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den Verbalwurzeln, welche er objektive nennt, ist W. von Humboldt der Ansicht, dafs sie schwerlich auch Wörter gewesen seien, dagegen glaubt er, dafs dies bei den Pronominalwurzeln anzunehmen sei. (Über die Versch. des menschl. Sprachbaues. p. 116 sq.) Er sagt: „Aufser dem Gesetze der Einsilbigkeit sind die sanskritischen (d. h. die von uns indogermanisch genannten) Verbalwurzeln keiner weiteren Beschränkung unterworfen, und die Einsilbigkeit kann unter allen möglichen Gestalten, in der kürzesten und ausgedehntesten, sowie in den in der Mitte liegenden Stufen hervortreten. Dieser freie Spielraum war auch notwendig, wenn die Sprache innerhalb der Grenze der Einsilbigkeit das ganze Reich von Grundbegriffen umfassen sollte. Die einfachen Vokale und Konsonanten genügten nicht; es mussten auch Wurzeln geschaffen werden, wo mehrere Konsonanten, zu einer untrennbaren Einheit verbunden, gleichsam als einfache Laute gelten; z. B. sta stehen, eine Wurzel, in welcher das Alter des Bestimmtseins des s und t durch das einstimmige Zeugnis aller Glieder unseres Sprachstamms unterstützt wird; so ist in skand steigen (lat. scando) die alte Konsonanten-Verbindung an den beiden Grenzen der Wurzel durch die Begegnung des Lateinischen mit dem Sanskrit gesichert. Der Satz, dafs schon in der ältesten Periode der Sprache ein blofser Vokal hinreicht, um einen Verbalbegriff darzustellen, wird durch die merkwürdige Übereinstimmung bewiesen, mit welcher fast alle Individuen der indo-europäischen Sprach-Familie den Begriff gehen durch die Wurzel i ausdrücken." Die Wurzeln der semitischen Sprachen zeigen uns drei Konsonanten, müssen also, wenn Vokale hinzutreten, zweisilbig ausgesprochen werden, erhalten dadurch aber schon immer eine bestimmte grammatische Form. Demnach scheint auch bei diesen (z. B. nach Ewald, hebräisch. Grammat.) ursprüngliche Einsilbigkeit angenommen werden zu können.

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Renan freilich weicht in Übereinstimmung mit seiner oben gegebenen Ansicht über die blofs ideale Existenz der Wurzeln auch hier von dieser Ansicht ab (de l'orig. d. lang. p. 166 sq.): „Ce n'est donc que par une hypothèse purement artificielle qu'on suppose à l'origine de toutes les langues un état monosyllabique et sans flexions" cet. In Bezug auf die semitischen Sprachen sagt er (histoire générale des langues sémitiques. p. 94): „Telle est la facilité avec laquelle le système des langues sémitiques se laisse ramener à un état plus simple qu'on est tenté de croire à l'existence historique et à la priorité de cet état, en vertu du principe, si

souvent trompeur, que la simplicité est antérieure à la complexité.“ Nachdem er diese Ansicht, als deren Vertreter er Michaelis, Adelung, Klaproth, Gesenius, W. v. Humboldt u. a. nennt, auseinandergesetzt, sagt er (p. 97): „On arrive ainsi à une langue monosyllabique, sans flexions, sans catégories grammaticales, exprimant les rapports des idées par la juxtaposition ou l'agglutination des mots; à une langue, en un mot, assez analogue aux formes les plus anciennes de la langue chinoise. Un tel système devrait sans doute être considéré comme logiquement antérieur à l'état actuel des langues sémitiques; mais est-on en droit de supposer qu'il ait réellement existé?" Er weist dann auf die Gewaltsamkeit hin, mit welcher der Übergang aus dem einsilbigen in den triliteralen Zustand hätte geschehn müssen und schliefst: „Loin de débuter par le simple, l'esprit humain débute en réalité par le complexe et l'obscur; son premier acte renferme en germe les élémens de la conscience la plus développée: tout y est entassé et sans distinction. L'analyse découvre ensuite des degrés dans cette évolution spontanée, mais c'est un grave erreur de croire que le dernier degré, auquel nous arrivons par l'analyse, soit le premier dans l'ordre généalogique des faits." - vide auch Schleicher, Kompendium der vergl. Gramm. der indogerm. Sprachen T. I, p. 3 und die Citate daselbst.

