Bemerkung vorausschickt 1):,,Es ist bekannt, dass der König, aller dagegen versuchten Einleitungen und Ränke ungeachtet, durch Niebuhr's Gründe und kräftige aus innigster Ueberzeugung hervorgegangene Anstrengung überzeugt, das verderbliche Projekt verwarf und die gewinnsüchtigen Berathungen der Spekulanten zu Nichte machte." Schön fügt seinem obigen Bericht, in ähnlichem Sinn wie früher, die Reflexion hinzu: .. Vielleicht hätten wir eine andere neue preussische Geschichte, wenn Niebuhr leben geblieben. wäre! Es war zwar Alles angewandt, um Niebuhr vom Kronprinzen fern zu halten, und dies unausgesetzte Bemühen musste zwar einigen Erfolg haben; aber dieser war nur ein Anflug an dem Wesen des Kronprinzen; Niebuhr lebte bis zu seinem Tode in dem Herzen desselben, und wahrscheinlich wäre mit dem Throne der Staub abgeschüttelt und das reine Herz hätte sich wieder ganz zum reinen Herzen gefunden." Inzwischen war Niebuhr nach längerer Beobachtung der in Berlin herrschenden Strömungen zu dem Entschlusse gelangt, jede Versuchung, wie sie von verschiedenen Seiten an ihn herantrat, in den Staatsdienst zurückzukehren, von sich zu weisen. Er wandte sich vielmehr schon den 24. Februar an den Cultusminister von Altenstein mit dem Gesuch, dass ihm die Befugniss, an der Rheinischen Universität Vorlesungen zu halten, ohne die Formalität einer Habilitation gewährt werden möchte. Gegen seine Frau äusserte er sich so über diesen Entschluss 2):,, Diese Art der Thätigkeit befriedigt mein Ehrgefühl, mein eignes Bedürfniss zu nützen und zu wirken; sie wird mich frischer erhalten, wenn ich täglich zu geistiger Mittheilung angeregt werde; und dann gewinne ich auch dadurch einen haltbaren Grund, die öfteren Reisen hieher ablehnen zu können, weil ich meine Vorlesungen nicht immer 1) Pertz a. a. O. S. 568. unterbrechen kann." Diese seine Hoffnungen stimmten vollkommen mit den Wünschen seiner Gattin überein; er erwiedert ihr auf den Ausdruck ihrer Freude über seinen Entschluss 1):,,Auch ich ergreife Bonn als unseren künftigen Wohnort mit Liebe und mit der Ueberzeugung, dass uns kein besserer zu Theil werden könne. Ich will auch suchen, den Localinteressen nicht fremd zu bleiben. Dadurch einigt man sich näher mit den Bewohnern. Auch ist es mir ein Bedürfniss, Theil zu nehmen an dem Wohl und Weh derer, die mit mir zu einer Gemeinschaft gehören." Der Minister gab mit Freuden seine Zustimmung zu Niebuhr's Gesuch, und als sein Entschluss in Bonn bekannt geworden war, sprachen ihm die bedeutendsten Mitglieder der Universität ihre Freude darüber aus. Sobald er vom Könige die Erlaubniss erhalten, sich von den Sitzungen des Staatsraths nach der Erledigung der wichtigsten Geschäfte zurückzuziehen, und nachdem er sich bei dem Kronprinzen, den Ministern und zahlreichen Freunden verabschiedet hatte, trat er den 14. April,, in dem besten Platz im Wagen, den Nagler (der General - Postmeister) ihm bestellt hatte", seine Rückreise an und langte den 17. frohen Muthes und voll guter Hoffnung für die Zukunft bei seiner Familie an. In der ersten Woche des Mai 1825 eröffnete er in dem von Zuhörern überfüllten grössten Hörsaal der Universität seine angekündigte erste Vorlesung über die griechische Geschichte seit der Schlacht von Chaeronea. So trat Niebuhr gegen Ende seines fünfzigsten Lebensjahres, nach einem mannichfachen Wechsel seiner Schicksale und amtlichen Stellungen in diejenige Periode seines Lebens ein, in welchem ihm noch fast sechs Jahre in äusserlich einfachen Verhältnissen, aber so tief und segensreich eingreifend, wie nur in irgend einer früheren, zu wirken beschieden war. Es ist dieser letzte Zeitraum seines reichen Lebens derjenige 1) Lebensnachrichten III, 137. gewesen, in welchem es mir vergönnt war, dem edlen Manne mit Liebe und Verehrung nahe zu treten, und seine Persönlichkeit und seine Wirksamkeit aus vertraulicher Nähe zu beobachten. Ich habe auf den Wunsch der Verfasserin der ,, Lebensnachrichten" meine Beobachtungen und Erfahrungen aus jener Zeit in dem übersichtlichen Berichte aufgezeichnet, welcher im dritten Bande jenes Werkes S. 283 — 302 im Drucke erschienen ist. Nahestehende Freunde des Verewigten haben sich mit der Treue und Wahrheit meiner Mittheilungen zufrieden erklärt. Ich lasse daher diese Nachrichten,, über Niebuhr's Leben und Wirksamkeit in Bonn" hier mit den wenigen Zusätzen wieder abdrucken, die sich mir nach achtunddreissig Jahren aufgedrängt haben, in der Hoffnung, dass sie auch jetzt noch in der Frische der Erinnerung, mit welcher sie niedergeschrieben sind, einen Vorzug besitzen, den eine Umarbeitung ihnen entziehen würde. Ueber Niebuhr's Leben und Wirken in Bonn, nebst einer Niebuhr lebte in Bonn in den einfachen Verhältnissen einer ehrenvollen Zurückgezogenheit, im Genuss einer Musse, welche er sich weder durch