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weiteren Rechte erhalten, als die der erlaubten Privatgesellschaften. Religionsgesellschaften ohne Korporationsrechte sind in der Hauptsache Irwingianer, Nazarener, freie Gemeinden, Deutschkatholiken, und Philipponen. Zweifellos liegt in den für diese geltenden Bestimmungen des Gesetzes v. 11. 3. 1850 eine Einschränkung der verfassungsrechtlich zugesicherten Freiheit der religiösen Assoziation und der gemeinsamen Religionsübung; indes kann ich doch nicht Rönnes Ausführungen beipflichten, daß diese Freiheit durch das Gesetz v. 11. 3. 1850 nahezu illusorisch gemacht sei.1)

Denn nach § 3 des genannten Gesezes bedarf es keiner besonderen Anzeige für die einzelnen Versammlungen, wenn Zeit und Ort statutenmäßig feststehen,) und dies wird de facto wohl bei den meisten Religionsgesellschaften der Fall sein, mindestens ist es leicht, eine entsprechende Bestimmung in die Statuten aufzunehmen. Ebensowenig dürfte die Einreichung der Statuten zu Schwierigkeiten oder Beanstandungen durch die Behörden führen, da naturgemäß die Statuten religiöser Vereine nur in den seltensten Fällen in Widerspruch zu den Strafgesezen stehen werden.

Die Freiheit der Religionsübung schließt selbstverständlich das Recht der Polizeibehörde nicht aus, nach Teil II Tit. 17 § 10 ALR. Vorkehrungen zum Schuße des Publikums zu treffen, also 3. B. wegen lebensgefährlicher überfüllung, zur Vermeidung von Feuergefahr, mit Bezug auf ansteckende Epidemieen usw. das Erforderliche vorzuschreiben,) indes ist in derartigen Anordnungen niemals eine Einschränkung des Rechtes der Glaubens- oder Kultusfreiheit zu sehen.

§ 22.

Gleiche bürgerliche und staatsbürgerliche Rechte für alle Bekenntnisse.

Eine Folge der Gewissensfreiheit ist die Verpflichtung des Staates, seinen Bürgern ohne Rücksicht auf ihr Bekenntnis die gleichen Rechte zu gewähren. Infolgedessen bestimmt § 16 der Grundrechte: „Durch das religiöse Bekenntnis wird der Genuß der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte weder bedingt noch beschränkt. Den staatsbürgerlichen Pflichten darf dasselbe keinen Abbruch tun".

1) Rönne 4. Aufl. Bd. 2 S. 159 f.
2) vgl. § 3 d. Ges. v. 11. 3. 1850.
So Arndt a. a. D. S. 91 Anm. 6.

Nachdem dieser Paragraph fast wörtlich in Art. 12 VU. übergegangen und damit für Preußen verwirklicht war, sind seine Forderungen demnächst durch die zu Reichsgesehen erklärten Gesege v. 1. 11. 1867 über die Freizügigkeit und v. 3. 7. 1869 betr. die Gleichberechtigung der Konfessionen in bürgerlicher und staatsbürgerlicher Beziehung für ganz Deutschland erfüllt worden, indem diese Geseze jede aus der Verschiedenheit des Bekenntnisses hergeleitete Beschränkung der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte aufgehoben haben. So sind besonders die früher für die Juden bestehenden Beschränkungen hinsichtlich des Erwerbs und Besizes von Grundeigentum, des Rechts zum Gewerbebetriebe und der Freizügigkeit durch diese Geseze beseitigt, und die Befähigung zur Teilnahme an der Gemeinde- und Landesvertretung und zur Bekleidung öffentlicher Ämter ist unabhängig vom religiösen Bekenntnisse.

Indessen bestehen auch von diesem Rechte gewisse Einschränkungen, die schon die Grundrechte durch den in erweiterter Form in die Verfassungsurkunde übergegangenen Sat den staatsbürgerlichen Pflichten darf das religiöse Bekenntnis keinen Abbruch tun" anerkannt hatten.1)

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Aus dieser Bestimmung folgt einmal, daß niemand sich unter dem Vorwande der Religion den positiven Leistungen entziehen darf, die das Gesetz den Staatsgenossen auferlegt, und ferner, daß die Religionsfreiheit niemand das Recht verleiht, straflos den Verboten zuwider zu handeln, durch die der Staat die Grundlagen des öffentlichen Lebens, die Sittlichkeit und das Recht, gegen Verlegungen sichert.)

Diese zweite Folgerung bezeichnet allerdings nur die selbstverständliche Grenze jeder Religionsfreiheit und kann nicht wohl als eine Einschränkung des hier fraglichen Rechts aufgefaßt werden,") wohl aber kann die erste Folgerung als ein Gewissenszwang angesehen werden, sobald nämlich die Bestimmungen des Staatsgesetzes wirklich dem Glauben widerstreiten,*) was freilich selten genug eintreten wird.) Im übrigen gilt auch hier das

1) Art. 12 BU. Den bürgerlichen und staatsbürgerlichen Pflichten darf durch. die Ausübung der Religionsfreiheit kein Abbruch geschehen.

