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kein Echo findet im All. Andere Arten der Praxis, Heilmittel gegen Leiden anderer Art, Leiden nämlich des Individuums als solchen, gehen nicht direkt auf diese Befreiung des Ich; sie zerstreuen allerdings, lenken die Empfindung ab, aber nur mittelbar, sofern sie eben Thätigkeiten sind, denn unmittelbar verfolgen sie eben andere Zwecke; die Kunst aber will allein diese Darstellung des Seelenmoments, und ihr fügt sich der Stoff nicht nur, sondern er scheint diese Darstellung selber zu suchen und herauszufordern. Und jeder Stoff, welchen die Seele in dem Gefühl, mit dem Vertrauen ergreift, dafs die Natur ihr sich konform verhalte, leistet, was er verspricht. Doppelt also erfolgt der Reiz zum Kunstwerk, er regt sich in der Seele des Menschen, sobald sie sich frei fühlt, er ruht gebunden und schweigend, aber nur harrend, dafs ihm der menschliche Mund geliehen werde, um sich zu äufsern, in der Materie und in den Metamorphosen der Natur. Und hier ist es nun, wo das Genie, der schöpferische Mensch, die Interpretation übernehmen mufs. Denn nicht jedes Auge sieht, nicht jedes Ohr hört, nicht jedem Sinne enthüllt sich von selbst, was die Natur freigebig dem Genius offenbart; nur den Sonntagskindern der Kunst ist es vergönnt, den Menschengeist sogleich auch wiederzufinden in dem bewufstlosen Regen und Weben der Schöpfung, den anderen giebt die Natur nur zufällig, bei einem Zusammentreffen vieler glücklicher Momente, in der Seele sowohl, wie in der äufseren Welt, das uns Entsprechende, unsere Natur Bejahende zu sehn, zu hören, zu fühlen. Die KunstWelt aber, zu welcher der Genius den Menschen den Eingang erschliefst, tilgt das Zufällige in dieser vermenschlichten Natur, und so ist sie uns wirklich die Welt geworden, welche die wirkliche nur ahnen läfst. An solche Welt glaubt der Mensch in der Religion wie in der Kunst; Gott wird in beiden Sphären zum Menschen, die Welt gilt nur als Mittel, ihn zu offenbaren.

Man kann sich also vorstellen, die Natur reize zur Nachahmung, und so entstehe die Kunst; man kann aber ebensowohl sagen, dafs ein Kunsttrieb der Seele inwohne, welcher sie nötige, zu schaffen; in der That ist es das Zusammentreffen beider Bewegungen, welches die Kunst hervorbringt. Natur und Mensch sind mit und für einander geschaffen, und darum trifft das Sehnen im Menschen auf jene Andeutungen seiner Befriedigung in der Natur. Wollen wir hier vorgreifend nach dem Gesagten die Reihe der Künste ordnen, so scheint, als ob bei der Baukunst, Bildkunst, Malerei, welche wir oben (p. 9) als Künste des Ge

sichts bezeichneten, die Anregung vorwiegend von aussen erfolgt, bei den Künsten des Gehörs dagegen: Musik, Sprachkunst, Poesie vorwiegend von innen.

4. Von dem System der Künste.

Wenn, wie wir ausführten, der Mensch in der Kunst sich selbst darstellt und nur sich, so werden auch die verschiedenen Formen, in welche Kunst sich auseinanderlegt, durch psychologische Untersuchung sich ergeben. Andererseits stellt sich die Kunst in Wirklichkeit doch eben nur in diesen verschiedenen For

men dar es giebt ja keine Kunst als solche und da deren Verschiedenheit sichtlich auf dem Material beruht, welches die Seele ergreift, um sich ihm einzubilden, so würde ebensowohl aus einer Gruppierung des Materials eine brauchbare Übersicht und Rubrizierung der Kunstformen zu gewinnen sein. Aber beide Einteilungen würden nur die eine der beiden Seiten berücksichtigen, um die es sich handelt, denn die menschliche Seele bewegt sich nicht unabhängig von den Reizen der Aufsenwelt, und ebenso zeigt uns die Welt im Gebiete der Kunst ihren Stoff als einen solchen, wie er der Menschenseele konform ist. Es ist ja z. B. die architektonische Seele, wenn wir uns so ausdrücken wollen, keineswegs auch eine malerische oder musikalische oder dichterische, und die Verschiedenheit der Künste beruht also nicht nur auf dem Aufsen oder dem Innen, sondern auf beiden vereinigt. Das Charakteristische, Unterscheidende der einzelnen Künste wird daher nur dann richtig verstanden werden, wenn es zwar im Menschen selbst aufgesucht wird, aber nicht in dem abstrakten, begrifflichen Menschen, sondern in dem wirklichen, welcher als Naturwesen und in der Wechselwirkung mit der Natur lebendig ist, die sowohl in ihm wie aufser ihm ihn trägt und umfafst. Nennen wir also jene endlose Menge von inneren und äufseren Faktoren, welche helfend und hindernd sein Naturdasein bedingen, das Sinnliche, Leibliche, und bezeichnen wir jenes, was dieser Vielheit gegenüber ihn als Individuum, als Einheit bewahrt, als sein Geistiges, die Seele; so wird in der Verschiedenheit der Beziehung der Seele (als der Einheit) auf das Leibliche (als der Vielheit) der Grund zu finden sein, warum die eine Seele, um in der Kunst zu einer ihr adäquaten Darstellung zu gelangen, ein solches, die andere ein anderes Material sich vorstellt und darum

