Obrazy na stronie
PDF
ePub

Die Thätigkeit bei Ausübung der Kunst ist also zwecklos, Arbeit, welche doch keine sein soll; sie macht ihre Werke nicht zu Mitteln für weiteres, ist ohne Nutzen und ist deshalb Spiel, frei vom Dienst, frei von der Strenge des Lebens. Aristoteles (Rhet. 1,9): „zaλòv μèv oùv ¿stìv, ô äv di avrò aiqetòv öv, Étaivetòv - Kant (Kritik der Urteilskr. p. 16): „Schön ist, was ohne alles Interesse gefällt.“

[ocr errors]

Das Wort „Spiel" ist vielfach auf die Kunst angewendet worden. Schiller (Über ästhetische Erzieh. Brief 15) sagt in solchem Bezuge: „Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt." ,,Mit dem Guten, mit dem Vollkommenen ist es dem Menschen nur ernst; aber mit der Schönheit spielt er", und er nennt den Spieltrieb die Quelle der Kunst. Jean Paul (Levana § 47) sagt: „Das Spiel ist die erste Poesie des Menschen". Unter Spiel verstehen wir demnach kein sinnloses Thun, setzen es nicht gleichbedeutend mit dem blofsen Scherz, mit nichtigem Spafs. Selbst das Spiel der Kinder ist ernstlich gemeinte Thätigkeit. Ihnen dünkt die blofse Willkür des Spafses, welche sich etwa in ihr Spiel mischt, zu läppisch, sie wollen feste Ordnung, d. h. sie suchen Gestaltung durch Form, und sie sind eifrig, diese aufrecht zu erhalten. Je mehr die Menschen reifen, desto mehr Inhalt, Bedeutung, Wert wissen sie dieser Formierung zu geben, und das Werk des Spiels scheint als Kunstwerk endlich seine Dauer zu verdienen, damit es viele in das Paradies der Unschuld zurückschmeichele.

Wenn nun diejenige Thätigkeit, welche der Kunst eigen ist, sich durch ihr Selbstgenügen, durch die Abwesenheit eines jeden äufseren Zweckes von anderen unterscheidet, so erscheint sie verwandt dem Verhalten des Menschen zur Religion und zur Wissenschaft. Denn auch im Glauben, in der Andacht, in der wissenschaftlichen Forschung finden wir ein Selbstgenügen und erheben uns zu geistiger Freiheit, und was der religiöse Sinn zu Mythen bildete, was philosophisches Schauen und Denken als Gott und Welt umfassendes System hinstellte, verträgt schwerlich eine scharfe Abgrenzung von den Gebilden der Kunst. Aber gemeint als Kunst sind diese Hervorbringungen nicht; sie wollen ein Inneres, ein Glauben, eine Gesinnung, eine Erkenntnis, empfangen ihre Bedeutung und ihren Wert nur dadurch, dafs sie dieses offenbaren, eine Wahrheit verkündigen, und nicht das Hervorgebrachte ist das eigentliche Werk, sondern das, was es bedeutet. Der Kunst aber ist es wesentlich, dafs ihr Schaffen ein bestimm

tes Dasein gewinne, in welchem voll und ganz ihr Schaffen aufgeht, ein Dasein so, wie es eben gestaltet wurde, und welches so in sich abgeschlossen ruht.

In der Kunst also spielen wir. Wann aber spielen wir doch? Wir spielen im Kindesalter, um einen Trieb zur Thätigkeit zu befriedigen, welcher mit Naturnotwendigkeit uns zwingt, und der daher, wenn ihm nicht gewillfahrt wird, als Reiz mit Unlust gefühlt, von dem zum Schweigen, Stillsitzen, Einschlafen verurteilten Kinde als das empfunden wird, was er an sich ist, als Pein und Qual. Wir spielen später, um uns abzuspannen von Anstrengungen, um Unangenehmes zeitweilig zu beseitigen, um uns zu betäuben, zu vergessen; wir spielen wohl auch, um zu spielen, um der Heiterkeit, Gesundheit, Kraft einen Ausdruck zu gewähren, immer jedoch, um aus einem gedrückteren in einen freieren, gehobenen Zustand überzugehn.

Nun ist freilich, was wir im gewöhnlichen Leben sonst Spiele. nennen, nur Ausübung und Anwendung künstlerischer Einfälle, wie sie in Bezug auf ihre Erfinder mit Recht zu bezeichnen sind, angeknüpft an anderweitige Interessen und so in die Praxis des zwecksetzenden Lebens gezogen, und wir werden die Anwendung des Namens deshalb so zu beschränken haben, dafs er nur auf die Quelle deutet, aus welcher auch die Kunst ihren Ursprung nimmt, aber, was von dem Bedürfnis nach Spiel, von seiner Wirkung auf das Gemüt gesagt wurde, gilt und zwar in höherem Grade auch von dem Spiel in seiner Reinheit, von der Kunst. Die Kunst tritt als der Sonntag ein in die Werktage des Lebens, sie erheitert, tröstet, erhebt; sie hält sich dabei fern von jeder Einmischung in unsere Sorgen, unsere Bedürfnisse, deren Befriedigung nur hungrig macht nach neuen Diensten. So steht sie lächelnd, läfst sich nicht ein auf unsern Privatjammer, wehrt ab jede Unruhe und sagt zu uns: Kommet, spielet mit, und ihr werdet erhoben sein!

