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auf Produktion der Sprache als solche, überall verbraucht sie diese nur als Mittel. Und eben in dem Mafse, in welchem Sprache den Völkern zum blofsen Zeichen wird, erlischt das Sprachgefühl, stirbt das Sprachbewusstsein ab, und mit der fortschreitenden Abstraktion beschleunigt sich der Verfall der Sprache als solcher.

Die Erschaffung einer Sprache ist gleichbedeutend mit der Entwickelung des Bewusstseins und hat die Völker lange beschäftigt, ehe sie in die Geschichte eintraten. Erst mit dieser beginnt auch eine Litteratur, d. h. die Entwickelung des Volksgeistes giebt sich u. a. auch durch Überlieferung der Thaten, Lehren, Sagen, Forschungen einen Ausdruck, und diese Überlieferung erfolgt in der Sprache. Es handelt sich aber um diese selbst so wenig dabei, als bei der Plastik um den Marmor, bei der Architektur um Stein und Balken, obwohl, wie die übrigen Faktoren der geschichtlichen Entwickelung, auch die Litteratur ihren Einfluss auf die Sprache übt, und zwar, weil sie gerade in ihr das Mittel zur Darstellung hat, in hervortretender und besonders nachweisbarer Weise.

Schleicher („Die Deutsche Sprache," p. 35) sagt: „Sprachbildung und Geschichte sind sich ablösende Thätigkeiten des Menschen, zwei Offenbarungsweisen seines Wesens, die nie zugleich stattfinden, sondern von denen stets die erstere der zweiten vorausgeht. Es läfst sich sogar objektiv nachweisen, dafs Geschichte und Sprachentwickelung in umgekehrtem Verhältnisse zu einander stehen. Je reicher und gewaltiger die Geschichte, desto rascher der Sprachverfall; je ärmer, je langsamer und träger verlaufend jene, desto treuer erhält sich die Sprache." Schleicher bezeichnet deshalb geradezu (1. c. p. 37) die historische Periode in dem Leben einer Sprache als „,die Geschichte des Verfalles der sprachlichen Form."

Wird dem Gesagten entgegengehalten, dass durch eine schriftliche Litteratur unzweifelhaft eine feste Richtschnur für den Ausdruck der Sprechenden gegeben, die Sprache somit durch sie wenigstens konserviert werde, so ist zu bemerken, dafs selbst diese anscheinend der Sprache zu gute kommende Folge einer schriftlichen Nationallitteratur dem Leben der Sprache keineswegs unbedingt heilsam ist. Denn weil Litteratur nur Eine Art ist, wie der Volksgeist sich darstellt, wird ihre Sprache auch nur Eigentum einer bestimmten Volksschicht; es entsteht der Gegensatz einer bequem fortlebenden Volkssprache und einer stagnierenden

Büchersprache und damit ein Bruch innerhalb der Sprache selbst. Die Geschichte der Kultursprachen zeigt dies hinlänglich.

Nun spricht Schleicher nur vom Verfall der sprachlichen Form; auch wird niemand bestreiten, dafs durch ihre Anstrengungen, den objektiven Geist zu bewältigen, die Litteratur der Sprache zu gröfserer Schärfe begrifflicher Bezeichnung verhilft und ihr überhaupt eine allseitige geistige Durchbildung verschafft, welche in dem syntaktischen Gebiete besonders hervortritt. Aber dieser Gewinn ist dennoch kein Gewinn für die Sprache als solche, sondern nur eine Steigerung ihrer Fähigkeit, zum Zeichen für objektiven Inhalt zu werden, Steigerung ihrer Brauchbarkeit für den Dienst. Schleicher ist indes im Irrtum, wenn er annimmt, dafs in der historischen Zeit des Lebens der Sprache der Trieb zur Sprachbildung gar erlischt. Dieser Trieb bleibt so gewiss, wie der Mensch selbst, aber freilich ändert er auch die Formen, unter denen er erscheint, sobald der Mensch selbst eine Umwandlung erfährt. Wenn die Menschen in das hellere Bewusstsein des Kulturzustandes eintreten, wird auch ihr Sprachsinn ein mehr bewufster, ihre Sprachkunst eine mehr reflektierte; an Stelle der ursprünglich schaffenden Kunst, welcher wir die Sprache als Kunst" verdanken, tritt überwiegend ein Umschaffen, blofse Figuration des vorhandenen Sprachschatzes ein, ein Teil dessen, was wir als Werke der Sprachkunst" bezeichnen. Beide Äufserungen des Sprachkunsttriebes sind aber wesentlich derselben Art, gehören derselben Kunst an. Es ist dies eine Kunst, an welcher sich scheinbar alle auch schöpferisch beteiligen oder doch beteiligen können, aber auch sie verlangt besondere Gaben für ihre wirklichen Künstler, deren Werke Anerkennung finden und Bestand haben.

