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haft zu mildern, und es wäre zu wünschen, daß von dieser Möglichkeit in möglichst weitgehendem Maße Gebrauch gemacht würde.

§ 15.

Die Entschädigung für widerrechtlich erlittene Gefangenschaft.

§ 8 Abs. 5 der Grundrechte bestimmt: „Im Falle einer widerrechtlich verfügten oder verlängerten Gefangenschaft ist der Schuldige und nötigenfalls der Staat dem Verletzten zur Genugtuung und Entschädigung verpflichtet".

Die hier festgesetzte Entschädigungspflicht des Staates ist jezt grundsäglich anerkannt, und zwar sowohl hinsichtlich der Strafvollstreckungshaft durch das Reichsgesetz betr. die Entschädigung der im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochenen Personen vom 20. 5. 1898 und hinsichtlich der Untersuchungshaft durch das Reichsgesetz betr. die Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft v. 14. 7. 1904.

Nach § 1 der beiden Gesetze können Personen, die im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen oder in Anwendung eines milderen Strafgesetes mit einer geringeren Strafe belegt sind, Entschädigung aus der Staatskasse verlangen, wenn die früher erkannte Strafe ganz oder teilweise gegen sie vollstreckt worden ist, bezw. können Personen, die im Strafverfahren freigesprochen oder durch Gerichtsbeschluß außer Verfolgung gesezt sind, für die erlittene Untersuchungshaft Entschädigung aus der Staatskasse verlangen, wenn das Verfahren ihre Unschuld ergeben oder wenigstens dargetan hat, daß kein begründeter Verdacht gegen sie vorliegt.1)

Den Entschädigungsanspruch hat nicht nur der, der schuldlos in Haft gewesen ist, sondern es haben ihn auch die Personen, denen gegenüber er kraft Gesezes unterhaltspflichtig ist; der Anspruch umfaßt den vollen durch die Verhaftung erwachsenen Schaden.

In beiden Fällen ist der Anspruch auf Entschädigung ausgeschlossen, wenn der Verurteilte bezw. Verhaftete die frühere Verurteilung bezw. Untersuchungshaft vorsäzlich herbeigeführt oder durch grobe Fahrlässigkeit verschuldet hat.)

Im zweiten Fall kann der Entschädigungsanspruch ausgeschlossen werden, wenn die zur Untersuchung gezogene Tat des Verhafteten eine grobe Unredlichkeit oder Unsittlichkeit in sich geschlossen hat, oder in einem die freie Willensbestimmung aus

1) vgl. § 1 d. Gef. v. 20. 5. 1898 und § 1 d. Ges. v. 14. 7. 1904.
2) vgl. § 1 Abs. 3 d. Ges. v. 20. 5. 1998, § 2 Abs. 1 d. Ges. v. 14. 7. 1904.

schließenden Trunkenheitszustande begangen ist, oder wenn aus den Tatumständen erhellt, daß der Verhaftete die Verübung eines Verbrechens oder Vergehens vorbereitet hatte.1)

Endlich kann der Anspruch des unschuldig in Untersuchungshaft Gewesenen auch dann ausgeschlossen werden, wenn er sich zur Zeit der Verhaftung nicht im Besize der bürgerlichen Ehrenrechte befand oder unter Polizeiaufsicht stand, oder wenn gegen ihn auf Grund des § 181 a oder des § 362 StGB. innerhalb der letzten 2 Jahre auf überweisung an die Landespolizeibehörde rechtskräftig erkannt worden ist, endlich wenn er mit Zuchthaus bestraft worden ist und seit der Verbüßung der Strafe 3 Jahre noch nicht verflossen sind.2)

Übrigens tritt in allen Fällen die Staatskasse bis zum Betrage der geleisteten Entschädigung in die Rechte ein, die dem Entschädigten gegen Dritte um deswillen zustehen, weil durch deren rechtswidrige Handlungen die Verurteilung bezw. die Untersuchungshaft herbeigeführt war.3)

Abs. 6 § 8 der Grundrechte bestimmt schließlich noch: „Die für das Heer und Seewesen erforderlichen Modifikationen dieser Bestimmungen werden besonderen Gesezen vorbehalten“.

Diese Modifikationen sind getroffen in Art. 39 VU., dem Militärstrafgesetzbuch und dem Reichsmilitärgeseß, deren Bestimmungen ganz erheblich von den in den vorstehenden Paragraphen dargestellten Vorschriften abweichen. Da die Grundrechte selbst aber weiter keine Bestimmungen über diese Materie enthalten, so habe ich mich hier nicht damit zu beschäftigen.

§ 16.

Die Abschaffung der Todesstrafe.

