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Allerdings ist gelegentlich des Erlasses des Volksschulunterhaltungsgesetzes der Art. 112 VU. durch Gesetz v. 10. 7. 1906 aufgehoben. Indessen hat durch dasselbe Gesetz der Art. 26 vu. folgende Fassung erhalten: „Das Schul- und Unterrichtswesen ist durch Gesetz zu regeln. Bis zu anderweiter gesetzlicher Regelung. verbleibt es hinsichtlich des Schul- und Unterrichtswesens bei dem geltenden Recht".

Diese Änderung ist vorgenommen worden, um Verfassungsbedenken gegen den Entwurf des Schulunterhaltungsgesetzes zu beseitigen, die sich aus der bisherigen Fassung des Art. 26 VU.: Ein besonderes Gesetz regelt das ganze Unterrichtswesen“ herleiteten. Denn man hatte hieraus folgern wollen, daß das gesamte Unterrichtswesen durch ein Gesetz zu regeln sei. Lediglich um dies Bedenken zu zerstreuen, ist die betreffende Verfassungsänderung vorgenommen, woraus sich ergibt, daß dem jezigen Art. 26 VU. dieselbe Bedeutung hinsichtlich der Art. 20-25 VU. innewohnt, wie dem ehemaligen Art. 112, dessen Bestimmungen er überdies fast wörtlich übernommen hat.

Es ist jedoch zu beachten, daß die Art. 24 u. 25 jezt zum Teil durch das Schulunterhaltungsgeseß ihre geseßliche Ausführung erhalten haben.

Rönne,1) Schulze und früher auch das Abgeordnetenhaus) nahmen nun an, daß durch Art. 112 die Art. 20-25 nur so weit suspendiert seien, wie sie zu ihrer Verwirklichung noch des. Erlasses des im Art. 26 verheißenen Unterrichtsgeseßes bedürften. Bierling) war der Ansicht, daß die betreffenden Artikel, soweit sie mit den bisherigen gesetzlichen Bestimmungen nicht in Widerspruch ständen, als oberste Verwaltungsmarimen anzusehen und als solche für alle weiteren Verwaltungsanordnungen auf dem Unterrichtsgebiete so lange bindend seien, als sie nicht im Wege der Verfassungsänderung beseitigt oder durch neue Geseze unausführ= bar gemacht seien“. Gneist) endlich erklärte die betreffenden Artikel als „Zukunftsrecht“. Er erachtete sie also für gänzlich suspendiert, ebenso G. Meyer,) E. Loening) und Arndt.)

"

Ich möchte mich mit einer gleich näher zu erklärenden Einschränkung dieser lezten Ansicht anschließen, da Rönnes Mei

1) Rönne a. a. O. 4. Aufl. Bd. 2 S. 452f.
Schulze, Preuß. StaatsR. Bd. 2 S. 456.

3) Stenogr. Ber. 1864 S. 592 ff.

Die konfessionelle Schule in Preußen, Gotha 1875, S. 12ff., 109 ff. 5) Die konfessionelle Schule usw., Berlin 1869, S. 12.

Meyer, VerwR. Bd. 1 S. 222.

Loening, VerwR. S. 738, 752.

8) Arndt a. a. D. S. 97.

nung sich dem klaren Wortlaut des Art. 112 VU. bezw. des an seine Stelle getretenen gleichlautenden Art. 26 VU. gegenüber nicht wohl halten läßt, und da Art. 112 gerade zu dem Zweck beantragt und von den Revisionskammern angenommen ist, damit die Unterrichtsverwaltung an die Art. 20-25 bis zum Erlasse des Unterrichtsgesetzes nicht gebunden sei.1) Hiermit stimmt auch die Judikatur überein.2)

Es ist indessen fraglich, ob zu den durch Art. 112 bezw. 26 VU. suspendierten Artikeln auch der hier fragliche Art. 20 VU. zu rechnen ist. Die staatsrechtliche Literatur bejaht im allgemeinen diese Frage. Anderer Ansicht ist nur anscheinend Rönne) und vor allem Schwarz, letterer mit der m. E. überzeugenden Begründung, daß die Wissenschaft und ihre Lehre keineswegs mit Schule und Unterricht zusammenfalle.) Ich halte diese Ansicht für richtig und glaube demnach, daß der Art. 20 nicht mit suspendiert ist und daß mithin auch der § 22 der Grundrechte voll verwirklicht ist.

Die Einschränkungen, denen die Lehr- und Lernfreiheit unterworfen ist, sind schon oben im Anfang dieses Paragraphen erwähnt worden. Sie bestehen nur in der selbstverständlichen Bestimmung, daß die Lehrfreiheit nicht die bestehenden Gesetze verlegen darf und daß sie, wenn sie dies tut, den gesetzlich statthaften Repressivmaßregeln, d. H. den Strafen, unterworfen ist. Daß, um Unterricht gewerbsmäßig zu erteilen, staatliche Genehmigung erforderlich ist, widerspricht dem Grundsaß der Freiheit der Wissenschaft nicht.

