verdanken", fügt er hinzu,,, diese so glückliche Beschleunigung der Reise Sr. Durchlaucht des Herrn Staatskanzlers hieher." Unter dem 16. Juli 1821 ist die Bulle de salute animarum erlassen worden, welche bis auf den heutigen Tag, trotz der eingetretenen Wirren, die Grundlage der Verhältnisse des preussischen Staates zur römischen Curie bildet. Uebelwollende haben mit einer Art Schadenfreude darauf hingewiesen, wie dem Staatskanzler wenige Tage des Aufenthaltes in Rom genügt hätten, um ein Werk zu Stande zu bringen, an welchem Niebuhr Jahre lang vergeblich gearbeitet habe. Wie weit eine solche Behauptung von der Wahrheit entfernt ist, beweist die obige kurze Darstellung des Herganges. Niebuhr selbst hat sie in einem Briefe an die Hensler 1) genügend widerlegt:,, Ich habe diese Beendigung der Unterhandlungen mit der Beseitigung persönlicher Rücksichten erkauft und den Schein der Ehre, das Geschäft vollendet zu haben, daran gegeben. Das geistliche Ministerium indess weiss und erkennt, dass es nichts geringes ist, diese Sache in acht Monaten (nach Empfang der Instructionen) zu Ende gebracht zu haben, während andere Gesandtschaften vier Jahre vergebens daran arbeiten. Und in welcher Zeit wurde unterhandelt!" Nämlich nach dem Ausbruch der Revolution in Neapel:,, dans une époque de crise", heisst es in der Note an Consalvi,,, qui détourne forcément l'attention des gouvernemens du soin paisible de régler les institutions". Und in gleichem Sinne schrieb er schon den 28. März an Nicolovius 2):,, Liebster Freund, umarmen Sie mich, die Unterhandlung ist vollendet, nach Wunsch vollendet! Sie werden von Graf Bernstorff Alles erfahren. Hardenberg's Reise hieher ist wirklich ein Glück gewesen: es kostet mich nichts weiter als das Opfer, ihm den Schein zu lassen, dass er die Sache vollendet habe. Und da er eben dadurch an ihre Ausführung 1) Lebensnachrichten II, 198. 2) Ebendas. S. 466. Classen, B. G. Niebuhr. 6 und Erfolg gebunden wird, so trieb ich den Cardinal Consalvi, zu ihm in meiner Gegenwart so zu reden und es selbst in seiner Note auszusprechen. Doch freue ich mich des gelungenen Werkes. Ich begann es ohne alle Hoffnung, ans Ziel zu gelangen: nun sind wir die ersten." Man sieht leicht, dass der Ausdruck der Courtoisie gegen Hardenberg in der obigen Depesche an Bernstorff in demselben Sinne zu verstehen ist. Was wohlgesinnte Beurtheiler seinen Worten glauben durften, ist jetzt auch durch die aktenmässige Darstellung bei Mejer und Friedberg erwiesen. Jener äussert sich nach der archivalisch begründeten Darlegung der Verhandlungen und ihrer Erfolge über Hardenberg's Eintreten in dieselbe so 1):,,Dass Nichts oder so gut wie Nichts mehr zu verhandeln, sondern die wichtige von Niebuhr geführte Negociation nur noch formell abzuschliessen sei, war, wie aus dem bisherigen hervorgeht, so Hardenberg wie Niebuhr unverborgen." Friedberg, der mit dem allgemeinen Standpunkte Niebuhr's der römischen Curie gegenüber nicht einverstanden ist, erklärt zum Schlusse seiner Darstellung: „,Wohl hatte Niebuhr ein Recht, sich des Resultates zu erfreuen; war ihm doch gelungen, das Listenverfahren [bei den Bischofswahlen] und die dadurch erwachsende Beschränkung des landesherrlichen Veto völlig zu