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Frühlehre auf den sechsten Sonntag nach dem Fest der h. drei Könige.

Man muß das Kleine beachten, damit nichts Großes daraus werde.

„Das Senfförnlein ist zwar der kleinste unter allen Samen, wird aber das größte unter allen Gartengewächsen." Matth. 13, 32.

Sehr oft würden wir uns betrügen, meine Christen! wenn wir glauben wollten, Alles, was klein und unbedeutend ist, verdiene keine Aufmerksamkeit von uns. Was ist kleiner als ein Senfförnlein, von welchem das heutige Evangelium redet? Es ist eines von den kleinsten Samenkörnern, welche es auf Erden gibt: ist es aber einmal gesäet, so wächst es auf und wird größer als alle andere Gartengewächse, und an manchen Orten, besonders in warmen Ländern, wird es so groß wie ein Baum. Ebenso entstehen auch aus fleinen Sünden und Fehlern oft die größten abscheulichsten Sünden und Laster. Dieß werde ich euch heute in Kürze zeigen. Merkt fleißig auf!

Die meisten Sünden und Laster sind anfangs mehr Verirrungen als heimtückische Bosheiten, mehr

Schwachheiten und Uebereilungen als vorsäglich ausstudirte Verbrechen. Betrachten wir die herrschenden Laster alle: den Zorn, den Neid, den Geiz, die Unkeuschheit, die Unmäßigkeit im Trinken, die Ehrabschneidung u. s. f. Ist es nicht eine Wahrheit, welche wir durch die tägliche Erfahrung bestätigt finden, daß der Zornige, der in seiner ersten Hige heftig aufbraust, nachdem die Aufwallung vorüber ist, seine Gähheit sogleich wieder bereut, sich schämt, und morgen schon wieder freundlich demjenigen begegnet, den er heute unsinnig ausgescholten hat?

Wie leicht ist nicht übersehen, daß sich der Neid in das Herz schleicht? Man sieht ein fremdes Gut. Was ist natürlicher, als daß uns dieses wohl gefällt? Dieses Wohlgefallen, das ihr Anweigung nennt, ist noch keineswegs verboten. Aber nun wird man ganz unbemerkt, man weiß selbst nicht wie, dem Besizer dieses Gutes abgeneigt und gram; man fängt an auf Mittel zu denken, wie man dieses Gut an sich bringen könnte. Nun, in dieser Mißgunst, vor welcher man sich wohl in Acht nehmen muß, und in dieser Begierlichkeit, durch was immer für Mittel des fremden Gutes habhaft zu werden, besteht der Neid. Freilich muß man auch gestehen, daß die bösen Gesinnungen des Neides lang nicht allzeit in böse Thaten übergehen. Man enthält sich zwar oft nicht mehr von neidischen Wünschen; aber man enthält

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fich doch noch von unrechtmäßigen Handlungen, das fremde Gut an sich zu bringen.

David, sagt die h. Schrift, stand einst nach Mittag von seinem Ruhebett auf, und ging auf dem Dach seines Sommerpalasts spaziren. Im Judenland, wo es weniger regnet als bei uns, sind die Hausdächer nicht abhängig, wie die unsern, sondern eben, wie ein Zimmerboden. Die h. Schrift sagt gar nicht, daß David im Auf- und Abgehen was Arges im Sinn hatte. Ganz von ungefähr, ohne daß er dafür konnte, sah er in der Nachbarschaft, was er nicht hätte sehen sollen. David war jung, er hatte eben ausgeruht; er hatte vielleicht zu Mittag mehr als gewöhnlich getrunken und der Mann Gottes fiel, und er fiel tief! Wer getraut sich aber zu behaupten, daß diese seine Sünde eine langsam ausgebrütete Bosheit gewesen sei? Er übersah es nur dadurch, daß er seine Augen nicht gleich von der Gefahr losrieß. Hinsehen und Wegsehen hätte Eins sein sollen.

Was ist unschuldiger, mein Christ! als daß sich ein Mensch, der Einkünfte und Ausgaben hat, darüber freut, daß er, ohne Schulden zu machen, auslangen kann? Das zweite und dritte Jahr bleibt ihm schon was Namhaftes über. Das freut ihn noch mehr, und auch diese Freude ist nicht unrecht. Aber endlich wird das Geld seine Hauptfreude. Er hält

es nicht mehr für ein Mittel, das man zu seinen nothwendigen Ausgaben und guten Werken gebrauchen, sondern zusammenlegen, nur zusammenhalten und immer noch vermehren müsse. Nun ist der Geiz in seinem Herzen, ohne daß er den Eingang bemerkt hat.

Der Patriarch Noe, sagt die h. Schrift, betrank fich einst, weil er die Kraft des Weines nicht kannte. Was dem Noe widerfuhr, das widerfährt Manchem auch heut zu Tage. Manche werden betrunken, weil fie die Stärke des Getränkes zu wenig kennen; Andere werden berauscht, weil sie mehr Gesellschafts halber als aus Lust mittrinken. Die Wenigsten haben einen wahren, mehr als viehischen Vorsak, fich mit allem Fleiß vollzutrinken.

Eine Ehrabschneidung richtet oft großen Schaden an. Aber die schändlichste Ehrabschneidung rührt oft mehr von einer unbesonnenen Geschwägigkeit, als von wahrer schadenfroher Bosheit her.

Und so, meine Christen! wie es mit dem Zorn, dem Neid, der Unkeuschheit, dem Geiz, der Trunkenheit und der Ehrabschneidung geht, so ist es auch wohl mit dem Anfang aller Laster. Alle find fie in ihrem Ursprung mehr Verirrung, Schwachheit, Unvorsichtigkeit, als wohl überlegte, lang ausstudirte øder ausgesonnene, teuflische Bosheit. Wenn aber die Sünde auch wirklich anfangs nur ein Uebersehen

oder eine Unbesonnenheit ist, so artet sie doch, wenn man sie nicht achtet, in Bosheit aus.

Kain achtete die ersten Regungen des Neides gegen seinen Bruder Abel nicht. Wie weit ist er aber nicht durch diese Unachtsamkeit in der Bosheit gekommen? War es nicht eine große himmelschreiende Bosheit, daß er den frommen Abel unter dem Schein der Freundschaft auf das Feld hinausgelogen und dort meuchelmörderisch erschlagen hat?

Davids Sünde auf dem Dach war nur eine Augenverirrung. Was erfolgte aber, weil er diese Sünde nicht achtete? War es nicht eine große himmelschreiende Bosheit, daß er einen Ehebruch beging, ja sogar noch den Mann dieses Weibes, den tugendhaften Urias, seinen treuesten Diener, unter dem Schein der Freundschaft fortgeschickt und darnach schelmisch hat ermorden lassen?

Judas gab anfangs dem Geiz nur in Kleinig feiten nach. Weil er aber dies nicht achtete, weil er dem Geiz immer mehr und mehr nachgab, so wurde er endlich ein Bösewicht, der schlechteste Mensch, von welchem das Evangelium redet.

Seht also, meine Christen! wenn man sich der Sünde nicht gleich anfangs mit allem Ernst widersegt, so wird sie nach und nach immer bösartiger. Aus kleinen Sünden entstehen also oft die größten Sünden und Laster. Darum soll man sich auch

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