2) So Rönne 4. Aufl. Bd. 2 S. 173.

3) Es ist also keine Einschränkung der Religionsfreiheit, wenn ein Mormone in Deutschland wegen Bigamie bestraft wird, oder wenn gegen eine Religionsgesellschaft, welche unsittliche Lehren verbreitet, die Staatsverfassung angreift oder den öffentlichen Frieden stört, repressive Maßregeln von seiten des Staates ergriffen werden.

4) So Rönne 4. Aufl. Bd. 2 S. 173 Anm. 1.

3) Ein Fall dieser Art ist es z. B., wenn die Mennoniten gezwungen werden,

im vorigen Paragraphen hinsichtlich der Grenzen der Gewissensfreiheit Ausgeführte, und wenn es auch schwierig genug sein mag, die Bestimmung des lezten Sages des § 16 der Grundrechte bezw. des Art. 12 BU. mit dem Grundsaß der Glaubensfreiheit zu vereinigen, so ist doch darin Rönne1) unbedingt beizupflichten, daß an dem Prinzip der gleichen Verbindlichkeit der Staatsbürger zu allen staatsbürgerlichen Pflichten und Lasten zunächst festzuhalten ist.

Zur konsequenten Durchführung der Religionsfreiheit gehört an und für sich, daß der Staat die Ordnung des gesamten öffentlichen und Privatrechts unabhängig von konfessionellen Anschauungen feststellt.

Die Forderung der vollständigen Trennung von Staat und Kirche ist also von diesem Standpunkt aus gerechtfertigt und jedenfalls logisch. Andererseits ist es zweifellos, daß man bei vollständiger Durchführung dieses Grundsages, einem Prinzip zuliebe, unschäßbare Vorzüge und Güter opfern würde, ganz abgesehen davon, daß die Mehrheit des deutschen Volkes, die noch auf dem Boden der christlichen Religion steht, einer derartigen Trennung lebhaften Widerstand entgegenseßen würde. Eine Durchführung dieses Grundsages gegen den Willen der Mehrheit aber würde um so bedenklicher sein, da es mehr als zweifelhaft ist, ob man die völlige Ausmerzung der Religion aus dem öffentlichen Leben und den sicher daraus folgenden Rückgang der Religiösität als einen kulturellen Fortschritt wird bezeichnen können.

Tatsächlich ist denn auch der Grundsaß der Gewissensfreiheit nicht überall durchgeführt. So darf) an und für sich da, wo Schulzwang besteht, niemand angehalten werden, seine Kinder in die Schule einer anderen Konfession zu schicken, und der Staat muß nötigenfalls durch Simultan- oder konfessionslose Schulen Abhilfe schaffen. Diese Forderung ist da, wo die Schulen Konfessionsschulen sind, nicht vollständig erfüllt, da die Freiheit, die Kinder von der Konfessionsschule oder, mindestens von dem Religionsunterricht fernzuhalten, dadurch bedingt ist, daß die Eltern in anderer Weise für Erteilung des allgemeinen bezw. Religionsunterrichts sorgen. Ich kann indessen hierin keine unzulässige Einschränkung der Religionsfreiheit finden.

zu dienen, obwohl ihr Glaube ihnen den Dienst mit der Waffe verbietet. De facto wird indes auch diese Einschränkung meist wieder beseitigt, indem die Mennoniten zum Dienst als Nichtkombattanten Krankenträger usw. eingezogen werden, wodurch ihre religiösen Anschauungen nicht irritiert werden.

1) vgl. Rönne 4. Aufl. Bd. 2 S. 173 Anm. 1.

2) vgl. Hinschius, Artikel über Gewissensfreiheit in Stengel a. a. D.

§ 23.

Das Recht der Religionsgesellschaften auf selbständige Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten.

§ 17 der Grundrechte bestimmt in seinem Abs. 1: „Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig, bleibt aber den allgemeinen Staatsgesehen unterworfen".