Es ist übrigens interessant zu bemerken, wie vielfach den Sprachforschern bei Betrachtung dieser ältesten Sprachformen der Gedanke oder das Gefühl kam, dafs sie es hier mit Kunstschöpfungen zu thun hätten. Wo z. B. W. v. Humboldt von der Verbindung des Lautes mit der inneren Sprachform spricht (Über die Versch. des menschl. Sprachb. p. 104), schildert er als Produkt eine Synthesis, welche den Charakter der Schönheit trägt, nicht etwa den der Angemessenheit. Er sagt: „Von dem ersten Elemente an ist die Erzeugung der Sprache ein synthetisches Verfahren, und zwar ein solches im echtesten Verstande des Worts, wo die Synthesis etwas schafft, das in keinem der verbundenen. Teile für sich liegt. Das Ziel wird daher nur erreicht, wenn auch der ganze Bau der Lautform und der inneren Gestaltung ebenso fest und gleichzeitig zusammenfliefsen. Die daraus entspringende, wohlthätige Folge ist dann die völlige Angemessenheit des einen Elements zu dem andern, so dafs keins über das andere gleichsam überschiefst. Es wird, wenn dieses Ziel erreicht ist, weder die innere Sprachentwickelung einseitige Pfade verfolgen, auf denen sie von der phonetischen Formenerzeugung verlassen wird, noch

wird der Laut in wuchernder Üppigkeit über das schöne Bedürfnis des Gedanken hinauswalten. Er wird dagegen gerade durch die inneren, die Sprache in ihrer Erzeugung vorbereitenden Seelenregungen zu Euphonie und Rhythmus hingeleitet werden, in beiden ein Gegengewicht gegen das blofse, klingelnde Silbengetön finden, und durch sie einen neuen Pfad entdecken, auf dem, wenn eigentlich der Gedanke dem Laute die Seele einhaucht, dieser ihm wieder aus seiner Natur ein begeisterndes Prinzip zurückgiebt. Die feste Verbindung der beiden konstitutiven Hauptteile der Sprache äussert sich vorzüglich in dem sinnlichen und phantasiereichen Leben, das ihr dadurch aufblüht cet.“ „Überhaupt erinnert die Sprache oft, aber am meisten hier, in dem tiefsten und unerklärbarsten Teile ihres Verfahrens, an die Kunst. Auch der Bildner und Maler vermählt die Idee mit dem Stoff, und auch seinem Werke sieht man es an, ob diese Verbindung, in Innigkeit der Durchdringung, dem wahren Genius in Freiheit entstrahlt, oder ob die abgesonderte Idee mühevoll und ängstlich mit dem Meifsel oder dem Pinsel gleichsam abgeschrieben ist." „Die wahre Synthesis entspringt aus der Begeisterung, welche nur die hohe und energische Kraft kennt" u. s. w.

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So äufsert sich Curtius, Griech. Etymol. p. 21: „Die Aufgabe des (indogermanischen) Sprachforschers ist nicht die, nachzuweisen, wie sich ein Chaos, ein „Urschlamm" allmählich gestaltet hat, sie gleicht eher der des Kunsthistorikers, der die lebensvollen Gestalten der Blütezeit aus den strengen aber scharfen Typen einer älteren, grundlegenden Kunstperiode erklärt.“

Fr. Schlegel (Alte und neue Litt. I, p. 127, bei Pott Etymol. Forsch. II, 1, p. 195) sieht in den Wurzeln das göttlich Positive in den Sprachen, den Grundrifs der im Worte ursprünglich niedergelegten Naturoffenbarung, wozu Pott bemerkt, dafs die Wurzel immer ein „höchstens der Ahnung und poetischen Anschauung" sich kundgebendes Mysterium bleibe. Ist es, fragen wir, anders bei jedem wahrhaften Kunstwerk? Pott selbst führt in poetischer Schilderung aus (1. c. p. 231 sq.), dafs nicht der Verstand die Sprache schuf, „vielmehr, freilich nicht ohne hilfreiche Mitwirkung und ordnende Aufsicht des Verstandes, des Menschen Phantasie, von erregtester Sinnlichkeit entzündet", und deshalb mag der Sprachforscher erst wieder Kind oder Naturmensch werden, um wie durch poetisches Ahnen sich wieder zurückzuversetzen auf den Standpunkt des Sprachbildners, zu dem Ende, die oft lyrischen

Stimmungen, ja dithyrambisch kühnen Sprünge und Flüge der Sprache in ihren Kombinationen zu begreifen. Es gehört reproduzierende Phantasie dazu, die dereinstigen Intentionen einer Sprache wiederzubeleben - nur hat man bei solchem Geschäft eigene selbstthätige Phantasie zum Schweigen zu bringen, und nicht zuzugeben, dafs sich die ihr angehörenden Dichtungen einmengen. Übrigens, weil die Sprache durch und durch symbolisch, hat der Verstand keine Wörter ausschliefslich und von Hause aus für sich, mufs sich vielmehr beständig in Bilder (Verstand selbst, Begriff, Vorstellung u. a. sind solche) hüllen lassen und nur, weil nachmals die ursprüngliche Lebendigkeit ihrer sinnlichen Wahrheit (das Etymon) im Gefühle der Völker ermattet, endlich, beim täglichen Gebrauche, gar das Bewusstsein jener Wahrheit völlig aufhört, nehmen sie später häufig den Schein an entsinnlichter Verstandeswörter."

