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,,Im Fleifs kann dich die Biene meistern,

In der Geschicklichkeit ein Wurm dein Lehrer sein,
Dein Wissen teilest du mit vorgezognen Geistern,

Die Kunst, o Mensch, hast du allein."

(Schiller: Die Künstler.)

Was an den Kunstwerken Kunst ist, die Form also, ist Eigentum und Abbild der Menschennatur, der Künstler selbst ist die Seele, das Leben, der Lebenszweck seines Werkes, er selbst nach seinen einzelnen Daseinsmomenten giebt in der Gestaltung des Stoffes sich selbst. Andererseits erfolgt die Verwirklichung der Kunst nur an einem bestimmten Stoffe, nur also im engsten Zusammenhange mit der Aufsenwelt, denn auch die Poesie, welche am meisten Form, am wenigsten Stoff ist, arbeitet doch nur mit Vorstellungen, welche aus dem Zusammenhange des Menschen mit der Aufsenwelt erwachsen. Dieser Stoff, welcher der Natur angehört, jene Form, in welcher sich unsere Seele abbildet, gehen in der Kunst zu so inniger Verbindung zusammen, dafs schon hieraus die Analogie der menschlichen Seele mit den Bewegungen der Natur erhellt. Nur scheinbar ist der Stoff blofs ein Aufsen, nur scheinbar ist die Menschenseele blofs ein Innen; beides, Natur und Seele ist in seinem innersten Wesen zugleich auch das andere. Demnach hätte die Untersuchung jene Analogie zwischen der Seele als der kunsthervorbringenden und der Welt als der kunsterleidenden und kunstdarbietenden herauszustellen; dem Formtrieb in uns mufs ein Gestaltungsbedürfnis aufser uns entsprechen, d. h. eine Gestaltungs-Andeutung, welche als Gestaltungs-Reiz wirkt. Nun tritt die Beziehung unserer Organisation zu jener der äufseren Welt auf doppelte Weise uns entgegen und wird uns fafsbar: wir sehen und wir hören. Geruch, Geschmack, Gefühl wirken hierzu nur beiher, um die Auffassung zu individualisieren und zu vervollständigen. Das Gesicht zeigt uns im Raume die Form, den Umfang, die Grenzen, das Scheinen; das Gehör überliefert uns in der Zeit den Inhalt, die Tiefe, die Endlosigkeit, das Wesen. Hieraus ergiebt sich die Entstehung der Künste in einer Doppelreihe. - Zerlegen und ordnen wir ferner jenes Zusammengehen des menschlichen Organismus mit den Bewegungen der Erscheinungswelt nach den Graden, in welchen diese Analogie hervortritt und uns zum Bewusstsein kommt, so unterscheiden wir zuerst als die Stufe, auf welcher sie am schwächsten bemerkt wird, die der unorganischen Welt, welcher der Mensch nur beikommt durch Messen und Zählen, die ihm am

wenigsten deutlich erschlossen ist, der auch in ihm nur ein dunkles, wenn auch tiefes Wesen entspricht; auf dieser Stufe erbaut sich als Kunst des Gesichts die Architektur, als die des Gehörs die Musik. Näher entspricht der Seele und deutlicher das Leben der organischen Welt, denn sie zeigt ihm Gebilde, welche an sich schon als geistbewegt sich darstellen; auf dieser Stufe erzeugt sich als Kunst für das Gesicht die Plastik, für das Gehör die Sprachkunst. Wir schauen endlich in eine Welt des Geistes, für welche die Erscheinung nur Mittel der Darstellung, blofser Schein ist, welcher das Wesen der Dinge verklärend umfliefst, und es ergiebt sich auf dieser dritten Stufe als Kunst für das Gesicht die Malerei, für das Gehör die Poesie. - Alles andere sind Mischkünste, welche sich an die eine oder andere dieser Kunstgruppen anlehnen. Wir werden sie weiterhin ausführlicher zu besprechen haben.

