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1.

Es ist schon ein altes bekanntes Sprichwort: Ein guter Nachbar ist nicht mit Gold zu bezahlen.“ Durch dieses Sprichwort will man andeuten, daß es recht was Schönes und Gutes ist um einen braven Nachbar. Ein guter Nachbar gehört wahrlich auch zur vierten Bitte im Vaterunser: Gieb uns heut unser tägliches Brod!" weil man gute Nachbarn so nothwendig hat als wie das tägliche Brod. Ja man fann oft sein tägliches Brod nicht ruhig behalten und genießen, wenn man nicht redliche, ehrliche, friedliche und dienstfertige Nachbarn hat.

Es ist daher ein großes Unglück, neben einem oder mehreren bösen Nachbarn leben zu müssen. Darüber wird oft und häufig geklagt. Manche hört man oft sagen: „Ich hab' einen recht üblen Nachbar." Ich glaub dir's, mein Christ! und bedaure dich; du bist wirklich recht übel dran. Was gehört denn aber zu einem guten Nachbar?

Unter dem Wort „Nachbar" versteht man jene Menschen, die sehr nahe neben einander wohnen, so, daß entweder ihre Häuser nicht weit von einander stehen, oder doch ihre Felder, Wiesen, Gärten und Holzgründe angrenzen. Solche Leute sollen nun eine gute Nachbarschaft halten.

Wenn aber das geschehen soll, so müssen sie vor

allen Dingen einander lieben und ein gutes Zutrauen zu einander haben. Es ist gewiß was Schönes, wenn Nachbarn einander lieben. Der weise Sirach hat es schon zu seiner Zeit unter die drei schönsten Dinge gezählt, wenn Nachbarn sich einander lieb haben, wie wir in seinen Sprichwörtern 15, 1. 2. lesen.

Es ist etwas Schönes, wenn Nachbarn einander lieben und ein gutes Zutrauen gegen einander haben, weil daraus für die Nachbarn selbst viel Gutes entsteht. Es entsteht daraus die so nöthige nachbarliche Freundschaft und das gute Einverständniß zwi= schen ihnen. Nicht wahr, meine Christen! ihr hört doch bisweilen sagen: „Diese Nachbarn halten recht zusammen und sind recht gute Freunde. Sie sind immer beisammen und begegnen sich auf das Liebreichste. Sie geben einander kein böses Wort und zu Zank und Streit kömmt's schon gar nie unter ihnen. Haben sie was miteinander auszumachen, so bereden fie sich freundschaftlich darüber, wie sie es machen wollen und wie es werden soll."

Sagt, meine Christen! ist es nicht etwas Schönes, wenn Nachbarn auf einem solchen Fuß mit einander leben? Und woher kommt ein so gutes, freundschaftliches Betragen? Daher kommt es, weil fie sich einander lieben und ein gutes Butrauen zu einander haben. Und daraus entstehen auch die

nachbarlichen Gefälligkeiten und die so nöthige Dienstfertigkeit.

Wenn Nachbarn gegen einander nicht dienstfertig sind und einander keine Gefälligkeiten thun, so können sie nicht zufrieden neben einander leben. Das seht ihr wohl selbst, meine Christen! und ich Darf euch dies nicht erst weitläufig beweisen. Hätte der Taubstumme im heutigen Evangelium wohl zu Jesus kommen und bei ihm Hülfe erlangen können, wenn er nicht dienstfertige Nachbarn gehabt hätte? Keineswegs. Da ihm aber seine Nachbarn die Gefälligkeit erwiesen und ihn zu Jesus hingeführt haben, so konnte der unglückliche Mensch Hilfe erlangen. Seht also, meine Christen! was gefällige dienstfertige Nachbarn für nügliche Leute sind. Was treibt aber die Nachbarn an, einander Gefälligkeiten zu erweisen? Was anders als die Liebe und das Zutrauen zu einander.

2.

Zu guten Nachbarn wird aber auch erfodert, daß fie verträglich mit einander leben. Das will der Liebe Gott auch haben, weil sonst Nachbarn nicht glücklich und zufrieden neben einander leben können. Der h. Apostel Paulus schreibt in seinem Briefe an die Hebräer 12, 14.: „Strebt nach dem Frieden mit Jedermann!" Mit diesen Worten wollte der Apostel

sagen: „Gebt euch alle erdenkliche Mühe, daß ihr mit euern Nebenmenschen, besonders mit denen, mit welchen ihr immer umgehen müßt, verträglich lebt und gut auskommt." Wahrlich, es ist ein elendes Leben, wenn man mit Nachbarn in Uneinigkeit lebt. Allein man kann oft nicht dafür; denn es ist ein altes Sprichwort: „Man kann nicht länger Frieden haben, als der Nachbar will."

Und mit manchen Nachbarn ist es auch beinahe unmöglich in Ruhe und Frieden zu leben, man mag es anfangen und machen wie man will. Sie ruhen und rasten nicht, bis sie für ihre Streit- und Zanksucht eine Nahrung finden, weil Unfriede, Zwietracht und Unverträglichkeit ihr Element ist, wie dem Fisch das Wasser. Und so wie der Fisch ohne Wasser nicht leben kann, so können auch sie nicht leben ohne Unfrieden und Zwietracht mit ihren Nachbarsleuten: Neid, Eigennut, Habsucht, Gewissenlosigkeit sind meistentheils die Ursach, warum Nachbarn mit der Friedfertigkeit und mit der Verträglichkeit nichts zu thun haben wollen.

Wenn sich alle Nachbarsleute friedsam und verträglich betragen würden, so wären sie alle wahrhafte Kinder Gottes, der uns den Frieden vom Himmel auf die Welt gebracht hat. Kaum war Jesus zu Bethlehem im Stalle geboren, so haben auch schon die Engel gesungen: „Ehre sei Gott in der Höhe

und Friede den Menschen auf Erden, die eines guten Willens find." Ein guter Wille, ein gutes Herz ist also vor Allem das Nothwendigste, um den Frieden zu erhalten.

„Der Friede sei mit euch!" Dieß wünschten die ersten Christen einander, so oft sie sich begegneten. Und wollte Gott, es wäre dieser schöne löbliche Brauch mit den ersten Christen nicht abge= storben, und wir sprächen noch, wie sie, aus dem aufrichtigsten Herzen: „Der Friede sei mit uns!" Gewiß! es würde mehr Friede und Verträglichkeit unter Nachbarsleuten herrschen. Aber auch mehr Ehrlichkeit.

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Die Ehrlichkeit guter Nachbarn besteht darin, daß ein Nachbar dem andern sein Eigenthum nicht nur läßt, sondern ihm dasselbe auch zu behüten und zu bewahren sucht. Ein Nachbar schäme sich des Stehlens," sagt der weise Sirach 41, 22. Aber manche Nachbarn schämen sich nicht. Hie und da hört man über unehrliche Nachbarn klagen. „Ich hab üble Nachbarn," heißt es. „Da ist in meinem Haus und Hof, in meinem Feld und Wald nichts vor ihnen sicher. Wo sie mir nur Etwas entwenden können, geschieht es gewiß. Sogar das Brennholz tragen sie mir vor der Thüre weg."

Aber auch das ist unehrlich gegen seinen Nachbar gehandelt und ein wahres Diebstück, wenn man

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