$ 29.

Die Aufsicht des Staates über Unterrichts-
und Erziehungswesen.

§ 23 der Grundrechte bestimmt: „Das Unterrichts- und Erziehungswesen steht unter der Aufsicht des Staates und ist, ab

1) vgl. Arndt a. a. D. S. 98.

2) vgl. Erk. d. OTr. v. 12. 10. 1874 und 14. 6. 1877, in Entsch. Bd. 73 S. 406 ff., Bd. 80 S. 377.

3) Rönne a. a. D. 4. Aufl. Bd. 2 S. 454.

4) Schwarz a. a. O. S. 85. Ders. Ans. scheint Hue de Grais zu sein, vgl. a. a. D. S. 428 Anm. 2, der, nach dieser Anmerkung zu schließen, sogar auch den Art. 22 von der Suspension ausnehmen will; vgl. auch die Bemerkung des Abg. Kisker bei Beratung des Art. 112, daß die Gültigkeit des Grundsages des Art. 20 durch Art. 112 nicht berührt werde (Stenogr. Ber. der I. Kammer 1849/50 Bd. 4 S. 1969).

gesehen vom Religionsunterricht, der Beaufsichtigung der Geistlichfeit als solcher enthoben".

An sich ist dieser Paragraph durch Art. 23 VU. für Preußen verwirklicht, der bestimmt, daß alle öffentlichen und Privatunterrichts- und -erziehungsanstalten unter der Aufsicht vom Staate ernannter Behörden stehen.

Da indes dieser Artikel durch Art. 26 VU. suspendiert ist,1) so kommt das ältere Recht in Betracht. Dies ist ALR. Teil II Titel 12 §§ 1, 9, 56, das durch das in „Ausführung des Art. 23 BU." ergangene Gefeß v. 11. 3. 1872 ergänzt und klarer gestellt ist. Dies Gesetz, das durch das Volksschulunterhaltungsgesetz im allgemeinen nicht berührt ist, bestimmt in § 1 unter Aufhebung aller entgegenstehenden Bestimmungen, daß die Aufsicht über alle öffentlichen und Privatunterrichts- und erziehungsanstalten dem Staate zustehe, und daß demgemäß alle mit dieser Aufsicht be= trauten Behörden und Beamten im Auftrage des Staates handeln, und in § 2, daß die Ernennung der Lokal- und Kreisschulinspektoren und die Abgrenzung ihrer Aufsichtsbezirke dem Staat allein gebühre.2)

Der schulplanmäßige Religionsunterricht in der Volksschule ist nach dem Erlaß des Kultusministers v. 18. 2. 1876) den an der betreffenden Schule angestellten Lehrern und Lehrerinnen unabhängig von der missio canonica zu übertragen als staatliches Amt. Die religiöse Seite des höheren Unterrichts haben die Generalsuperintendenten zu beaufsichtigen,*) aber auch nur im Auftrage des Staates.

Aus obigem ergibt sich, daß der § 23 der Grundrechte für Preußen voll verwirklicht ist.

Die Zentralbehörde der Unterrichtsverwaltung ist der Kultusminister.5) Die obere Leitung der Angelegenheiten des öffentlichen Unterrichts in den Provinzen haben die Oberpräsidenten. Als Provinzialinstanz fungieren für die höheren Schulen, einschließlich der Lehrerseminare, die Provinzialschulkollegien, für Elementar-, Bürger- und Privatschulen die Regierungen, Abteilung für Kirchen und Schulwesen. Die obere Leitung in wissenschaftlicher Hinsicht steht jedoch auch in Ansehung dieser Schulen den Provinzialschulfollegien zu.

1) vgl. die Ausführungen oben in § 28.

2) vgl. das Ges. v. 11. 3. 1872 betr. die Beaufsichtigung des Unterrichts- und Erziehungswesens §§ 1 u. 2.

3) MBI. f. d. gef. inn. Verw. S. 68.

4) v. Kampz, Annalen Bd. 13 S. 279; Zentralbl. f. höhere UnterrVerw. 1869 S. 49.

5) Seine Befugnisse s. in der Verordn. v. 27. 11. 1810.

Einschränkungen von dem Grundsatz des § 23 der Grundrechte gibt es nicht. Die Schuldeputationen, welche die den Ge= meinden vorbehaltene Teilnahme an der Schulaufsicht ausüben, handeln dabei als Organ der Regierung und sind insofern verpflichtet, deren Anordnungen Folge zu leisten.")

Es ist daher keine Einschränkung, daß die rangältesten Geistlichen notwendige Mitglieder dieser Deputation sind.") Ebensowenig ist es als eine Einschränkung anzusehen, daß Kreis- und Ortsschulinspektoren in der Regel die Geistlichen sind, da sie die Aufsicht nicht kraft ihrer Eigenschaft als Geistliche, sondern kraft staatlichen Auftrags nach § 1 Abs. 2 d. Ges. v. 11. 3. 1872 ausüben. Der Staat kann also diesen Auftrag jederzeit widerrufen und andere Inspektoren ernennen.3) 4)

§ 30.