§9 der Grundrechte bestimmt: „Die Todesstrafe, ausgenommen wo das Kriegsrecht sie vorschreibt oder das Seewesen im Falle von Meutereien sie zuläßt, sowie die Strafen des Prangers, der Brandmarkung und der körperlichen Züchtigung sind abgeschafft".

Diese Bestimmung der Grundrechte ist, mindestens hinsichtlich der Todesstrafe, nicht konsequent, denn wenn man überhaupt eine strafende Einwirkung des Staates auf seine Untertanen für zulässig hält - und das ist nie bestritten worden - so ist nicht

1) vgl. § 2 Abs. 2 d. Ges. v. 14. 7. 1904.

2) vgl. § 2 Abs. 3 d. Ges. v. 14. 7. 1904.

3) vgl. § 3 Abs. 2 d. Ges. v. 20. 5. 1898, § 7 Abs. 2 d. Ges. v. 14. 7. 1904 und §§ 823 ff. BGB.

einzusehen, warum der Staat nur Eigentum und Freiheit seiner Bürger, nicht aber ihr Leben antasten darf, da doch auch durch die Delikte nicht nur Eigentum und Körper der Betroffenen verlegt, sondern auch deren Leben vernichtet wird.

Daß übrigens die Todesstrafe, ganz abgesehen von allen theoretischen Erörterungen über ihre Zulässigkeit, jedenfalls in der Praris nicht zu entbehren ist, haben schon die Grundrechte selbst durch die von ihnen aufgestellten Ausnahmen anerkannt und hat noch kürzlich in Frankreich der Fall Soleilland gezeigt, in dem die ganze öffentliche Meinung die Vollstreckung eines Todesurteils forderte, obwohl sonst in Frankreich die Todesstrafe, wenn auch nicht de jure aufgehoben, so doch de facto außer Übung ge= kommen ist.

In Beziehung auf die Todesstrafe ist denn auch die Forderung des § 9 der Grundrechte nicht erfüllt,1) wohl aber in Beziehung auf die anderen genannten Strafen durch deren Nichterwähnung im Strafgesetzbuch in Verbindung mit § 6 EG. z. StGB., nach dem nur auf die im Strafgesetzbuch enthaltenen Strafarten erkannt werden darf.

Ob allerdings die Abschaffung der Prügelstrafe einen Fortschritt bedeutet, muß so lange bezweifelt werden, als es noch Roheits- und bestimmte Sittlichkeitsverbrechen, die auch häufig mit außerordentlicher Roheit begangen werden, gibt, und für die nach jeder Straftheorie (Abschreckungs-, Besserungs-, Sühnetheorie usw.) die Prügelstrafe die einzig richtige Strafe sein dürfte.

Als Disziplinarmittel gibt es die Prügelstrafe allerdings noch in Zuchthäusern, doch ist dies keine Einschränkung von der Bestimmung des § 9 der Grundrechte.

§ 17.

Die Unverletzbarkeit der Wohnung.

Zum Recht auf persönliche Unverlegbarkeit gehört auch der Anspruch auf ungestörten Genuß des Hausfriedens und des Hausrechts, und so bestimmt der § 10 der Grundrechte in logischer Konsequenz der Bestimmung des § 8: „Die Wohnung ist unver= lezlich“.

Auch dieser Sag ist wörtlich in den Art. 6 VU. aufgenommen, und so ist grundsäglich diese Forderung der Grundrechte verwirklicht.2)

1) vgl. §§ 1, 13 StGB.

2) Die §§ 123, 124, 339, 342 StGB. und die §§ 9 u. 17 des Forst- und v. Münchhausen.

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Indessen sezen schon die Grundrechte gewisse Einschränkungen dieses Rechts fest, indem sie in den weiteren Abfäßen des § 10 bestimmen: „Eine Haussuchung ist nur zulässig:

1. in Kraft eines richterlichen mit Gründen versehenen Befehls, welcher sofort oder innerhalb der nächsten 24 Stunden den Beteiligten zugestellt werden soll;

2. im Falle der Verfolgung auf frischer Tat durch den geseßlich berechtigten Beamten;

3. in den Fällen und Formen, in welchen das Geseß ausnahmsweise bestimmten Beamten auch ohne richterlichen Befehl dieselbe gestattet".

Die Grundrechte bestimmten endlich in den lezten Absäzen des § 10: „Die Haussuchung muß, wenn tunlich, mit Hinzuziehung von Hausgenossen erfolgen. Die Unverleglichkeit der Wohnung ist kein Hindernis der Verhaftung eines gerichtlich Verfolgten“.