Die Grenzen der Kunst sind hiermit bezeichnet. Die Seele des Menschen kann schliefslich nichts anderes, Höheres hervorbringen, als sich selbst; sie findet auch in der Erscheinungswelt nur das ihr Entsprechende und entnimmt aus derselben daher wieder nur sich selbst in Gestalt eines Materiellen; sie beschäftigt sich also in der Kunst nur mit sich, wird sich gegenständlich, beschaut sich, wie sie sein mufs, damit sie zur Befriedigung gelangen kann. So bestimmt und beschränkt in ihrem Wesen und nach ihrem Gehalte scheint freilich die Kunst ein leeres, wenn auch heiteres Gaukelspiel, welches der Mensch mit sich selbst spielt; sie erscheint dem Wahren und Guten gegenüber als nichtiger Schein, wenn wir die Abgrenzung ihres Gebietes als Ausschliefsung des Umfassenderen verstehen und betonen d. h. wenn wir das Nur-Menschliche ihres Inhalts um dieses Nur willen als das Nicht-Wesentliche, Nicht-Wahre, Nicht-Göttliche hinstellen. Zu solcher Entgegensetzung berechtigt uns jedoch nichts. Auch die Wahrheit ist nur eine menschliche und das Gute ist das Gute nur für uns; denn bestimmt, wie wir sind, durch die Eigenartigkeit unserer Organisation, sind wir auch nur nach deren Umfang und deren Bedingungen zur Teilnahme an dem Höchsten befähigt. Überall aber befinden wir uns in dem Umkreise desselben Seins, und so weit wir, den Andeutungen unserer Welt folgend, Überirdisches ahnen und darstellen, so weit eben ist es auch bei uns. Die Kunst umfafst darum das Göttliche für uns, weil sie das Menschliche in uns in seiner Reinheit ergreift.

2. Von der Beteiligung der Menschen an der Kunst.

Was wir über das Wesen der Kunst gesagt haben, ergab sich aus Betrachtungen über das Wesen der menschlichen Seele, und es ist damit von selbst gesagt, dafs wir die Kunst für ein allen Menschen Gemeinsames erachten, dafs wir dem Künstler also keine absonderliche Begabung zuschreiben, welche nur selten zu finden wäre und blofs einzelnen ausnahmsweise von der Natur Bevorzugten zukäme. Das Bedürfnis, aus welchem die Kunst erwächst, zeigt sich nicht vereinzelt bei diesem und jenem, vielmehr charakterisiert es den Menschen, und ebenso ist die Art, wie die Kunst es befriedigt, keine nur zufällig vorkommende, vielmehr die gattungsgemäfse, allgemeine. In der That entspricht dem Satz: die Kunst ist für alle der andere: Alle sind Künstler, so dafs es mit der Kunst sich verhält, wie mit dem Wahren und Guten: Alle üben sie aus und begründen ihr Bestehn für alle. Schleiermacher (Vorlesungen über Aesthetik ed. Lommatzsch p. 108 ff.) sagt: „Die ästhetische Thätigkeit ist eine allgemeine menschliche, kann sich aber in der Masse nur als Minimum im Traum und unklaren Vorstellungen entwickeln. In diesem gebundenen Zustande spricht sich aber die allgemeine Anlage im Wünschen und Sehnen aus, dafs diese Thätigkeit frei werde. Der Geist hat das zweifache Bewusstsein, dafs er in dieser Einzelheit ein anderer ist, als der Andere, und dafs er eins mit dem Anderen, identisch mit ihm ist. Wo nun in irgend einer Richtung der Eine blofs zum Verlangen kommt von dem, was er so nicht verwirklichen kann, und der Andere die Thätigkeit selbst leistet, da eignet jener sich diese an und findet darin die Befriedigung seines Verlangens. Diese Befriedigung ist nichts anderes, als die Erhebung des Gattungsbewusstseins über das Einzelne; es erregt sein Wohlgefallen, dafs das, was in ihm ist und nicht zur Vollständigkeit gebracht werden kann, in einem Andern wirklich dazu gelangt ist." P. Ackermann (Du principe de la poésie p. 2) sagt: „que le sentiment poétique n'est pas un privilège céleste, mais un don commun à l'humanité, comme toutes les autres facultés morales." Er beruft sich dabei auf Goethe bei Eckermann (Gespr. I. p. 324), und giebt als Grund: l'être humain est tout entier en chaque homme."

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Nicht jede Form freilich, in welcher Kunst sich darstellt, berührt jeden; wohl kaum werden alle Arten der Kunstwerke

demselben Menschen zugänglich sein und befreiend auf ihn wirken. Matt ferner, wie das Kunstbedürfnis, der Schmerz der Endlichkeit, bei vielen sich regt, ist bei diesen dann auch der Genufs, die Befriedigung und Freude. Die meisten werden, wie es auf allen Gebieten des geistigen Lebens bemerkt wird denn auch unter den Denkern und Praktikern mufs gewöhnlich „ein einziger Reicher viele Bettler in Nahrung setzen", giebt es der „Könige" nur wenig, der „Kärrner" in Menge (Schiller: Kant und seine Ausleger) eher das Kunstwerk, welches geschaffen ist, (mit mehr oder weniger Abweichung) reproduzieren, als sich selbst zum Schaffen begeistern, sich lieber erfreuen in überwiegend passivem Verhalten, als sich anspannen zu schöpferischer Thätigkeit. Reine Passivität giebt es übrigens hierbei natürlich nicht, und oberflächlich ist die Betrachtung, welche in dem Genufs der Kunst eben nur das Geniefsen, ein Vergnügen findet, die Bethätigung aber des künstlerischen Sinnes in demselben nicht als eine durchaus aktive erkennt. Was als Idee in der Phantasie des Künstlers dem Werke voranging und seine Ausführung leitete, lebt im sinnig eindringenden Genusse wieder auf, und es kehrt so aus dem Kunstwerk gewissermafsen die Idee als Empfindung in die Menschenseele zurück. Richtig sagt deshalb George Sand (La mare au diable): Celui qui puise de nobles jouissances dans le sentiment de la poésie est un vrai poëte, n'eût-il pas fait un vers dans toute sa vie. und Lamartine (Voyage en Orient): Je suis né poète, c'est à dire plus ou moins intelligent de cette belle langue que Dieu parle à tous les hommes, mais plus clairement à quelques-uns, par la voix de ses oeuvres. Was Aristoteles sagt (Rhet. 3, 7): συνομοιοπαθεῖ ἀεὶ ὁ ἀκούων τῷ лаηixбs Lérovti" und Horaz (A. P. 101): Ut ridentibus. παθητικῶς λέγοντι“ adrident: ita flentibus adsunt Humani vultus. Si vis me flere,

