herrschaft zu lindern suchten, machte der Ausbruch des ruhmvollen Kampfes in den ersten Monaten 1813 ein Ende. Niebuhr wurde hingerissen von dem Gedanken der Vaterlandsbefreiung. Zu jeder Art der Mitwirkung sich bereit erklärend, wirkte er zunächst durch sein edles kräftiges Wort in dem im April 1813 von von ihm gestifteten, Preussischen Correspondenten' mehrere der von ihm geschriebenen Artikel und Aufsätze sind in den Nachgel. Schriften, S. 315-384 abgedruckt auf viele Gemüther erhebend und belehrend ein. Bald nachher wurde er ins Hauptquartier berufen und u. A. mit den Unterhandlungen mit den englischen Abgeordneten über einen Subsidienvertrag beauftragt, der den 14. Juni zum Abschluss kam. Im Februar 1814 folgte er einem Auftrage des Königs, sich nach Holland zu begeben, um dort mit englischen Commissarien die ferneren Subsidiengeschäfte zu unterhandeln. Durch mancherlei Schwierigkeiten, welche von diesen in den Weg gelegt wurden, zogen sie sich bis in den Juni hin. Nach einem kurzen Aufenthalt in Pyrmont, der für seine eigne und die Gesundheit seiner Frau nothwendig war, machte er seinem Vater, der schon damals sehr leidend war, den letzten wehmüthigen Besuch und kehrte im October 1814 nach Berlin zurück. ,,In dem folgenden Winter gereichte es ihm zu besonderer Freude, dass der König ihm den ehrenvollen Auftrag ertheilte, dem Kronprinzen Vorträge zu halten, und als Gegenstand derselben ausdrücklich Finanzkunde bestimmte. Mit grosser Liebe hat Niebuhr diese Aufgabe erfasst und nach Maassgabe der dazu angesetzten beschränkten Zeit zu lösen versucht. Aus dem damaligen nahen persönlichen Verkehr hat sich zwischen dem Prinzen und seinem Lehrer ein Verhältniss wahrer Pietät gebildet, dessen zahlreiche Beweise diesen bis an sein Lebensende beglückten und sich über dasselbe hinaus in rührender Weise bethätigten. Der unerfreuliche Gang der politischen Verhandlungen auf dem Wiener Congress veranlasste Niebuhr um dieselbe 9 Zeit zur Abfassung seiner Schrift: Preussens Recht gegen den sächsischen Hof. Die klare und beredte Darlegung der faktischen Verhältnisse, sein offenes Eintreten für die nationale. Bedeutung der schwebenden Frage verschafften ihm die höchste Anerkennung der Gleichgesinnten, zogen ihm aber auch die leidenschaftliche Anfeindung der Gegner zu 1). Hardenberg sprach ihm seinen Dank lebhaft aus und verlangte, dass hundert Exemplare der Schrift nach Wien gesandt würden; auf die Entscheidung der Sache hat sie bei dem Uebergewicht der gegen Preussen feindlichen Einflüsse keine Wirkung gehabt. ,,Das Jahr 1815 brachte ihm die schwersten Verluste, die bei seinem weichen Gemüthe ihn treffen konnten: den 26. April دو 1) Ich kann mir nicht versagen, das Urtheil über diese Schrift, welches vor kurzem der Mann ausgesprochen hat, dem wie keinem andern eine Stimme in Dingen dieser Art zusteht, H. v. Treitschke, hier zu wiederholen. In seinem ungemein lehrreichen Aufsatze: Preussen auf dem Wiener Congress ", Pr. Jahrbb., Dec. 1875 und Februar u. März 1876 sagt er S. 286: „,Weitaus das bedeutendste Werk aus diesem Federkriege (über das Schicksal Sachsens) ist Barthold Niebuhr's Flugschrift: Preussens Recht wider den sächsischen Hof', nach meinem Gefühl überhaupt die vornehmste Leistung der deutschen Publicistik aus jenem Zeitraum. Denn sie vereinigt Arndt's edle Leidenschaft und rhetorischen Schwung mit dem Gedankenreichthum und der politischen Sachkenntniss von Friedrich Gentz. Wie frei und kühn entwickelt der grosse Historiker zwei Kerngedanken unsrer nationalen