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mässigen Weg des Schulunterrichts verfolgte: nur anderthalb Jahre, von Ostern 1789 bis Michaelis 1790, hat er die Prima der Schule besucht:,, er war bei weitem der jüngste der Schüler, aber an Kenntnissen allen weit voraus" 1). Desshalb rieth der Rector, den 14jährigen Knaben durch Privatunterricht zu fördern, an welchem er selbst sich mit grosser Liebe betheiligte. Es ist zwar ausdrücklich bezeugt, dass der junge Niebuhr von seinen Mitschülern sehr geliebt wurde und von Ueberhebung weit entfernt war; aber dennoch hat er wohl in Folge dieses seines einsamen Bildungsganges etwas von dem wohlthätig abreibenden Einfluss des traulichen Zusammenlebens mit gleichstrebenden Altersgenossen entbehrt: ich habe von ältern Personen, die das Haus seiner Eltern noch gekannt haben, nicht den Namen eines ihm nahe verbundenen Gespielen oder Mitschülers erfahren können. Es erklärt sich daraus, was Friedrich Perthes aus einer Unterhaltung mit Niebuhr aus dem Jahre 1829 erzählt 2):,,Als er mir Schiller's wohlthätigen Einfluss auf die Jugend bestritt, fragte ich ihn, ob er sich erinnere, selbst eine Zwischenzeit zwischen dem Knaben und dem Gelehrten durchlebt zu haben. Er ward wehmüthig und schwieg." Wenn derselbe hinzufügt:,,Es ist wohl gewiss, eine Jugend hat Niebuhr nicht gehabt, und doch zieht er noch heute die Jugend, die mit ausserordentlicher Liebe an ihm hängt, nicht allein an, sondern freuet sich auch ihrer"; so ist das, wie oben angedeutet, mit Bezug auf die Entbehrung eines heitern und freien Verkehrs mit gleichstrebenden Altersgenossen zuzugeben; aber man würde doch irren, wenn man sich seine Knaben- und ersten Jünglingsjahre trübe und freudelos vorstellen wollte. Er genoss ein im Ganzen fröhliches Leben", berichtet seine Freundin Hensler 3), ,,in einem geräumigen Hause, in grossen Hof- und Gartenplätzen

1) Lebensnachrichten I, 20.

2) Friedrich Perthes' Leben III, 148.

3) Lebensnachrichten I, 6.

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mit seiner Schwester und befreundeten Knaben sich fröhlich und oft lärmend herumtummelnd." Auch erfahren wir, dass er den Vater sowohl auf kleinen Ausflügen in die Umgegend und in dessen Heimathland Hadeln, wie auch auf dessen Geschäftsreisen zur Hebung der königlichen Gefälle öfter begleitete und ihm dabei Beistand leisten durfte 1). Wie sehr er selbst die nachtheiligen Folgen einer auf einen engen Kreis eingeschränkten Erziehung fühlte, hat er selbst viel später in einem sehr schönen Briefe an Fr. H. Jacobi vom 21. Nov. 1811 2), der uns überhaupt tiefe Einblicke in seine eigne Selbstbeurtheilung thun lässt, mit vielleicht zu schmerzlicher Empfindung ausgesprochen. ,, Eine grosse Absonderung von der Welt in einem kleinstädtischen Städtchen", schreibt er dem väterlichen Freunde,,, eine Beschränkung von den allerersten Jahren auf den Umfang des Hauses und Gartens, gewöhnten mich den Stoff für die unersättlichen Bedürfnisse meiner kindischen Phantasie nicht aus dem Leben und der Natur, sondern nur aus Büchern, Kupferstichen und Gesprächen zu nehmen." Diese Abwendung von der wirklichen Welt und den realen Verhältnissen, die, wie er sich bitter beklagt, noch lange als die Folge einer zu einseitigen Erziehung bei ihm vorgeherrscht hat, scheint in seinen spätern gelehrten Forschungen eine um so kräftigere Reaction zu dem Streben nach einer möglichsten Vergegenwärtigung und Veranschaulichung auch der entlegensten Zeiten und Verhältnisse hervorgerufen zu haben.

Die erste Entfernung vom elterlichen Hause ist dem jungen Niebuhr ungemein schwer geworden: es war sein dreimonatlicher Aufenthalt auf der Handelsakademie des Professor Büsch in Hamburg, vom Juli bis October 1793. Er wohnte im Hause des väterlichen Freundes, konnte sich aber durchaus nicht in den dort herrschenden Ton und die Sitten des häuslichen

1) Lebensnachrichten I, 6. 20.

2) Ebendas. I, 461 ff.

Kreises und Lebens finden und gewöhnen. In einigen uns vorliegenden Briefen spricht er sich mit grosser Betrübniss darüber aus. Er glaubt in der geringen Gelegenheit, Neues zu lernen, keinen Ersatz für die Entbehrung eines edlen und bildenden Umgangs zu finden: er klagt gradezu (in einem Briefe vom 8. Juli 1793),, über den Stillstand oder vielleicht Rückgang seiner litterarischen Kenntnisse, über die Schwermuth, die aus seiner Isolirung entstehe und seinem Körper wie seiner Seele verderblich werde". Ohne Zweifel ist ein Theil dieser Klagen auf jene übergrosse Reizbarkeit zu schieben, welche ihm das Widerwärtige in zu grellem Lichte erscheinen liess. Aber gewiss war auch die in ihrer Art zweckmässig angelegte Anstalt 1) nicht für junge Leute von Niebuhr's ungewöhnlicher und vielseitiger Vorbildung geeignet. Um so angenehmer berührt uns Boie's Urtheil in einem Briefe vom 5. Sept. 1793 an seinen Schwager J. H. Voss 2):,, Der junge Niebuhr kam am Dienstage zurück und hat durch seine Reise in aller Absicht an Selbständigkeit, äusserer und innerer Ausbildung gewonnen, welches mich um desto mehr freut, als die Reise eigentlich auf meinen Antrieb unternommen wurde. Sein Hauptumgang ist Klopstock gewesen." Wir wissen, ein wie dankbares Andenken Niebuhr dem edlen Dichter für seine Güte gegen den unerfahrenen Jüngling in treuem Herzen bewahrt hat.

