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giebt es wissenschaftlich keine Schöpfung, wir wissen nur von einer Entwickelung.

Die Sprache entstand zuerst, als die erste Wurzel, Werk der schöpferischen Kunst des Menschen, den ersten zum Aussprechen reif gewordenen Seelenakt darstellte; aber sie entsteht noch immer, und dieses Entstehen ist zu begreifen, wenn ihr Wesen verstanden werden soll.

Unsere Erörterung über den Ursprung der Sprache hat also einen idealen Vorgang im Auge, der deshalb auch immer geschieht; sie zeichnet einen Entwurf, in dessen Gebiet sich die Wirklichkeit im wesentlichen gehalten haben muss und ferner hält. Was solcher Erörterung einige Sicherheit geben kann, ist einmal dies, dass aus der unveränderlichen Natur des Menschen geschlossen wird, die wir studieren können, dafs ferner wir die lebendige Sprache von jener Erörterung aus verstehen. Dies ist auch nur, was die Wissenschaft erreichen kann, sonst ist Ursprung der bestimmten, zeitlich gegebenen Sprache ebenso unbegreiflich, wie der des bestimmten Menschen. Kann etwa ein entstehendes Menschenkind allein weiterleben? Entstand sofort Mann und Frau? Solche Fragen löst der Mythus besser als der wissenschaftliche Verstand. Wir wissen genug vom Ursprung des Menschen, wenn wir wissen, wie er jetzt entsteht. Unsere Frage heifst also etwa: Wie begreifen wir die Sprache aus denjenigen Bedingungen und im Einklange mit ihnen, welche uns sonst über die Natur des Menschen bekannt sind?

Die neuere Sprachforschung seit Wilhelm v. Humboldt pflegt die Frage in diesem Sinne zu stellen; es stellt sie so z. B. Lazarus, Leben der Seele, Bd. 2. p. 8. Heyse, System der Sprachwissenschaft, p. 47. Steinthal, Grammatik, Logik und Psychologie, p. 231. Max Müller, Vorlesungen über die Wissenschaft der Sprache (übers. v. Böttiger), Bd. 1. p. 394 u. and. Den älteren Untersuchungen über den Ursprung der Sprache lag die Ansicht, nach welcher ein bestimmter, zeitlicher Anfang einer als fertig zu denkenden Sprache anzunehmen sei, zu Grunde, oder wurde doch nicht bestimmt genug abgewiesen. So spricht Plato im Cratylus (p. 424) von dem ovoμaotizós, wie man von einem μουσικός und γραφικός rede, der also ὀνομαθέτης, ὀνοματουργός sei; Cicero (Tusc. disp. I, 25) spricht von dem „qui primus, quod summae sapientiae Pythagorae visum est, omnibus rebus imposuit nomina" (von derselben mystischen Person, welche nach Proclus (zum Cratyl. p. 6) Pythagoras bezeichnete als: ỏ tà ỏvóμata

τοῖς πράγμασι θέμενος) und vergleicht ihn mit dem ersten Staatengründer. Leo Magentius zu Aristoteles (de interpr. p. 102) nennt diesen Erfinder vouodéns und so auch Ammonius zu Arist. de interpr. p. 24 B ed. Ald. (cf. Lersch, Sprachphilosophie der Alten, T. I, p. 28). Theophilus (ad Autol. lib. II, p. 98) schrieb diese ỏvoμadɛoía dann Gott selbst zu. (cf. Davis zu Cic. Tusc. I, 25.) Eustathius trägt auch die Vorstellung vor, welche aus Homer zu entnehmen ist, dafs Götter und Menschen, jeder für sich, eine besondere Sprache erfunden hätten. (Zur Ilias I, 404, p. 124, 24. -)

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So wurde die Frage nach dem Ursprung der Sprache eine Frage danach, wie sie als Erfindung der Menschen hätte entstehen können, oder durch eine Offenbarung Gottes, denn beides ist ein bestimmter Akt. Damit war denn die Vorstellung notwendig verknüpft, dafs die Sprache auch nicht hätte entstehen können, so dafs von ihrer notwendigen Verbindung mit dem Geiste des Menschen kein Bewusstsein vorhanden war.

Bis auf Wilhelm von Humboldt, wie schon gesagt, kommt man hierüber nicht recht hinaus trotz Herders schöner Bemühung in seiner Preisschrift: „über den Ursprung der Sprache, 1770," welche Süfsmilchs Beweis, dafs der Ursprung der Sprache göttlich sei." (Berlin 1766) hervorrief. Rousseau z. B. („Discours sur l'origine et les fondemens de l'inégalité parmi les hommes"), der sich der Annahme eines übernatürlichen Ursprungs der Sprache nicht entziehen zu können meint, läfst sich hierdurch nicht hindern, an ihrer Notwendigkeit und selbst an ihrem Nutzen für das Menschengeschlecht zu zweifeln. Er bleibt nämlich in dem Dilemma stecken: „que la parole paroît avoir été fort nécessaire pour établir l'usage de la parole" und schliefst seine Betrachtungen über den Ursprung der Sprache mit den Worten: „Quant à moi, effrayé des difficultés, qui se multiplient, et convaincu de l'impossibilité presque démontrée que les langues aient pu naître et s'établir par des moyens purement humains, je laisse à qui voudra l'entreprendre, la discussion de ce difficile problême, lequel a été le plus nécessaire de la société déjà liée à l'institution des langues, ou des langues déjà inventées à l'établissement de la société?" - In Bezug aber auf den Wert der Sprache führt er u. a. dem „peuple lettré“ den Isaac Vossius an (de Poëmat. Cant. et viribus Rhythmi, p. 66) (Note 13): „Nec quidquam felicitati humani generis decederet, si, pulsa tot linguarum peste et confusione, unam artem callerent mortales, et signis, motibus, gestibusque licitum foret