Politik, welche, noch niemals früher mit solcher Klarheit ausgesprochen, seitdem allen edleren Deutschen in Fleisch und Blut gedrungen sind. Er zeigt, dass ein grosses, seiner Einheit bewusstes Volk den Abfall von der Sache der Nation auch dann als Felonie bestrafen darf, wenn der Verräther kein geschriebenes Recht verletzt hat;, die Gemeinschaft der Nationalität ist höher als die Staatsverhältnisse, welche die verschiedenen Völker eines Stammes vereinigen oder trennen. Alsdann sagt er mit der Sicherheit des Sehers voraus, dass die Tage der deutschen Kleinstaaten gezählt sind; schwache Gemeinwesen, die sich nicht durch eigne Kraft behaupten können,, hören auf Staaten zu sein'. Zu solchem Urtheil gelangte der conservative Denker, da er ein Jahr nach der Schlacht bei Leipzig das deutsche Kleinfürstenthum wieder den Fahnen Frankreichs folgen sah." starb in Meldorf sein ehrwürdiger Vater, und den 20. Juni verlor er die geliebte Gattin, welche der lange die Ihren mit Sorge erfüllenden Krankheit erlag. In seinem tiefen Schmerze gewährte ihm die Abfassung der mit grosser Liebe geschriebenen Biographie des Vaters einige Linderung. Auch die mit Buttmann und Heindorf gemeinsam besorgte Ausgabe der von A. Mai in Verona aufgefundenen Fragmente des Fronto war ihm eine wohlthuende Erholung. ,, Ein neues Leben ging für Niebuhr auf, als er nach seiner Wiederverheirathung mit seiner zweiten Gattin, einer Nichte seiner ihm innig befreundeten Schwägerin und Tochter des früh verstorbnen Professor der Theologie Ch. G. Hensler, im Sommer 1816 durch die Gnade des Königs zum ausserordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister in Rom ernannt wurde und im Juli mit seiner jungen Frau die Reise dahin antrat. Gleich seinen Eintritt in Italien bezeichnete eine der wichtigsten gelehrten Entdeckungen neuerer Zeit, die Auffindung der Institutionen des Gaius in der Dombibliothek zu Verona. In Rom nahmen Amtsgeschäfte zwar den grössten Theil seiner Zeit in Anspruch; doch verzögerte sich der Fortgang und Abschluss der Verhandlungen, deren Hauptzweck eine Uebereinkunft mit dem päpstlichen Stuhle zur neuen Organisation der katholischen Kirche in den preussischen Staaten war, durch das mehrjährige Ausbleiben der ihm verheissenen Instructionen so sehr, dass seine Geduld oft auf eine harte Probe gestellt war. Indess hatte er sich durch umsichtige und gründliche Beobachtung eine so vertraute Bekanntschaft mit allen in Betracht kommenden Verhältnissen und mit den maassgebenden Persönlichkeiten am päpstlichen Hofe erworben, dass, nachdem er endlich von den Intentionen seiner Regierung authentisch in Kenntniss gesetzt war, die Verhandlungen einen raschen Verlauf nahmen und bei der Anwesenheit des Staatskanzlers Hardenberg, der von dem Laibacher Congress aus im März 1821 nach Rom kam, ihren Abschluss erhielten. Das Resultat liegt vor in der päpstlichen 16 die Anwesenheit vornehmer Gaste es verlangte, betheiligte er sich an einer solchen. Am liebsten weilte er im Kreise seiner Familie, in der er sich nach der Geburt von vier Kindern, einem Sohn und drei Töchtern, sehr glücklich fühlte, so weit nicht eigne Kränklichkeit oder die seiner Frau störend einwirkte. ་་ ,,Vor seiner Rückkehr nach Deutschland (Sommer 1823), welche er nach vollbrachtem amtlichen Auftrage, vorzüglich aus Sorge für die geschwächte Gesundheit seiner Gattin beschleunigte, widmete er im März noch einige Wochen dem Besuche des schönen Neapels. Auch hier wusste er mitten in der Fülle der Kunst- und Naturschönheiten, deren