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§ 58.

Die Abschaffung der Verwaltungsrechtspflege und der polizeilichen Strafgerichtsbarkeit.

"

§ 49 der Grundrechte bestimmt: Die Verwaltungsrechtspflege hört auf; über alle Rechtsverlegungen entscheiden die Gerichte. Der Polizei steht keine Strafgerichtsbarkeit zu“.

Wie sich aus Sat 2 und 3 dieses Paragraphen ergibt, wollte Sat 1 nur ausschließen eine Entscheidung der Verwaltungsbehörden über die zivil- und strafrechtliche Haftbarkeit für Rechtsverlegungen. In diesem Sinne ist der Paragraph durch das heutige Recht verwirklicht. Es gibt allerdings eine Verwaltungsrechtspflege, der die Entscheidung von Streitigkeiten des öffentlichen Rechts obliegt, indes widerspricht deren Borhandensein nicht dem § 49 der Grundrechte. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist in Preußen geregelt durch das Ges. über die allgemeine Landesverwaltung v. 30. 7. 1883.

Danach bildet das Verwaltungsgericht für den Kreis der Kreisausschuß, für den Bezirk der Bezirksausschuß, während in höchster Instanz das Oberverwaltungsgericht in Berlin entscheidet. Die Ansprüche in diesem Verwaltungsstreitverfahren werden mit der Verwaltungsklage verfolgt.

In beschränktem Maße ist diesen Verwaltungsgerichten allerdings auch die Entscheidung von Straffsachen übertragen, so durch reichsrechtliche Anordnung für Poststrafsachen,1) für gewisse Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften der Seemannsordnung usm.2)

Zugelassen ist ferner ein Verwaltungsstrafverfahren für Übertretungen und für Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften über die Erhebung öffentlicher Abgaben und Gefälle.") In diesen Bestimmungen liegt eine Einschränkung von der Forderung des § 49 der Grundrechte, daß die Gerichte über alle Rechtsverletzungen entscheiden sollen.

Auch Sat 2 des § 49 der Grundrechte ist seiner ratio nach durch das heutige Recht verwirklicht. Die Polizei kann allerdings Polizeiverordnungen erlassen, das sind Strafgeseze polizeilicher Natur, die an sich, ebenso wie andere Strafgesetze, im Wege der

1) vgl. PostG. v. 28. 10. 1871 §§ 34 ff.
2) vgl. § 101 Seem. v. 27. 12. 1872.
3) vgl. Löwe a. a. D. S. 32 f. Anm. zu § 13.

Gesetzgebung erlassen werden müßten, deren Erlaß ihr jedoch durch die Gesetzgebung übertragen worden ist.1)

Dementsprechend hat dann die Polizei in Strafsachen auch eine gewisse richterliche Befugnis,) d. h. sie kann wegen übertretungen, aber nur wegen dieser, durch polizeiliche Verfügung Strafen festseßen, nämlich Geldstrafen bis zu 30 Mk., Haft bis zu drei Tagen und Einziehung.)

Indes steht es dem Betroffenen frei, durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung stets noch das ordentliche Strafverfahren vor dem Schöffengericht herbeizuführen1) und dadurch die Strafgerichtsbarkeit der Polizei aufzuheben.

§ 59.

Die Wirksamkeit und Vollstreckbarkeit der Urteile.

§ 50 der Grundrechte, der letzte Paragraph, bestimmt: „Rechtskräftige Urteile deutscher Gerichte sind in allen deutschen Landen gleich wirksam und vollziehbar. Ein Reichsgesetz wird das Nähere bestimmen".

Die Behandlung dieses Paragraphen erübrigt sich an und für sich, da die Arbeit nur das preußische Recht behandelt. Er ist voll verwirklicht schon dadurch, daß das ganze Reichsgebiet in fast allen prozeßrechtlichen Beziehungen wie das Gebiet eines Staates behandelt wird.")

„Nach dem Grundgedanken, auf welchem die Vorschriften der Prozeßordnungen und des Gerichtsverfassungsgeseßes beruhen, erstreckt sich die Gerichtsgewalt eines jeden deutschen Gerichts auf alle sich im Deutschen Reiche aufhaltenden Personen, dieselben mögen dem Bundesstaate des Prozeßgerichts oder einem anderen Bundesstaate angehören. Hieraus ergibt sich ohne ausdrückliche Bestimmung von selbst, daß die Entscheidungen eines deutschen Gerichts durch ganz Deutschland vollstreckbar sind.“)

Dieser Grundgedanke ist z. B. in den §§ 161, 162 GVG. zum Ausdruck gelangt, wonach zur Herbeiführung bestimmter prozes= fualer Handlungen eine Mitwirkung des Gerichts, in dessen Be

1) vgl. das PolizeiverwG. v. 11. 3. 1850 nebst dem LandesverwG. v. 30. 7. 1883 §§ 136 ff.

vgl. § 6 Abs. 2 EG. z. StPO. und § 453 StPO.

