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als wenn sie uns sagen wollte: Christen! betet den Allgegenwärtigen an und fühlet euch von seiner Gegenwart recht lebhaft durchdrungen, und geht dann mit gerührtem Herzen von eurem Kreuzgang heim; nehmet den Gedanken an Gottes Gegenwart mit nach Haus. Dieser Gedanke sei euer Begleiter auf allen euren Wegen; er beschäftige euch bei eurer Arbeit auf dem Felde; er sei euer Führer bei Tag und Nacht; er sei euer Freund im Glück und euer Trost im Unglück; er bewahre euch vor der Sünde, und gebe euch Kraft, das Böse zu meiden, Muth und Eifer, das Gute zu thun; denn Gott ist überall bei euch. Darum habt immer Gott vor Augen. Gott, der des ägyptischen Joseph im Gefängnisse und des Daniel in der Löwengrube nicht vergessen hat, ist auch euch immer nahe mit seiner allmächtigen Hülfe. Amen!

Frühlehre auf den fünften Sonntag nach Ostern. Was beißt beten, und wie sollen wir beten?

„Alles, um was ihr den Vater in meinem Namen bitten werdet, das wird er euch geben." Joh. 16, 23.

Jesus, der Herr, verspricht in dem heutigen Evangelium allen Christen, welche Gott den Vater

durch ihn, d. h. in seinem Namen, um etwas bitten werden, die Gewährung ihres Gebetes, vorausge= segt, daß ihr Gebet ein wahres und gutes Gebet sei. „Alles, um was ihr den Vater in meinem Namen bitten werdet, das wird er euch geben." Daß es aber mit dem wahren und guten Gebet nicht allemal richtig sei, lehrt die Erfahrung. Beten heißt nicht bloß die Zunge und die Lippen bewegen, und schöne und rührende Gebete hersagen, sondern es muß das Herz dabei mitempfinden und der Geist mitbeten, was der Mund spricht. Es ist also das nicht allemal ein gutes Gebet, welches die Menschen am Morgen, in der Kirche, bei der Arbeit, bei Tisch, beim Rosenkranz und am Abend verrichten. Wenn das Gebet der Menschen allemal ein gutes Gebet wäre, so würde sie Gott auch gewiß erhören, und fie müßten auch andre Menschen sein, als sie sind.

Wollen wir daher diese eingehende Woche hindurch ein wahres gottgefälliges Gebet zum Himmel senden. Damit ihr aber wahrhaft und gut betet, will ich in diesem Vortrag euch zeigen: 1) was beten heißt, und

2) wie wir beten sollen.

Du, o Gott, unser Vater im Himmel! gib uns deinen Geist des Gebets, daß wir dir im Gebet und in Werken gefällig seien!

1.

Beten heißt im gewöhnlichsten Sinn: sein Herz zu Gott erheben. Wer daher wahrhaft und gut beten will, muß sein Herz, sein Gemüth und seine Seele zu Gott erheben, erheben über die Erde, über die fichtbare Natur, zum Himmel, zum unsichtbaren Gott. Er muß sein Herz, seinen Geist, in eine solche Stimmnng zu Gott bringen, daß Geist und Herz nirgends als beim Gebet verweilen. Beten heißt: in diesem Zeitpunkt sein Herz in eine solche Nähe zu Gott bringen, daß sich zwischen beide teine zeitlichen und irdischen Gegenstände stellen können, sondern nur allein die himmlischen und göttlichen uns im Gebet beschäftigen. Beten heißt: in diesem Zeitpunkt die Sorgen für die zeitlichen Güter hinter sich lassen, und sich bloß um die Güter der Seele und des Himmels bekümmern. Beten heißt: gegen Gott, den allgemeinen Menschenvater, unsern schönen Kinderfinn beweisen und tagtäglich den Glauben, das Vertrauen, die Liebe und Ehrfurcht zu ihm erwecken. Beten heißt: nachdenken, wie man alle bösen Neigungen und Leidenschaften, welche so oft zur Sünde reizen, unterdrücken möge. Beten heißt: sein Herz zum Muth und zur Standhaftigkeit gegen alle Leiden und widrigen Schicksale befestigen. Beten heißt: Alles dem Willen Gottes anheimstellen, in allen Begebenheiten

unsern Willen dem seinigen unterwerfen. Beten heißt endlich auch nachdenken über die Mittel, seine Sünden abzulegen, Buße und Bekehrung zu wirken, fromm und tugendhaft zu werden. Aus dem Gesagten geht nun deutlich hervor, daß Derjenige, welcher seinen Geist der Betrachtung würdiger Gegenstände zu seiner christlichen Bildung und fittlichen Vervollkommnung am längsten und aufmerksamsten hingibt, am besten bete.

Da es aber, besonders beim gemeinen Mann, sehr selten geschieht, daß er seinen Geist ohne Zerstreuung auf Ueberfinnliches heften kann: so darf man beim Gebet auch Mund, Zunge und Lippen zu Hülfe nehmen und die stummen Empfindungen und Gesinnungen des Herzens mit Worten vor Gott erklären. Nur müssen wir unsre Gedanken sammeln und ganz allein auf das Gebet richten; denn ein zerstreutes Gebet bleibt ohne Erhörung. Wie sollte auch Gott das Gebet erhören, dessen sich der Betende selbst nicht bewußt ist? Wir sollen ferner nur um solche Dinge zu Gott beten, welche uns an Leib und Seele wahrhaft nüglich sind, und uns der Erhörung Gottes nicht bloß durch Gebet, sondern auch durch einen tugendhaften Lebenswandel würdig machen. Wenn daher Gott unser Gebet nicht immer erhört, so ist es ein Zeichen, daß wir entweder nicht gut gebetet haben, oder die Sache, um welche wir Gott

Dreer, Frühlehren. III.

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gebeten haben, nicht zu unsrem wahren Besten ge= reicht. Wir verhalten uns in unsrem Gebet gar oft wie Kinder, welche von ihren Eltern schädliche Dinge begehren, die ihnen deßhalb auch nicht ge= geben werden dürfen. Betet daher zu Gott, die Gewährung aber überlaßt seiner Einsicht und seinem Willen. „Vater! nicht mein Wille geschehe, sondern der deinige!" so betete Jesus. „Herr, gib mir, was mich liebenswürdiger vor dir, was mich besser macht!" so wollen wir beten. Oder: „Gib mir, o Gott, was mir wahrhaft gut ist, wenn ich dich auch nicht darum bitte; und gib mir nicht, was mir schädlich ist, wenn ich dich auch darum bitte!" Nur ein gesittetes frommes Leben und einst die ewige Seligkeit muß der Hauptgegenstand unsres Gebetes sein. Um zeitliche Dinge sollen wir Gott nur insoweit bitten, als sie unser ewiges Seelenheil be= fördern und nicht hindern. Wenn ihr daher so manche eurer Gebete mit dem Begriff vom wahren Gebet vergleicht: so werdet ihr bald einsehen, daß sie den wahren Erfolg nicht haben können.

2.

Um wahrhaft gut zu beten, müssen wir auch noch wissen, wie wir beten sollen. Denn falls das Gebet guten Erfolg haben soll, muß selbes auch die gehörigen Eigenschaften haben, welche vorzüglich die

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