Mit verdoppelter Lust nahm er in dem letzten Winter im elterlichen Hause seine historischen und philologischen Studien wieder auf; auch war sein Interesse schon damals, wohl zumeist durch Boie angeregt, in hohem Grade der in voller Herrschaft stehenden kritischen Philosophie zugewandt, von der sein tiefer Wahrheitsdrang sich Aufschlüsse für die wich

1) Vgl. darüber meine Schrift: ,,Die ehemalige Handelsakademie des Professors J. G. Büsch und die Zukunft des akademischen Gymnasiums in Hamburg", Hamb. 1865.

2) A. a. O., S. 105.

tigsten Fragen versprach. Bei der Berathung über die Universität, die er Ostern 1794 beziehen sollte, hatte daher Boie vorzugsweise Königsberg empfohlen, damit er,, zu den Füssen Plato-Kant's", wie dieser sich ausdrückt, noch aus seinem Munde unmittelbare Belehrung schöpfen möchte. Ihn selbst zog es am meisten nach Göttingen, von wo Heyne, durch Freunde auf den strebsamen Jüngling aufmerksam gemacht, ihm schon Beweise wohlwollender Theilnahme gegeben hatte. Doch entschied der Wunsch des Vaters für Kiel, wo er in dem Kreise ihm nahe befreundeter Männer auch für die Gemüthsbedürfnisse des Sohnes reichere Befriedigung finden zu können hoffte.

Aus den Studien- und Wanderjahren: Kiel, Kopenhagen, London und Edinburg 1794-1799.

Die Hoffnungen des Vaters auf den Kieler Aufenthalt gingen in erfreuliche Erfüllung: Niebuhr hat auf der Kieler Universität zwei glückliche Jahre in heitrer Gemüthsstimmung und vielseitig lebendiger Anregung verlebt. Leider ist der grösste Theil seiner Briefe an die Eltern aus dieser Zeit verloren gegangen; aus den erhaltenen so wie aus den wenigen an den Grafen Adam Moltke vom April bis October 1795 gerichteten spricht eine grössere Zufriedenheit mit seiner Lage als in den meisten andern Perioden seines Lebens. Er gibt uns ein ansprechendes Bild von den Freunden, mit denen er gern verkehrte 1), und fühlt sich besonders durch die liebevolle Theilnahme des alten Professor und Archiater Hensler beglückt, in dessen Hause er die angenehmsten Stunden verlebte und die erste Bekanntschaft mit dessen früh verwittweter

1) Lebensnachrichten I, 51.

Schwiegertochter, der Frau Doctor Hensler, geb. Behrens, der vertrautesten Freundin seiner spätern Lebensjahre, anknüpfte. Doch wenn der väterliche Freund den strebsamen Jüngling am liebsten zum Naturforscher ausgebildet sehen möchte, so äussert er selbst doch in richtigerer Erkenntniss seiner Anlagen in einem Briefe an die Eltern vom 16. November 1794 1): ,, Wenn mein Name je genannt werden sollte, wird man mich als Geschichtschreiber und politischen Schriftsteller, als Alterthumsforscher und Philologen kennen." Von den Vorlesungen an der Universität hörte er besonders historische bei Hegewisch, juristische bei Cramer, philosophische bei Reinhold. Aus den ersten glaubte er, was bei den umfassenden Kenntnissen, die er mitbrachte, nicht zu verwundern ist, nicht viel Nutzen gewonnen zu haben, und von den juristischen urtheilt Savigny 2) nach Einsicht einiger bei Cramer nachgeschriebenen Collegienhefte, dass er durch sie in der Rechtskenntniss nicht sehr gefördert sein könne, sondern dieselbe bei ihm grösstentheils auf eignem Studium beruht habe. Die Vorträge Reinhold's, der Ostern 1794 als Professor der Philosophie nach Kiel berufen war, zogen ihn in hohem Grade an: von ihm angeregt, wandte er sich einem sehr eifrigen Studium der kritischen Philosophie zu. Seine Bestrebungen in dieser Richtung wurden noch besonders angefeuert durch die persönliche Bekanntschaft, welche er um diese Zeit mit Friedrich Heinrich Jacobi machte, und welche von grossem Einfluss auf sein ganzes Leben geblieben ist.

Jacobi hatte ihn zuerst im Hensler'schen Hause in Kiel gesehen 3) und Niebuhr mit Begierde die Erlaubniss benutzt, ihn in Eutin zu besuchen. Ueber die Art dieses Verkehrs spricht. er sich selbst in dankbarer Erinnerung viel später in dem schon

1) Lebensnachrichten 1, 61.

2) Ebendas. III, 356.

3) J. schreibt 23. Sept. 1795 an die Doctorin Reimarus in Hamburg: ,, Ich habe in Kiel einen höchst interessanten Jüngling, des arabischen Niebuhr Sohn, gesehn." (Handschriftlich.)

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