Wenden wir uns noch zu Max Müller. Er sagt (Vorles. über d. Wissensch. d. Spr. T. I, p. 331): „Die vier- bis fünfhundert Wurzeln, welche als die letzten Bestandteile in den verschiedenen Sprachfamilien zurückbleiben, sind weder Interjektionen, noch Schallnachahmungen; sie sind phonetische Grundtypen, die durch eine, der menschlichen Natur innewohnende Kraft hervorgebracht wurden. Sie existieren, wie Plato sagen würde, durch die Natur; obgleich wir mit Plato hinzufügen sollten, dafs wir, wenn wir sagen durch die Natur, damit meinen, durch göttliches Wirken." p. 306 heifst es: „Die Wurzeln mögen trocken erscheinen, wenn man sie mit den Dichtungen eines Goethe vergleicht, und dennoch liegt etwas wahrhaft Wunderbareres in einer Wurzel, als in der ganzen Lyrik der Welt." Fragen wir, warum in dieser Art das Schaffen der artikulierten Sprache so vielfach mit dem Schaffen der Kunst verglichen wird, ohne dafs man das Wort Kunst direkt mit der Sprache in Verbindung zu bringen wagte, so finden wir den Grund bei M. Müller angedeutet, wenn es bei ihm, und zwar wieder in einer Vergleichung der Sprache mit der Kunst -heifst (p. 335): „Der Aufbau der Sprache erfolgt nicht wie der Zellenbau in einem Bienenstocke, auch nicht wie der Aufbau der St. Peterskirche durch einen Michel Angelo. Er ist das Ergebnis unzähliger wirkender Kräfte, von denen jede bestimmten Gesetzen folgt und die zuletzt das Resultat ihrer kombinierten Wirkungen, befreit von allem, was sich als überflüssig oder unnütz erwiesen, zurücklassen." „Was der Hervorbringung der Wurzel vorangeht, ist das Werk der Natur, was ihr nachfolgt, das Werk des Menschen, nicht in

seiner individuellen und freien, sondern in seiner kollektiven und regelnden Fähigkeit."

Wir glauben hier zu sehen, dafs Müller sich keine Stufe der Kunst vorstellen kann, als entweder eine solche, welche auf dem Naturtrieb der Tiere beruht, oder die aus höchster menschlicher Besonnenheit hervorgeht. Aber, wenn der Mensch dem Standpunkt der Tierseele sich entrückt, tritt er damit sogleich auf den von Michel Angelo? Geht er auf dem langen Wege seiner Entwickelung nicht durch einen naiven, sich selbst noch nicht erfassenden Zustand erst allmählich zur Reflexion, zum selbstbewussten Schaffen? Wie zwischen den Bau der Bienenzelle und dem Bau der Peterskirche indische Phallussäulen, ägyptische Tempelbezirke und Totenbehausungen, Labyrinthe, Mithrashöhlen u. a. m. sich stellen, so sind die Wurzeln, nicht blofs die in der Sprache enthaltenen, sondern die unzähligen, welche spurlos untergegangen sind, als Schöpfungen eines Kunsttriebes zu betrachten, der nicht weniger auch dem Dasein des Menschen notwendig ist, als den Bienen der ihrige, und der fort und fort die Sprache technisch wie ideell fortbildet, wie es die Geschichte der Sprachen zeigt. Die Stufe der Kunst, auf welcher die Wurzeln geschaffen wurden, ist die der unbewufsten Symbolik. Wenn Müller sagt, was der Wurzel voranging, sei das Werk der Natur gewesen, was ihr folgte, Werk der Menschen, so fehlt gerade dies, dafs er uns sagt, wessen Werk die Wurzel selbst war, nämlich Natur, von welcher der Mensch Besitz nahm.

Es ist nötig, zu bemerken, dafs im wesentlichen alle Wörter der artikulierten Sprache auf Wurzeln zurückzuführen sind, dafs also der Sprache überall der symbolische Charakter zukommt. Einzelne Interjektionen, wie Hm! Pfui! einzelne Schallnachahmungen, wie Kukkuk, haben sich als Naturlaute eingemischt, aber im übrigen haben wir nur Symbole, d. h. nicht Lautbilder von Reizen, sondern Lautbilder von Vorstellungsbildern. Die Ausnahmestellung der Deutelaute, welche auch als Pronominalwurzeln betrachtet werden können (siehe oben p. 154), wird später noch zu besprechen sein. - Buschmann (Über den Naturlaut. p. 391. [Abhandlung der Akad. der Wissensch. vom Jahre 1852]) sucht zwar das Entstehen gewisser Laute dadurch zu erklären, dafs er auf ihre überaus leichte Artikulation hinweist, welche sich naturgemäfs entwickelt habe, aber er scheint im Irrtum. Er sagt: „Der Laut, mit welchem so viele Völker übereinstimmend oder ähnlich den Vater oder die Mutter benennen, schwebte, als erste Artikulation,

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