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Wir haben so im allgemeinen die Gesichtspunkte angegeben, nach welchen uns begrifflich eine Sonderung der Sprachkunst von der Poesie geboten erscheint. Was nun die Sonderung der bestimmten, einzelnen Werke beider Kunstgattungen betrifft, so wird später das nähere angegeben werden. Hier finde nur die Bemerkung Platz, dafs, sowie z. B. Plastik und Architektur zuerst vielfach vermischt auftreten, auch Sprachkunst und Poesie sich erst allmählich in bestimmter Weise von einander sondern. Sonderung ist eben der Gang der Kultur, und sowie deshalb ein Nichtgetrenntsein von Dichtkunst und Sprachkunst Zeichen ist einer erst beginnenden Kultur, so ist das Eintreten einer Vermischung beider Kunstgattungen ein Zeichen von Hyperkultur, oder sagen

wir lieber: vom Verfall der Kunst. Goethe sagt (Einleitung in die Propyläen): „Eines der vorzüglichsten Kennzeichen des Verfalles der Kunst ist die Vermischung der verschiedenen Arten derselben. Die Künste selbst, sowie ihre Arten sind untereinander verwandt, sie haben eine gewisse Neigung, sich zu vereinigen, ja sich ineinander zu verlieren; aber eben darin besteht die Pflicht, das Verdienst, die Würde des ächten Künstlers, dafs er das Kunstfach, in welchem er arbeitet, von andern abzusondern, jede Kunst und Kunstart auf sich selbst zu stellen und sie aufs möglichste zu isolieren wisse."

4. Die Sprachkunst und die Redekunst.

Die selbständigen Werke der Sprachkunst hat man der lyrischen, auch wohl der epischen Dichtgattung zugeschoben, die unselbständigen, namentlich die sogenannten Redefiguren wurden mehr noch in den Lehrbüchern der Rhetorik in dem Abschnitt über die elocutio behandelt, als in denen der Poetik; sie finden. sich zuweilen auch in Grammatiken als Anhang untergebracht. Die mit solchem Schmuck, den sie der Sprachkunst verdankt, mehr oder minder reich ausgestattete Sprache der Beredsamkeit, namentlich der griechischen und römischen, gab vielfach auch Anlafs, die sogenannte Redekunst zu den Künsten zu stellen. Wir führen hier nur Kant an, der (Kritik der Urteilskraft, p. 203) sagt: „Die redenden Künste sind Beredsamkeit und Dichtkunst. Beredsamkeit ist die Kunst, ein Geschäfte des Verstandes als ein freyes Spiel der Einbildungskraft zu betreiben: Dichtkunst ein freyes Spiel der Einbildungskraft als ein Geschäfte des Verstandes auszuführen. Der Redner also kündigt ein Geschäfte an und führt es so aus, als ob es blofs ein Spiel mit Ideen sei, um die Zuhörer zu unterhalten. Der Dichter kündigt blofs ein unterhaltendes Spiel mit Ideen an, und so kommt doch so viel für den Verstand heraus, als ob er blofs dessen Geschäfte zu treiben die Absicht gehabt hätte."

Man sieht sogleich, dafs Kant, um die Beredsamkeit zu einer Kunst machen zu können, eben nichts Gutes aus ihr gemacht hat, und man erinnert sich an den Platonischen Sokrates im Gorgias, der sie eine Geschicklichkeit nennt, (εμπειρία χάριτός τινος καὶ ý dovñs àлεgуαбías) und sie zusammen mit der Kochkunst (80ποιική) und der Putzkunst und Sophistik, (κομμωτική καὶ σοφι

OTIZý) der Schmeichelei (xolazɛía) unterordnet.

(Plat. Gorg.

p. 463.) Kant selbst nennt ihr wirkliches Beginnen ein Geschäfte des Verstandes, welches durch einen Aufputz zur Kunst werde; wir finden also gerade dasjenige ihr zugeschrieben: das Setzen eines ihrer Form fremden Zweckes, welches sie aus dem Reiche der Künste entfernt. Da der Verstand ihre Operationen allerdings leitet und bestimmt, ist E. v. Lasaulx (Philosophie der schönen Künste. München 1860) gar dazu fortgegangen, die Redekunst als „Kunst der Prosa" für die geistigste der Künste auszugeben. Dafs sie im übrigen mit der Sprachkunst nichts gemein hat, ist klar. Kein Werk der Beredsamkeit hat darin seinen wesentlichen Zweck, das zu Sagende in die schönste Sprachform zu kleiden. Spricht man von einer schönen Rede", so meint man entweder eine zweckmässige, oder, wenn der Ausdruck genau genommen werden soll, spricht man ironisch und bezeichnet blofses Wortgeklingel und täuschende Sophistik, weil sie eben durch den schönen Schein von einer ernsten Prüfung ihres Inhalts