auch ein entsprechendes in der Aufsenwelt sich erwählt. Wir deuten hier nur an, was wir allerdings meinen, dass, wenn von Künstlern hervorragenden Schaffensvermögens die Rede ist, sich im Leiblichen und Geistigen, im Temperament, in der Auffassungsweise, im ganzen Charakter auch jene Unterschiede bemerkbar machen werden, welche sie zu den verschiedenen Kunstformen hinweisen.

Die Seele als das Einigende und Zusammenhaltende im Leiblichen mag passend als das Herrschende diesem gegenüber bezeichnet werden, keineswegs aber versteht sie ihre Herrschaft in jedem Individuum in gleicher Art oder übt sie auf dieselbe Weise aus. Was Aristoteles (de anima 1, 3) gegen die Pythagoreischen Vorstellungen von der Seelenwanderung bemerkt, dafs nämlich nicht jede Seele in jeder Leiblichkeit wohnen könne, wie die Baukunst nicht in Flöten, findet auch hier seine Anwendung. Von diesen Verschiedenheiten zunächst abgesehen erkennt und fühlt sich allerdings das erwachte Bewusstsein des Menschen in jedem Individuum als das mit sich Identische im Wechsel des Sinnlichen, als beharrende Einheit dem Vielen gegenüber, und durchgängig wird daher die kunstübende Seele dem Materiale, welches sie zum Kunstwerk gestaltet, Einheit verleihen, denn nur so entspricht dieses ihrem Wesen. Einheit, dem Vielen gegenüber, macht sich, wo sie am schwächsten, lässigsten auftritt, als eine Ordnung, als äufserliche Gruppierung von Teilen in einem Ganzen geltend; straffer und strenger greift sie ein, wenn sie mit Herrschermacht die Teile völlig mit ihrem Willen und Wesen durchdringt, ihnen ihren Stempel aufdrückt und sich so zu ihnen verhält, wie das Leben zu den Gliedern eines Organismus; sie geht endlich auf den Grund dieser ihrer Macht zurück, wird innerlicher und geistiger, erkennt sich als den Wert, als die Bedeutung ihres Leibes und neben ihr behält dann die Vielheit nur den Sinn, die Erscheinung der Seele zu sein. — Und so stellt also die Seele, wenn sie sich in der Kunst eine Gestaltung giebt, die Einheit in ihrer Vielheit dar als eine mechanische, oder als eine organische, oder endlich als eine ideelle. Geben wir das Nähere an. Die Welt erscheint zunächst der Wahrnehmung als blofse Vielheit von Einzelheiten, deren zerstreutes und zerstreuendes Gewirr ein ruhiges Erfassen hindert; wie auch in der Seele sich zuerst der bunte Wechsel von Anregungen der Einheit des Selbstbewusstseins entgegenstellt und das Verlangen nach Sammlung hervorruft. Um sich zurecht zu finden, versucht die

Seele eine Ordnung in das Viele zu bringen, sie gruppiert es, macht es überschaulich, so dafs es sich ihr darstellt als Teile eines Ganzen; sie meint in der Welt der Erscheinungen also geschlossene Gruppen entweder schon zu finden, oder sie schafft sie sich. Das Bewusstsein orientiert sich also entweder in einem ihm an sich äufserlichen Material, oder es formt dasselbe nach seinem Bedürfnis und macht es sich damit heimisch, wohnlich in der Welt. Es ist der Seele hierbei nur um eine Einheit lässiger Art zu thun, dem jenes Mannigfaltige, Viele sich leicht einfügt, und es entsteht so eine Ordnung gefälliger Art, welche dem Belieben noch Spielraum gönnt, die Selbständigkeit der Teile nicht völlig aufheben mag. Als Vielheit dieser Art ist jene ganze Natur zu bezeichnen, welche wir die unorganische nennen. Das Zusammenliegen der einzelnen Gestalten, für unsere Empfindung ein Zusammenwirken, wird Anlafs und Urbild für den künstlerischen Trieb, welcher aus der Grenzenlosigkeit ein für den Menschen Unbeschaubares nach uns zusagenden Verhältnissen zusammenordnet und das Störende beseitigt. Die Weiten begrenzen sich zu Gärten; Höhen und Tiefen, Wölbungen, Grotten, Höhlen immer eine Vereinigung des Stoffes zu Einer Wirkung — werden zu oberirdischen und unterirdischen Bauten, bald mit stärkerer Anlehnung an das von der Natur Gebotene, bald mit phantasievoller Befreiung von derselben. Der Schmuck der unorganischen Natur, die freieren Bildungen der Pflanzenwelt, geben der Phantasie mit ihren Stämmen die Säulen in ihrem Laub, ihrem Blütenmeer die Ornamentik. Wir haben so das Gebiet der Architektur.

