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allgemeinen zur Wahrung der gefährdeten Rechte genügen, ganz abgesehen davon, daß der Landtag oder Reichstag selbstverständlich niemals in der Lage ist, über schwierige juristische Fragen zu urteilen, wie sie derartige Rechtsverlegungen im allgemeinen darstellen.

Die Einschränkung endlich, die schon die Grundrechte hinsichtlich des Heeres und der Kriegsflotte machten, hat der Art. 39 VU. fast wörtlich übernommen in der Bestimmung: „Auf das Heer finden die in dem Art. 32 enthaltenen Bestimmungen nur insoweit Anwendung, als die militärischen Disziplinarvorschriften nicht entgegenstehen".

Diese Einschränkung war, wie fast alle in der Verfassungsurkunde in bezug auf das Heer gemachten, notwendig zur Sicherung der Disziplin und damit der Verwendbarkeit und Schlagfertigkeit des Heeres.

§ 36.

Die Verantwortlichkeit der Beamten.

§ 160 RV. v. 28. 3. 1849 bestimmt: „Eine vorgängige Genehmigung der Behörden ist nicht notwendig, um öffentliche Beamte wegen ihrer amtlichen Handlungen gerichtlich zu verfolgen“.

Der Zweck dieser Bestimmung war nach den Motiven der Verfassungskommission der Nationalversammlung für den fast wörtlich damit übereinstimmenden Art. 93 d. Entw. einer VU., „Fürforge zu treffen, daß die Verantwortlichkeit der Beamten sich nicht hinter ungeseßliche Befehle ihrer Vorgesezten verstecke und dem ordentlichen Rechtswege entgegengetreten werde".1)

Hervorgerufen war diese Bestimmung durch den Stand, den die Gesetzgebung auf diesem Gebiete bis 1848 einnahm, denn nach der Verordn. v. 26. 12. 1808 war die Einleitung eines Strafprozesses also nicht eines Zivilprozesses gegen Beamte wegen durch Amts- und Diensthandlungen begangener Rechtsverlegungen an die vorgängige Prüfung und Beschlußnahme der vorgesezten Dienstbehörde gebunden.2)

Bis zu einem gewissen Grade ist die obige Forderung der Grundrechte verwirklicht durch Art. 97 VU., der bestimmt: „Die Bedingungen, unter welchen öffentliche Zivil- und Militärbeamte

1) vgl. Rauers Prot. d. Verfassungskommission S. 96 f., 134.

2) vgl. die Verordn. wegen verbesserter Einrichtung der Provinzialbehörden v. 26. 12. 1808, das Ges. über den Waffengebrauch der Grenzaufsichtsbeamten vom 28. 6. 1834; das Ges. über den Waffengebrauch der Forst- und Jagdbeamten vom 31. 3. 1837.

wegen durch überschreitung ihrer Amtsbefugnisse verübter Rechtsverletzungen gerichtlich in Anspruch genommen werden können, bestimmt das Gesez. Eine vorgängige Genehmigung der vorgesezten Dienstbehörde darf jedoch nicht verlangt werden".

Es ist jedoch zu beachten, daß die Grundrechte die Genehmigung jeder Behörde ausschließen wollten, während der Art. 97 nur die Genehmigung der vorgesezten Dienstbehörde ausschließt. In Ausführung der Bestimmungen dieses Artikels ist dann das Gesetz betreffend die Konflikte bei gerichtlichen Verfolgungen wegen Amts= und Diensthandlungen v. 13. 2. 1854 ergangen, das troz mehrfacher Versuche, es aufzuheben bezw. abzuändern, noch heute gilt, und dem eine große prinzipielle Bedeutung innewohnt. Es hat nämlich den erklärten Zweck, zu verhindern, daß im Wege der gerichtlichen Verfolgung die Organe der Verwaltung durch veratorische Klagen oder durch Furcht vor solchen gelähmt werden, indem es von der Ansicht ausgeht, daß es vermieden werden müsse, auf dem Wege der Klage vor den Gerichten die Staatsverwaltung den Gerichten unterzuordnen.1)

Ich halte diese Ansicht für richtig, um so mehr, als es zweifellos im Interesse der Autorität der Verwaltung unmöglich ist, etwa die Amtshandlungen bis in die höchsten Kreise der Verwaltung hinauf lediglich der Beurteilung und Entscheidung der Richter anheimzugeben, und es andererseits ausgeschlossen erscheint, eine Grenze zu ziehen, bis zu der Verwaltungshandlungen der Nachprüfung der Gerichte unterliegen sollen. Man kann überdies nicht behaupten, daß das Gesetz von 1854 dem Art. 97 VU. widerspreche, und endlich bildet die Verwaltungsgerichtsbarkeit eine im allgemeinen vollständig genügende Möglichkeit der Kontrolle über Verwaltungsakte.