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den allein es sich handelt abzulenken sucht. Kant ist denn auch der Rhetorik, sofern er mit ihr als der ars oratoria, der Kunst zu überreden, d. i. durch den schönen Schein zu hintergehen", die Sprachkunst notwendig verbunden hält, durchaus abgeneigt und lobt sich dagegen die Dichtkunst, „bei der alles ehrlich und aufrichtig zugehe." Er sagt (1. c. p. 215), dafs er „bei Lesung der besten Rede eines römischen Volks- oder jetzigen Parlaments- oder Kanzelredners jederzeit das unangenehme Gefühl der Mifsbilligung einer hinterlistigen Kunst gehabt habe.“

Wie richtig übrigens und begründet diese Empfindung Kants namentlich in Bezug auf die griechische Rhetorik war, deren Streben immer blieb: τὸν ἥττω λόγον κρείττω ποιεῖν können wir z. Β. aus den naiven Ratschlägen entnehmen, welche in der dem Aristoteles zugeschriebenen Rhetorik des Anaximenes den Rednern erteilt werden, damit sie Überredung herbeizuführen vermögen. So heifst es im cap. 7 (L. Spengel, rhet. Graec. Vol. I, p. 194), wo von den Mitteln gehandelt wird, eine Sache glaublich erscheinen zu lassen (лíστıç) —: wenn du nun die Anschuldigung ableug(πίστεις) nest, so mache es so (ἂν μὲν οὖν ἔξαρνος ᾖς μὴ πεποιηκέναι cet.) mufst du es zugestehen, so sage, dafs ja meist dergleichen geschehe (ἂν δὲ ὁμολογεῖν ἀναγκάζη cet.); geht auch das nicht, so schiebe es aufs Unglück cet. ἂν δὲ μὴ δυνατὸν ᾖ τοῦτο δεῖξαι, zaτaqεvzτέov cet), oder im cap. 15 (1. c. p. 202), wo gezeigt wird, wie man ein Zeugnis erschleichen kann, (ἔστι δὲ καὶ κλέπτειν

τὴν μαρτυρίαν τρόπῳ τοιῷδε) wenn aber die Gegner es so machen, wie wir ihre Niederträchtigkeit ans Licht bringen u. s. w. Spezieller noch gegen die Verwendung gerade der Sprachkunst in der Rede erklärt sich Locke (An Essay Concerning Human Understanding III, 10, 34): Figurative Speech also and Abuse of Language. Er sagt: „Da Witz und Seltsamkeiten (wit and fancy) eher in der Welt Platz finden, als trockene Wahrheit und wirkliches Wesen, so wird man figürliche Redeweise und Wortspielereien schwerlich als eine Unvollkommenheit oder einen Mifsbrauch der Sprache betrachten wollen. Ich gestehe, dafs in Reden, durch welche wir mehr Vergnügen und Lust suchen als Belehrung und Besserung, dergleichen erborgter Schmuck kaum als Fehler gelten kann. Aber wenn wir von den Dingen sprechen wollen, wie sie sind, müssen wir zugeben, dafs die ganze Redekunst, mit Ausnahme der Ordnung und Klarheit, alle die künstliche und figürliche Anwendung der Wörter, welche die Beredsamkeit erfunden hat, zu nichts weiter dient, als unrichtige Vorstellungen zu erwecken, die Leidenschaften zu erregen, dadurch das Urteil mifszuleiten, und so in der That eine vollkommene Betrügerei ist." Wenn er dann die Redekunst nur in Reden an das Volk zulässig hält, ihren Gebrauch in der Wissenschaft gänzlich verwirft, darüber klagt, dafs die Menschen Professoren der Beredsamkeit anstellen, um zu lernen, wie sie sich gegenseitig betrügen, doch aber den Zauber der Rede so grofs hält, dafs es Verwegenheit sei, dagegen zu sprechen: „Eloquence, like the fair sex, has too prevailing beauties in it to suffer itself ever to be spoken against; and it is in vain to find fault with those arts of deceiving, wherein men find pleasure to be deceived" — so ist zunächst zu bemerken, dafs die Wissenschaft zwar das Bestreben haben wird, sich vor den Täuschungen bildlicher und figürlicher Worte zu hüten, dafs sie aber kein anderes Mittel hat, sich auszusprechen, als eben diese Sprachbilder und Figuren, deren sie gern überhoben wäre, worüber später näheres. Was übrigens die Verwendung der Werke der Sprachkunst in der Beredsamkeit betrifft, sofern sie als solche noch wirksam und erkennbar sind, so ist eben zu sagen, dafs die Beredsamkeit keine Kunst ist, sondern ein Geschäft, welches, wie jedes andere, mit mehr oder weniger Strenge und Gewissenhaftigkeit getrieben wird und danach mehr oder weniger Anspruch auf Achtung hat. Soweit Erzeugnisse der Sprachkunst dazu benutzt werden, bedeutende einzelne Momente der Rede hervorzuheben, hat die Beurteilung

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