sehnsüchtige Erinnerung an eine glänzendere Vergangenheit, noch durch unstete Hoffnung auf eine ausgedehntere Wirksamkeit verkümmerte. Er freute sich ohne Affectation an dem Gedanken, dass er das Ziel seiner Jugendwünsche, den Beruf des öffentlichen Lehrers, nun doch nach einem so weiten Umwege erreicht habe, und dass ihm die mannigfaltigen Lagen seines bisherigen Lebens einen Schatz von Einsicht und Erfahrung eingebracht, welcher seiner neuen Thätigkeit auf seltene Weise zu Gute kommen musste. Ihr widmete er sich mit jugendlicher Liebe und Begeisterung und fühlte sich in ihrem Erfolge beglückt. Zur nächsten Aufgabe stellte er es sich, in den schönen Ländern, welche mit dem Frieden unter Preussens Scepter gekommen waren, zur Wiedererweckung philologischer und historischer Studien kräftig mitzuwirken. Er hatte die Ueberzeugung, dass grade in diesen ein Fundament geistiger Bildung liege, durch deren Befestigung und Verbreitung am sichersten der Geist geweckt und genährt werden könne, dessen Herrschaft er in den preussischen Staaten erkannte und wünschte. Jetzt, da wir seine fast siebenjährige Wirksamkeit auf diesem Punkte überschauen, bleibt es immer eine schwierige, ja unmögliche Aufgabe, aus dem Ganzen der glücklichen Resultate der preussischen Verwaltung für die Rheinlande, auf welche jeder Wohlgesinnte mit inniger Freude hinblickt, den besonderen Antheil des Verdienstes für Niebuhr auszuscheiden: es ist um so schwieriger, da die Wirkungen des Geistes sich auf verborgenen Wegen entwickeln und der Beachtung sich entziehen. Aber wir berufen uns, ohne Furcht verleugnet zu werden, auf das Zeugniss der vielen, jetzt in Kirche, Schule und Staat Angestellten, welche einst in Bonn Niebuhr's Hörsäle besuchten, ob sie nicht einen Theil des Besten und Edelsten, dessen sie sich in Erkenntniss und Streben bewusst sind, seinem anregenden Worte, seinem lebendigen Beispiele verdanken. Denn es lag in seinen Vorträgen eine wundersame Kraft, welche sowohl die guten Köpfe und edlen Naturen unwiderstehlich ergriff und anzog, als auch auf die Minderbegabten tiefen Eindruck machte. Fragen wir, worin sie sich äusserte, wodurch sie hervordrang, so war es nicht die Wirkung einer hervorragenden persönlichen Erscheinung denn sein zarter Körperbau machte eher den Eindruck von Schwäche und Kränklichkeit nicht der Reiz eines frei und anmuthig fliessenden Vortrags, oder die Gewalt eines mächtig durchdringenden Organs denn nicht ohne Mühe brachte er die zuströmenden Gedanken in die entsprechende Form des Ausdrucks, und seine Stimme hatte eher eine nicht wohlthuende Schärfe; es denn, was eine so auffallende Gewalt über Geist und Gemüth ausübte? Nichts anderes, als dass auch in dem Lehrer der ganze Mensch dem Zuhörer entgegentrat und dass die was war Gesammtheit seiner Geisteskräfte vor ihnen in vollem Leben sich entfaltete, regte und arbeitete. Nichts von einer künstlichen Zurichtung des persönlichen Auftretens, nichts von einer absichtlich angenommenen Weise des Vortrags und der Action, auch nichts von einer unwillkürlich entstandenen Gewöhnung, ja nichts von der feierlichen Erhebung des Ausdrucks und der Stimme, zu der das Reden vor einer zahlreichen Versammlung sehr leicht und sehr natürlich auffordert: sondern Niebuhr liess auch hier seine eigenste Natur walten, wie er es in allen Lebensverhältnissen, im Hause wie im Staate, gethan, und wie er nicht anders konnte; dass aber diese offene Darlegung seiner ungeschmückten Natur stets eine edle, würdige, gehaltvolle Erscheinung darbot, das war das Seltene und Grosse, welches Alle anzog und auch dem einfachsten Sinn zugänglich und verständlich war. Denn welche Gaben enthielt diese Natur in sich, welche ihr zu freier Benutzung zu Gebote standen! - diese Fülle und Tiefe der mannichfaltigsten Kenntnisse, die sich gegenseitig erläuterten und unterstützten, diese Beweglichkeit des Geistes, welche auch den todten Stoff im lebendigen Flusse erhielt, diese Kraft des Gedächtnisses, welche selbst den Zuhörern das Gefühl der Sicherheit mittheilte, diese Frische der Phantasie, welche das Bild der Vergangenheit in die Gegenwart hereinzog- und vor allen Dingen dieser sittliche Ernst, der den Menschen und Begebenheiten eine ganz andere Theilnahme als die an einem Schauspiele zuwandte. So wie sich vor seinem Geiste die Geschichte in die Realität der Gegenwart verwandelte, so nahm sie wie diese alle seine Gemüthskräfte in Anspruch: Liebe und Ehrfurcht, Hass und Verachtung, Bewunderung und Zorn, man möchte sagen Furcht und Hoffnung erfüllten sein Gemüth, wenn er sich im Geiste auf den Schauplatz der grossen vergangenen Zeit versetzte, und Andere in denselben einführte. Es war eine Folge seiner lebendigen und gemüthvollen Auffassung, dass er Personen und Verhältnisse der entlegensten Zeiten, unter denen er sich |