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umgekehrt die Poesie von dem Gebrauch der ungebundenen Rede ausgeschlossen wird. Man wirre also die Begriffe nicht durcheinander.

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Nicht in der Sprache, dem gemeinsamen Vehikel der Darstellung für Kunst und Nicht-Kunst, ist der Unterschied zwischen Poesie und Prosa (in weiterer Bedeutung) zu suchen, sondern in der verschiedenen Weltanschauung. Bestimmter tritt dieser Unterschied erst hervor in der Litteratur eines Volkes, als welche einerseits das Sein der Dinge wiederzugeben sich bemüht, soweit es als wirklich bestehend betrachtet wird: Prosa andererseits auch das Sein, soweit es durch die Wirklichkeit nur zu einem Schein gebracht wird, also nur Symbol ist eines vorausgesetzten höheren Seins: Poesie. Litteratur aber, Prosa wie Poesie, entsteht erst dann, wenn ein Volk zum Bewusstsein seiner selbst gelangt, eine Gedankenwelt sich erbaut; ihr Reichtum ist nur Gradmesser und Folge des sich ausbreitenden und vertiefenden Bewusstseins, hebt sich und sinkt mit diesem in Wechselwirkung, wie denn die Litteratur z. B. steigt, wenn ein Volk durch grofse Thaten in höherem Grade selbstbewusst wird.

Was nun poetischer und prosaischer Ausdruck genannt wird, ist lediglich Folge jener Grundverschiedenheit in der Auffassung, denn das Sein, als letzte Wirklichkeit betrachtet, verlangt eigentliche, wirkliche, den Dingen nachgehende Darstellung; das Sein aber als blofser Schein wird nur dann angemessen dargestellt, wenn auch die Darstellung selbst als Schein wirkt, was aber durch allerlei Sprachkunstmittel, überhaupt durch einzelnes nicht mit Sicherheit zu gewinnen ist, zum Teil freilich z. B. durch Vers, Reim, Bildsprache erreicht wird, aber auch der ungebundenen und einfachen Rede gelingen kann. Die Sprachkunst hat es mit diesem Gegensatz als solchem nicht zu thun, obwohl natürlich der Unterschied der Weltanschauung sich auch in ihr geltend macht, so dafs sich die Sprache des Bedürfnisses und die der freien Darstellung, Darstellung um ihrer selbst willen, d. h. Kunst gegenüberstehn. Diese Sprache des Bedürfnisses, die Prosa der Sprachkunst, gehört aber gar nicht in die Litteratur; sie wird, wenn nicht scharf, doch genügend, als Sprache des gewöhnlichen Lebens bezeichnet. Wie aber steht es mit den Werken der Sprachkunst? Wo findet man sie? Und wie verhält sich die Sprache der Sprachkunst zu der sogenannten Sprache der Poesie?

Wir können an dieser Stelle hierauf nur im allgemeinen antworten. Das der Sprachkunst eigentümliche Gebiet wird deutlicher hervortreten, wenn wir in den folgenden Abschnitten es genauer gegen die Dichtkunst und Rhetorik abgrenzen, wir bemerken hier nur dies, dafs die Bildung der Sprache selbst als Kunst vor jeder Litteratur liegt, und zwar begrifflich: durchaus, zeitlich: im wesentlichen, dafs diese also von dem Gegensatz der Poesie und Prosa (im engeren Sinne wie im weiteren) nicht berührt wird, sie vielmehr durch ihre Hervorbringungen erst die Mittel liefert zur Ausbildung der verschiedenen Stilgattungen; dafs ferner die Sprachkunst neben jenem Gegensatz sich hält und ihn für sich nicht beachtet. Wie weit aber die Sprachkunst ihre Werke zur Litteratur stellt, wird sich später ergeben. — In wie fern nun dennoch die Werke der Sprachkunst auf die Darstellung der Poesie Einflufs haben, darüber bemerken wir an dieser Stelle nur das Folgende.

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Die Werke der Sprachkunst sind teils der Art, dafs sie selbständig für sich fortleben, wie z. B. Epigramme, Parabeln, Rätsel, Gnomen u. a., teils sind sie geringeren Umfangs, weil sie den einzelnen Lebensmoment nur abbilden, aber nicht entfalten, und dann reihen sie sich von selbst wie im Anfang der Sprachbildung die Wörter und Wortformationen Idem vorhandenen Sprachschatz ein und werden so ebenfalls zu Sprachmitteln, welche jedoch als Schmuck erscheinen, so lange sie noch als Figurationen der gewöhnlichen Rede gefühlt und erkannt werden. Diese Ornamente, welche unter dem Namen der Redefiguren bekannt sind, verfallen ferner sogleich, nachdem die Sprache sie in sich aufgenommen, dem Gesetz der Analogie, welches die Sprachbildung beherrscht, und bei ihrer flüchtigen Natur verlieren sie bald ihren bestimmten sprachlichen Ausdruck, in welchem sie der Sprachkünstler ursprünglich niederlegte, und werden zu blofsen Formen, zu Schablonen, nach denen dann die weiteren Verzierungen ausgeführt werden. Dabei ist zu bemerken, dafs die Sprache immer neu geschaffen wird, dafs sie immer Sprechen ist, dafs also in diesem Flusse des Sprachlebens jeder neue Ornamentist ebensowohl Originalkünstler sein kann, wie er, von seinem Sprachgefühl geleitet, vielleicht nur und zwar meist unbewusst Nachahmer ist. Diese letzteren, dem gewöhnlichen Sprachgebrauch bereits anheimgefallenen Werke der Sprachkunst werden allerdings dann auch in den Dienst der Poesie treten, und, wie ja natürlich ein Werk der Kunst auch äufserlich den schönen