quidvis explicare. Nunc vero ita comparatum est, ut animalium quae vulgo bruta creduntur, melior longe quam nostra hac in parte videatur conditio, utpote quae promptius et forsan felicius sensus et cogitationes suas sine interprete significent, quam ulli queant mortales, praesertim si peregrino utantur sermone."

Ebenso bewegt sich Lessing (Bd. X. „Zus. zu K. W. Jerusalems Schrift": "dafs die Sprache dem ersten Menschen durch Wunder nicht mitgeteilt sein kann“) innerhalb dieser Gegensätze: „Sprache durch Wunder mitgeteilt“ und „des Menschen Selbsterfindung der Sprache", welche die Einsicht versperren, dafs Sprache weder ist noch nicht ist, sondern immer wird.

Bezeichnet doch noch Fichte (Sämtliche Werke, Bd. VIII.) in der Schrift: „Von der Sprachfähigkeit und dem Ursprung der Sprache" diese als ausgegangen von einer Hieroglyphensprache, einer Erfindung von Hordenhäuptern, Heerführern etc., deren Ansehn dann zur Nachahmung bewogen hätte. Zu dergleichen pafst, was Feuerbach (Pierre Bayle" p. 219) anführt, dafs vielen Gelehrten und selbst Philosophen, z. B. dem Thomasius, Gott für den Urheber auch der Schreibekunst gegolten habe. Heumann bestritt diesen übernatürlichen Ursprung u. a. damit (Acta philos. I. p. 807): es wäre nicht einzusehen, warum Gott dann dem Moses nicht auch artem typographicam offenbart hätte.

Die Sprache ist überhaupt nicht für sich allein zu denken, sie besteht nur in und durch ihre Verbindung mit dem Menschengeiste, der, wie spezieller gezeigt werden wird, ebensowenig ohne sie wäre, wie sie ohne ihn ist. Deshalb kann sie für sich selbst weder als ein Geschenk Gottes gedacht werden, denn der Mensch hätte sie ohne die ihr entsprechende geistige Entwickelung nicht zu gebrauchen vermocht, noch als Erfindung von Menschen, denn diese würde eine Fülle von Reflexion voraussetzen, wie sie ohne die Sprache nicht gewonnen werden kann.

Wenn nun also mit Herder (Ursprung d. Spr.) gesagt wird: „Die Sprache gebar sich mit der ganzen Entwickelung der menschlichen Kräfte", so bleibt ferner die Frage, ob ihre Entstehung anzusehen sei als notwendige Entwickelung der Menschennatur, so dafs sie lediglich als Naturerzeugnis zu betrachten wäre; oder ob sie aus dem Ich stamme, einer willkürlichen, mehr oder weniger besonnenen Reflexion, so dafs sie als ein Produkt menschlicher Freiheit erschiene.

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Diese Frage, zu verschiedenen Zeiten modifiziert und in verschiedene Form gekleidet, ist von alters her vielfach Gegenstand

der Untersuchung gewesen; am bekanntesten ist sie unter der Form, ob die Sprache quos bestehe oder Joe, durch Natur oder durch Satzung.

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Lersch hat im ersten Teile seines Werkes: „Die Sprachphilosophie der Alten dargestellt an dem Streit über Analogie und Anomalie der Sprache" das hierhergehörige Material zusammengestellt, doch ist zu dessen genauerer Auffassung die Vergleichung mit Steinthal nötig: „Geschichte der Sprachwissenschaft bei den Griechen und Römern (namentlich p. 42 sq. vóμg und quoε p. 72 sq. und p. 312 sq.: quos, vóμm, Jéσɛ). Es ist uns hier nicht φύσει, νόμῳ, θέσει). um genauere Erörterung der in dieser Beziehung wichtigen geschichtlichen Nachrichten zu thun,*) auch übergehen wir die einschlagenden Arbeiten der neueren Zeit und bemerken nur, dafs aufser Heyse, im „System der Sprachwissenschaft" p. 49-69 namentlich Steinthal: „Der Ursprung der Sprache im Zusammenhange mit den letzten Fragen alles Wissens" eine kritische Übersicht über die neueren Untersuchungen vom 16. Jahrhundert an giebt. Eine Zusammenstellung der Werke, welche über Ursprung der Sprache seit der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts erschienen sind, findet man bei J. Kelle: „Gedanken über den Ursprung der Sprache." [Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Litteraturen von L. Herrig (11. Jahrgang) Bd. 20 p. 314 sq.].

