Franziskanerordens, bezeichnet den Gipfel der deutschen Prosaberedsamkeit des Mittelalters. Sein Geburtsjahr ist unbekannt, gestorben ist er 1272. Erhalten sind uns von ihm gegen siebzig Predigten in deutscher Sprache. Über den außerordentlichen Eindruck seiner Predigten, die er meist unter freiem Himmel, oft vor Zehntausenden, hielt, liegen uns zahlreiche Zeugnisse von Zuhörern vor. Er selbst bemerkt in einer Randschrift zu einer seiner Predigten, er habe sie in Zürich vor dem Tore zu vielen Tausenden gehalten. Dieser Todfeind der Keßer und der Juden war ein geistlicher Auferwecker und Seelenkündiger, wie lange vor und nach ihm kein zweiter aufgestanden. Berichte melden, daß von der Gewalt seiner Predigten ergriffene Sünder öffentlich ihre Vergehungen bußfertig bekannten und unrechtes Gut zurückerstatteten. Eine Chronik des 13. Jahrhunderts nennt ihn darum auch „den guten, seligen Landprediger“. Seine Prosa hat alle guten Eigenschaften eines volkstümlichen Redners, der unmittelbar auf die Gemüter der Zuhörer wirken will. Bertolds Predigten waren nicht zum Lesen, sondern zum Anhören bestimmt, drum sind gerade sie als eine der besten Einführungen in die Kenntnis wirklich gesprochener mittelhochdeutscher Rede zu empfehlen.

Um die volle Wirkung seiner Predigten zu würdigen, müßte man eigentlich eine ungekürzte lesen; doch wird auch der folgende Auszug eine Ahnung von Bertolds Sprachgewalt geben:

So sprechent etteliche kezer, und gleubent sin, daz der tiuvel den menschen geschüefe; do geschüef unser herre die sele drin. Pfi verfluochter kezer! wanne wurden sie ie gemeines muotes? Nu seht, ir saeligen gottes kinder, daz iu der almehtige got sele und lip beschafen hat. Und daz hat er iu under diu ougen geschriben, an daz antlüze, dar ir nach im gebildet sit. Daz hat er uns reht mit geflorierten buochstaben an das antlize geschriben. Mit grozem vlize sind sie geziert und gefloriert. Daz verstent ir gelerten liute wol: aber die ungelerten mügen sin nit versten. Diu zwei ougen das sind zwei o. Ein h daz ist nit ein rehter buochstabe:

ez hilfet niuwen den andern; als homo mit dem h, daz spricht mensche. So sint die braven dar obe gewelbet und diu nase da zwischen abe her: daz ist ein m, schone mit drin stebelin. So ist daz or ein d, schone gezirkelt und gefloriert. So sint diu naselöcher und daz undertat schone geschafen reht als ein kriesch e, schone gezirkelt und gefloriert. So ist der munt ein i, schone gezieret und gefloriert. Nu seht, ir reinen kristen liute, wie tugentliche er iuch mit disen sehs buochstaben geziert hat, daz ir sin eigen sint, und daz er iuch geschafen hat. Nu sult ir mir lesen ein o und ein m und aber ein o zuo samen: so spricht ez homo. So leset mir ouch ein d und ein e und ein i zuo samen: so spricht ez dei. Homo dei gotes mensche, gotes mensch! Kezer, du liugest! kezer du liugest! Nu sich wie kezerlich du gelogen hast.

Selbst bis zu den Höhen philosophischer Darstellung hat es die mitttelhochdeutsche Prosa gebracht durch ihren größten Schriftsteller, der auch heute noch bekannt, ja berühmt ist, wenn auch leider meist nur als Namen: den Meister Eckhart. Dieser Priester, Mönch und Gelehrte ist um 1250 in Hochheim bei Gotha geboren, wird als Prior des Dominikanerordens in Erfurt genannt, besuchte - ob als Hörer oder Lehrer? -die Pariser Universität um 1300, wirkte als Religionslehrer in Straßburg 1314, verweilte in Frankfurt a. M. 1317, mußte sich in einem Inquisitionsprozeß (1320) gegen die Anklage des Kölner Bischofs wegen Ketzerei verteidigen und starb 1327 eines natürlichen Todes. Zwei Jahre darauf wurden durch eine päpstliche Bulle 26 Lehrsäße Eckharts als kezerisch verdammt.

Daß der große Dominikaner nach der Lehre der Kirche in der Tat ein arger Keter gewesen, der z. B. über die Entstehung der Bibel in einem ihrer grundlegenden Abschnitte durchaus selbständig geurteilt hat, geht aus einer Stelle seiner Schriften über die Schöpfungsgeschichte hervor:

Ich glaube nicht, daß Gott, als er Himmel und Erde und alle Dinge schuf, heute das eine und morgen das andere machte. Freilich, Moses schreibt so, aber er wußte es doch wohl besser; er tat es aber um des Volkes willen, das es nicht anders verstehen und vernehmen konnte.

