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dir gerade so gehen, wie einem alten Mann, von welchem die Parabel erzählt. Dieser Mann trug einen Bündel Holz nach Hause. Als ihm aber dieser zu schwer wurde, warf er ihn auf den Boden, sezte sich darauf und sagte: „O Tod, komm doch und nimm mich fort, damit ich mich nicht so viel auf der Erde plagen darf." Der Tod erscheint augenblick= lich und fragt ihn, was er wolle. Der alte Mann erschricht fürchterlich, als er den Tod erblickt, und er gibt ihm in größter Angst zur Antwort: „Ach lieber Tod, heb mir mein Holz wieder auf, damit ich es nach Haus tragen kann." So rufen Manche nach dem Tod, und wenn er käme, wäre es ihnen doch nicht recht. Wer sich nur aus Zaghaftigkeit oder Kleinmuth den Tod wünscht, der handelt also gegen den Willen Gottes; aber auch gegen seinen eignen Nugen, wie ich euch jezt noch zeigen will.

2.

Mancher verlangt also zu sterben, weil es ihm auf der Welt recht schlimm geht. „Wär ich todt," sagen gar Viele, dann möchte es auf der Welt zu» gehen wie es wollte." Möchten die Leute einander zerreißen, möchten fie einander abfümmern und thun was sie wollten, wenn nur ich davon wäre." Schau, wie gescheid du doch bist! Alle Andern dürften

mühselig leben, nur dir allein soll es gut gehen, nur du allein sollst nichts zu leiden haben!

Aber wie! wäre das ein Nugen für dich? Ich will gar nicht sagen, daß dieser Wunsch ganz unchristlich wäre. Du willst auf dieser Welt nicht mehr leben, die Widerwärtigkeiten sind dir zu viel, und darum wünschest du zu sterben! Aber hast du nie schwer gesündigt, Gott nie schwer beleidigt? Hast du also nichts abzubüßen? Der heil. Augustin rief in seinen Betrübnissen aus: „Herr! hier schneide, brenne, treuzige, nur dort verschone." Du wünschest also, dein Leib soll sterben; aber deine Seele bleibt doch lebendig, und diese wird ewig viel mehr und empfindlicher leiden müssen, als du hier auf dieser Welt leiden mußt. Du wünschest dir also zu deinem eignen Schaden, daß dich Gott vor der Zeit sterben lassen soll.

Sieh also selbst, wie undankbar du bist und was für einen thörichten Wunsch du hast! Bist du nicht dem lieben Gott zum größten Dank verpflichtet, daß er dir das Leben so lange schenkt, bis du dich wahrhaft gebessert und für den Himmel reif. gemacht hast? Da schau einmal auf viele Heilige hin, welche in ihrer Jugend, wie z. B. der heil. Augustin, auch so dahin gelebt haben und Sünder gewesen sind, wie du einer bist! Hätte sie Gott in ihren Sünden aus dem Leben gerufen: wo wären sie jezt? Im

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Himmel wären fie schwerlich, und auf unsern Altären würden sie gewiß nicht verehrt. Wie haben aber diese Heiligen nach ihrer Bekehrung Gott gedankt, daß er sie so lange auf der Welt gelassen hat! Ich hab schon gar Viele von euch sagen hören: „Wenn mich nur Gott so lang leben läßt, bis ich meine Schulden abbezahlt habe, damit ich doch ruhig ster= ben kann. Ich getraute mir gar nicht zu sterben, wenn ich mit Schulden aus der Welt gehen müßte." Also die etlichen Gulden machen dir das Sterben schwer und geben dir den Wunsch nach längerem Leben ein, die etlichen Gulden, welche du einem Freund, einem Nachbar, überhaupt einem Menschen, schuldig bist, und derentwegen du doch in der Ewigkeit nichts zu leiden hast, wenn du sie nicht muthwillig gemacht hast, und wenn der Tod dich verhindert, sie ehrlich zu zahlen: aber die vielen Talente, welche Du Gott schuldig bist, die Tausende und Tausende von Sünden und Unterlassungen, welche du dein ganzes Leben hindurch gegen Gott begangen hast, Diese zentnerschwere Last, welche auf deinem Gewissen liegt, die machen dir das Sterben so leicht, daß du selbst noch den Tod verlangst, sobald dir etwas nicht nach Wunsch und Willen geht. Sieh doch, mein Christ, welch ein schreiender Widerspruch! Das Kleine kommt dich schwer und das Große so leicht an! Wegen einer leicht verzeihlichen Schuld

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grämst und ängstigst du dich, und aus einer fast unverzeihlichen Schuld machst du dir so wenig Kummer, daß du mit dieser Zentnerlast aus der Welt zu gehen verlangst. Dank also deinem Gott, mein Christ! dank ihm von ganzem Herzen, daß dich seine Barmherzigkeit noch immer erhalten hat. Wo wärest du, wenn er dich damals abgerufen hätte, als du in deinem Unmuth ausriefst: „Wenn ich nur sterben fönnte!" Hattest du nicht gerade damals die schwersten Sünden auf deiner Seele, und brachten dich nicht diese Sünden zu diesem so sündhaften Wunsch? War dir nicht darum das Leben zuwider, weil du es durch deine Sünden dir unerträglich gemacht hast, weil dich deine Verschwendung in Schulden, deine Ausschweifung in Schande, dein Elend in Verzweiflung gebracht hat? Wohin wärest du in einem solchen Zustand deiner Seele gekommen? Und dennoch wolltest du sterben! O thörichter Mensch! dank deinem Gott, daß du noch lebst! Und nun geh hin und bessere dich, und warte dann ruhig ab, bis der Herr über Leben und Tod dich ruft, und danke ihm abermals, wenn du ruhig und getrost in die ernste schaurige Ewigkeit, vor den strengen furchtbaren Richterstuhl, hinüber gehen kannst.

So lehrt uns also das Beispiel des frommen Simeon gar nicht, daß wir uns den Tod wünschen dürfen. Er hat sich nur aus Liebe den Tod ge=

wünscht, und das war lobenswürdig; aber aus Kleinmüthigkeit sich den Tod wünschen, heißt ge= gen den Willen Gottes und gegen seinen eignen Nugen handeln. Jeder Mensch soll so lange leben, als es ihm Gott vorgesezt hat. Er muß leiden, theils um seine Sünden abzubüßen, theils um den Himmel zu verdienen. Reden wir also Gott nicht ein, und erwarten wir mit Geduld die Zeit, wo er uns von der Welt wegnehmen will. Das wird gerade jene Zeit sein, wo es uns am nüglichsten ist.

Vertrauen wir also in unserm Leiden auf Gott, und wünschen wir uns den Tod nicht vor der ZeitAlsdann wird erst Alles recht gehen, und wir werden auf dem Todbett mit dem gerechten Simeon sagen können: „Nun, o Herr! entlassest Du Deinen Diener in Frieden. Ich habe gelebt, so lange Du wolltest. Ich nüze jezt der Welt nichts mehr.“ So werden wir Alle getrost sterben. Ich wünsche mir und euch Allen einen solchen Tod. Amen.

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