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So ist jede schöne Gabe
Flüchtig wie des Blitzes Schein;
Schnell in ihrem düstern Grabe

Schliefst die Nacht sie wieder ein."

Die Sprachkunst zeigt auch nach dieser Seite die ihrer Stellung in der zweiten Triade der Künste zukommende Analogie mit der Skulptur. Schelling („Über das Verh. der bild. Künste zu d. Natur") sagt: „Die Plastik ist genötigt, die Schönheit des Weltalls fast auf Einem Punkt zu zeigen". (cf. Vischer, Aesthet. Bd. III. p. 359.) „Die Skulptur wählt zur Darstellung den „,fruchtbaren Moment". (Vischer: Aesth. III. p. 399.) Ebenso Lessing im Laokoon und Goethe, über welche man sehe: Gervinus, Gesch. der dtsch. Dichtung, IV. p. 323.

Erwägt man die über den Unterschied von Dichtkunst und Sprachkunst gegebenen Bestimmungen, so erhellt, dafs ein Teil der Erzeugnisse, welche man namentlich der lyrischen Dichtungsgattung gewöhnlich zurechnet, von uns als der Sprachkunst angehörig betrachtet werden mufs. Da im späteren hierüber genauer verhandelt wird, beschränken wir uns auf einige Andeutungen, um unseren Standpunkt zu rechtfertigen.

Was ist lyrische Dichtkunst? Wenn man etwa sagt, sie stelle die Subjektivität, die Empfindungen, das innerliche Leben des Menschen dar, hat man sich sogleich nach zweien Seiten hin zu verwahren. Denn weder ist jeder subjektive Einfall oder jede Regung der Empfindung oder jeder innerliche Vorgang, wenn er auch versifiziert wird, ein Gedicht, noch wird man geneigt sein, eine gereimte Gesetzgebung für die Innenwelt, wie man sie als Aufgabe der sogenannten didaktischen Poesie betrachtet, überhaupt für Poesie zu erklären. Gelegenheitsdichtung, Reflexionspoesie, Tendenzpredigt in Versen - das sind z. B. Bezeichnungen von Poesieen, in welchen unsere geringe Bereitwilligkeit zur Anerkennung dieser Formen als der Dichtkunst angehörig sich ausspricht, ohne dafs ihnen doch eine passendere Stellung angewiesen würde. Unsicherheiten dieser und weiterer Art sind bei strengeren Kunsttheoretikern Grund geworden, die Lyrik überhaupt, als der Epik und Dramatik nicht ebenbürtig, beiseite zu schieben. Wir nennen Aristoteles, Lessing, Gervinus.

Aristoteles übergeht in seiner Poetik die Lyrik fast ganz. Im ersten und zweiten Kapitel, in welchem über die Dichtkunst an sich und über ihre Arten gehandelt werden soll (EQì лointi

κῆς αὐτῆς τε καὶ τῶν εἰδῶν αὐτῆς), erwähnt er der Lyrik als der διθυραμβικῶν ποίησις καὶ ἡ τῶν νόμων und läist dann weiter von ihr nichts hören. Wenn er im Eingange als Arten der unσs auch „den gröfsten Teil des Flöten- und Citherspiels" nennt (τῆς αὐλητικῆς ἡ πλείστη καὶ κιθαριστικῆς), so ist darunter nur ψιλὴ κιθάρισις und αὔλησις zu verstehen, d. h. μέλος ἄνευ λόyou, aber kein Teil der Lyrik. Nun hängt es von den Vorstellungen, welche man sich von dem Zustande der uns überlieferten Poetik macht, ab, ob man das Übergehen der Lyrik als Nichtachtung derselben auslegen will, aber jedenfalls soll doch hier im Eingange von der lyrischen Poesie gesprochen werden, und eben hier nennt Aristoteles einzelne Arten der Lyrik statt ihrer selbst. Den Dithyramben aber kam rein lyrischer Charakter gar nicht zu, sie waren lyrisch-episch-dramatisch. (cf. Gräfenhan, Comment. zu Arist. poet. p. 4: „perierat lyrica eorum natura.") Die Nomen haben ebenfalls epischen Charakter gehabt. (cf. Gräfenhan 1. c. p. 28.) Ähnlich führt auch Plato (de republ. 3 p. 394 C.) statt der lyrischen Poesie, welche den Dichter selbst reden lasse („δι' ἀπαγγελίας αὐτοῦ τοῦ ποιητοῦ) blofs die Art des Dithyrambus an: „εὕροις δ ̓ ἂν αὐτὴν μάλιστα που ἐν διIvoάußois." - Die Hymnen und Loblieder, welche sich im vierθυράμβοις. ten Kapitel der Poetik beiläufig erwähnt finden, werden gleichfalls als Handlung darstellend betrachtet. Man sieht also, dafs dem Aristoteles die Dichtung wesentlich nur als Nachahmung von Handlungen und Situationen gegolten hat, dafs er ein Aussprechen blofser Empfindungen als Dichtkunstwerk nicht anerkannte. (cf. Biese, Phil. d. Arist. Bd. II p. 677; 694 sq.) Deutlich schliefst er deshalb yoyo (Spottgedichte) aus dem Gebiet der wahren Poesie aus, welche in heiterem Mutwillen Fehler bestimmter Individuen rügten (Poet. 4, 5), wie er andererseits auch die Lehrgedichte als Gedichte nicht anerkennt. (Poet. c. 1.)