Gerber, die Sprache als Kunst. 2. Aufl.

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Schein gern um sich breitet, etwa den kunstvoll geschnitzten Rahmen um das herrliche Bild, die Arabesken an den Wandflächen in Kunstbauten, so wird die Poesie auch mit Vorliebe sich dieser Ornamente der Rede bedienen; aber ebenso bedient sich derselben jede affectvolle, feierliche, gehobene, scherzende Rede, um sich eine Färbung zu geben, namentlich z. B. die der Beredsamkeit, und eine besondere dichterische Sprache wird also durch diese Benutzung der unselbständig gewordenen Werke der Sprachkunst nicht konstituiert. Aristoteles (Rhet. III, 1) spricht z. B. von einer dichterischen Sprache (πointzǹ lé§is), welche sich die Rhetorik ebenfalls angeeignet habe, womit eine Sprache bezeichnet wird, wie sie in Dichtungen vorzugsweise gebraucht wird, nicht aber der Poesie eine besondere, ihr eigentümliche Sprache zugeschrieben ist. Es tritt ja z. B. auch bei gotischen Bauwerken der Bildhauer als Steinmetz vielfach an die Stelle des Maurers; sein Werk wird von dem Architekten als Teil des Mauerwerks mit Vorliebe - denn das Einzelne verstärkt bei Anwendung solcher Technik den Eindruck des Ganzen zum Bau benutzt, darum aber giebt es doch kein plastisches, oder überhaupt künstlerisches Mauerwerk denn von ähnlichen Ornamenten könnte jedes prosaische Ding, ein Spiegel, ein Stuhl cet. Gebrauch machen —; und ebensowenig giebt es etwa eine Sprachkunst, welche im besonderen „Sprache der Dichtkunst" wäre.

3. Poesie und Sprachkunst.

Wir kommen dazu, das Gebiet der Sprachkunst genauer zu bezeichnen und grenzen es zunächst gegen die Poesie ab.

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Poesie war von uns gefafst worden als die Kunst des Gedankens. Damit soll nicht nur gesagt sein, sie stelle irgendwie Gedanken dar, denn jede Kunst offenbart den Menschengeist, sondern dies, dafs sie Gedanken darstelle im Gedanken als ihrem Material, oder, wie mit schärferer Bestimmung es genannt werden mag, Vorstellungen in der Vorstellung. Dem Dichter wird also die eigene Seele und das von dieser Aufgefafste zum Stoff der Behandlung. Demnach wird bei den Werken der Poesie der Gedanke in doppelter Weise sichtbar: als der formende, das Viele einigende, d. h. als die Idee, und als Stoff, welcher, als das Viele, dem Einigenden, der Form, sich unterwürfig zeigt. Homer also z. B. ist nicht blofs Dichter als der formgebende Künstler,

sondern auch in Bezug auf den Stoff, welchen er ergreift. Nicht etwa den trojanischen Krieg stellt er in der Iliade dar, was immer nur Sache der Prosa, der Geschichte sein könnte, sondern er zeigt uns, wie seine Seele sich in diesen Krieg eingelebt hat, welche Bedeutung sein Sinn hineingelegt oder herausgeholt hat, wie sich ihm an diesem Stoffe die Natur des Menschen und menschlicher Verhältnisse enthüllt hat. Wegen dieser ihrer durchaus geistigen Natur nennt Aristoteles (Poet. c. 9.) die Poesie philosophischer als die Geschichte. Er sagt: Geschichtschreiber und Dichter unterscheiden sich nicht dadurch, dafs die einen in gebundener, die anderen in ungebundener Rede sprechen (ov to ἢ ἔμμετρα λέγειν ἢ ἄμετρα διαφέρουσιν). Man könnte z. B. die Bücher Herodots ins Versmafs bringen und sie wären um nichts weniger Geschichte mit Versmals als ohne Versmafs. Aber dadurch unterscheiden sie sich, dafs der eine erzählt, was geschehen ist, der andere, wie es hätte geschehen können (t tòv μὲν τὰ γενόμενα λέγειν, τὸν δὲ οἷα ἂν γένοιτο). Deswegen ist die Poesie auch philosophischer und vorzüglicher als die Geschichte, denn die Poesie stellt mehr das Allgemeine, die Geschichte das Einzelne dar (διὸ καὶ φιλοσοφώτερον καὶ σπουδαιότερον ποίησις ἱστορίας ἐστίν· ἡ μὲν γὰρ ποίησις μᾶλλον τὰ καθόλον, ἡ δίστο ρία τὰ καθ ̓ ἕκαστον λέγει).