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Vischer bespricht (Aesthetik Bd. 3 p. 197) die dunkle Anregung der Phantasie durch die Natur der örtlichen Landschaft und handelt p. 317 über Krystalle und Krystallsäulen als Vorbilder beim gothischen Bau.

Die Seele fühlt sich weiter als Einheit strengerer und innigerer Art ihrer Leiblichkeit gegenüber; ist sie doch deren Lebensprinzip, ohne welche das Viele zerfällt. Sie ordnet nicht nur, sie gliedert das Leibliche, sie durchdringt es, bewegt es nach ihrem Willen; sie hat die Macht, die Teile als solche aufzuheben und organisch zu verbinden. Eine Einheit dieser Art verwirklicht die Natur in ihren organischen Gestalten, am lichtvollsten, der Menschenseele am innigsten entsprechend, in der Menschengestalt selbst. Und wie, ästhetisch betrachtet, das organisch Lebendige das Bewufstsein hineinwirft in die weiten und öden Bezirke des Unorganischen,

- gleichsam die Staffage der Weltlandschaft - so schliefst auch die Phantasie ihre Nachschöpfungen des Lebendigen gern an die deutungsbedürftigen, stummen Schöpfungen der Architektur und berechnet sie auf diese. Das Material, in welches die Seele auf dieser Stufe ihre Ideen einbildet, behält unter den Händen des Künstlers das Gepräge der Vielheit nicht, und es mufs deshalb schon an sich fähig sein, die Einheit nicht mehr als blofses Nebeneinander der Massen erscheinen zu lassen, sondern als ein Ineinanderfluten beseelter Glieder. Gleichmässigkeit und Zusammenhang des zu bearbeitenden Materials ist daher erforderlich und wird entweder aufgesucht, z. B. in Marmor, oder hervorgebracht, z. B. durch Erzgufs. Der Stoff ist also nicht mehr eine zufällige Vielheit, welche äufserlich zusammengebracht und verbunden. wird, sondern an sich schon eine Bestimmtheit und Begrenzung. Die Kunst, welche dieser gröfseren Spannung der Seele und dem lebendigeren Reiz der Natur folgend, in ihren Schöpfungen den Organismus als eine Beherrschung des Leiblichen durch beseelende Einheit, gereinigt von den Schlacken der Endlichkeit, darstellt, ist die Plastik. Bei ihr zeigt die Bildhauerkunst den Moment, die Tanzkunst - im weitesten Sinne die Bewegung, beide aber gefallen durch jene Eurythmie der Gestaltung, welche bekundet, dafs jede Spur irdischer Arbeit, des Existenzkampfes, getilgt ist.

Aber in tieferer Weise noch wird sich die Seele ihrer bewufst, indem sie erkennt, dafs sie es ist, durch welche die Vielheit sich erst zum Eigenleben, zum Bewusstsein ihrer selbst erhebt. Damit weifs sie sich als deren eigentliche Bedeutung, weifs, dafs das Leibliche keine weitere Bestimmung hat, für sich nichts vermag, als dieses: sie erscheinen zu lassen, zu offenbaren. Und so ahnt sie sich als den eigentlichen Wert der Welt, welche in dunklem Ringen, aber doch der Ahnung zugänglich, der Deutung sich in Analogieen erschliefsend, zur Seele werden, Seele aussprechen, sich als Geist bekennen will. Wie die Seele im Menschen, so tritt in der Natur der Geist als das Wesen heraus, und es setzt sich damit die Vielheit zu blofser Erscheinung, zu einem Schein herab. Der Geist wird zum Licht, welches hervorbricht aus dem dunklen Körper und ihn mit farbigem Leben überstrahlt; das Einzelne in der unorganischen Welt schwindet, die Masse löst sich in Duft, die Seele der Landschaft macht sich der Menschenseele vernehmlich, indem sie dieser ihre Stimmung mitteilt, das Geheimnis ihrer Schönheit eröffnet. Und so senkt sich der Blick des Künst

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