Einer von Eckharts Lehrern war Thomas von Aquino gewesen, doch hat dieser (gest. 1274) einen viel geringeren Einfluß auf ihn geübt, als die Schriften des heiligen Augustinus. Aus den Tiefen seines deutschen Wesens kam bei Eckhart der unersättliche Hunger nach Wahrheit; diese aber ist für ihn nur das Einssein mit Gott schon auf Erden. Er war, was man gewöhnlich so nennt, ein Pantheist; besser aber wird er bezeichnet als ein Vorläufer jener deutschen Mystiker und Gottsucher, die wie Angelus Silefius fröhlich sind in der Gewißheit, daß Gott in ihnen lebendig wirkt, und daß sie schon auf Erden in Gott sind, wenn sie es nur wollen. Das Wertvollste für uns an Meister Eckhart ist, daß er seine Versenkung in Gott in einer meisterhaften Prosa ausspricht, die sich wie wenig anderes aus dem 13. Jahrhundert noch heut als urlebendig erweist. Eckhart hat mit seltener Stilkunst tiefstes Denken mit ganz einfacher Sprache vereinigt; er ist ein überaus merkwürdiger Fall ein leicht zu lesender deutscher Philosoph. Er besitzt in hohem Grade die Fähigkeit des knappsten Ausdrucks für die Gedanken über die letzten Fragen. Von ihm rührt als eine Art von Lebensgrundsat her der Ausspruch: Der allermeiste lât, der minnet ouch. allermeist, was nach seinem Sprachgebrauch und nach seiner Denkart bedeutet: Lur wer sich selbst ganz hingibt, der hat wahre Liebe zu Gott.

Von der Höhe seines Gottesglaubens legt folgende Stelle Zeugnis ab:

In dem Augenblicke, da Gott war, war auch die Welt geschaffen. Gott erschuf die Welt, und ich mit ihm. Bevor seine Geschöpfe waren, war Gott nicht Gott. Gott ist alle Dinge, alle Dinge sind Gott. Der Vater erzeugt mich, seinen Sohn, ohne Unterlaß; ja noch mehr, er erzeugt in mir sich selbst, und in sich selbst mich. Das Auge, mit dem ich Gott sehe, ist das nämliche Auge, mit dem Gott mich sieht. Mein Auge und Gottes Auge sind ein Auge.

Daß gegenüber solchen Stellen die Machthaber der Kirche von Ketzerei sprachen, ist begreiflich.

Von der Kühnheit seines Denkens über göttliche und menschliche Dinge, zugleich aber von der Kraft seiner Sprache, die ihn als den besten älteren deutschen Prosaschriftsteller kennzeichnet, werden folgende Auszüge eine Ahnung geben. Sie sind wie die früheren der

ausgezeichneten Übersetzung von Eckharts „Mystischen Schriften“ durch Gustav Landauer entnommen, durch die der große Dominikaner des 13. Jahrhunderts uns erst wieder lebendig geworden ist:

Seht, so liebkost uns Gott, so flehet uns Gott an, und Gott kann nicht warten, bis sich die Seele geschmückt und von der Kreatur zornig entfernt hat, und es ist eine sichere und eine notwendige Wahrheit, daß es Gott so not tut, uns zu suchen, als ob all seine Gottheit daran hänge, wie es auch der Fall ist. Und Gott kann unser so wenig entbehren, wie wir seiner, und könnte es auch sein, daß wir uns von Gott abwenden könnten, so könnte sich doch Gott nimmer von uns abwenden. Ich sage, ich will Gott nicht bitten, daß er mir gebe, ich will ihn auch nicht loben für das, was er mir gegeben hat, sondern ich will ihn bitten, daß er mich würdig mache, zu empfangen, und will ihn loben, daß er die Natur und das Wesen hat, daß er geben muß. Wer das Gott nehmen wollte, der nähme ihm sein eigenes Wesen und sein eigenes Leben.

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Wenn der Mensch ein inwendiges Werk wirken will, so muß er all seine Kräfte in sich ziehen, wie in einen Winkel seiner Seele, und muß sich verbergen vor allen Bildern und Formen, und da kann er dann wirken. Da muß er in ein Vergessen und in ein Nichtwissen kommen. Es muß in einer Stille und in einem Schweigen sein, wo dies Wort gehört werden soll. Man kann diesem Wort mit nichts besser nahen als mit Stille und mit Schweigen: dann kann man es hören und alsdann versteht man es ganz in dem Unwissen. Wenn man nichts weiß, dann zeigt und offenbart es sich.

