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als Abschn. 6 §§ 130-189 in die Reichsverfassung v. 28. 3. 1849 1) und in die meisten Landesverfassungen über, wurden allerdings durch Bundesbeschluß v. 23. 8. 1851 wieder aufgehoben,) haben aber trotzdem eine bleibende Bedeutung für Deutschland behalten.

Die preußische Verfassung hat in Titel 2 „Von den Rechten der Preußen" die meisten der Grundrechte aufgenommen, ebenso die Verfassungen der meisten anderen deutschen Einzelstaaten. In der Verfassung des Norddeutschen Bundes und in der Reichsverfassung fehlt allerdings ein Abschnitt über Grundrechte, indes ist auch für das Reich als solches ein erheblicher Teil der Grundrechte verwirklicht, indem durch die Reichsgesetzgebung auf einer ganzen Reihe wichtiger und praktischer Gebiete die bürgerliche, religiöse, politische und wirtschaftliche Freiheit durchgeführt und insoweit auch gegen Beeinträchtigung durch die Landesgesetzgebung sichergestellt ist, als die betreffenden Reichsgesetze und deren Ausführung unter dem Schuß und der Aufsicht des Reiches stehen.")

Zweck des folgenden Versuchs soll es nun sein, zu untersuchen, welche Bedeutung den 1848 aufgestellten Grundrechten im heutigen preußischen Recht noch zukommt, wie weit die Gesetzgebung sie anerkannt oder fallen gelassen hat und wie weit sie, auch wo sie anerkannt sind, unter besonderen Verhältnissen eingeschränkt werden können.

Bei der Gliederung der Arbeit will ich mich an die historisch gegebene Einteilung der Grundrechte anschließen, die in der Verfassung des Deutschen Reiches v. 28. 3. 1849 in 14 Artikeln 59 Paragraphen enthalten. Dementsprechend wird die Arbeit in 14 Kapitel zerfallen.

1) RGBI. 1849 Stück 16 S. 101 ff.
2) vgl. Sigungsprot. v. 23. 8. 1851.
3) Rönne a. a. D. Bd. 2 S. 149 f.

1. Kapitel.

Der Artikel 1 der Grundrechte.

§ 1.

Deutsches Reichsbürgerrecht für jeden Deutschen (§§ 1 u. 2 der Grundrechte).

Nach einem einleitenden Sage, welcher festseßt, daß die Grundrechte dem deutschen Volk gewährleistet, daß sie den deutschen Verfassungen zur Norm dienen, und daß sie durch keine Verfassung oder Gesetzgebung eines deutschen „Einzelstaates" jemals aufgehoben oder beschränkt werden sollen, bestimmt der § 1 der Grundrechte: „Das deutsche Volk besteht aus den Angehörigen der Staaten, welche das Deutsche Reich bilden“.

Dieser schon an sich selbstverständliche Saß ist heute für das Reich verwirklicht durch das Reichsgesetz v. 1. 6. 1870 über die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit. Denn danach ist die Reichsangehörigkeit, also die Zugehörigkeit zum deutschen Volke, Folge der Staatsangehörigkeit (§ 1 a. a. D.). Eine Einschränkung von dieser Regel gibt es nicht; jeder An= gehörige eines deutschen Bundesstaates hat als solcher auch die Reichsangehörigkeit. Die Fälle ihrer nachträglichen Entziehung werde ich unten erörtern. Die Entwicklung ist sogar noch über die Bestimmung der Grundrechte hinausgegangen, denn im Reichsland Elsaß-Lothringen, das kein Staat ist und in dem es daher auch keine Staatsangehörigkeit geben kann, gibt es nur eine Reichsangehörigkeit,1) und ebenso ist es nach § 6 des Reichsgesezes v. 15. 3. 1888 in den Schußgebieten.2)

Der § 1 der Grundrechte steht in engem Zusammenhang mit den folgenden Paragraphen und hat offenbar hauptsächlich den

1) Laband, Das StaatsR. des Deutschen Reichs Bd. 2 S. 208f.; derf.

Ans. 3orn, Schulze, Hänel, Bornhak u. a.

2) vgl. das Ges. wegen Abänderung des Ges. betr. die Rechtsverhältnisse in den deutschen Schußgebieten v. 15. 3. 1888; vgl. auch § 1723 BGB.

Zweck, den Kreis derjenigen zu bestimmen, denen die Grundrechte zustehen sollen.

§ 2 bestimmt dann: „Jeder Deutsche hat das Reichsbürgerrecht. Die ihm kraft dessen zustehenden Rechte kann er in jedem deutschen Lande ausüben. Über das Recht, zur deutschen Reichsversammlung zu wählen, verfügt das Reichswahlgeset".