Das Recht, Unterrichtsanstalten zu gründen
und Unterricht zu erteilen.

§ 24 der Grundrechte bestimmt: „Unterrichts- und Erziehungsanstalten zu gründen, zu leiten und an solchen Unterricht zu erteilen, steht jedem Deutschen frei, wenn er seine Befähigung der betreffenden Staatsbehörde nachgewiesen hat.

Der häusliche Unterricht unterliegt keiner Beschränkung“.

Mit Ausnahme des letzten Sages ist dieser Paragraph fast wörtlich als Art. 22 in die Verfassungsurkunde übergegangen, indes ist dieser Artikel, wie erwähnt, vorläufig durch Art. 26 Vu. suspendiert.

Die Gewerbeordnung findet im allgemeinen auf das Unterrichtswesen keine Anwendung,5) ausgenommen auf die Erteilung. von Tanz-, Turn- und Schwimmunterricht. Die gewerbsmäßige Erteilung dieses Unterrichts kann denen untersagt werden, die wegen Verbrechen oder Vergehen gegen die Sittlichkeit bestraft find.)

Im allgemeinen gilt also für die Erteilung von Unterricht usw. das ältere Recht. In Betracht kommen ALR. Teil II

1) § 43 des Volksschulunterhaltungsgefeßes v. 28. 7. 1906.

2) vgl. § 44 Ziff. 4 a. a. D.

3) vgl. Hue de Grais a. a. D. S. 427.

4) Abs. 2 des Art. 24 VU., der die Leitung des Religionsunterrichts den Religionsgesellschaften übertragen wollte, ist also nicht verwirklicht worden.

5) vgl. Gew. § 6: „Die Gewerbeordnung findet keine Anwendung auf

die Erziehung der Kinder gegen Entgelt.

6) vgl. GewO. § 35.

Tit. 12 §§ 3-8, Kab. v. 10. 6. 1834,1) Staatsministerialbeschluß v. 31. 12. 1839,2) der durch eine Reihe späterer Ministerialreskripte, insbesondere durch das v. 12. 4. 1842 ergänzt und erläutert und nach Verordn. v. 18. 2. 1887 für den ganzen Staat gültig ist, und Verordn. v. 18. 4. 1873. Hiernach bedürfen Privatunterrichts- und -erziehungsanstalten, desgl. gewerbsmäßige Privatlehrer, Hauslehrer, Erzieher und Erzieherinnen der staatlichen, von der Regierung zu erteilenden Genehmigung. Diese Genehmigung ist widerruflich.

Für Privatunterrichts- und -erziehungsanstalten soll sie nur da erteilt werden, wo ein wirkliches Bedürfnis vorhanden ist. Die Bedingungen für den Gründer und Leiter solcher Anstalten sind die wissenschaftliche und die sittliche Befähigung. Ebenso müssen die Hauslehrer und -lehrerinnen ihre sittliche Befähigung, die Privatlehrer außerdem noch ihre wissenschaftliche Befähigung nachweisen.

Insoweit die Genehmigung nur an den Nachweis der sittlichen, wissenschaftlichen und technischen Befähigung geknüpft ist, liegt darin keine Einschränkung des fraglichen Prinzips der Grundrechte, die ja auch selbst schon den Befähigungsnachweis vorgesehen hatten, wohl aber insoweit auch noch andere Bedingungen für die Erteilung der Genehmigung gestellt werden, wie z. B. das Vorhandensein eines Bedürfnisses.")

Voll erfüllt ist die Forderung dieses Paragraphen der Grundrechte also nicht. Die genannten Einschränkungen haben nach Rönne) bei einer künftigen Regelung des Gegenstandes fortzufallen. Ob indes dieser Ansicht, die allerdings dem Geist der Verfassung entspricht, beizutreten ist, möchte ich aus praktischen Gründen bezweifeln, da es mir bei der ungeheuren sittlichen und kulturellen Bedeutung des gesamten Unterrichtswesens nicht an= gängig erscheint, es dem schrankenlosen Wettbewerb und damit der Gefahr preiszugeben, nur als milchende Kuh angesehen und behandelt zu werden. Das Richtigste, wenigstens im Interesse des Unterrichtswesens selbst und der zu unterrichtenden Jugend, dürfte sein, die private Tätigkeit auf diesem Gebiete, abgesehen vom häuslichen Unterricht, ganz auszuschalten und ausschließlich Staats- und Kommunalunterrichtsanstalten zuzulassen. Voraus

1) Kab. v. 10. 6. 1834 betr. die Aufsicht des Staates über Privatanstalten und Privatpersonen, die sich mit dem Unterricht und der Erziehung der Jugend beschäftigen (Gefeßsamml. 1834 S. 135).

2) f. MBI. f. d. gef. inn. Verw. 1840 S. 94.

3) vgl. Kab. v. 10. 6. 1834 § 1; so Rönne a. a. D. 4. Aufl. Bd. 2 S. 461. 4) Rönne a. a. D. S. 461.

v. Münchhausen.

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