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Lessings Ansicht ist aus seinem „Laokoon" zu entnehmen; sie ist vollständig die des Aristoteles. „Handlungen" sind nach ihm der eigentliche Gegenstand der Poesie, und Herder schrieb deshalb nach der lyrischen Tonart seines Geistes": „Er zitterte vor dem Blutbade, welches Lessings Sätze unter alten und neuen Poeten anrichten müssen." (Herders Werke, Litt. u. Kunst XIII., 209.) In der That hat freilich Lessing durch die Betonung der Handlung die Lyrik nicht überhaupt aus dem Gebiet der Poesie gewiesen, wie er denn in seiner Abhandlung über die Fabel (T. V,

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p. 419) sagt: „Giebt es aber doch wohl Kunstrichter, welche einen noch engeren, und zwar so materiellen Begriff mit dem Worte Handlung verbinden, dafs sie nirgends Handlung sehen, als wo die Körper so thätig sind, dafs sie eine gewisse Veränderung des Raumes erfordern." „Es hat ihnen nie beifallen wollen, dafs auch jeder innere Kampf von Leidenschaften, jede Folge von verschiedenen Gedanken, wo eine die andere aufhebt, eine Handlung sei; vielleicht weil sie viel zu mechanisch denken und fühlen, als dafs sie sich irgend einer Thätigkeit dabei bewufst wären." Aber Lessing erkannte doch nur eine solche Lyrik an, welcher in diesem weiteren Sinne „Handlung" zuzuschreiben wäre. Epos und Drama erschienen ihm jedenfalls als die vollendeteren Dichtungsarten, wie er denn höhere und niedere Gattungen der Poesie ausdrücklich unterscheidet. Erst eine Mannigfaltigkeit von Bildern, die zweckmäfsig zusammenstimmen, d. h. Handlung begründet auch das Wesen der Fabel nach Lessing, sonst wäre, wie er sagt, jedes Gleichnis, jedes Emblema eine Fabel. „Handlung" erklärt er im Sinne der Aristotelischen лoağış, welche Thun und Leiden gleichmäfsig in sich schliefst. Was die Fabel erzählt, mufs eine Folge von Veränderungen sein. Eine Veränderung oder auch mehrere Veränderungen, die nur nebeneinander bestehen und nicht aufeinander folgen, wollen zur Fabel nicht hinreichen;",sie ist dann nur ein Bild, Emblem." Es kann Zweifel bestehen darüber, ob Lessing recht hat, wenn er die Forderungen, welche er an die Poesie stellt, hier gerade an die Fabel richtet (vide unten, wo die Fabel behandelt wird), aber die Richtigkeit der Forderungen selbst wird dadurch nicht angefochten. Dem gegenüber hebt z. B. Goethe hervor, dafs die bildende Kunst zu ihrer Darstellung gerade nur einen Moment zu wählen hat, und wir haben schon oben (p. 58f.) der Analogie gedacht, welche auch hier zwischen Skulptur und Sprachkunst besteht; Lessing selbst weist (Laokoon, Kp. III.) darauf hin, dafs der bildende Künstler „nie mehr als einen einzigen Augenblick" brauchen könne; er sagt, dafs dieser einzige Augenblick nicht fruchtbar genug gewählt werden kann“, nämlich fruchtbar in dem Sinne, dafs er der Einbildungskraft freies Spiel läfst. Kp. XVI sagt er, „dieser Augenblick müsse der prägnanteste sein", aus welchem das Vorhergehende und Folgende am begreiflichsten wird, gleichsam also das Centrum einer Handlung“, „als Wirkung einer vorhergehenden und Ursache einer folgenden Erscheinung.“ - Auch von dieser Bemerkung kann die

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Theorie der Sprachkunst Gebrauch machen, denn wenn wir oben den Satz als den natürlichen Umfang eines Sprachganzen hinstellten, so wird klar, dass, wenn in Analogie mit der Skulptur, der Sprachkünstler einen Seelenmoment zur Darstellung bringt, welcher prägnant, ein Centrum notwendig vorausgehender und folgender Momente ist, die Sprachkunst auch zu einem Werke gröfseren Umfangs gelangt denn sie kann wegen der zeitlichen Natur des Tones nur nach einander darstellen welches dann gleichsam die Entfaltung des Einen Momentes enthält.

