Obrazy na stronie
PDF
ePub

Ebensowenig ist das übrigens durch Art. 49 VU. stark beschnittene Abolitionsrecht des Königs als eine Einschänkung anzusehen, da dieses Recht nur eine aus dem Begnadigungsrecht folgende Befugnis ist.1)

Es ist endlich auch keine Einschränkung der Bestimmung, daß Ausnahmegerichte unstatthaft sein sollen, wenn nach Erflärung des Belagerungszustandes die Gerichtsbarkeit durch sogen. Kriegsgerichte oder Standrechte ausgeübt wird, was auch der § 16 GVG. anerkennt.) Denn diese Gerichte gehören zu den reichsrechtlich zugelassenen bezw. bestellten Sondergerichten, sind also nicht als Ausnahmegerichte im Sinne der Grundrechte bezw. des § 16 GVG. anzusehen ebensowenig wie die sonstigen Sondergerichte), da sie für jeden zuständig sind, der unter die allgemeinen Bestimmungen des Kriegszustandes oder Standrechts oder der anderen Sondergerichte fällt.1)

§ 52.

Die Aufhebung aller privilegierten Gerichtsstände.

§ 43 der Grundrechte bestimmt: „Es soll keinen privilegierten Gerichtsstand der Personen oder Güter geben.

Die Militärgerichtsbarkeit ist auf die Aburteilung militärischer Verbrechen und Vergehen, sowie der Militärdisziplinarvergehen beschränkt, vorbehaltlich der Bestimmungen für den Kriegsstand“.

Der Sat 1 dieses Paragraphen ist durch das heutige Recht im allgemeinen für Deutschland anerkannt. Hinsichtlich des Gerichtsstandes der Personen bestimmt die Zivilprozeßordnung: „Der allgemeine Gerichtsstand einer Person wird durch den Wohnsiz bestimmt“5) und: „Das Gericht, bei welchem eine Person ihren allgemeinen Gerichtsstand hat, ist für alle gegen dieselbe zu erhebenden Klagen zuständig, sofern nicht für eine Klage ein ausschließlicher Gerichtsstand begründet ist".) Durch diese Bestimmungen ist auch zugleich prinzipiell ein privilegierter Gerichtsstand der Güter ausgeschlossen. Die in den §§ 24ff. 3PO. festgesetzten besonderen Gerichtsstände, wie das forum rei sitae usw. enthalten natürlich keine Einschränkung des fraglichen Grundsages, da sie keine privilegierten Gerichtsstände darstellen.

1) So Schwarz a. a. D. S. 140.

2) Die Ausnahme im Schlußsag des § 16 GVG. ist bedingt durch Art. 68 RV. und für den oben angeführten Art. 7 VU. ausgesprochen in Art. 111.

3) vgl. § 14 GVG.

4) So Schwarz a. a. D. S. 67.

5) § 13 a. a. D.

6) § 12 a. a. D.

Es bestehen indes einige Einschränkungen von obigem Grundsaz, und zwar in Preußen einmal hinsichtlich des Landesherrn und seiner Familie, der Mitglieder der fürstlichen Familie Hohenzollern, des vormaligen hannoverschen Königshauses, des vormaligen kurhessischen und des vormaligen herzoglich nassauischen Fürstenhauses) sodann hinsichtlich der Standesherren.2)

Auf die erstgenannten Personen finden die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes, der Zivilprozeßordnung und der Strafprozeßordnung nur insoweit Anwendung, als nicht besondere Vorschriften der Hausverfassungen oder der Landesgesetze abweichende Bestimmungen enthalten, hinsichtlich der letzteren ist das ihnen landesgeseßlich gewährte Recht auf Austräge durch das Einführungsgesez des Gerichtsverfassungsgesetzes aufrechterhalten.

Die in der fraglichen Hinsicht für diese Personen geltenden Bestimmungen sind folgende: Der König ist unverleglich,3) d. H. eine Strafgerichtsbarkeit über ihn besteht überhaupt nicht. In vermögensrechtlicher Beziehung nimmt er, ebenso wie die Mitglieder seines Hauses und der fürstlichen Familie Hohenzollern, vor dem „Geheimen Justizrat" Recht, d. h. einem mit dem Kammergericht verbundenen besonderen Gerichtshof, der aus Mitgliedern des Kammergerichts gebildet wird. Jede Vollstreckungshandlung gegen die Person des Monarchen oder die Kronrente ist ausgeschlossen.4)