Zur Erklärung des Reichsbürgerrechts muß man auf den Begriff Staatsbürgerrecht eingehen. Der Inhalt dieses Begriffes ist allerdings nicht unbestritten. Nach Rönne-3orn ist es der Inbegriff derjenigen Rechte, die dem Staatsbürger als solchem, also ohne besondere Erwerbung, dem Staate gegenüber zustehen, die also jedem Staatsgenossen schon wegen dieser rechtlichen Eigenschaft als Teilnehmer der Staatsgenossenschaft gebühren. Die reinen Privatrechte, die einem Staatsbürger gegen den andern zustehen und die der Staat nur schüßt, sind darunter nicht begriffen. Die im Staatsbürgerrecht im weiteren Sinne enthaltenen Rechte sind nach ihm a) die staatsbürgerlichen Rechte im engeren Sinne oder die eigentlichen politischen Rechte, d. h. diejenigen, die sich auf die unmittelbare Teilnahme am Staats- und Gemeindeleben beziehen, und b) die bloß bürgerlichen Rechte. Zu den politischen Rechten gehören insbesondere das aktive und passive Wahlrecht, die allgemeine, nur an die gesetzlichen Bedingungen geknüpfte Fähigkeit zu öffentlichen Ämtern und zur Befugnis, als Geschworener oder Schöffe zu fungieren.1) Die bürgerlichen Rechte bestehen positiv in dem Anspruch auf die schüßende und pflegende staatliche Tätigkeit, negativ in gewissen Freiheiten von der staatlichen Einwirkung, die in der Verfassung in den sogen. Grundrechten verbürgt werden.2)

Laband dagegen faßt den Inhalt des Staatsbürgerrechts allgemein als „den Anspruch des einzelnen Staatsbürgers auf die Erfüllung der Aufgaben, welche der Staat seinen Angehörigen gegenüber übernommen hat, sowohl nach außen, als im inneren, und auf die verfassungsmäßige Teilnahme am Staatsleben selbst".

Diesen Anspruch zerlegt er dann in

1. den Anspruch auf Schuß im Auslande.

2. das Recht des Bürgers, an den Wohltaten des staatlichen Gemeinwesens teilzunehmen, dessen Betätigung 3. B. Appellation an die Gerichte, Beschwerdeführung bei

1) vgl. Rönne a. a. D. Bd. 1 S. 600 f.; ebenso Arndt, Komm. S. 67 Anm. 2; Schwarz a. a. D. S. 49.

2) So Hue de Grais a. a. D. S. 42; ebenso Arndt a. a. D. S. 67. Anm. 2.

den Reichsbehörden und Einreichung von Petitionen beim Bundesrate und Reichstage bildet;

3. die politischen Rechte. Zu diesen lezteren rechnet er aber nicht die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter, denn dies sei kein Recht im subjektiven Sinne, da niemand einen Anspruch darauf habe, angestellt zu werden.1) Aus demselben Grunde verneint Jellinek das ganze von Laband konstruierte Recht, an den Wohltaten des staatlichen Gemeinwesens teilzunehmen, das nach ihm ausschließlich Refler staatlicher Pflicht ist.2)

Ich möchte mich der Ansicht Rönnes anschließen, ohne daß übrigens diese Streitfrage für die vorliegende Arbeit von sonderlicher Bedeutung ist. Ich glaube im Gegensatz zu Binding und Laband, daß man auch eine Fähigkeit als Recht bezeichnen kann, dann nämlich, wenn man unterscheidet zwischen einer rein physischen und einer juristischen Fähigkeit. Die Fähigkeit, zu sprechen, ist selbstverständlich kein Recht im subjektiven Sinne, wie 1848 der Abgeordnete Waldeck behaupten wollte, wohl aber die Fähigkeit, im Reichstage zu sprechen, wenn man Abgeordneter ist.3)

Der Inhalt des Reichsbürgerrechts nun folgt aus dem Inhalt des Staatsbürgerrechts und ist, je nachdem wie man dieses faßt, enger oder weiter. Nach Laband, dem ich mich anschließe, ist Reichsbürgerrecht der Inbegriff derjenigen öffentlichen Rechte, die das Reich seinen Untertanen als Reichsbürgern gewährt, d. h. es sind die staatsbürgerlichen Rechte innerhalb der dem Reiche zu= gewiesenen Kompetenz, 4) oder wie Rönne es ausdrückt, Reichsbürgerrecht ist das mit der Reichsangehörigkeit sich deckende Einzelstaatsbürgerrecht.") Das Reichsbürgerrecht hat also jeder Reichsangehörige, die Reichsangehörigkeit aber hat, wie im vorhergehenden ausgeführt, jeder Angehörige eines deutschen Bundesstaates. Daraus ergibt sich, daß die Forderung von Sat 1 des § 2 der Grundrechte voll und ohne Einschränkungen verwirklicht ist.