Der heutige Rechtszustand ist, nachdem das Gesetz von 1854 durch mehrere gesegliche Bestimmungen modifiziert worden ist,9) folgender: Wenn gegen einen Zivil- oder Militärbeamten wegen einer in Ausübung oder in Veranlassung der Ausübung seines Amts vorgenommenen Handlung oder wegen Unterlassung einer Amtshandlung eine gerichtliche Verfolgung im Wege des Ziviloder Strafprozesses eingeleitet worden ist, so kann die vorgesezte Provinzial- oder Zentralbehörde des Beamten den Konflikt erheben, wenn sie glaubt, daß der Beamte innerhalb der Grenzen seiner Amtsbefugnisse gehandelt oder eine ihm obliegende Amts

1) vgl. Rönne a. a. O. Bd. 1 S. 586 Anm. 4; Schwarz a. a. D. G. 280. 2) vgl. § 11 EG. z. GVG.; § 114 LVG.; Zirkularreskr. des Min. f. Handel, Gew. u. öffentl. Arbeiten v. 5. 10. 1860 (MBI. f. inn. Verw. 1860 S. 197); Zirkularreskr. d. Justizmin. v. 3. 12. 1860 (JMBI. 1860 S. 426).

handlung nicht unterlassen habe. In diesem Falle hat dann das Oberverwaltungsgericht die Vorentscheidung darüber, aber auch nur darüber, ob eine Überschreitung der Amtsbefugnisse oder Unterlassung einer Amtshandlung vorliegt, und wenn das Oberverwaltungsgericht diese Frage verneint, so ist eine weitere gerichtliche Inanspruchnahme des Beamten ausgeschlossen. Selbst= verständlich präjudiziert eine Bejahung der Frage durch das Oberverwaltungsgericht nicht der späteren gerichtlichen Entscheidung, die vielmehr immer noch zugunsten des Beamten ausfallen kann. Durch diese Bestimmungen ist also die Forderung des § 160 RV. von 1849 eingeschränkt, ohne daß man indes diese Einschränkung bei den dafür geltenden Bestimmungen de facto als eine sonderlich schwere anzusehen braucht. Zu beachten ist jedoch, daß eine Konfliktserhebung nicht möglich ist bei Beamten, die keine vorgesezte Behörde haben, wie den Staatsministern, den kommandierenden Generälen usw., und daß sie ausgeschlossen ist, wenn die gerichtliche Verfolgung gegen Justizbeamte eingeleitet ist, mit Ausnahme der Beamten der Staatsanwaltschaft und der gerichtlichen Polizei.

Endlich ist die Konfliktserhebung nicht zulässig bei Reichsbeamten, denn jeder Reichsbeamte ist für die Gesetzmäßigkeit seiner amtlichen Handlungen verantwortlich".) Diese Bestimmung findet aber keine Anwendung auf Personen des Soldatenstandes,2) bei denen, wenigstens bezüglich der bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die Konfliktserhebung zulässig ist.

Achtes Kapitel.

Die Versammlungs- und Vereinsfreiheit. (Art. 7 der Grundrechte.)

§ 37.

Die Versammlungsfreiheit.

§ 29 der Grundrechte bestimmt: „Die Deutschen haben das Recht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln; einer besonderen Erlaubnis dazu bedarf es nicht. Volksversammlungen

1) § 13 d. Ges. betr. die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten v. 31. 3. 1873. 2) vgl. § 157 a. a. D.

unter freiem Himmel können bei dringender Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit verboten werden".

Eine Versammlung ist die zeitweilige Zusammenkunft einer Mehrzahl von Personen zu gemeinsamer Beratung und Beschlußfassung.1)

Das durch diesen Paragraphen der Grundrechte geforderte Recht der Versammlungsfreiheit war vor 1848 vielfach in willkürlichster Weise beschränkt, ja fast völlig aufgehoben. Die auf die Erreichung der Vereins- und Versammlungsfreiheit gerichtete Bewegung bildete einen Hauptbestandteil der Gesamtbewegung von 1848 und war den bisherigen Beschränkungen gegenüber grundsäglich durchaus berechtigt.) Seit 1848 war die Versammlungsfreiheit grundsäglich in Preußen, ebenso wie übrigens in den meisten anderen deutschen Staaten, anerkannt, in Preußen durch Art. 29 VU. und durch die Verordnung über die Verhütung eines die gesetzliche Freiheit und Ordnung gefährdenden Mißbrauchs des Versammlungs- und Vereinigungsrechts v. 11. 3. 1850. Der ge= nannte Artikel der Verfassungsurkunde ist jezt, ebenso wie die Verordnung, ersetzt durch das für das ganze Reich gültige Reichsvereinsgesetz v. 19. 4. 1908.