Die Standesherren das sind nur die Häupter, nicht die übrigen Mitglieder der vormals reichsunmittelbaren fürstlichen und gräflichen Häuser, auf deren Rechtszustand zur Zeit des Deutschen Bundes der Art. 14 der deutschen Bundesakte v. 8. 6. 1815 Anwendung fand") -die Standesherren also haben ein Recht auf Austräge nach der Instruktion v. 30. 5. 1820 § 17. Sie sind danach in Strafsachen von der ordentlichen Gerichtsbarkeit befreit. In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten ist ihr privilegierter Gerichtsstand dagegen durch das Gerichtsverfassungsgesetz beseitigt.) Sie haben endlich noch einen privilegierten Gerichtsstand in Sachen der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit, der weder durch das Gerichtsverfassungsgeseß, das sich überhaupt nur auf die streitige Gerichtsbarkeit bezieht, noch durch das Reichsgesetz

1) vgl. § 5 EG. 3. GVG.; § 5 EG. z. ZPD.; § 4 EG. z. StPO.

2) vgl. § 7 EG. z. GVG.

3) vgl. Art. 43 ŇU.

4) vgl. Arndt a. a. D. S. 138 Anm. zu Art. 43.

5) vgl. Löwe, Die Strafprozeßordnung für das Deutsche Reich 10. Aufl. 1900 S. 11 Anm. 6.

6) vgl. Löwe a. a. D. S. 12 Anm. 9.

über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit v. 17. 5. 1898 aufgehoben ist.1)

Endlich sind der inländischen Gerichtsbarkeit überhaupt nicht unterworfen die Chefs und Mitglieder der bei dem Deutschen Reich beglaubigten Missionen. Die Chefs und Mitglieder der bei einem Bundesstaat beglaubigten Missionen sind der Gerichtsbarkeit dieses Staates nicht unterworfen, dasselbe gilt von den Mitgliedern des Bundesrats, die nicht von dem Staate abge= ordnet sind, in dessen Gebiet der Bundesrat seinen Siz hat.2)

Das vorstehend über diese Exterritorialen Ausgeführte gilt auch von ihren Familiengliedern, ihrem Geschäftspersonal und ihren nicht deutschen Bediensteten.8)

Nicht erfüllt durch das heutige Recht ist der Sat 2 des § 43 der Grundrechte.

§ 7 EG. 3. GLG. sagt, daß die Militärgerichtsbarkeit durch das Gerichtsverfassungsgesetz nicht berührt werde. Das Reichsmilitärgeset v. 2. 5. 1874 bestimmt dann in übereinstimmung mit Art. 37 VU.:

"

‚Die besondere Gerichtsbarkeit über Militärpersonen beschränkt sich auf Strafsachen und wird durch Reichsgesetz geregelt".") Andererseits ist die Anwendung der allgemeinen Strafgeseße auf Militärpersonen ausgeschlossen, soweit das Militärstrafgesetzbuch Strafbestimmungen für den betreffenden Fall enthält.) Das hier in Aussicht gestellte Reichsgesetz ist ergangen als Militärftrafgerichtsordnung v. 1. 12. 1898. Nach den Vorschriften dieses Gesetzes haben die Militärgerichte die fast ausschließliche Gerichtsbarkeit in Strafsachen über alle Militärpersonen.")

Diese unterliegen mit gewissen Ausnahmen (vgl. §§ 7—9 StGO.) der Militärstrafgerichtsbarkeit sogar wegen der vor dem Diensteintritt begangenen strafbaren Handlungen, und ebenso wird durch die Beendigung des die Militärstrafgerichtsbarkeit be= gründenden Verhältnisses hinsichtlich der vorher begangenen strafbaren Handlungen die Zuständigkeit der Militärgerichte nicht aufgehoben.8)

1) vgl. Löwe a. a. D. S. 12 Anm. 10.

2) § 18 GVG.

3) § 19 GVG.

4) vgl. § 39 Abs. 1 a. a. D.

5) vgl. § 10 StGB.; § 3 MilStGB.

6) Die dahingehörenden Personen f. in § 1 MilStGO. v. 1. 12. 1898.

7) § 6 MilStGO.

9) § 10 a. a. D.

4. Münchhausen.

10

Den Zivilgerichten steht dagegen eine Gerichtsbarkeit über Militärpersonen nur noch in ganz beschränktem Umfange zu, in der Hauptsache bei Zuwiderhandlungen gegen Finanz- und Polizei-, Jagd- und Fischereigeseße und gegen Verordnungen, in denen nur Geldstrafe und Einziehung angedroht sind.1)

Im Zivilprozeß haben die Militärpersonen selbstverständlich vor den ordentlichen Gerichten Recht zu suchen. Ihr Gerichtsstand bestimmt sich nach ihrem jeweiligen Standort.

§ 53.

Die Unabsehbarkeit der Richter.

