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Mitlebenden bedingen sie und geben ihr Richtung und Gesetz. Wahre Kunstbegeisterung entspringt aus dem Bewusstsein des Künstlers, für alle zu arbeiten; ohne innige Beziehung zum Volksgeiste, ohne geschichtliche Berechtigung schafft kein Künstler, giebt es keine Kunst.

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Es darf endlich nicht übersehen werden, dafs auch dort schon Freude an dem Können und Schaffen, an dem Schein und an dem Schönen vorhanden ist, der Eintritt in die Sphäre der Kunst also anzuerkennen, wo doch von den höchsten oder auch nur von reinen Kunstforderungen nicht die Rede sein kann. Auch an der Kunst haftet ja ein individuelles Moment denn kein Mensch ist nur Künstler und sonst nichts und, absolut genommen, entspricht so keine Hervorbringung der Idee der Kunst vollkommen. Auch der Mensch ist nicht blofs in der Zeit vollkommener Reife des Körpers und des Geistes wenn anders in seinem Leben dieser Punkt bestimmt angegeben werden kann als wirklicher Mensch zu erachten, vielmehr stellt er diesen in dem Verlauf seines ganzen Lebens dar, so weit ihm dies nach den Schranken seiner Individualität vergönnt ist, nicht aber in einem einzelnen Daseinsmomente. So wird also eine unbefangene Betrachtung die Anfänge ästhetischer Entwicklung nicht deshalb mit Verachtung behandeln, weil bei ihnen nur ein Minimum ideellen Gehalts hervortritt und also auch eine Befriedigung sehr leichter Art stattfindet. Immerhin mag man diese mit dem Namen des sinnlichen Wohlgefallens von reineren Kunstgenüssen unterscheiden; dennoch wird, wer sich darauf versteht, als ein Mensch von Geschmack zweifellos in einem Bezuge zur Kunst und zum Schönen stehn. Der Sinn des Gefühls, Geruchs und Geschmacks lassen keine Art ästhetischen Genusses zu, als diese niedere, Auge und Ohr sind aber von ihr nicht ausgeschlossen. Ein Feuerwerk, ein Kaleidoskop, der Ton der Äolsharfe, der Glocken schmeicheln in der That nur den Sinnen, eine wohllautende, weiche Stimme, gefällige Aussprache ist am Ende, abgesehen vom Inhalte des Gesprochenen, blofser Reiz, dennoch würde eine schwache Empfänglichkeit für dergleichen Anregungen des Auges oder Ohrs auch sicher auf geringen Sinn für die bildenden und musischen Künste überhaupt schliefsen lassen.

Und wenn in diesem Falle die ästhetische Auffassung und die dieser entsprechende Kunst hinter dem Begriff der Sache zurückbleibt, so kann andererseits eine einseitige Ausbildung des begrifflichen Denkens oder des praktischen Strebens die Menschen

dahin führen, dafs sie überhaupt die Befriedigung des Geistes auf dem Wege der Kunst allein ablehnen, ohne doch die Verbindung mit ihr vollständig aufzugeben. Das Interesse am Schönen ist dann freilich kein reines mehr, man naht sich dem Objekt nicht mehr ohne einen bestimmten anderweitigen Zweck und trennt die Form von dem Wesen, aber auch dann ist die Beziehung zur Kunst noch anzuerkennen, und wer also nur etwa noch didaktische Poesie ernst genug für sich findet, Leopold Schefers Laienbrevier, oder Angelus Silesius Sprüche, der ist doch ohne Sinn für Poesie nicht zu denken.

Liefern uns für die Auffassung des Schönen in den Anfängen. der Kunst im allgemeinen die Ungebildeten Beispiele, so werden uns für das zuletzt geschilderte Verhältnis zur Kunst als Individuen Gelehrte, Männer der Wissenschaft einfallen, als Völker Römer und Chinesen, als Zeiten z. B. die der Meistersänger in Deutschland.

Zusammenfassend also sagen wir: die Kunst ist nur scheinbar dem Individuum angehörig, sie ist das Werk und der Besitz der Gattung, wie etwa die Religion, die Geschichte. Auch in der Geschichte sind es nicht die einzelnen sogenannten geschichtlichen Personen, welche diese machen, sondern die Völker sind es, welche durch Einzelne sich aussprechen.

Wir weisen noch darauf hin, dafs die Beteiligung an der Kunst in dem Mafse allgemeiner zu werden scheint, als diese geistiger wird. Es folgen so: Architektur, Plastik, Malerei, Musik, Sprachkunst, Dichtkunst d. h. Kunst im Gebiet des Gedankens. —

3. Vom Ursprung des Kunstwerkes.

Wir bezeichneten oben den Schmerz als den Stachel, welcher ursprünglich in der Menschenseele das Bedürfnis der Kunst erweckt. Es ist dies jetzt näher anzugeben.