Dieses hat an seine Spize den Grundsatz der Vereins- und Versammlungsfreiheit gestellt, indem es in § 1 bestimmt: „Alle Reichsangehörigen haben das Recht, zu Zwecken, die den Strafgesehen nicht zuwiderlaufen, Vereine zu bilden und sich zu versammeln".

Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung gilt die Versammlungsfreiheit also auch für Frauen, dagegen nicht für Ausländer, jedoch darf aus der bloßen Anwesenheit von Ausländern in Versammlungen kein Recht zum Einschreiten gegen die Versammlung, insbesondere auch kein Recht zur Auflösung, hergeleitet werden.3)

In dieser anderen Behandlung der Ausländer liegt selbstverständlich keine Einschränkung der Versammlungsfreiheit, vor allem nicht in dem Sinne, in dem die Grundrechte selbst sie auffaßten, denn diese forderten die ganzen Freiheiten in einem jedenfalls damals und vorläufig auch heute noch durchaus berechtigten nationalen Egoismus immer nur für die Inländer, d. h. für die Deutschen.

1) So Hue de Grais a. a. D. S. 341; vgl. die Entsch. d. RG.: „Versammlung ist eine gewisse, nicht allzu klein an Zahl bemessene, äußerlich irgendwie vereinigte Personenmehrheit oder Menschenmenge, die auf gemeinsamen bewußten Zwecken und Zielen, also auf gemeinsamem Wollen beruht".

2) So Rönne a. a. D. Bd. 2 S. 274 f.

8) vgl. Romen a. a. D. S. 25.

Ebensowenig liegt in der Bestimmung, daß der Zweck einer Versammlung nicht den Strafgeseßen zuwiderlaufen darf, eine Beschränkung des hier fraglichen Rechts, denn diese Bestimmung zieht nur die selbstverständliche Grenze, die die Ausübung jeden Rechts in den Strafgesezen findet.

Durch den oben angeführten § 1 des Reichsvereinsgeseßes ist also die Forderung des § 29 der Grundrechte an sich voll verwirklicht. Indes sieht schon dieser § 1 selbst Einschränkungen der Versammlungsfreiheit vor, indem er in seinen weiteren Säßen bestimmt: „Das Versammlungsrecht unterliegt polizeilich nur den in diesem Gesetz und anderen Reichsgesezen enthaltenen Beschränkungen. Die allgemeinen sicherheitspolizeilichen Bestimmungen des Landesrechts finden Anwendung, soweit es sich um die Verhütung unmittelbarer Gefahr für Leben und Gesundheit der Teilnehmer an einer Versammlung handelt“.

Der zweite dieser beiden Säße, um ihn vorwegzunehmen, ist allerdings auch nicht als eine Einschränkung der Versammlungsfreiheit anzusehen. Nach ihm sind polizeiliche Maßregeln auf Grund des § 10 II, 17 ALR., also im Rahmen der allgemeinen Aufgaben der Polizei, auch heute noch zulässig, die Polizei kann also z. B. wegen Baufälligkeit des gewählten Versammlungslokals, lebensgefährlicher überfüllung, ansteckender Krankheiten usw. gegen Versammlungen einschreiten, diese event. auflösen oder von vornherein verbieten. Diese der Polizei gelassene Befugnis entspringt der selbstverständlichen Überlegung, daß ein aus anderen gesezlichen Vorschriften zulässiges oder gebotenes Einschreiten gegen eine Mehrheit von Personen nicht aus dem Grunde rechtswidrig werden kann, weil diese Personen gerade ihr Versammlungsrecht ausüben. Sie war in Preußen auch bisher schon ebenso anerkannt1) und ist nicht als eine Einschränkung der Versammlungsfreiheit anzusehen.

Wohl aber enthält das Vereinsgesetz in seinen weiteren Paragraphen eine Reihe von Einschränkungen der Versammlungsfreiheit. Hierhin gehört zunächst die Bestimmung, daß von einer öffentlichen politischen Versammlung mindestens 24 Stunden vor Beginn der Versammlung der Polizeibehörde Anzeige unter Angabe des Ortes und der Zeit erstattet werden muß.) In dieser Anzeigepflicht würde an sich noch keine Einschränkung zu finden sein, da Präventivverbote gegen Versammlungen unzulässig sind3) und ebensowenig eine vorgängige Genehmigung erforderlich ist,

1) vgl. Romen a. a. D. S. 34.

285 des VereinsG. Ausnahme von dieser Bestimmung s. § 6 a. a. D. 3) vgl. Romen a. a. D. S. 34 f.

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