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IV. Die Sprachwurzel als Werk naiver Kunst. Ihr Wesen im Gegensatz zu den Naturlauten, ihre Gestalt, ihr Lautmaterial; ihre Fähigkeit, der Mitteilung zu dienen. Die Symbolik der Laute.

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Wir hatten die Bewegung der Wechselwirkung zwischen Seele und Laut so weit begleitet, dass wir erkannten, wie die Bildung von Vorstellungen" dem Wesen der Empfindungslaute gemäfs erfolgt, und wie damit im Bewusstsein die Unterscheidung eines Objektiven vom Subjekt eintritt. Wie wir nun wahrnehmen, dass innerhalb der vollendeten Sprache reicherer und gewaltigerer Gebrauch derselben Hand in Hand geht mit der Erweiterung und Vertiefung des geistigen Lebens, so haben wir auch den Übergang von der Sprache der Naturlaute zu der artikulierten aus der vorgeschrittenen Geistesentwickelung zu begreifen.

Wenn also die Seele, indem sie ihre Lautäufserungen sich deutet, als vorstellende sich allgemeiner verhält, gruppenweise die einzelnen Erscheinungen zusammenfafst und so zu Begriffen gelangt, wird infolgedessen auch ihr Laut die Unmittelbarkeit der Natureinwirkung verlieren und eine Bestimmung von seiten des Bewusstseins erfahren, mit welcher dieses ausdrückt, dafs es nicht mehr von dem Reiz einer sinnlichen Anschauung ergriffen wird und eine Empfindung austönen mufs, sondern dafs es von seiner Vorstellung geleitet ist. Der nunmehr hervorgebrachte Laut giebt demnach nur noch ein Bild der Erscheinungen und Vorgänge, ein Lautbild, welches nicht mehr, wie der Empfindungslaut, blofs das Schattenbild ist, welches der von der Sonne der Natur durchleuchtete und aufglänzende Organismus wirft, sondern eine Ausführung, an welcher die Seele mit eigener Kraft sich beteiligt. Indem wir dies Bild gebrauchen, fällt uns ein, dafs wir in ähnlichem Bilde von Heraklit das Gegenteil gesagt wissen (nach Ammonius zu Arist. de interpret. p. 24): „ozévau rào và óvóμata ταῖς φυσικαῖς ἀλλ' οὐ ταῖς τεχνηταῖς εἰκόσι τῶν ὁρατῶν. οἷον ταῖς σκιαῖς καὶ τοῖς ἐν ὕδασιν, ἢ τοῖς κατόπτροις ἐμφαίνεσθαι εἰωJoo" cet.

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Wenn nämlich durch ein Hörbares den Laut ein Reiz, eine Empfindung dargestellt wird, kann diese Darstellung freilich nur ein Bild sein, wie wir schon oben (p. 157 sq.) erörterten, und insofern sind alle Empfindungslaute Lautbilder, aber das Bild, welches die Vorstellung entwirft, ist noch ein anderes. Denn als vorstellend ist der Mensch nicht mehr eins mit der Natur; er

unterscheidet die Objekte und deren Reizungen von sich und will nicht diese selbst darstellen, sondern solches Bild von ihnen, wie er es sich eingebildet hat. Diese Einbildung ist sein Werk, und auch sie, wie jedes Innerliche, drängt dazu, wenn schon nicht mehr aus blofser Gewalt der Natur sich nach aufsen hinzustellen, hören zu lassen, was und wie sie ist. Aber, entrückt den unmittelbar zwingend auf den Organismus wirkenden Reizen der Natur, hat nunmehr die Seele Zeit, sich zu besinnen, sie hat Stellung genommen, ringt sich durch zu jener Freiheit, ohne welche ein Gebilde der Kunst nicht zustande kommt. Herder sagt (Ursprung d. Spr.): „Das erste Merkmal der Besinnung war das Wort der Seele. Mit ihm ist die menschliche Sprache erfunden." Der Mensch selbst will nun eine Darstellung eines innerlichen Vorgangs geben, will einen Lebensmoment der Seele in einem Lautbilde verkörpern. Er will dies; mag man nun im besonderen den Grund, welcher ihn dazu bewegt, als Freude an einem Spiel bezeichnen, welches seine Vorstellung mit dem natürlichen Lautmaterial zu treiben beginnt, oder als Regung der Imagination, welche im Laute feste Gestalt zu gewinnen bemüht ist. Es wird also ein Innenbild dargestellt durch ein Aufsenbild, d. h. ein an sich Allgemeines, welches doch als Besonderes gemeint wurde, wird dargestellt durch ein anderes Besondere, welches doch an sich ein Allgemeines bezeichnet. Der so gebildete Laut ist demnach Symbol, und der Mensch betritt, indem er ihn hervorbringt, das Gebiet der Kunst. Wir führen hierzu Schelling an (nach Lotze, Geschichte d. Aesthet. in Dtschl. p. 293): „Darstellung des Absoluten mit absoluter Indifferenz des Allgemeinen und Besonderen im besonderen und dies sei die Aufgabe der Kunstsei nur symbolisch möglich. Schematismus sei die Darstellung, in welcher (wie z. B. beim Denken) das Allgemeine das Besondere bedeute, oder Besonderes durch Allgemeines angeschaut werde; Allegorie deute (wie z. B. beim Handeln) Allgemeines durch Besonderes an; Symbol sei die Synthesis beider, in welcher (wie in der Kunst) weder Allgemeines das Besondere, noch dieses jenes bedeute, sondern beide absolut Eins seien." Es versteht sich, dafs wir uns bescheiden, von dem „Absoluten" etwas Genaueres zu wissen, aber, wenn man uns sonst noch gestattet, auch der Allegorie den Kunstcharakter zuzugestehn, können wir im übrigen wohl beistimmen.

