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im Einzelnen fügt Niebuhr gegen das Ende hinzu: „Auch im Civildienst wie im Militär beruht die Erhaltung des Ganzen zuverlässig ebenso sehr auf der Ehre und Treue der Untergeordneten, auf ihrem Gehorsam für ihren Chef, wer er auch sei, als auf der Weisheit der obersten Leitung. Diese Principien sind in dieser Zeit tödtlich verletzt. Herr von Hardenberg erhielt alle geforderten Nachweisungen unweigerlich vom Finanzministerium. Dennoch haben seine Umgebungen gewiss nicht er selbst: denn seinem Ehrgefühl muss eine solche Handlung unmöglich sein Officianten verführt, Papiere und Nachweisungen heimlich auszuliefern. Herr von Hardenberg hat mir selbst auf meine freimüthigen wiederholten Vorstellungen über das unermessliche Böse, welches er, ohne es zu wollen, stifte, die Wahrheit meiner Klagen mit Wehmuth eingestanden und unaufgefordert bekannt, er fühle, dass dieser Zustand ein schleichendes Gift sei. Vergebens schmeichelt er sich, dass es ihm gelingen werde, es wieder auszurotten, wenn die Macht in seinen Händen sein werde." Und nach einigen weiteren Ausführungen schliesst er:,, Ich erlaube mir also die unterthänigste Bitte, dass es Ew. Königl. Majestät gefallen möge, mir die Professur der Geschichte bei der hiesigen Universität zu übertragen eine Stelle, welche noch nicht besetzt ist und welche ich mit einiger Auszeichnung zu bekleiden hoffen darf. Sehr gern würde ich auch, obgleich der Unterricht eines Mannes, wie Professor Ancillon, nichts zu wünschen übrig lassen kann, durch Vorlesungen über mit ihm verabredete Gegenstände, wie z. B. über die Politik und Statistik, zur Bildung des Kronprinzen Königl. Hoheit beitragen, wenn Ew. Königl. Majestät mich dieses Vertrauens würdig finden sollten."

Die Entscheidung über Hardenbergs definitive Wiederberufung an die Spitze der Staatsgeschäfte und damit zugleich über Niebuhr's Gesuch trat früher ein, als dieser in seinem oben angeführten Briefe vom 27. Mai erwartet hatte. Den 4. Juni 1810 erfolgte die Entlassung der Minister von Alten

stein und Beyme, sowie der Geheimen Staatsräthe Nagler und Niebuhr 1), und am 6. Juni die Ernennung des Ministers von Hardenberg zum Staatskanzler und Chef aller preussischen Staatsverwaltungen.

Schon vor dem offiziellen Antritt seiner hohen Aemter hatte Hardenberg in einer vom 28. Mai datirten Denkschrift, deren wesentlichen Inhalt Nasse mitgetheilt hat 2), seinen Finanzplan dem Könige vorgelegt, und obwohl er an ein Zusammenwirken mit Niebuhr nach Allem, was vorgegangen war, wohl nicht mehr denken konnte, diesen doch doch um eine Begutachtung desselben ersucht. In Folge der ihm bei seiner Entlassung auferlegten Verpflichtung arbeitete Niebuhr mit grosser Anstrengung 3) an dem verlangten Gutachten, welches er den 23. Juni übergab. Nasse erklärt, dass dasselbe,, jedenfalls zu den bedeutenderen finanzpolitischen Ar