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Alle Kreaturen sind ein Fußstapfen Gottes. Wer Gott seinen Willen gänzlich gibt, der fängt und bindet Gott, daß Gott nichts kann, als was der Mensch will. Verginge das Bild, das nach Gott gebildet ist, so verginge auch das Bild Gottes. So wahr das ist, daß Gott Mensch geworden ist, so wahr ist der Mensch Gott geworden. Das ist Gottes Natur, daß er ohne Natur ist. Wenn ich Gott nicht zwinge, daß er alles tut, was ich will, dann gebricht es mir entweder an Demut oder an Sehnsucht. - Den gerechten Menschen ist es so Ernst mit der Gerechtigkeit, daß sie, gesetzt den fall, Gott wäre nicht gerecht, nicht eine Bohne sich um Gott kümmerten. Kein Ding ist Gott so sehr ent gegengesetzt wie die Zeit. Gott ist überwesenhaft und übersprachlich und unverstanden in Bezug auf das, was natürliches Verstehen ist.

Drittes Buch.

Die höfische Dichtung.

Erstes Kapitel.

Die Kreuzzüge und die Hohenstaufen.

Erster Kreuzzug 1096–1099. - Zweiter Kreuzzug 1147–1149. Dritter Kreuzzug 1189—1192. Die Hohenstaufen (1138—1254). Kaiser Konrad III. 1138—1152. friedrich I. (Barbarossa) 1152-1190 (stirbt auf dem dritten Kreuzzug in Syrien). Heinrich VI. 1190—1197, Herrscher über fast ganz Italien 1194. — Die Doppelkaiser Philipp (Barbaroffas Sohn), 1198–1208, und Otto IV. von Braunschweig, 1198-1215. Friedrich 11. 1215-1250; sein Kreuzzug 1228-1229; Reichstag zu Mainz und Verkündung des Reichsfriedens, 1235. In den Bann getan 1239. Landgraf Hermann von Thüringen stirbt 1217 auf der Wartburg. Konradin, Sohn des Kaisers Konrads IV., (1250-1254), in Neapel 1268 enthauptet. Das Interregnum 1256–1273.

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Die Päpste Innocens III. (1198–1216), Gregor IX. 1227–1241, Innocens IV. 1243—1257. In dem vorangehenden Buche von der volkstümlichen Literatur der mittelhochdeutschen Zeit mußte immer wieder auf den Gegensatz zur „höfischen Dichtung" hingewiesen werden. Diese Bezeichnung ist ja an sich nicht dunkel, doch fordert sie nunmehr eine nähere Erklärung ihres Entstehens und Wesens.

J

In jeder Literatur hat es zu allen Zeiten zwei große Strömungen gegeben: der volkstümlichen und der kunstgeübten Dichtung. Wohl dem Volke, bei dem jene Strömungen einander berühren und durchkreuzen, sich vermischen und wechselseitig befruchten; übel jedoch ist es um ein Volk bestellt, dessen Volksdichtung und Kunstdichtung sich völlig getrennt entwickeln und nichts von einander wissen. In Frankreich herrscht seit drei Jahrhunderten eine nahezu völlige Trennung; in Deutschland ist sie gottlob niemals so dauernd geworden, daß die frische Kraft der volkstümlichen Dichtung ganz versiegt wäre.

Beim Überschauen der deutschen Dichtung bis zur Mitte des elften Jahrhunderts gewahren wir, daß eine Art Ausschöpfung des Stoffgehaltes eingetreten war. Durch die Geistlichen war die weltliche Dichtung unterdrückt und gehemmt, ja fast vernichtet worden; die geistliche Dichtung selbst hatte alles erzeugt, was ihr unter geschickten, zumteil unter künstlerischen Händen abzugewinnen war. Ohne die Einwirkung ganz neuer Kräfte mußte nunmehr eine Verödung und Versumpfung eintreten. Da kam es über die deutsche Welt wie eine neue Völkerwanderung; wiederum, wie siebenhundert Jahre zuvor, wurden deutsche Gemüter bis in ihre Tiefen aufgewühlt, diesmal durch eine alle edelsten Triebe der Volkseele steigernde und durchglühende Bewegung: durch die Kreuzzüge. Es geschah etwas ganz Uhnliches dem, was Goethe für die deutsche Literatur des 18. Jahrhunderts von Friedrichs des Großen Kriegen und seiner Erhöhung des deutschen Namens ausgesprochen hat: es kam in sie wieder ein höherer Gehalt, oder, wie es auch bei Goethe heißt: „Un Talenten war niemals Mangel. Was der deutschen Poesie fehlte, war ein Gehalt, und zwar ein nationeller.“ Auch dieser „nationelle Gehalt“ wurde der deutschen Poesie um dieselbe Zeit gegeben: durch die Kaiser aus dem Hause der Hohenstaufen.

An dem ersten Kreuzzuge (1096) hatten sich die Deutschen so gut wie nicht beteiligt. Die Flammenzeichen der Begeisterung für die Erlösung des Heiligen Landes aus der Macht der Sarazenen hatten aber auch bis zu ihnen geleuchtet, und lange vor dem zweiten Kreuzzuge (1147) mit seiner starken Beteiligung deutscher Fürsten und Ritter herrschte in Deutschland Kreuzzugstimmung, die sich in der Literatur von der Mitte des 11. Jahrhunderts ab offen ausspricht.

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