umgehen." Und hierin hatte eben die letzte Schwierigkeit gelegen, welche noch dem Abschluss im Wege stand. Niebuhr hatte in einem Schreiben an den Staatskanzler nach Laybach den 11. Januar 1821, in welchem er den päpstlichen Abgesandten Mazio, der sich ebenfalls dorthin begab, bei ihm einführte, dringend gerathen, die Anwesenheit dieses Prälaten zur Erledigung einiger noch streitigen Punkte zu benutzen, und dabei hinzugefügt: „Mir liegt an der Gloriole nichts, dass die letzten Schwierigkeiten durch mich gehoben werden; aber ich wünsche sehnlich, dass eine für den Staat 1) A. a. O. S. 155. so wichtige Sache glücklich entschieden werde." Dennoch ist ihm die Freude an dem endlichen Gelingen des schwierigen Werkes durch die auffallende Absichtlichkeit getrübt worden, mit welcher Hardenberg während und nach seiner kurzen Anwesenheit in Rom das Hauptverdienst desselben sich anzueignen suchte. In seinem Rescript an das auswärtige Ministerium vom 31. März schreibt er allerdings noch dass ihm der Abschluss der Convention ,,unter eifriger und umsichtsvoller Mitwirkung des Gesandten" gelungen sei. In seinem Schreiben an den König vom folgenden Tage heisst es schon:,, Ich habe das Vergnügen, Ew. Königl. Majestät ehrerbietigst zu melden, dass ich so glücklich gewesen bin, die für Höchstdero katholische Unterthanen und überhaupt in der gegenwärtigen unruhigen Zeit doppelt wichtigen Diocesan- und geistlichen Angelegenheiten, mit Hülfe des Gesandten Niebuhr, bei meiner Anwesenheit vollkommen zu beendigen." 1) Wie es sich mit dieser,, mit Niebuhr's Hülfe“ gelungenen Beendigung der wichtigen Angelegenheiten durch den Staatskanzler in der That verhielt, hat jener unmittelbar nach der Schlussverhandlung (den 23. März) gegen Stein, der sich gleichfalls in Rom aufhielt, sehr anschaulich geschildert 2):,,Wir haben diesen Abend die anberaumte Conferenz mit dem Staatskanzler gehabt, Cardinal Consalvi und ich, und Alles ist abgemacht. Der Cardinal hatte sich die Punkte des Inhaltes meiner letzten Note ausziehen lassen und trug die Antworten vor, welche ich mit seinem Sekretär verabredet hatte. Herr von Hardenberg sagte,Ja und wusste nicht, wovon die Rede war. Der Cardinal wiederholte, wie ich ihn instruirt hatte, ein Mal über das andere die Versicherung, dass es ihm ein angenehmes Vergnügen sei, die Sache mit dem Staatskanzler persönlich beendigen zu können, und dass er auf ihn zähle. dass die Ausführung nach Wunsch gehen werde, und dass er im Vertrauen auf ihn handle 1) Mejer a. a. O. S. 164. 2) Pertz, Aus Stein's Leben II, 483. u. S. W. kurz Alles, was einem Italiener zu sagen nichts kostet. Es war eine vollkommene und sehr anmuthige Farce: aber das Ziel ist erreicht." Als aber Hardenberg einige Zeit später Niebuhr die von ihm selbst concipirte Cabinetsordre des Königs vom 9. Juni 1821 zuschickte, in welcher es ohne irgend eine Erwähnung seiner Mitwirkung hiess, dass,, der König die Resultate der von dem Herrn Staatskanzler bei seinem Aufenthalte in Rom beendigten Unterhandlung genehmige"; da empfand er diese absichtlich ihm zugefügte Kränkung sehr schmerzlich. Er beklagt sich den 11. August gegen Stein darüber, dass ,, der König oder sein Concipient (dass dies Hardenberg war, wussten