[ocr errors]

Welche Tiefe des Schmerzes aber mufs die Kunst in sich überwunden haben, um uns solches von sich verheifsen zu können! Denn wie sollte sie Freude bringen können für jeden, wenn nicht der Schmerz jedes Herzens in ihr zu Grunde gegangen wäre? Woher denn überhaupt dieses Verlangen in uns nach Freude, dieser Bejahung unseres Wesens, wie wir sagten, wenn unser Leben nicht an sich selbst der Schmerz wäre, welcher seinen Trost, seine Heilung eben in seiner Entfaltung sucht? Ist nicht klar,

dafs der Schmerz es ist, welcher in tiefster Tiefe die Kunst hervorbrachte und hervorbringt? Welcher Schmerz aber?

Unser Leben ruht nicht in sich selbst geschlossen, es besteht nur durch die Wechselwirkung mit der Welt. Leicht empfunden wird anfangs diese unsere Bedingtheit, und leicht wird der Reiz befriedigt, welcher sie in uns anzeigt und uns in sie hinein zieht. Aber in dem Mafse, als wir uns weiter entwickeln, d. h. inniger verflechten mit dem Leben des Universums, drückt gewichtiger die Nötigung und die Befriedigung gelingt schwerer. Wir finden unser Wesen bedingt, beschränkt, verneint nach allen Seiten. Die Qual unserer Unvollkommenheit, die Marter des Zweifels, die Schauer der Endlichkeit ergreifen und lähmen uns. Und die Welt sieht uns so aus, wie wir selbst: οἴδαμεν γὰρ, ὅτι πᾶσα ἡ κτίσις συστενάζει καὶ συνωδίνει ἄχρι τοῦ νῦν. (Rom. Cp. VIII, 22.) Wir fühlen endlich und erkennen, dafs überhaupt zwar unser Sollen ein unendliches ist, dafs aber Befriedigung innerhalb jener Wechselwirkung nicht erreicht wird. Wir finden uns als rätselhafte Wesen, finden uns in einer Welt, deren Gesetzen wir zu folgen gezwungen sind, ohne dafs doch, was sie uns gewährt, unser Wesen auszufüllen und zu vollenden imstande ist, wir finden uns umschränkt von einem endlichen Dasein und begabt mit nicht endlichen Ansprüchen, denen wir gleichwohl nicht entsagen, weil wir fühlen, dafs sie gerade unser eigenstes Wesen aussprechen. So ergreift uns allmächtig der Schmerz unserer Endlichkeit.

Wohl tröstet und beruhigt immer wieder das Streben nach dem Guten, es erfreuen und stärken die Erfolge gewissenhaften Handelns, und, indem wir uns vorhalten, dafs Erfüllung unserer Pflicht nach dem Mafs unserer Kräfte als das allein uns Zustehende auch als allein vergönnte Beschwichtigung jenes Schmerzes zu betrachten sei, fügen wir uns mit Ergebung dem Schicksale alles Endlichen, aber dieses verständige Verzichten nimmt doch den Schmerz des Lebens nur hin, weil es mufs, findet sich zwar mit ihm ab, aber überwindet ihn nicht. Es verweist uns dann die fromme Ahnung des Herzens, die freudige Hoffnung, welche auf dem Grunde des Glaubens erwächst, auf eine künftige Ergänzung unseres irdischen Lebens in einem jenseitigen, aber die Erfüllung wird doch erst im Jenseit erwartet, und wir kennen die Bedingungen nicht, unter welchen sie eintritt.

Wer aber trennt denn mit Recht dieses geahnte, von unserm Herzen geforderte Jenseit von dem Diesseit, wer setzt Scheidewände innerhalb der Schöpfung und zerreifst ihre Einheit? Er