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dolendum est Primum ipse tibi" cet. - gilt überraschend vom lebendigen Kunstwerk. Yxem (Über Goethe's Charakter p. 2) bemerkt: „Wenn ein jedes Kunstwerk, insofern die Phantasie und durch diese alle anderen Kräfte der Seele es hervorbringen, auch das Gepräge des Geistes an sich trägt, der es erzeugte, so wird. der Beschauer des Kunstwerks, indem er sich durch dasselbe in eine andere der Natur des menschlichen Geistes gemäfse Welt versetzt sieht, sich auch unwillkürlich eben jenem hervorbringenden Geiste verwandt oder doch nahe fühlen; er wird bei wiederholter Betrachtung nicht nur die Thätigkeit desselben, seine Absichten, die Gesetze, nach denen er hervor

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brachte, sondern auch in diesem allen wieder seine Persönlichkeit, seinen Charakter und, mit einem Worte, ihn selbst zu erkennen bemüht sein." Insofern freilich ein Kunstwerk nur das Resultat einer vorübergehenden Thätigkeit ist, wird aus demselben auch immer nur eine einzelne Bildungsstufe des Künstlers erkannt werden können.“

Wenn nun auch ferner eine einseitige Ausbildung vieler Menschen ebensowohl für als gegen die Kunst anzuerkennen sein wird, so ist doch ein Verhältnis zu ihr an sich in jedem vorhanden und zeigt sich, natürlich in Gradunterschieden, wie jede Befähigung, entweder als Sinn, der überwiegend nur aufnimmt, oder als Talent, welches, gegebener Anregung folgend, wiedergiebt und ein Schaffen gleichsam fortsetzt, oder als Genie, welches aus sich in ursprünglicher Frische das Kunstwerk hervorbringt. Dafs aber die Kunst vorzugsweise als Ergebnis einer besonderen Naturanlage angesehen wird, „poetam natura ipsa valere et mentis viribus excitari et quasi divino quodam spiritu inflari" (Cicero: p. Arch. 8)

erklärt sich einmal daraus, dafs allerdings das Schöpferische gerade beim Kunstwerk am meisten hervortritt, so dafs blofse Reproduktionen, zu welchen auch Fleifs bei geringer Anlage befähigt, weniger geachtet werden, dann aber daraus, dafs in der Kunst das volle Gewicht auf die Form fällt, welche eben schlechterdings befriedigen mufs. Wohlgemeintes, Nachgeahmtes, Halbvollendetes, Mittelmäfsiges kann bei allen anderen Bestrebungen immer noch als ein Achtbares erscheinen, in der Kunst aber ist es ohne Wert. Freilich ist auch im Gebiete der Kunst gar viel zu lernen, und der talentvollen Techniker giebt es genug, welche im Kreise genügsamer Zeitgenossen mit Ruhm von der Nachahmung der Genies oder genievoller Kunstepochen zehren; wahrer Schöpfergeist jedoch, die Originalität läfst sich in keiner Sphäre menschlicher Thätigkeit erlernen oder erarbeiten und bleibt deshalb der Vorzug einer kleinen Zahl.

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Zeigt es sich so, dafs in höherem oder geringerem Grade die Kunst ein gemeinsamer Besitz aller Menschen ist, so folgt, dafs überhaupt der Einzelne als solcher die Kunst nicht hervorzubringen vermag, wie ja selbst die Ausschmückung des Körpers bei Kulturvölkern ebensowohl wie bei den Wilden nur als Mode d. h. durch Beteiligung aller besteht und Form gewinnt. Darum genügte, wie die Geschichte zeigt, zur Blüte irgend einer Kunst niemals das blofse Vorhandensein einzelner Talente; Zeit, Ort, Umstand d. h. der bestimmte Mensch, das bestimmte Volk, die

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