3) vgl das AG. betr. den Erlaß polizeilicher Strafverfügungen wegen übertretungen d. 23. 4. 1883.

4) §§ 454-456 StPO.

5) vgl. Löwe a. a. D. S. 24 Anm. 1.

6) Motive S. 90.

zirk sie vorgenommen werden sollen, regelmäßig nicht erforder= lich ist.1)

Endlich hat noch das zum Reichsgesez erklärte Ges. v. 21. 6. 1869 betr. die Vorschriften über die Rechtshilfe ausdrücklich bestimmt, daß die in einem Bundesstaate ergangenen rechtskräftigen Erkenntnisse im ganzen Reichsgebiet vollstreckbar seien, und daß wenn eine zivilrechtliche Streitigkeit in einem Bundesstaate rechtskräftig entschieden sei, die Rechtskraft vor jedem Gericht der übrigen Bundesstaaten geltend gemacht werden könne.")

Daraus ergibt sich, daß die Forderungen des § 50 der Grundrechte voll und ohne Einschränkungen für das ganze Reich verwirklicht sind.

Elftes Kapitel.

Die Grundrechte der Gemeinden.

Vorbemerkung.

Der Katalog der von der Frankfurter Nationalversammlung als solche aufgestellten Grundrechte ist hiermit erledigt. In der Verfassung des Deutschen Reichs v. 28. 3. 1849, die die vorstehend behandelten Grundrechte, wie schon erwähnt, wörtlich aufgenommen hat, folgen indes nach dem eben behandelten § 50 der Grundrechte noch sechs Paragraphen in vier Artikeln, die dort ebenfalls mit zu den Grundrechten gerechnet werden und deshalb hier noch mit behandelt werden sollen.

§ 60.

Die Grundlagen der Gemeindeverfassungen.

§ 184 RV. bestimmt: „Jede Gemeinde hat als Grundlage ihrer Verfassung:

a) die Wahl ihrer Vorsteher und Vertreter;

b) die selbständige Verwaltung ihrer Gemeindeangelegenheiten mit Einschluß der Ortspolizei, unter geseßlich geordneter Oberaufsicht des Staates;

c) die Veröffentlichung ihres Gemeindehaushalts;

d) Öffentlichkeit der Verhandlungen als Regel".

1) vgl. die §§ 161 f. GVG.

2) vgl. §§ 7 ff. a. a. D.
3) vgl. § 19 a. a. D.

Es kann auffallen, wie diese Bestimmungen über die Gemeinden in die Grundrechte kommen, die ja die dem Individuum dem Staate gegenüber zustehenden Rechte festsezen wollten. Die Antwort ergibt sich aus der historischen Entwicklung.

Der Gedanke des selbständigen Wirkungskreises der Gemeinde ist nach Jellinek1) nicht in Österreich entstanden, wie L. v. Stein2) und Gierke) annehmen, sondern gehört zu den Ideen von 1789. Die französische Constituante hat ihm zuerst Ausdruck gegeben. Der Gedankengang dabei war folgender: Die französische Revolution hatte, im Versuch, die naturrechtlichen Lehren zu verwirklichen, die Menschenrechte formuliert, um eine scharfe Grenzlinie zwischen Staat und Individuum zu ziehen und dem letteren einen Bestand eigener unantastbarer Rechte zu sichern. In Anwendung des naturrechtlichen Gedankens auf die Gemeinden kam man dann zu der Idee von dem selbständigen Wirkungskreis der Gemeinde. Wie der einzelne Mensch, so sollte auch die Gemeinde ihre Grundrechte haben, die der Staat nicht schafft, sondern nur anerkennt, die nicht delegiert, sondern der Gemeinde gleichsam angeboren sind.*)

Auf demselben Gedankengang beruht auch die Aufnahme des § 184 in die Reichsverfassung von 1849.