Gervinus beseitigt, wie Biese (die Philosophie des Aristoteles Bd. 2 p. 695) sagt, in seinen Grundzügen der Historik p. 56 die Lyrik als unwesentliche Dichtungsart und wirft sie mit der didaktischen Poesie zusammen. In seiner Geschichte der deutschen Dichtung" (Bd. IV., p. 323 sq.) schliefst er sich den Ansichten des Aristoteles und Lessings an und spöttelt über den Herderschen Schrecken wegen des Dichter-Blutbades: „Was weiter, so bleibt eben die Zahl der echten und wahren Dichter und Dichtungsarten übrig, unter denen uns wohl ist." Wir führen noch die Stelle an aus Bd. I, p. 284 sq.: „Alle Lyrik läfst sich in die zwei grofsen Hälften scheiden, nach denen sie entweder an die epische und dramatische Dichtung angelehnt oder auf sich selbst ruhend erscheint, falls man diesen letzten Ausdruck überhaupt von einer Dichtungsart brauchen kann, die wo sie am meisten unabhängig ist, am innigsten sich mit der Musik verwebt, und in unverkünstelten Zeiten immer untrennbar von der Musik war" „eine dritte Gattung lehrhafter Verstandespoesie, Sprüche, Rätsel, Sinngedichte u. dgl. m. konnte nur der Lyrik zugeteilt werden, weil man eine eigene Gattung lehrhaft-satirischer Dichtung nie klar abgeschieden hat." Ähnlich, wie diese Männer, spricht sich Vischer, Aesthetik III, 2. Abt. § 838 (p. 1172) über das Verhältnis der Lyrik zum Epos und Drama aus. Der vielbenutzte J. J. Eschenburg (Entwurf einer Theorie und Litteratur der schönen Redekünste) nahm überhaupt keine weiteren Dichtgattungen an, als Epos und Drama. (Vide die fünfte von Pinder besorgte Ausgabe p. VIII.) - Jean Paul, der in seiner Vorschule der Aesthetik" (Werke, T. 42 p. 145) auch einen Paragraph „über die Lyra" giebt, sagt, in der ersten Auflage hätte er nichts davon gehabt. Im frühern Auslassen der ganzen lyrischen Abteilung hatt' ich einen alten, wenn auch nicht guten Vorgänger an Eschenburg, welcher gleichfalls nur alles in Drama und in Epos einteilt, und in das letztere die ganze lyrische

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Heerde, die Ode, die Elegie und noch Satiren, Allegorieen und Sinngedichte einlagert" cet. Indessen ist, was Jean Paul hierüber beibringt, auch von wenig Belang, und p. 148 zweifelt er doch noch, ob man nicht „die lyrischen Arten nur für abgerissene, für sich fortlebende Glieder der beiden poetischen Riesenleiber" (Epos und Drama) erklären solle.

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Die von Gervinus als „der unabhängigere Teil der Lyrik, welche auf der Gegenwart ruht" bezeichneten Dichtwerke, (1. c. p. 284.) ebenso diejenigen, welche er seiner dritten Gattung einordnet, sind im wesentlichen der Sprachkunst zuzurechnen, wobei über jene ihrer Natur nach mit der Musik verbundenen Lieder das Folgende schon hier zu bemerken ist.

Es hat nämlich überhaupt eine wirkliche Dichtung bereits an ihrer sprachlichen Darstellung ihre Musik, soweit sie eine solche verträgt, und die Verbindung mit der Tonkunst kann ihr im übrigen in Bezug auf die Herausstellung ihres wesentlichen Gehalts nur zum Nachteil gereichen. Man fühlt dies leicht, wenn man etwa ein Gedicht von bedeutenderem Gehalt, z. B. Schillers Glocke mit der hinzugefügten Romberg'schen Musik anhört, die manche Einzelheiten allenfalls herauszuheben vermag, aber doch nur in fremder, den Gesamteindruck abschwächender Weise, den Gedankengehalt des Ganzen aber völlig unberührt läfst. Wie sollte auch die Musik in dem Gebiete objektiven Gedankengehalts, für welches ihr jedes Verständnis fehlt, in welchem sie also nichts zu suchen hat, nicht zudringlich erscheinen? Wenn man von tiefer, gedankenvoller Musik spricht, so ist dies doch in ganz anderem Sinne zu verstehn, als wenn dasselbe von einer Dichtung gesagt wird, denn die musikalischen Gedanken, wenn man sie so nennen will, bleiben immer in der Sphäre der Empfindung. Ganz wohl aber kann ein Lied, Abbild eines Lebensmoments der Seele, entspringend also aus einer subjektiven Stimmung, aus welcher es sich bis zur Bestimmtheit des sprachlichen Ausdrucks herausgearbeitet hat, in jede allgemeine Stimmung wieder untertauchen, und wenn diese etwa mit dem Grunde verglichen werden kann, aus welchem die helleren Farben eines Gemäldes aufleuchten, so werden dann die Worte des Liedes etwa als die Lichter erscheinen, welche der Künstler aufsetzt, um das Bedeutende bedeutend hervortreten zu lassen. In der That ist es in der Musik wie in der Sprachkunst dieselbe Naturseite der Seele, welche zu ihrem Ausdruck kommt, und eine Verbindung der benachbarten Künste erscheint natürlich.

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