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Bevor wir die ungemein wichtige Frage über die Bedeutung, welche den so gebildeten symbolischen Lauten eigen ist, (im fol

genden Abschnitt) fortführen, geben wir an, welche Vorstellung von diesen ersten Schöpfungen der artikulierten Sprache man sich nach der neueren Sprachforschung zu machen hat. Die Sprachwissenschaft nennt sie Wurzeln. Um sie in den indogermanischen Sprachen aufzufinden, hat man, wie z. B. Curtius (Grundzüge der griechischen Etymologie p. 43 und 44) entwickelt, „alles Formelle und Zufällige von einer gegebenen Wortform abzustreifen." Es sind ferner, da „diese Wurzeln zwar durch Abstraktion gewonnen werden, hieraus aber keineswegs folgt, dafs sie nicht wirklich wären“, da vielmehr die Annahme wahrscheinlich ist, dafs solche Wurzeln in der frühesten Periode des Sprachlebens, d. h. in der der Flexion vorausgehenden, auch getrennt von allen Zusätzen eine reale Existenz hatten, dafs mit andern Worten wenigstens viele derselben einmal wirkliche Worte waren, als indogermanische Wurzeln nur solche Lautkomplexe anzuerkennen, welche nach den Lautgesetzen der indogermanischen Ursprache sprechbar sind." Es ergiebt sich z. B. in der Wortform tieto das & als eine Form, welche Vergangenheit bezeichnet, T als Reduplikationssilbe, to als Bezeichnung der dritten Person Sing. Med. also bleibt als Wurzel 9ɛ; würde èyíɣveto so zerlegt, so käme man zu der für sich nicht aussprechbaren Wurzel yv, es ist also yev (révos, Skt. gʻan) anzunehmen.

Bestimmt behauptet z. B. Max Müller (Vorlesungen über Wissensch. d. Spr. übers. von Böttger. Abt. I. p. 307): „Die Wurzeln sind nicht, wie dies gewöhnlich behauptet worden, blofse wissenschaftliche Abstraktionen, sondern sie wurden ursprünglich wie wirkliche Wörter gebraucht." Und so heifst es bei Schleicher (Die deutsche Sprache p. 7): „Die Laute und Lautkomplexe, deren Funktion es ist, die Bedeutung auszudrücken, nennen wir Wurzeln." (p. 44): „Die Form der Ursprachen war keine andere, als die einfachste, deren die Sprache überhaupt fähig ist." „Sämtliche Ursprachen bestanden also nur aus Bedeutungslauten." „Der Satz z. B. „der Mensch steht", oder, was in dieser Periode wohl nicht lautlich geschieden ward, „die Menschen stehen", oder auch „des Menschen Stand", dies und noch manche andere Beziehung, in welcher die Bedeutungen Mensch“ und „Stehen“ neben einander gestellt gefasst werden können, alles dies mufs in der Urperiode unseres Sprachkörpers gelautet haben ma sta, denn dieses sind die kürzesten Wurzelformen, die Grundbestandteile jener zwei Worte."

