Obrazy na stronie
PDF
ePub

Die heutige Begebenheit mit Jesus ist eine der merkwürdigsten in seiner Geschichte. Sie ist schön und lehrreich. Triumphirend zieht er heute unter dem Frohlocken der Einwohner in Jerusalem ein, und nach wenigen Tagen stirbt er mit dem Fluch derselben beladen am Kreuz! So wandelbar ist die Stimmung des Volks! Wie Jesus nach der Erweckung des Lazarus vom Tod auf dem Delberg ankam, sandte er zwei seiner Jünger nach dem nahen Flecken, wo sich eine Eselin mit ihrem Füllen befand, welche beide er ihm herzubringen befahl. Sie thaten es. Jesus sezte sich nun auf das Füllen und ritt so als König der Juden und als ihr Messias in Jerusalem ein. Wir dürfen daran nicht im Geringsten Anstoß nehmen, daß Jesus auf einem Esel sei= nen Einzug in Jerusalem hielt. Bei den Morgenländern ist es so Sitte; Alle, selbst die Vornehmsten reiten in Friedenszeiten auf Eseln: der Pferde bedient man sich nur im Kriege. Jesus, der König des Friedens, ritt nun auf einer Eselin, so sagt es schon lange der Prophet vorher: Saget der Tochter Bion: Sieh' dein König kommt zu dir sanftmüthig, sigend auf einer Eselin und auf dem Füllen eines Lastthiers." Jesus kömmt also heute feierlich nach Jerusalem als König des Friedens, der Sanftmuth und der Liebe! Er kam nicht als ein König der Erde, Länder und Völker zu erobern, sondern die

Menschen für ein ewiges beffres Leben zu gewinnen. Er kam nicht, den bestehenden Herrschern den Scepter und die Krone zu entreißen und über Millionen zu herrschen, ob es ihm gleich ein Leichtes gewesen wäre. Ihm war es allein um Aufrichtung des Reiches der Wahrheit und der Tugend. Dazu kam er in die Welt, dazu hielt er heute seinen Einzug, und dazu starb er auch am Kreuz! Kein Blut sollte durch ihn vergossen werden, außer sein eignes zur Erlösung von Sünden. Dieses Reich der Wahrheit und Tugend gründete er auch am Kreuz, und alle Menschen, Juden und Heiden, berief er in dasselbe. Lernen wir aus dem Einzug Jesu auf einem Esel, über Sitten und Gebräuche fremder Völker nicht zu lachen, weil sie bei uns ungewöhnlich sind. Die ge= meinen Leute haben die Unart an sich, Sitten und Gebräuche zu verlachen, welche in ihrer Heimat nicht eingeführt sind. Dieß ist nicht vernünftig, und für Fremde und Ausländer ist es beleidigend. Ländlich, fittlich! heißt es im Sprichwort. In jedem Land, in jeder Stadt find andere Sitten und Gebräuche. Wie unbescheiden ist es, wenn Unwissende, welche nie über die Schwelle des Vaterhauses gekommen find, dieselben tadeln wollen! Alte Sitten und Ge= bräuche, altes Herkommen, welches oft sinnig, nicht schädlich, vielmehr nüglich ist, verdienten keineswegs, daß man sie verächtlich oder lächerlich machte. Eine

Sitte, welche unsern Voreltern heilig war, sollte den Enkeln nicht unheilig oder verächtlich scheinen. Es ist nicht alles Alte, aber auch nicht alles Neue gut; der Vernünftige weiß aus Beidem Nußen zu ziehen.