1) Zur Beurtheilung der Unbefangenheit und Gerechtigkeit Friedrich Wilhelms III. verdient der officielle Artikel, mit welchem im Hamburgischen Correspondenten vom 22. Mai 1810 Niebuhr's Entlassung mitgetheilt wurde, beachtet zu werden: „Berlin, 19. Juni. Se. königl. Majestät haben gnädigst geruht, die Dienstverhältnisse des Geh. Staatsraths Niebuhr dahin zu bestimmen, dass derselbe fortwährend einen Theil des Finanzministerii dadurch ausmachen soll, dass er mit höchstihrem Staatskanzler Freiherrn von Hardenberg allein in Verbindung bleiben und einige wichtige Finanzgegenstände unter der alleinigen Oberaufsicht des gedachten Staatskanzlers leite. Uebrigens haben Allerhöchstdieselben dem besagten Geh. Staatsrath, seinem durch seine Gesundheitsumstände veranlassten Wunsche gemäss, von den Geschäften bei der Immediat-Finanz-Commission dispensirt und ihn dagegen zu höchstihrem Historiographen ernannt, ihm auch zur Bezeugung Ihrer allerhöchsten Zufriedenheit und als ein öffentliches Anerkenntniss seiner Verdienste den rothen Adlerorden dritter Klasse huldreichst ertheilt." So entschied der König nach Einsicht des oben mitgetheilten Entlassungsgesuches vom 23. Mai. 2) A. a. O. S. 315–321.

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3) Lebensnachrichten I, 445. Brief an die Hensler vom 1. Juli 1810: Ich bin seit meinem Abgang mit dem Aufarbeiten alter Sachen und seit vierzehn Tagen mit einer dringenden Pflichtarbeit, der Prüfung der neuen Finanzlage, so beschäftigt gewesen, dass ich fast nicht zu mir selbst habe kommen können."

beiten dieses Staatsmannes gehört", und theilt mehrere grössere Auszüge aus demselben mit 1). Die Schrift geht in alle Theile der Hardenbergischen Vorschläge ein und sieht sich zu ihrer Verwerfung genöthigt; der Schluss lautet:,, Ich schliesse übrigens mit der heiligen Betheuerung, dass ich die Feder bei der Ueberzeugung, dass der beabsichtigte Plan im Ganzen und in seinen Theilen unausführbar ist, unser Elend vermehren und gar keine Hülfe gewähren würde, mit ebenso tiefer Wehmuth niederlege, als ich diese Ueberzeugung gewissenhaft freimüthig ausgesprochen habe. Nichts hätte mich glücklicher machen können, als die ganz entgegengesetzte Ueberzeugung."

Hardenberg hat am 4. Juli sich noch einmal an Niebuhr gewandt und in einem freundlich gehaltenen Schreiben 2) ihn ersucht, seinerseits einen Plan zu entwerfen und ihn mit dem Minister zu discutiren. Es ist das nicht geschehen. Leider sind wir über die Verhandlungen zwischen Hardenberg und Niebuhr, die zum völligen Abbruch geführt haben, nicht mehr aus den Akten unterrichtet. Nach Klose's und Raumer's fast wörtlich übereinstimmender Darstellung hätte Niebuhr, statt Hardenberg's Brief vom 4. Juli zu beantworten, dem Könige eine Aufstellung überreicht, in welcher er den Staatskanzler der verderblichsten, Alles umwälzenden und auflösenden Pläne anklagte, jedoch zugleich den Wunsch ausdrückend, der König möchte Hardenberg von dieser Anklage nichts sagen oder bemerken lassen. Statt dessen", fügt von Raumer 3) hinzu, ,,sandte der rechtlichere König sogleich den ganzen Aufsatz an Hardenberg mit einem Handbillet, worin er sagt: Niebuhr male aufs grässlichste; er sei aber überzeugt, dass der Kanzler alles gehörig überlegt habe und die Besorgnisse unnütz wären.“ Zu diesem Berichte über die damaligen Vorgänge bemerkt

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1) A. a. O. S. 321.

2) Dies Schreiben ist von Klose (Leben Hardenbergs, S. 266) und von Raumer (Erinnerungen, S. 129) mitgetheilt.

3) A. a. O. S. 131.

Nasse bedauernd 1):,, Mir sind Abschriften der weiteren Correspondenz zwischen Hardenberg und Niebuhr, welche sich an des Letzteren Gutachten knüpft, auf Anordnung des gegenwärtigen Finanzministers versagt worden, während die Benutzung der oben auszugsweise mitgetheilten Denkschriften mir gestattet wurde. Ich habe indess so viel in Erfahrung gebracht, dass eine Eingabe Niebuhr's an den König des im Texte bezeichneten Inhalts im Staatsarchiv nicht vorhanden ist, und muss gestehen, dass diese Thatsache mir einigen Zweifel erregt, ob in der That Niebuhr nach dem oben mitgetheilten Briefe sich noch einmal an den König gewandt hat. Diese und einige andere dunkle Punkte werden sich erst entscheiden lassen, wenn die bureaukratische Aengstlichkeit weichen wird, welche archivalische Arbeiten wie die vorstehende noch erschwert und zu einer unerfreulichen Aufgabe macht."