Im wesentlichen ist die Regelung der fraglichen Materien durch die heutige Gesetzgebung im Sinne der obigen Bestimmungen geschehen. In Betracht kommen dafür die §§ 102-110 StPO., SS 7-10 d. Gef. v. 12. 2. 1850, § 758 3PO. sowie die nach § 6 EG. 3. StPO. in Geltung gebliebenen Vorschriften, die das Verfahren wegen Zuwiderhandlungen gegen die Zoll- und Steuergeseze betreffen.1)

Danach ist das Eindringen in eine Wohnung wider den Willen des Inhabers zulässig:

1. zum Zwecke der Durchsuchung wegen einer begangenen Straftat, entweder, um den Schuldigen zu ergreifen oder um Beweismittel aufzufinden.")

Die Strafprozeßordnung unterscheidet dabei zwischen Personen, die als Täter oder Teilnehmer einer strafbaren Handlung bezw. Begünstiger oder Hehler verdächtig sind, und anderen, d. h. unverdächtigen Personen. Bei ersteren ist das materielle Erfordernis einer Durchsuchung nur die Wahrscheinlichkeit, daß eine strafbare Handlung begangen sei, und die Vermutung, daß die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen werde.) Bei legteren müssen dagegen Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, daß die gesuchte Person, Spur oder Sache sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet, und die Durchsuchung

Feldpolizeigesetes v. 1. 4. 1880 enthalten die Strafvorschriften für die unberechtigte Verlegung dieses Rechts.

1) 3. B. preuß. SteuerD. v. 8. 2. 1812 § 54, Verordn. v. 17. 5. 1867 § 45; §§ 126, 127 des Vereinszollgesezes v. 1. 7. 1869 usw.

2) vgl. §§ 102-110 St.

3) vgl. § 102 a. a. D.

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darf nur erfolgen, um eine bestimmte verdächtige Person oder eine bestimmte Sache oder Spur zu finden.1)

Diese Beschränkung findet indessen keine Anwendung auf die Räume, in denen der Beschuldigte ergriffen ist, oder die er während der Verfolgung betreten hat.2)

Grundsätzlich sollen ferner Durchsuchungen überhaupt nicht während der Nachtzeit vorgenommen werden. Diese Beschränkung findet aber keine Anwendung bei Verfolgung auf frischer Tat, bei Gefahr im Verzug, wenn es sich um die Wiederergreifung eines entwichenen Gefangenen handelt, und endlich in Beziehung auf Wohnungen von Personen, die unter Polizeiaufsicht stehen, sowie auf Räume, welche und solange sie zur Nachtzeit jedermann zugänglich oder die der Polizei als Herbergen oder Versammlungsorte bestrafter Personen, als Niederlagen von Sachen, die mittels strafbarer Handlungen erlangt sind, oder als Schlupfwinkel des Glücksspiels oder gewerbsmäßiger Unzucht bekannt sind.”)

Die unter Polizeiaufsicht stehenden Personen*) unterliegen, abgesehen von den eben angeführten, auch noch sonstigen großen Beschränkungen hinsichtlich des Rechts auf Unverlegbarkeit ihrer Wohnung. Denn die in § 103 StPO. für Haussuchungen bei unverdächtigen Personen verlangten besonderen Erfordernisse sind ihnen gegenüber ebenfalls nicht nötig, so daß also bei den unter Polizeiaufsicht stehenden Personen Haussuchungen zu jeder Tagesund Nachtzeit, durch die Polizei- und Sicherheitsbeamten auch die, welche nicht Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft sind ohne alle besondere Veranlassung, ohne Vorhandensein irgendwelcher spezieller, auf Tatsachen gestüßter Verdachtsgründe, selbst ohne die bloße Vermutung, daß die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln und dergl. führen könnte, vorgenommen werden können.")

Endlich gehören noch hierher die Fälle des § 127 Seem. in der Fassung v. 2. 6. 1902, wonach die Schiffer das Recht haben, jederzeit die Effekten der Schiffsleute, die der Beteiligung an einer strafbaren Handlung verdächtig sind, zu durchsuchen, sowie die Vorschriften der Reichs- und Landesgeseze über Durchsuchungen seitens der Zoll- und Steuerbeamten bei übertretungen der Zollund Steuergesetze.®)

1) vgl. § 103 Abs. 1 a. a. D.

2) vgl. § 103 Abs. 2 a. a. D.

3) vgl. § 104 Abs. 2 a. a. D. Übrigens ist ein Eindringen in die Räume, wo Glücksspiele oder gewerbsmäßige Unzucht betrieben werden, jederzeit zulässig (Entsch. d. RG. v. 11. I. 1885).

1869.

4) vgl. über die Polizeiaufsicht die Ausführungen oben in § 2.

5) So Fuhr, Die Polizeiaufsicht S. 75.

) vgl. z. B. § 10 d. Ges. v. 12. 2. 1850; § 126 f. des Vereinszollgesetes v. 1. 7.

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