Nicht so betrachtet die Wurzeln z. B. Renan, der sie den

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einfachen Elementen vergleicht, auf welche in der Chemie die Körper zurückgeführt werden: (hist. d. lang. sémit. p. 450) „les racines sont en philologie ce que les corps simples sont en chimie“. Er sagt (de l'origine du lang. p. 153): „En analysant les langues les plus anciennes, on voit peu à peu s'effacer les limites des catégories grammaticales, et on arrive à une racine fondamentale qui n'est ni verbe, ni adjectif, ni substantif, mais qui est susceptible de devenir tout cela." Er giebt dann zu, dafs Sprachen, wie z. B. die chinesische, auf dieser Stufe des Ausdrucks stehen bleiben können, aber, fragt er: „Est-ce là une raison pour dire que le radical pur a en effet précédé la distinction des noms et des verbes? Non, certes. Le thème primitif qui se cache sous les formes dérivées, bien qu'il constitue seul la partie essentielle de ces formes, n'a jamais existé à l'état simple." In demselben Sinne erklärt sich Pott. (Etymologische Forschungen auf dem Gebiete der Indo-Germanischen Sprachen. T. II. Abt. I.) Er sagt (p. 194) die Wurzeln sind stets nur ideale, dem Grammatiker zu seinem Geschäft nötige Abstraktionen", „ein Produkt, oder wohl richtiger gesprochen, Edukt grammatischer Kunst, einer, so zu sagen, chemischen Analyse". „Man hat also die Wurzel historisch nicht vor der Rede, und rein in der Sprache vorhanden zu denken, sondern bereits in Verbindungen eingegangen." „Es genügt (p. 95), dafs die Wurzeln - unausgesprochen nur gleichsam als kleine Bildchen der Seele vorschweben, während der Mund sie fortwährend mit bald dieser bald jener Form umkleidet und so in hundertfachen Fällen und Verbindungen der Luft zum Weitertragen übergiebt" (cf. auch p. 224.)

Was Pott sagt, scheint uns als Warnung zu beherzigen, dafs man nämlich nicht annehmen dürfe, mit Ausziehung der Wurzeln auch die Ursprache entdeckt und festgestellt zu haben; aber es wird sich nicht bestreiten lassen, dafs die Laute der Ursprache so gewesen sein können wie unsere Wurzeln, wir wissen es jedenfalls nicht besser und dafs sie ungefähr so gewesen sein müssen. Schwerlich sind die Laute der Ursprache so bestimmt gewesen, wie wir sie jetzt künstlich bestimmen, aber andererseits können wir sie nicht als blofs der Seele vorschwebend denken, denn immer handelte es sich doch um einen bestimmten Sinn, also um eine bestimmte Äufserung, und wie hätte diese gesprochen werden können, ohne eine wenn auch nur den Beginn der Artikulation anzeigende Form? Ob nun zugleich mit dem Auftreten der Wurzel auch Bildung von Wortformen aus ihr anzunehmen sei,

kann unentschieden bleiben, ganz unwahrscheinlich aber ist, dafs unter den gesprochenen Formen sich die der Wurzel nicht vorzugsweise befunden habe. Und so mögen wir denn schliesslich wohl der vorsichtigen Erklärung hierüber beistimmen, welche Steinthal giebt: (Charakteristik der hauptsächlichsten Typen des Sprachbaues p. 276 sq.) „Nur auf dem Gebiete des sanskritischen Stammes können wir mit Recht von Wurzeln reden; denn nur hier ist bis jetzt die grammatische Analyse so weit vorgeschritten, dafs sie in der Mehrzahl der Fälle von den Wortformen der lebendigen Rede alle formalen Elemente abzulösen und einen Grundstoff zurückzubehalten versteht, den man eben Wurzel nennt."

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So sind wir hier imstande in den Wurzeln Sprach-Elemente aufzustellen, welche nicht nur einen abstrakt theoretischen Wert haben, welche nicht nur zum Behufe grammatischer Rechnung und Formulierung hypothetisch angesetzt werden; sondern die Wurzeln - insoweit sie richtig aufgestellt sind, was in einem grofsen Teile derselben wenigstens höchst wahrscheinlich ist stellen wirkliche Sprach-Elemente der Urzeit dar und kommen den ersten Erzeugnissen der Sprachschöpfung sehr nahe, mögen oft genug mit ihnen zusammenfallen. Hiernach könnten wir uns die Aufgabe stellen, die Geschichte des sanskritischen Sprachstammes von der Wurzelschöpfung bis zur völlig entwickelten Wortform — nicht blofs als ein theoretisches Geschehen, sondern als ein zeitliches Wachsen darzustellen. „So können wir uns z. B. von vornherein des Gedankens gar nicht entschlagen, dafs zu einer bestimmten Zeit, es sei 4000 oder 5000 vor Chr., der sanskritische Stamm eine reine Wurzel-Sprache gesprochen habe, die der chinesischen innerlich sehr ähnlich gewesen sein wird. Freilich war diese doch niemals eine solche, wie die chinesische; denn die sanskritischen Sprachen sind flexivisch geworden, diese aber ist es nicht, in ihnen mufs also ein Trieb gelegen haben, der in dieser nicht lag. Wahrscheinlich war die Verschiedenheit unerfafsbar gering; darum aber war sie doch nicht minder vorhanden und wuchs mit jedem neuen Sprach-Akt."

Was die Lautform der indogermanischen Wurzeln angeht, so haben sich die Sprachforscher für ihre Einsilbigkeit entschieden. Schleicher (Konpendium der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen T. II, p. 287) stellt hin: „Unverbrüchliches Gesetz der indogermanischen Wurzeln ist die Einsilbigkeit." Bopp (Vergleichende Grammatik, p. 194 sq.) unterscheidet Verbalwurzeln und Pronominalwurzeln, beide aber sind einsilbig. Von

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