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Wehrpflichtigen im Alter vom vollendeten 17. bis zum vollendeten 25. Lebensjahr, die noch nicht ausgehoben sind, darf die Entlassung nur gewährt werden auf Grund eines Zeugnisses der Ersagkommission, daß sie die Entlassung nicht nachsuchen, um sich der Dienstpflicht zu entziehen.1)

Bei Offizieren und im Offizierrang stehenden Ärzten des beurlaubten Standes, ausgehobenen aber vorläufig in die Heimat beurlaubten Rekruten und Freiwilligen, den zur Disposition der Ersatzbehörden entlassenen Militärpersonen und den zur Disposition der Truppenteile beurlaubten Mannschaften bedarf es für die Entlassung der Genehmigung der Militärbehörde, die beliebig versagt werden kann. Jedoch ist gegen diese Versagung die Klage im Verwaltungsstreitverfahren zulässig.2)

Endlich bedürfen Reservisten, sowie Land- und Seewehrleute, die nicht zum Dienst einberufen sind, zur Entlassung ebenfalls der Genehmigung der Militärbehörde, doch darf diese nicht versagt werden.3)

Die Befolgung der vorstehenden Vorschriften ist durch mehrfache Strafbestimmungen gesichert.*)

Wer also nicht Militärperson oder nicht mehr zur Ableistung von Militärdiensten verpflichtet ist, kann in der Auswanderungsfreiheit überhaupt nicht beschränkt werden. Die Einschränkungen können indes nach § 17 d. Ges. v. 1. 6. 1870 in Verbindung mit Teil 1 § 25 Ziff. 4 WehrO. für die Zeit eines Krieges oder einer Kriegsgefahr noch erweitert werden. Dann kann nämlich die Erteilung der Auswanderungserlaubnis an Wehrpflichtige überhaupt untersagt werden. Die Gründe für diese Einschränkung sind die gleichen wie oben. Daß jemand während einer Freiheitsstrafe bezw. um sich einer solchen zu entziehen, nicht auswandern kann oder darf, ist selbstverständlich und keine Einschränkung des hier fraglichen Rechts, ebensowenig wie die Bestimmung, daß ein Beamter erst aus seinem Amt entlassen sein muß, ehe er auswandern darf, da er auf seinen Antrag jederzeit entlassen werden muß. Endlich sind auch nach dem Wortlaut des § 6 der Grundrechte privatrechtliche Beschränkungen, wie sie durch die Ehe, väterliche Gewalt usw. bedingt werden, nicht als eine Einschränkung der Auswanderungsfreiheit aufzufassen.

1) § 15 Ziff. 1 a. a. D.; § 30 MilG. v. 2. 5. 1874.

2) vgl. §§ 34, 52, 54, 56 Nr. 2-4, 60 RMilG.

3) § 15 d. KriegsdienstG. v. 9. 11. 1867; Art. 2 § 11 d. Novelle z. MilG. vom 11. 2. 1888.

4) vgl. §§ 69 ff. MilStGB., §§ 140 u. 360 Biff. 2 StGB.

Die Forderung von Sat 2 des § 6 der Grundrechte ist erfüllt durch Art. 4 Ziff. 1 RV., wonach die Auswanderung der Beaufsichtigung und Gesetzgebung des Reiches unterliegt, und die in Ausführung dessen ergangenen Vorschriften.) In erster Linie kommt hier das Reichsgesetz über das Auswanderungswesen in Betracht, das einmal die Auswanderer gegen Ausbeutung und sonstige Gefahren schüßen, dann aber und vor allem sie dem Deutschtum und damit dem Vaterlande erhalten will. Zu diesem Zweck sind besondere Auswanderungsbehörden eingerichtet, nämlich der dem Reichskanzler zugeteilte Beirat und die Reichskommissare für das Auswanderungswesen in Hamburg und Bremen. Außerdem dienen als Auswanderungsbehörden die Landesbehörden und die Konsuln. Alle diese Behörden suchen durch zuverlässige Auskunftserteilung, Fürsorge am Niederlassungsorte und Hinlenkung auf geeignete Ziele die Ausgewanderten ihrem Volkstume zu erhalten.