Diese Bestimmung war fast wörtlich, aber ohne die Einschränkung der zweiten Sazhälfte, als Art. 15 in die preußische Verfassungsurkunde übergegangen, hauptsächlich um der evangelischen Kirche Gelegenheit zu geben, ihre Verfassung auszubauen, was im Gegensatz zur katholischen Kirche noch kaum begonnen hatte.1) Aber gerade dieser Umstand hinderte die evangelische Kirche daran, während die katholische, vermöge ihrer straffen Organisation, die Verfassungsbestimmungen um so reichlicher ausnuhen konnte. Jm Kulturkampf entstand nun Streit über die Bedeutung und Tragweite dieses Artikels der Verfassung, indem behauptet wurde, die Staatsgewalt habe nach ihm weder die Gesetzgebungsgemalt, noch ein Aufsichtsrecht, noch ein jus circa sacra.2) Der Artikel wurde infolgedessen durch Gesetz v. 5. 4. 1873 durch den Zusatz abgeändert, daß die Religionsgesellschaften den Staatsgesetzen und der Aufsicht der Staates unterworfen bleiben follten. Aber auch in dieser Form wurde seine Bedeutung absichtlich oder unabsichtlich noch von vielen mißverstanden, und es wurde behauptet, Art. 15 VU. in Verb. mit den Art. 16 u. 18 sanktioniere die Unabhängigkeit der Kirche vom Staate, verneine damit also die Souveränität des Staates über die Religionsgesellschaften. Da die Artikel somit dem Erlasse kirchenpolitischer Geseze entgegenstanden und zu fortwährenden Streitigkeiten Anlaß gaben, so wurden sie durch Gesetz v. 18. 6. 1875 aufgehoben.3) Der § 17 der Grundrechte ist also in das heutige Recht nicht offiziell aufgenommen, und der Staat ist befugt, über den Umfang, in dem die Religionsgesellschaften ihre Organisationen zu treffen haben, nähere Bestimmungen zu treffen. Das ist dann zum Teil geschehen in den sogen. Maigesehen des Jahres 1873,

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1) So Schwarz a. a. D. S. 81.

2) vgl. Rönne 4. Aufl. Bd. 2 S. 379; S ch w arß a. a. D. S. 81.
3) So Arndt a. a. D. S. 95 Anm. 2.

welche die staatlichen Befugnisse hinsichtlich der Vorbildung, Anstellung und Entlassung der Geistlichen usw. geregelt haben.')

Die Aufhebung dieser Artikel der Verfassungsurkunde hat indes keine rückwirkende Kraft, soweit diese also frühere, vor Erlaß der Verfassungsurkunde bestandene Vorschriften, z. B. das placetum regium, beseitigt haben, sind diese auch durch die Aufhebung der Artikel nicht wieder in Kraft getreten.)

Endlich bedeutet die Aufhebung des Art. 15 nicht auch die Aufhebung des durch ihn ausgesprochenen Grundsages, was schon die Geschichte seiner Aufhebung lehrt.3)

Die heutige Ausbildung der evangelischen Kirchenverfassung hat im Gegenteil den Zweck, die Landeskirche in den Stand zu sezen, ihre Angelegenheiten selbst zu verwalten.) Eigene Vermögensverwaltung haben sämtliche Religionsgesellschaften, die staatliche Verwaltung von kirchlichen Angelegenheiten, soweit sie überhaupt besteht, ist geseßlich begrenzt, und durch Schaffung verschiedener Rechtskontrollen ist den Kirchen Gewähr gegen eine mißbräuchliche Anwendung staatlicher Gesetzgebung geleistet.5) Daraus ergibt sich, daß de facto mit der schon von den Grundrechten selbst gemachten Einschränkung § 17 Abs. 1 der Grundrechte verwirklicht ist.®)

§ 24.

Gleiche Rechte für alle Religionsgesellschaften. Abschaffung einer Staatskirche.

§ 17 Abs. 2 der Grundrechte bestimmt:

„Keine Religionsgesellschaft genießt vor anderen Vorrechte durch den Staat; es besteht fernerhin keine Staatskirche“.

1) vgl. Ges. v. 4. 5. 1868 betr. theolog. Prüfungen usw.; Ges. v. 11. 5. 1873 über die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen. Das Gef. v. 12. 5. 1873 über die kirchl. Disziplinargewalt ist durch das Ges. v. 29. 4. 1887 wieder aufgehoben.

2) So Arndt a. a. D. S. 96 Aum. 3; ebenso Schwarz a. a. D. S. 82; Rönne 4. Aufl. Bd. 2 S. 380 f.

3) Der Artikel wurde, wie oben ausgeführt, im Kulturkampfe aufgehoben, hauptsächlich infolge der Enzyklika v. 5. 2. 1875, welche die Maigeseße für ungültig erfärte. Die Aufhebung war also ein Kampf- und Schußmittel gegenüber einem zweifellos unrechtmäßigen kirchlichen Eingriff in staatliches Hoheitsrecht. Vgl. auch Schwarz a. a. D. S. 82.

4) vgl. das Ges. v. 3. 6. 1876 betr. die evangel. Kirchenverfassung in den acht älteren Provinzen, §§ 21 ff.

5) So durch Schaffung des Gerichtshofes für kirchliche Angelegenheiten.
6) vgl. Richter a. a. D. § 74 S. 227-255.

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