Das Tier lebt in unmittelbarer Einheit mit der Natur, ist daher mit ihr weder zufrieden noch unzufrieden. Auch der Mensch ist Natur, aber er entwickelt sich zu einer Doppelstellung; er ist sie selbst, aber er ist auch sie selbst gegen sich selbst, denn er ist Dasein und er ist Ich. Sein Dasein verläuft nach dem Naturgesetz, sein Ich strebt nach Selbstbestimmung, d. h. nach Freiheit. Die Weltgeschichte zeigt, wie in diesem Ringen des Ichs mit der

Natur das Menschengeschlecht sich entfaltet. Wir fühlen demnach, sobald wir anfangen uns zu fühlen, zugleich unsere Entzweiung, fühlen die Natur als uns fremd, gleichgiltig, inkongruent, und dieser Schmerz treibt zur Darstellung einer uns kongruenten Natur, (bruchstücksweise, wie wir ja auch nur einzelne Daseinsmomente in uns selbst zu empfinden vermögen) — welche uns durch die Wirklichkeit des Kunstwerks die Möglichkeit unserer Kongruenz mit der Natur erweist, welche unser Ideal als in den Bedingungen mit einbegriffen zeigt, unter welchen die Natur steht. Goethe spricht über diese Inkongruenz der Natur gegen Sulzer (Gr. Ausg. Teil 26 p. 17), und sagt u. a. Was wir von Natur sehen, ist Kraft, die Kraft verschlingt; nichts gegenwärtig, alles vorübergehend; tausend Keime zertreten, jeden Augenblick tausend geboren, grofs und bedeutend, mannigfaltig ins Unendliche; schön und häfslich, gut und bös, alles mit gleichem Rechte neben einander existierend. Und die Kunst ist gerade das Widerspiel; sie entspringt aus den Bemühungen des Individuums, sich gegen die zerstörende Kraft des Ganzen zu erhalten."

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In dem Gefühl der Inkongruenz unseres durch Naturnotwendigkeit bestimmten Seins und der Freiheit des Ich liegt ebensowohl der Keim des Stolzes auf unsere Menschenwürde, der zu Thaten treibt und die Natur sich zu unterwerfen strebt, wie das Leiden der Seele, welches sehnsüchtig nach Mitgefühl, Ruhe, Versöhnung trachtet; jener Stolz betont das Ich, dieses Leiden bekennt unsern Zusammenhang mit der Natur, unsere Trennung von einer Mutter. Theoretisch bethätigt sich jener Stolz in der Philosophie, praktisch in der Ethik und Politik; theoretisch bethätigt sich dieses Leiden in der Religion, praktisch in der Kunst, und der Kultus der Religion wird daher leicht zur Kunst selbst.

Dieses Leiden ist also kein vorübergehendes, es ist mit dem Ich zugleich gegeben, dessen Wahlspruch Hobbes' Wort ist: „exeundum e statu naturae" - und steigert sich darum mit dem fortschreitenden Bewusstsein. Die Kultur, das Reich des Ich, wird zuletzt bedroht durch den Angstschrei des vereinsamten Herzens: Retournons à la nature! Wir sehen alsdann in der unvernünftigen Natur nur eine glücklichere Schwester, die in dem mütterlichen Hause zurückblieb, aus welchem wir im Übermut unserer Freiheit heraus in die Fremde stürmten: Mit schmerzlichem Verlangen sehnen wir uns dahin zurück, sobald wir angefangen, die Drangsale der Kultur zu erfahren, und hören im fernen Auslande

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der Kunst der Mutter rührende Stimme." (Schiller: Über naive und sent. Dichtung. Gr. Ausg. T. 10 p. 295.)