Damit ist die Entwicklung wieder auf den zweifellos einzig richtigen und außerordentlich bedeutsamen Standpunkt zurückgekehrt, den frühere Zeiten durch die strikte Untersagung der Auswanderung zu behaupten trachteten. Allein das damals gewählte Mittel war eine vom kulturellen wie vom Rechtsstandpunkte aus gleichermaßen unzulässige Maßregel von zweifelhaftem Erfolge, und sie ist infolgedessen, wie die vorhergehenden Ausführungen gezeigt haben, mit Recht von der fortschreitenden Entwicklung fallen gelassen worden. Während die damalige Politik einige widerwillige Untertanen im Vaterlande festhielt, erstrebt die heutige nationale Auswanderungspolitik Ausbreitung und Befestigung der deutschen Sprache und Kultur auch in fremden Ländern. Die Erreichung dieses Zieles liegt übrigens nicht nur im nationalen Interesse, sondern ist gleichzeitig auch von größter wirtschaftlicher Bedeutung. „Gleiche Nationalität“, sagt W. Roscher, „ist im Welthandelbetriebe gleichbedeutend mit der Vorhand im Handel", und von der Richtigkeit dieses Sazes kann man sich leicht durch einen Blick in die Handelsstatistik überzeugen. In richtiger Erkenntnis dieser Verhältnisse kämpfen übrigens nicht nur der Staat, sondern auch private Vereinigungen, so in erster Linie der allgemeine deutsche Schulverein, für die Erhaltung des Deutschtums im Auslande, letterer hauptsächlich durch Unterstüßung der deutschen ausländischen Schulen, und es ist sicher, daß dies eins der wirksamsten Mittel für den angegebenen Zweck und der Verein der allgemeinsten Unterstüßung würdig ist.

1) vgl. die Verordn. v. 14. 3. 1898 u. 1. 3. 1904 betr. Vorschr. über Auswandererschiffe u. Reichsges. v. 9. 6. 1897 über das Auswanderungswesen. v. Münchhausen.

4

Zweites Kapitel

Die Gleichheit vor dem Geseß mit Aufhebung aller Standesunterschiede.

(Art. 2 der Grundrechte.)

$ 9.

Die Aufhebung der Standesvorrechte und
-Unterschiede.

Die ersten Säße des § 7, des einzigen Paragraphen des Art. 2 der Grundrechte, bestimmen in wenig glücklicher Terminologie: „Vor dem Gesez gilt kein Unterschied der Stände. Der Adel als Stand ist aufgehoben. Alle Standesvorrechte sind abgeschafft. Die Deutschen sind vor dem Gesetz gleich"; denn jedenfalls ist der erste, vielleicht auch der dritte dieser vier Säge überflüssig, wenn der Sat 4 durchgeführt wird. Der Sinn dieser Bestimmung kann natürlich niemals der sein und hat es auch nie sein sollen, daß privatrechtlich der positive Rechtsbestand derselbe ist, und ebensowenig, daß die tatsächlichen sozialen Unterschiede aufgehoben sein sollen, sondern nur der, daß jedem ein gleicher Anspruch auf Rechts- und Interessenschuß zuerkannt ist, 1) d. H. daß das Geset ohne Ansehen der Person gegen jeden im vollen Umfange angewendet werden soll, und daß kein Gesez hiervon irgendeine Ausnahme zugunsten eines Standes machen darf.) Unter Standesvorrechten sind die politischen Vorrechte zu verstehen, die den einzelnen Mitgliedern gewisser Stände im öffentlichen oder im Privatrecht zustehen. Die obigen Forderungen sind nun mit Ausnahme des Sat 2 für Preußen verwirklicht durch Art. 4 VU. „Alle Preußen sind vor dem Gesetz gleich. Standesvorrechte finden nicht statt.“ Auch dieser Artikel hat selbstverständlich nichts anderes festseßen wollen und festgesetzt, als was eben in vorstehendem über die entsprechenden Bestimmungen der Grundrechte ausgeführt ist, d. h. die darin ausgesprochene Gleichheit vor dem Gesez bezieht sich nur auf die politischen oder staatsbürgerlichen Rechte.3)

1) vgl. Jellinek, System der subjektiven öffentl. Rechte S. 128; Rönne a. a. D. Bd. 2 S. 3 Anm. 2. 2) vgl. Rönne a. a. O. Bd. 2 S. 3.

3) vgl. Rönne a. a. D. Bd. 2 S. 3ff. Anm. 3.

Übrigens gilt diese Gleichheit vor dem Gesetz auf Grund reichsgeseßlicher Normen auch für die nichtpreußischen Reichsangehörigen.

Die Bestimmungen des Art. 4 VU. sind indes in einigen Fällen wieder durchbrochen, da es auch heute noch bevorrechtete Stände gibt, deren Mitglieder den übrigen Preußen gegenüber vor dem Gesez nicht gleich, sondern in bestimmten Beziehungen bevorzugt sind. Hierhin gehören das königliche und das fürstlich hohenzollernsche Haus, die Familien des hannoverschen Königshauses, des kurhessischen, herzoglich nassauischen und des schleswigholsteinischen Fürstenhauses und die mittelbar gewordenen deutschen Reichsfürsten und Grafen, deren Besitzungen der preußischen Monarchie einverleibt worden sind, die sogen. StandesHerren. Der Art. 4 VU.1) hatte zwar die Vorrechte auch dieser Stände beseitigen wollen, nachdem indessen durch das Gesetz vom 10. 7. 1858 anerkannt war, daß die Bestimmungen der Verfassungsurkunde einer Wiederherstellung der Vorrechte der Mediatisierten nicht im Wege ständen,) ergingen auf Grund dieses Ge= sezes zwei Verordnungen v. 12. 11. 1855. Diese beiden Verordnungen, sowie eine Reihe anderer Geseze 3) haben dann die Vorrechte für die obengenannten Stände festgesezt. Da Reichsrecht dem Landesrecht vorgeht, so sind die Vorrechte auf allen den Gebieten aufgehoben, auf denen eine reichsrechtliche Regelung stattgefunden hat, ohne daß ein solches Privileg wiederholt wurde. Die Vorrechte, die danach den obengenannten noch zustehen, sind in der Hauptsache folgende:

1. für das königliche Haus:

a) Befreiung von der Wehrpflicht; 4)

b) Befreiung von der Einquartierungslast bezüglich der ihnen gehörigen Wohngebäude im Frieden, von Vorspannleistung, von Furagelieferung in bestimmtem Umfange;5)

c) Befreiung von direkten Staatssteuern und Abgaben sowie von kommunalen Steuern und Diensten, soweit leztere nicht auf Grundstücken liegen;")

1) vgl. für das Folgende Arndt, VU. für den preuß. Staat Anm. 3 zu Art. 4.

2) vgl. das Ges. v. 10. 6. 1854 betr. die Deklaration der Verfassung v. 31. 1. 1850 usw.

3) vgl. die beiden Ges. v. 25. 10. 1878, die Ges. v. 27. 6. 1875, v. 24. 6. 1891, v. 14. 7. 1873, die Verordn. v. 28. 4. 1867, v. 11. 5. 1867 usw. 4) KriegsdienstG. v. 9. 11. 1867 § 1.

5) QuartierleistG. v. 25. 6. 1868 § 4; NatLeistG. b. 24. 5. 1898 §§ 3, 5. EinkStG. v. 24. 6. 1891 in der Fassung v. 19. 6. 1906 § 3; Erget. vom 14. 7. 1893 in der Fassung v. 19. 6. 1906 § 3; KommAbgG. v. 14. 7. 1893 §§ 24a, 40 Biff. 1 § 68.

d) besonderer strafrechtlicher Schutz gegen Beleidigungen;1) e) Portofreiheit, doch gilt dieses Vorrecht nur für den König, seine Gemahlin und die königlichen Witwen; 2)

f) besonderer Gerichtsstand vor dem Minister des königlichen Hauses in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit.3)

g) Streitigkeiten der Mitglieder des königlichen Hauses werden auf dem Wege der Austräge erledigt, die durch den Hausminister vorzubereiten sind.

h) Die Reichsjustizgeseze Gerichtsverfassungsgeset, Strafprozeßordnung, Zivilprozeßordnung und Konkursordnung gelten nur, soweit durch Haus- oder Landesgeseze nichts anderes bestimmt ist,) außerdem haben die Mitglieder des königlichen Hauses bei Rechtsstreitigkeiten mit dritten Personen ihren Gerichtsstand in erster und zweiter Instanz vor dem mit dem Kammergericht verbundenen Geheimen Justizrat, in letter Instanz vor dem Reichsgericht; 5) für Zeugenvernehmung und Eidesleistung gelten besondere Vorschriften für sie;) Verhaftung ist nur kraft Auftrages des Königs gestattet.

i) Für das ganze bürgerliche Recht gelten in erster Linie die Hausgesete, dann die Landesgeseze und erst in dritter Linie die Reichsgesetze.

k) Autonomie hinsichtlich ihrer Rechtsverhältnisse.

Endlich ist der König überhaupt vom Strafrecht ausgenommen. 2. Für das fürstliche Haus Hohenzollern gelten die vorstehend unter a, b, c, f, h u. k aufgeführten Bevorzugungen.

3. Für die 1866 depossedierten Familien und das schleswigholsteinische Fürstenhaus gelten die vorstehend unter a, f u. h aufgeführten Vorrechte; außerdem sind sie von der staatlichen Einkommen- und Ergänzungssteuer befreit.

4. Für die standesherrlichen Häuser endlich gelten in der Hauptsache noch folgende Bevorzugungen:

a) sie haben das Recht der Ebenbürtigkeit mit den regierenden deutschen Fürstenhäusern;

b) ihre Häupter sind Mitglieder des Herrenhauses;

c) ihre Mitglieder sind von der Militärpflicht befreit, ebenso

1) StGB. §§ 96 f., 100.

2) PortofreihG. v. 5. 6. 1869 § 1.

3) vgl. Ges. v. 26. 4. 1851 Art. 3 Nr. 1 Abs. 3.

4) EG. 3. GVG. § 5; EG. z. StPO. § 4; EG. z. ZPO. § 5; EG. z. KO. § 7.

5) vgl. Ges. v. 26. 4. 1851; preuß. AG. z. GVG. v. 24. 4. 1878.

3. §§ 219, 375, 482; StPO. §§ 71, 72; preuß. AG. z. ZPO. § 2.

7) EG. z. BGB. Art. 57.

8) vgl. im einzelnen Rönne a. a. D. Bd. 2 S. 47 ff.

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