greifen wir dieses Jenseit nicht schon, indem wir es fordern? Ragt es nicht überall hinein in die Kreise, welche unser Leben zieht, und wirkt es nicht auf sie? Wie denn sollte einst eine Brücke führen von dem Hier nach einem Dort - und dies Einst ist immer wenn sie nicht schon immer hinüberbrächte das Dort in unser Hier? Verläuft unser Leben als eine Zeit der Prüfung, der Vorbereitung auf ein Weiterleben, so müssen doch die Bedingungen, unter welchen dieses zukünftige Dasein sich entwickelt, in ihrem Grunde dieselben sein mit denen, welche unsere diesseitige Welt regeln und bestimmen. Und so ist es in der That; das Ziel unserer Sehnsucht ist dieser Welt nicht fremd, sondern erfüllt sie mit tausend Wonnen, und die Kunst ist es, welche dies fühlt, schaut und für uns aufweist in ihren Werken. Weltsinn und Weltlust sind kein Frevel, denn diese Welt ist nicht ungöttlich, und Blindheit ist es, sie ungöttlich zu halten; das verkündigt die Kunst. Sie nimmt keinen Teil an dem Ringen unseres Geistes, das Rätsel der Schöpfung zu begreifen, es beschäftigt sie nicht die endlos sich erneuernde Aufgabe, dem Sollen in uns Verwirklichung zu geben; sie erfafst vielmehr das Dasein als ein dem Menschen und den Anforderungen seiner Natur Homogenes, in ihr lösen sich auf die Disharmonieen, durch welche die Bruchstücke der Erscheinungswelt uns beunruhigen und verwirren, sie findet und schafft überall Eurythmie und Symmetrie in dem Ruhenden, Harmonie der bewegenden Kräfte, Analogie der äufseren Vorgänge mit dem innersten Weben und Wollen der Seele, Gerechtigkeit sieht sie in der Menschengeschichte, wo der trübe Blick der Prosa sich verzweifelnd abkehrt, sie sucht und findet den Gott in der Natur, und ihr einziger Lohn ist dieses, dafs sie ihn fand. Aus ihren Werken strahlt darum wieder jene Klarheit und Vollkommenheit, welche als der Schein des Geistes alles Irdische in Licht taucht. Freilich ist diese Freude am Göttlichen eben nur die Freude am Schein der Erscheinung, die Freude an der Schönheit aber dieser Schein ist das einzige Licht, aus welchem uns die Wahrheit entgegenleuchtet, ohne uns zu blenden. Was endlich die Kunst erschafft und damit der Welt der Erscheinungen einreiht, verfällt dann zwar deren Bedingungen nicht weniger wie jedes andere Dasein, und zeigt so seinen endlichen Ursprung, aber einmal doch ist die Feier des Ewigen in dem Werke verkörpert worden, soweit dem Menschen dieses Ewige zu fassen vergönnt ist, und wir, die wir jene Einheit mit dem Göttlichen fühlten und auszusprechen vermochten, sind versöhnt

mit dem Dasein, welches sie in sich trägt. Man kann sagen, dafs diese Versöhnung irdischer Art ist, dafs die. Tröstung durch die Kunst nichtig ist, hervorgebracht durch Täuschung

[ocr errors]

aber

gehört denn das Leben der Erde, das Leben des Menschen nicht. zum Allleben, zum Himmel oder wie wir jenes unserer Sehnsucht vorschwebende Etwas nennen, welches aller Hoffnungen Erfüllung in sich trägt? Was auf Erden wahr ist wahr in der ihm somit zukommenden Begrenzung kann nirgend unwahr sein, denn jedes ist für alles geschaffen.

Solger sagt in Bezug auf die endliche Natur des Kunstwerks (Erwin. T. I p. 256 sq.): „Indem das Schöne mitten in dem Gewühl der anderen, erscheinenden Gegenstände durch die ihm inwohnende Herrlichkeit des göttlichen Wesens erhöht wird, kann es sich doch nicht aus jener irdischen Verkettung befreien, sondern versinkt vor Gott mit der ganzen übrigen Erscheinung in Nichtigkeit. Dieser herbe Widerspruch bewältigt jeden, auch unbewufst, mit einem nicht nur innigen, sondern allgewaltigen, nicht durch andere Güter heilbaren, sondern ewigen und unzerstreubaren Schmerze; denn nicht durch den Untergang des einzelnen Dinges wird er in uns erregt, ja nicht einmal blofs durch die Vergänglichkeit alles Irdischen, sondern durch die Nichtigkeit der Idee selbst, die mit ihrer Verkörperung zugleich dem gemeinsamen Geschick alles Sterblichen unterworfen wurde, mit der aber jedesmal eine ganze gottbeseelte. Welt dahinstirbt. Dies ist das wahrhafte Los des Schönen auf der Erde! Und dennoch ist in demselben, und mufs in ihm sein jener vollständige Übergang des Göttlichen und Irdischen in einander, sodafs, indem das Sterbliche vertilgt wird, nicht blofs an dessen Stelle der höhere Zustand der Verewigung tritt, sondern eben durch den Untergang erst recht einleuchtet, wie dieses Sterbliche zugleich vollkommen eins mit dem Ewigen ist. Dadurch entsteht die überschwengliche Seligkeit, die mit der Wehmut und durch sie durch sie bei solchem Anblick in unsere Seele strömt, und uns auf So wunderbare Weise den ganzen Mafsstab gewöhnlicher Empfindung entrückt."

Man findet den Boden für die gegebenen Andeutungen über das Wesen der Kunst bei Kant: Kritik der Urteilskraft.

Dafs die Kunst sei, ist ein rein menschliches Bedürfnis.

« PoprzedniaDalej »