Jesus zieht in Jerusalem ein, friedlich und sanftmüthig, sagt die Schrift. Er wollte tein friegerischer König, kein Eroberer sein, sondern als König des Friedens der ganzen Welt Frieden bringen. Seine Lehren und Thaten zielten auf Frieden. Noch immer zieht die Geschichte Könige und Fürsten, welche das Glück hatten, ihre Unterthanen in Frieden zu beherrschen und die in keine blutigen Kriege verwickelt wurden, den Eroberern und Kriegshelden vor, deren Lorbern vom Blut ihrer erschlagnen Unterthanen triefen. Es ist ein großer Fürst, welcher seine Unterthanen in Liebe und Frieden beherrscht; es ist ein glücklicher Fürst, dem seine Unterthanen in Liebe und Frieden gehorchen. Ueberall zeigt es fich, daß Jesus kein Weltreich errichten, sondern allein durch Wahrheit und Tugend über die Menschen herrschen, und Sittlichkeit und Seligkeit in ihre Herzen pflanzen wollte. Er suchte es durch Lehren und Thaten dahin zu bringen, daß die Reiche der Erde durch verständigen Unterricht gesittet und gebildet werden, und die ganze Welt ein himmlisches, glückliches Gottesreich werden sollte. Das Volk war über den Einzug Jesu hocherfreut. Es breitete dem

Einreitenden sogar die Kleider unter; sie hieben grüne Zweige von den Bäumen und streuten sie auf die Straßen, so wie man es beim Einzug eines Königs im Brauche hat. Diese Freude des jüdischen Volks drückt auch heute die Kirche durch die Weihe der Palmzweige aus und erneuert in Prozession mit selben den Einzug Jesu in Jerusalem. O möchten uns diese Zweige Sinnbilder der Liebe und des Friedens sein, und im Freudengesange um die Kirche Jesum, den König des Friedens und der Sanftmuth begrüßen! Das Volk erfreute sich über Jesus; allein die hohen Priester, Schriftgelehrten und Pharisäer entbrannten vor Wuth; und schnell war der Entschluß gefaßt, ihn aus dem Wege zu räumen, was ihnen auch nach wenigen Tagen gelungen ist.

Das Lobgeschrei des Volkes: „Hosanna dem Sohne Davids!" heißt seiner Bedeutung nach so viel als: Gott helse ihm, lasse ihm Alles gelingen und gut gehn. Es war dieß bei den Juden, was heut zu Tag bei uns das „Vivat" ist. Sie riefen Jesu bei seinem Einzug gleichsam zu: Hosanna dem Sohne Davids, d. h. er lebe hoch, der königliche Abkömmling und Thronfolger Davids, es gehe Alles nach seinem Wunsch und Willen! Diesen nämlichen Wunsch müssen wir gegen alles Gute und gegen alle guten Menschen hegen. Jeder vernünftige Mensch muß guten Anstalten und Handlungen der Menschen

[ocr errors]

und des Vaterlands guten Fortgang wünschen, noch mehr aber thätig mitwirken. Der gute Wunsch muß auch thätig werden, d. h. man muß dem Guten durch Anwendung aller Vortheile und Beseitigung aller Hindernisse allen möglichen Vorschub leisten. Den Meisten gefallen auch gute Handlungen und Anstalten; fie freuen sich derselben, wenn fie ins Leben treten; sie wünschen ihnen Glück. Allein, wenn es auf die That ankommt, wo sie mitwirken und ihre Mitbrüder glücklich machen sollen: wie viel Unent= schlossenheit und Abneigung verrathen sie da! Wie zögern sie, und wie karg sind ihre Beiträge! Oder wieder Andre, wenn sie auch Hand anlegen, thun es doch nicht ohne ihren eignen Vortheil. Würden die Menschen gegen ihre Mitbrüder immer lautres Wohlwollen im Herzen tragen, würden sie in Allem ihr Wohl befördern helfen, o wie glücklich würden fie sein!

Doch das Lobgeschrei, mit welchem das Volk Jesum bei seinem Einzug empfangen hatte, machte auf ihn wenig Eindruck; er schien wirklich gegen alle Ehrenbezeugungen gleichgültig gewesen zu sein. Er sprach Nichts, sondern eilte geraden Wegs dem Tempel zu; ja er weinte vor seinem Einzug in die Stadt, wie die Schrift sagt, da er sie in der Ferne vor sich sah, weil sie nämlich ihn als Messias nicht anerkannte und so ihrer Zerstörung entgegenging.

« PoprzedniaDalej »