Wir unsererseits haben im vorhergehenden die Lösung des Problems, ob quos oder Jéσa, bereits angedeutet. Weder nämlich durch Natur noch durch menschliche Satzung besteht die Sprache, sondern, wie der Mensch selbst, ist sie eine Durchdringung von Resultaten der Notwendigkeit mit der Bethätigung der Freiheit. Sprache ist eben Kunst, in Bezug auf welche Goethe sagt (Einleitung in die Propyläen): „Indem der Künstler irgend einen Gegenstand der Natur ergreift, so gehört dieser schon nicht mehr der Natur an, ja man kann sagen, dafs der Künstler ihn in diesem Augenblick erschaffe, indem er ihm das Bedeutende, Charakte

*) Origenes (c. Celsum I, p. 18 sq.): Λεκτέον δὲ καὶ πρὸς τοῦτο, ὅτι ἐμπίπτει εἰς τὸ προκείμενον λόγος βαθὺς καὶ ἀπόῤῥητος ὁ περὶ φύσεως ὀνομάτων, πότερον, ὡς οἴεται Αριστοτέλης, θέσει εἰσὶ τὰ ὀνόματα, ἢ ὡς νομίζουσι οἱ ἀπὸ Στοᾶς φύσει, μιμουμένων τῶν πρώτων φωνῶν τὰ πράγ ματα καθ ̓ ὧν τὰ ὀνόματα, καθὸ καὶ στοιχεῖα τινα ἐτυμολογίας εἰσάγουσιν, ἢ ὡς διδάσκει Ἐπίκουρος (ἑτέρως ἢ ὡς οἴονται οἱ ἀπὸ τῆς Στοᾶς) φύσει εἰσὶ τὰ ὀνόματα, ἀποῤῥηξάντων τῶν πρώτων ἀνθρώπων τινὰς φωνὰς κατὰ τῶν πραγμάτων.

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ristische, Interessante abgewinnt, oder vielmehr erst den höhern Wert hineinlegt." Darum nun kann vieles an der Sprache aufgewiesen werden, wonach sie quoa, vieles, wonach sie Joe zu erachten ist. Sie ist Naturprodukt, sofern sie in der Natur des Menschen und deren Zusammenziehung mit der übrigen Welt gegründet ist, sofern sie dem Organismus des Menschen nach nicht auch nicht sein könnte; so aber ist sie doch nur als ein noch nicht bestimmtes Material in ihrer Anlage. Hält man nun diesen Gesichtspunkt einseitig fest, so kann man wohl mit Epikur (nach Proclus) sagen, es sei dem Menschen so natürlich, zu sprechen, wie dem Hunde, zu bellen. (Schol. des Procl. zu Plat. Crat. p. 9: ó rào Επίκουρος ἔλεγεν, ὅτι οὐχὶ ἐπιστημόνως οὗτοι ἔθεντο τὰ ὀνόματα, ἀλλὰ φυσικῶς κινούμενοι, ὡς οἱ βήσσοντες καὶ πταίροντες καὶ μυκώμενοι καὶ ὑλακτοῦντες καὶ στενάζοντες.) Auch jetzt hält z. B. Renan diese Ansicht im wesentlichen aufrecht. Indem er die Erfindung, die Willkür des Menschen als Erzeuger der Sprache mit Recht abweist, hebt er auch die Freiheit auf und die Kunst, welche, wenn schon zunächst ohne bestimmtes Bewusstsein, von Anfang an bei Gestaltung der Sprache mitwirken. Er sagt (de l'origine du langage, p. 90 sq.): „Si on accorde, en effet, à l'animal l'originalité du cri, pourquoi refuser à l'homme l'originalité de la parole? L'homme a la faculté du signe ou de l'intreprétation, comme il a celle de la vue et de l'ouïe; la parole est le moyen qu'il emploie pour exercer la première, comme l'oeil et l'oreille sont les organes des deux autres. L'usage de l'articulation n'est donc pas plus le fruit de la réflexion que l'usage des différents organes du corps n'est le résultat de l'expérience. Il n'y a pas deux langages, l'un naturel, l'autre artificiel; mais la nature, même temps qu'elle nous révèle le but, nous révèle les moyens qui doivent servir à l'atteindre. Lucrèce a dit ceci en si beaux vers qu'on ne peut s'empêcher de les citer cet." Es folgen die Verse: lib. V, 1027-1039, und es stimmt also Renan mit Epicurus überein.

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Will man nun aber zugeben, dafs dem Menschen die Sprache natürlich sei, so fragt sich doch eben weiter, welches denn die Natur des Menschen sei, denn offenbar ist ihm eine besondere eigen; und es ergiebt sich dann, dafs sie, was immer ihr angehört, in Form freier Selbstthätigkeit herausstellt. Es verbindet sich so das Ich mit dem Bewufstlosen; und Freiheit, Willkür, Kunst, vieles von menschlicher Erfindung zeigt sich namentlich, wenn wir die weitere Entwickelung und Ausbildung der Sprache ins Auge

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