Auch die weitere Forderung des § 2 der Grundrechte ist erfüllt. Die Ausübung des aktiven Reichstagswahlrechts, ebenso wie die Befugnis, Schöffe oder Geschworener zu werden, ist zwar an den Wohnsig geknüpft, dessen Wahl aber steht nach dem Gesetz v. 1. 11. 1867 einem jeden frei. Daß derjenige, der

1) vgl. Laband a. a. O. Bd. 1 S. 341 ff.

2) vgl. Jellinek, System der subjekt. öffentl. Rechte S. 113ff.

8) Aus dem ganzen Katalog der Grundrechte ergibt sich übrigens, daß die Grundrechte selbst den Ausdruck Reichsbürgerrecht in seiner weitesten Bedeutung faffen wollten.

4) So Laband a. a. D. S. 137.

5) Rönne a. a. O. Bd. 1 S. 608.

mehrere Wohnsize hat, nur an einem sein Wahlrecht ausüben darf, ist selbstverständlich und keine Einschränkung des Sat 2 § 2 der Grundrechte, ebensowenig wie die Bestimmung, daß nur die Angehörigen der einzelnen Bundesstaaten wahlberechtigt für den Landtag ihres Heimatstaates sind, denn es steht einem jeden Deutschen frei, die Staatsangehörigkeit in jedem anderen deutschen Bundesstaate zu erwerben. Das passive Wahlrecht endlich kann nach § 4 des zum Reichsgesetz erklärten Wahlgesetes v. 31. 5. 1869 ohne weiteres in jedem deutschen Lande ausgeübt werden, und ebenso ist die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter für jeden Deutschen in jedem deutschen Staate gleich anerkannt. Die oben unter den bürgerlichen Rechten miterwähnten Grundrechte scheiden hier aus, da sie alle noch weiterhin behandelt werden.

Die Verheißung des § 2 Sat 3 der Grundrechte ist durch das eben angeführte Wahlgesez erfüllt, ein Gesez, das durch sein allgemeines, gleiches Wahlrecht die große Masse zum Sieger über Intelligenz, Wissen und Verdienst macht, das die Stimmen zählt und nicht wägt. Daß dieses, auf dem fundamentalen Irrtum, daß die Menschen gleich seien, aufgebaute Gesez ideal sei, wird niemand behaupten wollen, abgesehen von denen, die durch dasselbe einseitig bevorzugt sind, und das ist allerdings die Mehrzahl.

Das Reichsbürgerrecht nun, bezw. die daraus fließenden Rechte können in verschiedener Weise durch besondere Rechtsverhältnisse eingeschränkt werden. Der gänzliche Verlust aller dieser Rechte, der zwar nicht mehr als Einschränkung zu bezeichnen ist, hier aber auch mit behandelt werden muß, erfolgt bei dem Verlust der Reichsangehörigkeit. Dieser tritt nur ein als Folge des Verlustes der Staatsangehörigkeit, und zwar dann unbedingt, wenn der seine Staatsangehörigkeit Verlierende nur diese eine besaß. Wie zu entscheiden ist, wenn der Betreffende die Staatsangehörigkeit mehrerer deutscher Bundesstaaten besißt, will ich bei den einzelnen Fällen erörtern.

Der Verlust der Staatsangehörigkeit kann nach den Bestimmungen des Gesezes über die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit v. 1. 6. 1870 in 5 Fällen eintreten. Zwei davon, Verlust infolge Entlassung auf Antrag des Betreffenden (§ 14 a. a. O.) und Verlust infolge Verheiratung einer Deutschen mit einem Ausländer (§ 135 a. a. D.), scheiden für meine Betrachtung aus, da ein freiwilliges Aufgeben der Rechte nicht als eine Einschränkung derselben anzusehen ist.

Der Verlust der Staatsangehörigkeit kann ferner erfolgen durch Ausspruch einer Behörde nach §§ 20 u. 22 a. a. D. Im Falle eines Krieges oder einer Kriegsgefahr kann der Kaiser nämlich Deutsche, die sich im Auslande aufhalten, zur Rückkehr auf

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