Es könnte im Hinblick auf jene Entgegensetzung, welche Schiller (Über naive und sentimentalische Dichtung) zwischen naiver und sentimentalischer Dichtkunst macht, uns scheinen, als hätte unsere Auffassung nur die letztere, d. h. also die moderne, im Auge, denn nach Schiller geniefst in jener die glückliche Menschheit die Natur als eine Wirklichkeit, welche ist, und strebt nur in dieser nach einem Ideal, welches sein sollte. Schiller übersieht indes, dafs eben in dem Reiz des Schaffens der Schmerz schon sich kund giebt und von ihm aus sich immer schärfer zuspitzt, aufsteigend von Nichtbefriedigung bis zur Qual, und der von ihm entwickelte, im übrigen wohl begründete, Unterschied zwischen antiker und moderner Kunst ist ein gradueller, kein absoluter. Auf Goethe z. B., dessen Schöpfungen Schiller selbst in der Abhandlung als naive bezeichnet, welcher sich das Bedrückende von der Seele herunterschrieb, würde die Unterscheidung nur sehr bedingt anzuwenden sein, und es dürfte genügen, jene naive Dichtkunst als eine solche zu denken, in welcher der Anstofs zur Kunstschöpfung überwiegend von der Natur ausgeht, die sentimentalische als diejenige, welche vom Subjekt aus beginnt. Ein Sein bringt es jedoch nie ohne Entsprechen des andern Faktors zum wirklichen Schaffen. Es ist ferner selbstverständlich, dafs, da die Kunst eben aus jenem Schmerze hervorgeht, sie (für jeden betreffenden Daseinsmoment) auch dessen Heilung ist, so dafs er in ihr sich auflöst oder vielmehr zu Grunde geht. Die kunsterfüllte, kunstbegeisterte Seele weifs daher auch nichts mehr von ihrem Schmerz, wenn sie sich nicht besinnt, sondern sie freut sich jenes erhöhten Lebens als eines sich von selbst vorstellenden; freilich ist uns Menschen solches Leben nur zeitweilig vergönnt, und nur zeitweilig auch ist es berechtigt.

Dafs aber jener Schmerz der Gattung in uns, welcher seine Heilung in der Kunst findet, erst später in das Bewusstsein tritt, sowohl bei den Individuen als im Leben der Völker, hat darin seinen Grund, dafs er feiner ist, weil geistiger Art. Er wird deshalb nicht gefühlt, oder tritt doch auf so lange zurück, bis der erste Tumult unseres Naturdaseins sich gelegt hat, bis das Individuum als solches sein sinnliches Bestehen der Aufsenwelt gegenüber gesichert hat. Solange noch der Kampf um die Existenz selbst geführt wird, solange noch das rohere Bedürfnis unmittelbar uns zur Unterwerfung unter die Natur zwingt, so

lange also der Mensch sich noch nicht loszulösen vermag von ihr, nur ihre Stimme hört und beachten mufs, so lange also die Entzweiung nicht eingetreten ist und von dem Bewusstsein erfafst wurde, so lange bedarf er keiner Kunst und hat deshalb keine. In diesem Sinne gilt, was Schopenhauer sagt (Welt als Wille und Vorstellung T. 2 p. 466): „Die Mutter der nützlichen Künste ist die Not; die der schönen der Überflufs. Zum Vater haben jene den Verstand, diese das Genie, welches selbst eine Art Überflufs ist, nämlich der der Erkenntniskraft über das zum Dienste des Willens erforderliche Mafs." Es verhält sich ebenso mit jeder anderen Bethätigung der Freiheit des Menschen; die äufseren Voraussetzungen für das Entstehen von Wissenschaft, Gesetz, Religion, Kunst sind im ganzen und grofsen dieselben, und darum ist für sie das Weib, wesentlich die Naturseite des Geschlechts darstellend und festhaltend es fehlt ihm eben die Entzweiung in ihrer Tiefe - weniger angeregt und befähigt. Wie sehr verschwinden übrigens, von hier aus angesehen, die Ungleichheiten im Schicksal der Menschen! Ohne Tiefe der Entzweiung kein Denker, kein Künstler; erst der zerreifsende Seelenschmerz fafst die Wahrheit, fafst den Glauben und kennt sie; ohne Hölle kein Himmel der Seligkeit; schlafen die Sorgen des täglichen Brotes, so erwachen um so lebendiger die Kämpfe der Seele, wer ein Mittelmafs von selbst sich bewahrt, wen nie der Menschheit ganzer Jammer erfafst, weil seine Natur es ihm so verstattet, der ist doch auch in seinem Glücke immer nur mittelmässig.

Damit die Seele sich ausspreche, mufs sie sich mit einem Leibe bekleiden, einem Stoffe, und diesen entnimmt sie der Natur. Sie schafft sich so eine von ihr belebte, vermenschlichte Welt, welche ihre Gleichgültigkeit und Fremdheit abgelegt hat und mit ihr sympathisiert. Schon unser Weinen, Klagen, Aussprechen erleichtert uns, und doch ist es nur der menschliche Laut, welcher durch das Medium der Luft an uns anklingt und wie ein Zeichen des Mitgefühls der Natur uns unserer Einsamkeit entreifst. Goethe entlastete seine Seele, wie er sagt, indem er, was ihn erfreute oder quälte, oder sonst beschäftigte, in ein Bild, ein Gedicht umwandelte", d. h. indem er es dem Ich entrifs und seiner KunstWelt übergab, und es ist hierbei in der That dasselbe, ob die Seele, welche zur Darstellung sich gedrungen fühlt, ihre Anregung von freudigen oder von schmerzlichen Empfindungen empfängt, denn auch die Freude schmerzt, wenn sie einsam bleibt,

Gerber, die Sprache als Kunst. 2. Aufl.

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