Dieser Standpunkt wurde zwar in Frankreich, wo die Selbstverwaltung heute bekanntlich außerordentlich eingeschränkt ist, sehr bald wieder verlassen, die Gedanken wirkten aber in Deutschland fort und fanden hier ihren ersten Niederschlag in der Städteordnung des Freiherrn vom Stein vom Jahre 1808.

Jedoch besteht ein ungeheurer Unterschied zwischen dieser Städteordnung und dem französischen Gedankengange, denn nach dem deutschen Gesetz beruht der selbständige Wirkungskreis der Gemeinde auf staatlicher Verleihung; nur so weit ihr das Gesetz die Befugnis gibt, erstrecken sich ihre Kompetenzen.

Im wesentlichen waren nun die Bestimmungen dieses Paragraphen, abgesehen von der Bestimmung unter c, in den Art. 105 VU. aufgenommen. Dieser Artikel ist jedoch aufgehoben, und der jezige Art. 105 VU. bestimmt nur, daß die Vertretung der Gemeinden usw. durch besondere Geseze näher bestimmt werden soll, ohne bestimmte Grundsäge anzugeben, die bei Erlaß dieser Gesetze berücksichtigt werden sollen.

1) Jellinek, System usw. S. 264 f.

2) Die vollziehende Gewalt Bd. 2 S. 282, 322.

3) Genossenschaftsrecht Bd. 1 S. 744.

4) So Jellinek, System usw. S. 264 ff.

v. Münchhausen.

11

In Betracht kommen, da die mehrfachen Versuche zu einer einheitlichen Regelung der Materie fehlgeschlagen sind, die verschiedenen in Preußen gültigen Städte- und Landgemeindeordnungen. Vorsteher und Vertreter der Gemeinden sind in den Städten Bürgermeister, Magistrat und Stadtverordnete, in den Landgemeinden Gemeindevorsteher, Schöffen und Gemeindevertretung bezw. -versammlung.

Alle diese Personen und Körperschaften werden von ihren betreffenden Gemeinden gewählt, abgesehen natürlich von der Gemeindeversammlung, bei der eine Wahl begrifflich ausgeschlossen ist.1) Insoweit ist also die Ziff. a des § 184 durch das heutige Recht erfüllt, jedoch bedürfen die gewählten Bürgermeister, Beigeordneten, Schöffen und besoldeten Magistratsmitglieder in den Städten, ebenso wie die Gemeindevorsteher und Schöffen in den Landgemeinden der Bestätigung,) was nach dem Wortlaut der Ziff. a jedenfalls als eine Einschränkung anzusehen ist. Es ist jedoch zweifellos, daß diese Einschränkung im staatlichen Interesse unbedingt erforderlich ist, und daß der Staat auf sie nicht verzichten kann, schon aus dem Grunde, weil die zu Bestätigenden gleichzeitig staatliche Organe werden, denen die Ausübung gewisser Staatshoheitsrechte delegiert ist. Der Staat muß sich demnach einen wesentlichen Einfluß auf ihre Ernennung vorbehalten.

Auch die Vorschriften der Ziff. b des § 184 sind im wesentlichen durch das heutige Recht verwirklicht. So beruhen die Städteordnungen, die zu der in der Steinschen Städteordnung herrschenden freien Auffassung zurückgekehrt sind, auf dem Grundfaze voller Selbstverwaltung,3) die vom Bürgermeister und Magistrat unter Mitwirkung der Stadtverordneten geführt wird, und ebenso führen in den Landgemeinden Ortsvorsteher und Gemeindeversammlung bezw. -vertretung die Verwaltung ihrer Angelegen= heiten.*)

Daß diese Verwaltung unter der Oberaufsicht des Staates geführt wird, ist selbstverständlich und auch schon durch den § 184 selbst anerkannt. In Preußen führt diese Oberaufsicht bezüglich der Städte der Regierungspräsident bezw. der Landrat, bezüglich der Landgemeinden der Landrat. Besonders ausgedehnt ist diese Aufsicht aus kommunalen und allgemeinen Rücksichten bei den Gemeindeforsten, wo sie stellenweise zur vollständigen Bewirtschaftung durch Staatsforstbeamte gesteigert ist.

1) vgl. §§ 29-31, 12-28 Städte. v. 30. 5. 1853; §§ 74f. LGD. v. 3. 7. 1892 und die übrigen preuß. StädteO. und LGO.

2) § 33 StädteD., § 84 LGD.

vgl. §§ 9f. Städte. v. 30. 5. 1853.

4) vgl. §§ 88 f., 102f. LGD. v. 3. 7. 1891.

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