Zu demselben Zweifel über die Richtigkeit der Klosevon Raumerschen Darstellung gelangt Professor O. Mejer in seinem Aufsatze: .,Schön und Niebuhr 2), in welchem er, an die Mittheilung zweier Briefe von Schön an Nicolovius vom 18. October 1809 und vom 5. Juni 1810 anknüpfend, die Vorgänge, welche den Ministerwechsel im Sommer 1810 begleiteten, zwar ohne die Arbeit Nasse's zu kennen, aber mit Benutzung anderer Quellen sorgfältig erörtert. Schön, welcher mit Niebuhr seit dessen Eintritt in den preussischen Staatsdienst in verschiedenen Finanzcommissionen gearbeitet und zu ihm das grösste Vertrauen und eine wahre Verehrung vor der Reinheit seines Charakters gefasst hatte, war, wie dieser, mit Unwillen und Sorge erfüllt, da er die preussischen Finanzen durch Altenstein's Unfähigkeit und Hardenberg's dilettantische Pläne in immer grössere Verwirrung gerathen sah. Er selbst war im April 1809 aus der Centralverwaltung ausgeschieden und als Präsident der litthauischen Kammer nach Gumbinnen

1) A. a. O. S. 331 Anm.

2) In den Preussischen Jahrbüchern, Bd. XXXI (1873), S. 503–522.

versetzt worden. Von hier aus correspondirte er mit dem ihm wie Niebuhr nahe befreundeten Nicolovius im engsten Vertrauen. Die beiden mitgetheilten Briefe sind für uns besonders merkwürdig wegen der wahrhaft zärtlichen Theilnahme, die sich darin für Niebuhr ausspricht. Sie fallen in die Zeit, wo Altenstein's Stellung in der Regierung unsicher wurde und Hardenberg's Eintritt in das Staatskanzleramt sich vorbereitete.,,Grüssen Sie herzlich Niebuhr und seine Frau; was mag der engelreine Niebuhr leiden!" heisst es in dem ersten, und in dem zweiten, da er fürchtete, Niebuhr werde in die Schlinge der einen oder der anderen Partei gerathen: ,,Aber Freund! Stehen Sie unserem Niebuhr bei. Ich fürchte für ihn; denn der Exfreund (von Altenstein) scheint ihn zu haben. Ich hätte weinen mögen. Stehen Sie ihm bei. Ich will nicht, dass er sich dem Beelzebub ergebe; aber ich zittere, dass er vollends in die Klauen des Lucifers (Hardenbergs) geräth. Es gibt ja eine Reinheit, die mit keinem von Beiden etwas gemein hat, und diese hielt er ja so lange." Kaum minder bitter spricht Niebuhr selbst sich gegen Stein in einem Briefe vom 28. Juni aus 1):,, Ein Ministerialwechsel, welcher das Reich dünkelvoller Egoisten beendigt hat, gründet dasjenige einer noch schlechteren Race.

Die Nie

drigen, welche Ew. Excellenz anfeindeten, sind durch die nämlichen Menschen und durch die nämlichen Schliche, welche man gegen Sie anwandte, gefallen." Ohne Zweifel hat die leidenschaftliche Aufregung des Moments bei Schön wie bei Niebuhr die Heftigkeit des Ausdrucks geschärft; aber bei beiden liegt der bittere Schmerz über die verderblichen Wege zu Grunde, welche nach ihrer Ueberzeugung seit Stein's Entlassung namentlich in der Finanzverwaltung eingeschlagen waren. Es ist anziehend, zu sehen, dass Niebuhr gleich nach seiner Entlassung am 10. Juni in einem Briefe an seine Schwägerin seinen Entschluss fast mit denselben Worten

1) Bei Pertz I, 414. Classen, B. G. Niebuhr.

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