er sich sehr erfrente, und im genussreichen Umgange mit dem Grafen de Serre, dem dortigen französischen Botschafter, zu dem er in ein vertrautes Freundschaftsverhältniss getreten war, sich täglich mehrere Stunden zu der Vergleichung der besten Handschrift des lateinischen Grammatikers Charisius auf der königlichen Bibliothek auszusparen. ,,Auf der Rückreise nach Deutschland verweilte Niebuhr sechs Wochen in S. Gallen: seine angestrengten Nachforschungen in der dortigen Stiftsbibliothek, von welchen er sich wohl grössern Gewinn versprochen hatte, belohnte wenigstens die Auffindung einiger Reste der spätesten römischen Poesie, der Gedichte des Fl. Merobandes besonders zum Lobe des Aëtius, die er schon 1823 in S. Gallen und 1824 revidirt in Bonn herausgab. Seine Reise über Heidelberg, Frankfurt und die Taunusbäder erhielt ihr fast zufälliges Ziel auf der wenige Jahre vorher gestifteten Universität zu Bonn: das Vorgefühl ungestörter Musse und segensreicher Wirksamkeit, verbunden mit Freundes Rath und Bitte, liess ihn, ohne einen schon früher dahin gerichteten Plan, diese Wahl seines künftigen Wohnorts treffen. ...Im Winter auf 1824 schrieb er hier zunächst in heiterer Ruhe mit der ganzen Freude des Schaffens dasjenige, was zum dritten Bande der Römischen Geschichte ausgearbeitet in seinem Nachlasse sich findet. Nach der Rückkehr von seinem ersten Besuch in Berlin, wohin er im Mai sich begeben hatte, 9 um sich dem Könige vorzustellen und seine definitive Entlassung von dem römischen Gesandtschaftsposten zu erwirken - während seines dortigen Aufenthalts verlor er einen Knaben, der ihm wenige Wochen vorher geboren war fasste er den Entschluss, den lange verlassenen Beruf des öffentlichen Lehrers wieder aufzunehmen und sich der Bonner Universität in freier Verbindung anzuschliessen. Doch wurde die Ausführung dieses Vorhabens durch verschiedene Umstände, namentlich seine Berufung zu den Sitzungen des Staatsrathes im Herbste 1824, verzögert, und erst im Sommer 1825 hielt er seine erste Vorlesung über griechische Geschichte seit der Schlacht bei Chäronea. Diese und die folgenden Vorlesungen über römische Geschichte und Alterthümer, über alte Länder- und Völkerkunde, über alte Geschichte und über die neueste seit der französischen Revolution fesselte durch Fülle des Stoffes, tiefe Forschung und Frische der Behandlung die jugendlichen Zuhörer, auf welche er zugleich durch herzliche Vertraulichkeit aufs Wohlthuendste einwirkte. Das Honorar für seine Vorlesungen. verwandte er theils zu wissenschaftlichen Preisaufgaben, theils zur Unterstützung bedürftiger Studierender. ,,Zu gleicher Zeit erkannte er während der vorschreitenden Arbeit an der Fortsetzung der Römischen Geschichte die Nothwendigkeit der Umarbeitung der vor zwölf Jahren geschriebenen beiden ersten Bände. Nachdem er dieselbe mit energischem Entschlusse unternommen hatte, wurde unter seinen Händen die Umgestaltung zu einer neuen Schöpfung. Der erste Band erschien in der neuen Bearbeitung 1827 und wurde in und ausser Deutschland mit einer Achtung aufgenommen, die auf den Verfasser ermunternd einwirkte und sehr bald eine neue Auflage nothwendig machte, der er seinen nachbessernden Fleiss nicht entzog. Unter den zahlreichen Beweisen ehrender Anerkennung, die er von vielen Seiten empfing, hat keine ihn mehr erfreut, als eine Zuschrift von Goethe vom 15. April 1827, die mit den Worten schliesst: .Es wird dem verehrten Verfasser jenes Werkes von Bedeutung sein zu sehen, wie seine Classen, B. G. Niebuhr. 2 |