§ 44 der Grundrechte bestimmt: „Kein Richter darf, außer durch Urteil und Recht, von seinem Amte entfernt oder an Rang und Gehalt beeinträchtigt werden. Suspension darf nicht ohne gerichtlichen Beschluß erfolgen. Kein Richter darf wider seinen Willen, außer durch gerichtlichen Beschluß in den durch das Gesetz bestimmten Fällen und Formen, zu einer anderen Stelle versezt oder in Ruhestand gesezt werden".

Der Zweck dieses Paragraphen war, die Richter gegen jede mögliche Beeinflussung durch Vorgesezte oder den Staat zu sichern. Nachdem er seinem wesentlichen Inhalte nach schon in Art. 87 VU. übergegangen und damit für Preußen verwirklicht war, sind seine Forderungen jezt in vollem Umfange für das ganze Reich erfüllt durch die §§ 6—8 GVG., wonach Richter auf Lebenszeit ernannt werden, ein festes Gehalt mit Ausschluß von Gebühren beziehen und wider ihren Willen nur kraft richterlicher Entscheidung und nur aus den Gründen und unter den Formen, welche die Geseze bestimmen, dauernd oder zeitweise ihres Amtes enthoben oder an eine andere Stelle oder in Ruhestand versezt werden fönnen.")

Die vorläufige Amtsenthebung soll allerdings durch diese Vorschriften nicht berührt werden,3) da indes auch sie nur kraft Gesezes eintritt, so kann auch hierdurch keine unzulässige Einwirkung auf die Richter ausgeübt werden.. Der ratio legis nach ist also der § 44 der Grundrechte voll verwirklicht.

Einschränkungen von seinem Prinzip gibt es nicht. Daß die Fälle der unfreiwilligen Amtsentseßung und Verseßung, die zur

1) §2 a. a. D.; vgl. auch §§ 3, 4 a. a. D.

2) 1. §§ 6, 7, 8 Abs. 1 GVG.

3) § 8 Abs. 2 GVG.

Strafe wegen Dienstvergehen usw. der Richter eintreten können,1) keine Einschränkungen sind, haben schon die Grundrechte selbst anerkannt. Auch der in Abs. 3 des § 8 GVG. geregelte Fall, wonach bei einer Veränderung in der Örganisation der Gerichte oder ihrer Bezirke unfreiwillige Versetzungen an ein anderes Gericht oder Entfernungen vom Amte durch die Landesjustizverwaltung verfügt werden können, enthält keine Einschränkung der richterlichen Unabhängigkeit, da die Versehung und Entfernung vom Amt nur unter Belassung des vollen Gehalts verfügt werden fann.2)

§ 54.

Die Öffentlichkeit und Mündlichkeit des Ver

fahrens.

§ 45 der Grundrechte bestimmt: „Das Gerichtsverfahren soll öffentlich und mündlich sein.

Ausnahmen von der Öffentlichkeit bestimmt im Interesse der Sittlichkeit das Gesetz“.

Der

Auch dieser Paragraph der Grundrechte enthält außerordentlich wichtige Forderungen, die damals, als sie aufgestellt wurden, für den größten Teil Preußens noch nicht verwirklicht waren. Grundsaß der Öffentlichkeit ist im Interesse der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Rechtsprechung aufgestellt, damit die öffentliche Meinung jederzeit in der Lage ist, selbst diese wichtigsten Erfordernisse der Justiz zu überwachen. Es ist klar, daß die Erfüllung dieser Forderung, wie nichts anderes, imstande ist, das Vertrauen des Volkes zur Rechtsprechung zu schaffen und zu erhalten.

Der Grundsat der Mündlichkeit bedeutet nicht nur eine sehr erhebliche Abkürzung des Verfahrens, sondern gleichzeitig auch einen Sieg der Sache über die Form, des inhaltlichen über das förmliche Recht.)

Die Öffentlichkeit der Verhandlung war für Zivil- und Strafsachen in Preußen schon durch Art. 93 BU. grundsäßlich anerkannt.4) Sie ist jezt für das ganze Reich durchgeführt durch die Bestimmung

1) In Preußen geregelt durch das Ges. v. 7. 5. 1851 betr. die Dienstvergehen der Richter und die unfreiwillige Verseßung derselben auf eine andere Stelle oder in den Ruhestand, abgeändert durch Ges. v. 26. 3. 1856 und gültig für den ganzen Umfang der Monarchie.

2) vgl. § 8 Abs. 3 GVG.

3) vgl. Hue de Grais a. a. D. S. 282.

Art. 93 VU.: „Die Verhandlungen vor dem erkennenden Gericht in Zivil

und Straffachen sollen öffentlich sein".

« PoprzedniaDalej »