Während nun die künstlerische Komposition für die Ausprägung ihrer Ideen bei den Künsten des Auges eine Menge von verschiedenartigem Material zur Verfügung hat, die mannigfachsten Körper oder deren Schein, ist für die Darstellung des ideelleren, mehr geistigen Gehalts der Künste des Ohres eben nur der Ton vorhanden. In der Musik bleibt noch eine gewisse sinnliche Fülle, reiche Modulation, scharfe Rhythmik, namentlich Auswahl für die Klangfärbung, denn dieselben Bewegungen der Seele können durch Vokal- oder Instrumentalmusik, durch Vereinigung beider, und innerhalb dieser Arten wieder durch Blase-, Schlag-, Streich-Instrumente u. s. w. verschiedenartig zum Ausdruck gebracht werden, für Sprachkunst und Dichtkunst bleibt aber eben nur die Sprache, welche jedoch nicht in demselben Sinn für beide das Mittel zur Darstellung ist. Bei der Poesie ist sie nur die zweite, nach aufsen gekehrte Hälfte des Materials, der Stoff, in welchen sich das bestimmte Denken notwendig kleidet, um vollständig zu sein und zu erscheinen. Plato (Soph. 263) drückt diese Notwendigkeit, dafs der Gedanke zum Worte werde, ja an sich schon selbst das Wort sei, naiv aus: „diάvoia pèv xaì

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λόγος ταὐτόν· πλὴν ὁ μὲν ἐντὸς τῆς ψυχῆς πρὸς αὑτὴν διάλογος ἄνευ φωνῆς γιγνόμενος τοῦτ ̓ αὐτὸ ἡμῖν ἐπωνομάσθη διάνοια.“ - wie Macaulay (Milton. Essays I, 21) sagt: „the business of poetry is with images and not with words. The poet uses words indeed; but they are merely the instruments of his art, not its objects" bei der Sprachkunst dagegen ist die Sprache das ganze Material. Poesie also setzt eine fertige Sprache voraus, um sie nach Belieben verwenden zu können, Sprachkunst verlangt die Sprache als ihr Material nur der Möglichkeit nach; sie giebt dann dem bis zum Sprechen bestimmten Gedanken den vollkommensten Ausdruck in der Sprache, so dafs nichts Überschüssiges an Geist noch zurückbleibt, während das Kunstwerk der Poesie von der Sprache nur zur Erscheinung gebracht wird, in seiner Tiefe aber mehr durch sie angedeutet als erschöpft wird. E. Müller (Geschichte der Theorie der Kunst bei den Alten Bd. II p. 14) bezeichnet so im wesentlichen richtig als Aristoteles' Ansicht: ,,dafs das eigentümliche und wesentliche Darstellungsmittel der Poesie das Wort ist, und zwar das innerliche, nicht das gesprochene, welches freilich, um andern wahrnehmbar zu werden, irgendwie sinnliche Gestalt gewinnen mufs, wenn auch nur durch die Schrift (?), dessen Kraft aber doch keineswegs in dem, wodurch es sinnlich wahrnehmbar ist, beruht". und p. 11: „Nach Aristoteles ist das Gedicht da, im wesentlichen fertig, noch ehe der Dichter seine Erfindung in Worte zu kleiden angefangen hat, die poetische Erfindung selbst ist ihm das Gedicht" cet.

Es fällt also bei der Dichtkunst das ganze Gewicht auf die Dichtung, Erdichtung, Verwandlung, Umschaffung der Erscheinungswelt, die Gedankenverschlingung, den Gedankenkampf; bei der Sprachkunst auf die Vollkommenheit der Darstellung eines Seelenmoments durch die Sprache; der Dichter erfindet Verwicklungen, Lösungen, Umstände, Lagen, giebt eine Weltanschauung; der Sprachkünstler erfindet Wörter, Satzformationen, Figurationen, Sprüche, giebt das Abbild eines Lebensmoments der Seele.

Der Dichter ist deshalb auch nicht ohne das Bewusstsein, dafs Sprache für sich, ohne die beständig ergänzende und belebende Macht des Geistes, der Vorstellung, seinen Intentionen nicht entspricht, während der Sprachkünstler in der Darstellung seines Werkes durch den sprachlichen Ausdruck sich völlig genügt. Schiller z. B. erscheint die Sprache fast nur wie ein notwendiges Übel, ja wie ein Hindernis für den vollständigen Ausdruck

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