beide) sogar ignorire, dass ausser dem Herrn Staatskanzler irgend Jemand in der Sache zu thun gehabt, wenigstens brauchbar darin gearbeitet hat. Ew. Excellenz werden finden, dass es stark ist, mir eine geflissentlich so abgefasste Cabinetsordre zuzuschicken. Die erste natürliche Regung ist, darauf seine Entlassung zu fordern; — ich habe sie besiegt." Stein hatte schon früher seinen gerechten Unwillen zu beschwichtigen gesucht und ihm bereits, als Hardenberg sein Erscheinen angekündigt hatte, am 5. März geschrieben 1): ,, Der Gedanke an die Wichtigkeit Ihres Berufes, die kirchlichen Verhältnisse von 4 Millionen Menschen wiederherzustellen, muss Sie, mein lieber Freund, stärken und milde machen; so dass Sie das Drückende der Erscheinung, die doch nur von kurzer Dauer und vorübergehend ist, mit Resignation tragen: darum bitte ich Sie dringend und inständigst.“ In ähnlichem Sinne wird Stein auch weiter auf Niebuhr's verletztes Gemüth lindernd und beruhigend eingewirkt haben. ,,Stein wird wohl noch einen Monat hier bleiben", schreibt seine ganze alte er den 17. März 1821 an die Hensler 2); Liebe für mich ist erwacht und die meinige war leicht zu wecken, so dass wir in einem sehr herzlichen Verhältniss 1) Pertz a. a. 0. 2) Lebensnachrichten II, 465. leben. Das Alter steht ihm schön, und ich kann nur mit Wehmuth an ihn denken; es ist doch wohl das letzte Mal, dass wir uns sehen, und ich danke Gott, dass wir uns so wiedergesehen haben." Unter solchen Einflüssen gewann Niebuhr bald Gemüthsruhe und Geistesfrische genug wieder, um die oft noch sehr schwierigen und verdriesslichen Verhandlungen mit den päpstlichen Commissarien über die zur Ausführung der Convention zu erlassende Bulle zu erwünschtem Abschluss zu bringen. Dieselbe ist, wie schon bemerkt, am 16. Juli 1821 mit allseitiger Zustimmung publicirt worden, und der Cardinal Consalvi schliesst sein Begleitschreiben an den Fürsten Hardenberg von demselben Tage mit den Worten 1): „Je m'estime très heureux et très honoré d'avoir terminé cette négotiation directement avec V. A. Elle me permettra de rendre aussi la justice, que je dois à Mr. le Chev. de Niebuhr, qui n'aurait pu y mettre de son côté plus de zèle et plus d'intérêt.“ Ueber den Geist, in welchem Niebuhr seine Aufgabe der römischen Kirche gegenüber von Anfang in seinen Unterhandlungen aufgefasst hat und dem er bis zu Ende treu geblieben ist, hat er sich selbst am klarsten in seiner Denkschrift an das auswärtige Ministerium vom 15. October 1819 ausgesprochen 2). Ich will über diesen seinen Standpunkt den Mann reden lassen, der ihm seit dem Sommer 1818 in Rom am nächsten gestanden hat, Bunsen. Er sagt in dem Aufsatz Niebuhr als Diplomat in Rom" 3) über sein Verhältniss zu dem Gegenstande der kirchlichen Unterhandlungen:,, Niebuhr's eigne Ansicht beruhte ganz auf den drei Grundzügen seines 1) Mejer a. a. O., Bd. III, S. 172, N. 2. 2) S. oben S. 78. Mejer hat die Grundzüge von Niebuhr's Denkund Sinnesweise in dieser Beziehung in einem am 5. Febr. 1866 im Evangelischen Verein zu Berlin gehaltenen Vortrage (gedruckt in Rostock, in der Stillerschen Buchhandlung 1867:,, Eine Erinnerung an B. G. Niebuhr ") übersichtlich zusammengestellt. 3) Lebensnachrichten III, 325 ff. |